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Stand der Technik
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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Erkennung von Bremsfading in einer elektronisch schlupfregelbaren Fahrzeugbremsanlage nach den Merkmalen des Oberbegriffs des Anspruchs 1.
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Elektronisch schlupfregelbare Fahrzeugbremsanlagen verschiedener Ausbaustufen, wie beispielsweise mit Antiblockierschutz-, Antriebsschlupf- und/oder mit Fahrdynamikregelung ausgestattete Fahrzeugbremsanlagen, sind hinlänglich bekannt. Beispielhaft sei diesbezüglich aus die in der
DE 102006037171 A1 offenbarte Fahrzeugbremsanlage hingewiesen.
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Diese bekannte Fahrzeugbremsanlage umfasst einen Bremsdruckerzeuger in Form eines von einem Fahrer betätigbaren Hauptbremszylinders, an welchen zwei Bremskreise mit jeweils zwei zugeordneten Radbremsen angeschlossen sind. Jeder Radbremse ist eine Druckmodulationseinrichtung aus einem Druckaufbauventil und einem Druckabsenkventil pro Radbremse vorgeschaltet. Zur Anpassung des Bremsdrucks der Radbremsen an die Schlupfverhältnisse an den jeweils zugeordneten Rädern sind diese Ventile von einem elektronischen Steuergerät ansteuerbar.
Dem Bremsdruckerzeuger ist ein Druckmittelvorratsbehälter zugeordnet, in dem ein Vorrat eines hydraulischen Druckmittels vorgehalten ist. Dieser Druckmittelvorratsbehälter gleicht u.a. durch Temperaturschwankungen bedingte Druckmittelvolumenschwankungen in den Bremskreisen aus, so dass bspw. ein Temperaturanstieg zu keinem Druckanstieg in einem der angeschlossenen Bremskreise führt.
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Ferner ist der Druckmittelvorratsbehälter über einen Rücklauf mit den Radbremsen verbunden und nimmt im Rahmen einer Bremsdruckregelung aus den Radbremsen abgelassenes Druckmittel auf.
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Druckmittelvorratsbehälter sind nie vollständig mit Druckmittel befüllt, sondern schließen ein Luftvolumen ein, damit aus den Radbremsen abzulassendes Druckmittel aufgenommen werden kann, ohne dass sich dabei im Inneren des Druckmittelvorratsbehälters unerwünschter Weise ein nennenswerter Gegendruck aufbaut bzw. ohne dass überschüssiges Druckmittel aus dem Druckmittelvorratsbehälter austritt. Auch durch die Fahrzeugbewegung bzw. durch die Fahrzeugbeschleunigung bedingte Schwankungen des Druckmittelspiegels im Druckmittelvorratsbehälter können dadurch ohne Druckmittelleckage oder Druckanstieg im Vorratsbehälter ausgeglichen werden.
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Die zwischen dem Luftvolumen und dem Druckmittel bestehende Trennschicht birgt allerdings die Gefahr, dass unerwünschter Weise Gas aus der Umgebungsatmosphäre in einen der Bremskreise gelangen kann. Um dies zu vermeiden ist es notwendig, dass der Füllstand des Druckmittelvorratsbehälters einen vorgegebenen Mindestfüllstand nicht unterschreitet.
Es ist deshalb üblich mittels einer geeigneten Sensorik den Füllstand des Druckmittelvorratsbehälters elektronisch zu überwachen und den Fahrer darauf hinzuweisen, falls der Füllstand zu weit abzusinken droht.
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Inzwischen sind Sensoriken am Markt erhältlich, welche nicht nur eine Grenzwertunterschreitung sensieren, sondern welche darüber hinaus imstande sind, Füllstandsänderungen kontinuierlich und unabhängig vom Füllstandsniveau zu überwachen. Derartige Sensoriken sensieren also Füllstandsänderungen auch dann, wenn diese innerhalb eines zulässigen Bereichs der Füllstandshöhe stattfinden.
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In Fachkreisen allgemein bekannt ist darüber hinaus, dass hydraulische Fahrzeugbremsanlagen zu Bremsfading neigen können, wenn ein im Rahmen von Bremsvorgängen erfolgender Energieeintrag in die Fahrzeugbremsanlage anhaltend größer ist, als ein stattfindender Temperaturabbau, also wenn sich die Fahrzeugbremsanlage betriebsbedingt zu stark erwärmt.
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Bremsfading bezeichnet eine nachlassende Bremswirkung infolge einer zu starken Erwärmung der Radbremsen und einer damit einhergehenden Verringerung des Reibwerts zwischen Reibbremsbelag und Rotationskörper, wie beispielsweise einer zugeordneten Bremsscheibe oder Bremstrommel. Mit der Erwärmung der Bremskomponenten der Fahrzeugbremsanlage geht zwangsweise eine Erwärmung des hydraulischen Druckmittels der Fahrzeugbremsanlage einher, welches sich dadurch ausdehnt und folglich zu einem Anstieg des ursprünglichen Füllstands im Druckmittelvorratsbehälter führt. Der Energieeintrag in das Fahrzeugbremssystem hängt u.a. vom jeweils aktuellen Reibwert an den Rädern von Vorder- und Hinterachse des Fahrzeugs, vom Beladungszustand des Fahrzeugs, von der thermischen Masse der Fahrzeugbremsanlage und von den Umgebungsbedingungen der Fahrzeugbremsanlage ab. Ein möglicher Temperaturabbau wird von den Restschleifmomenten der Bremsbeläge an den Bremskörpern (Bremsscheibe, Bremstrommel) beeinflusst, vom Zustand der Bremsbeläge und von der Kühlung der Radbremsen durch den vorbeiströmenden Luftstrom.
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Manche dieser Parameter sind von Sensoren einer schlupfgeregelten Fahrzeugbremsanlage erfassbar und können vom elektronischen Steuergerät berücksichtigt werden oder sind durch die konstruktive Auslegung der Fahrzeugbremsanlage bekannt. Andere Parameter unterliegen jedoch einer betriebsbedingten Veränderung, so dass im elektronischen Steuergerät hinterlegte Berechnungsmodelle zur Erkennung eines möglichen Bremsfadings in Abhängigkeit der Betriebszeit bzw. des Alters der Fahrzeugbremsanlage zunehmend ungenauere Ergebnisse liefern.
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Bremsfading kann zu einer deutlichen Verlängerung des Bremswegs führen bzw. kann im Extremfall lebensbedrohliche Gefahrensituationen für Fahrer und Umgebung hervorrufen, weil ein Fahrzeug dann nicht mehr innerhalb eines gewohnten Bremswegs bis zum Stillstand abgebremst werden kann. Zudem können die Bremskomponenten aufgrund des äußerst starken Wärmeeintrags irreparablen Schaden nehmen, was letztlich eine aufwändige und teure Reparatur der Bremsanlage nach sich zieht.
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Es ist daher ein erstrebenswertes Ziel, drohendes Bremsfading frühzeitig zu erkennen, um einer weiteren thermischen Belastung der Fahrzeugbremsanlage rechtzeitig entgegen wirken zu können. Insbesondere bei autonom fahrenden Kraftfahrzeugen kommt der Erkennung von Bremsfading eine besonders wichtige Rolle zu, insbesondere weil hier die Bremsenbetätigung nicht mehr von einem Fahrer vorgenommen wird.
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Vorteile der Erfindung
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Der Erfindung nach den Merkmalen des Anspruchs 1 liegt die überraschende Erkenntnis zugrunde, dass über eine Erfassung und Auswertung einer Änderung des Füllstands eines Druckmittelvorratsbehälters auf ein vorliegendes Bremsfading bei einer Fahrzeugbremsanlage rückgeschlossen werden kann und dass durch eine derartige Erfassung ein Bremsfading präziser festgestellt werden kann als mit konventionellen Berechnungsmethoden durch das elektronische Steuergerät.
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Die Erfindung macht sich dabei ohnehin vorhandene Sensorik zur kontinuierlichen Erfassung des Füllstands eines Druckmittelvorratsbehälters zu Nutze und spart demnach separat zu installierende und elektronisch zu vernetzende Erfassungseinrichtungen ein. Zudem ist die Erfindung in Gestalt eines software-basierten Algorithmus darstellbar und lässt sie sich deshalb besonders kostengünstig in das elektronische Steuergerät integrieren und für eine Großserie multiplizieren.
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Weitere Vorteile und vorteilhafte Weiterbildungen der Erfindung ergeben sich aus den Unteransprüchen und aus der nachfolgenden Beschreibung.
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Zeichnung
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Ein Ausführungsbeispiel der Erfindung ist in der Zeichnung dargestellt und wird in der nachfolgenden Beschreibung detailliert erläutert.
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Die einzige Figur veranschaulicht das der Erfindung zugrunde liegende Verfahren anhand eines Ablaufdiagramms.
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Beschreibung eines Ausführungsbeispiels
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Das nachfolgende Verfahren wird bei einer elektronisch schlupfgeregelten Fahrzeugbremsanlage ausgeführt, die wie eingangs erläutert, mit einem Bremsdruckerzeuger ausgestattet ist, an den wenigstens ein Bremskreis mit darin angeordneter Radbremse angeschlossen ist. Mit der Radbremse ist wenigstens mittelbar ein Druckmittelvorratsbehälter gekoppelt, in welchem ein hydraulisches Druckmittel vorgehalten ist. Der Füllstand des Vorratsbehälters wird von einer elektronischen Füllstandssensorik kontinuierlich erfasst und bevorzugt von einem die Schlupfregelung durchführenden elektronischen Steuergerät der schlupfregelbaren Fahrzeugbremsanlage, wie nachfolgend erläutert ausgewertet. Derartige Fahrzeugbremsanlagen sind unter den Begriffen ABS-, ASR- oder ESP-Bremsanlagen hinlänglich bekannt.
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Nach einem Start S des erfindungsgemäßen Verfahrens wird in einem ersten Verfahrensschritt 10 anhand des von der Füllstandssensorik gelieferten Meßsignals ermittelt, ob eine Änderung des Füllstands im Druckmittelvorratsbehälter stattfindet.
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Falls nein (Pos. 12), wird das Verfahren zu einem späteren Zeitpunkt von neuem gestartet. Falls jedoch eine Füllstandsänderung festgestellt worden ist (Pos. 14), wird in einem zweiten Schritt 20 abgefragt, ob es sich bei dieser Füllstandsänderung um einen Füllstandserhöhung oder um eine Füllstandsabsenkung handelt. Bei einer Füllstandsabsenkung wird das Verfahren beendet bzw. mit einem vorgebbaren Zeitverzug zu einem späteren Zeitpunkt wiederholt (Pos.22). Wird dagegen eine Füllstandserhöhung detektiert (Pos.24), schließt sich eine Plausibilitätsprüfung 30 an.
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Im Rahmen dieser Plausibiltätsprüfung 30 wird geklärt, ob die Füllstandserhöhung auf eine Temperaturerhöhung zurückzuführen ist oder ob andere Ursachen, wie beispielsweise ein sogenannter knock-back-Effekt, zugrunde liegen.
Ein knock-back-Effekt stellt sich beispielsweise ein, wenn sich das Fahrzeug in Kurvenfahrt befindet und die dabei auftretenden Querbeschleunigungen so groß sind, dass die rotierende Bremsscheibe einer Radbremse von den Fliehkräften gegen den zugeordneten Bremsbelag gedrückt und damit die Radbremse mechanisch in Öffnungsrichtung betätigt wird. Der den Bremsbelag betätigende Bremskolben der Radbremse wird dabei zurück in den Radbremszylinder hinein bewegt und das im Radbremszylinder befindliche Druckmittel wird folglich, über einen an die Radbremse angeschlossenen und mit dem Vorratsbehälter verbundenen Rücklauf, zurück in diesen Vorratsbehälter gepresst.
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Derart extreme Fahrzustände können von einer sogenannten Inertialsensorik 26 eines Fahrzeugs erkannt werden. Unter Inertialsensorik 26 wird in diesem Zusammenhang eine die Fahrdynamik erfassende Sensorik verstanden, welche u.a. die auf das Fahrzeug einwirkenden Beschleunigungen in Längs-, Quer- und/oder Hochachsenrichtung misst. Ein Großteil aktueller Fahrzeuge sind mit einer derartigen Inertialsensorik ausgestattet, um instabile Fahrzustände, wie beispielsweise eine Rotationsbewegung des Fahrzeugs um seine Längs-, Quer- und/oder Hochachse frühzeitig festzustellen und ggf. eine daran angepasste Fahrstabilitätsregelung durchzuführen. Im Rahmen dieser Fahrstabilitätsregelung werden dann die jeweiligen Radbremsen von der elektronisch schlupfregelbaren Fahrzeugbremsanlage unter Berücksichtigung der jeweils an den Rädern vorherrschenden Schlupfverhältnisse radindividuell mit Bremsdruck beaufschlagt. Ergibt sich aus der Auswertung der Signale dieser Inertialsensorik, dass die Volumenzunahme des Druckmittels im Druckmittelvorratsbehälter auf die Fahrzeugdynamik zurückzuführen ist (Pos.32) wird das Verfahren abgebrochen und zu einem beliebigen späteren Zeitpunkt wiederholt. Andernfalls ist von einer Volumenzunahme des Druckmittels aufgrund eines temperaturbedingten Energieeintrags in die Fahrzeugbremsanlage, d.h. von einer erwärmungsbedingten Ausdehnung des Druckmittels, auszugehen (Pos.34). Da zwischen dem Maß bzw. dem Verlauf einer Volumenzunahme von Druckmittel im Druckmittelvorratsbehälter und dem Energieeintrag in die Fahrzeugbremsanlage eine hohe Korrelation festgestellt wurde, lässt sich anhand einer Auswertung des von der vorhandenen Füllstandssensorik gelieferten Signalverlaufs relativ zuverlässig auf vorherrschendes bzw. bevorstehendes Bremsfading schließen.
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Bremsfading liegt bspw. vor bzw. ist zu erwarten, wenn der Füllstand des Druckmittelvorratsbehälters über einen Beobachtungszeitraum vorgebbarer Dauer stetig ansteigt und/oder wenn die Volumenzunahme einen entsprechenden vorgebbaren Grenzwert überschreitet bzw. zu überschreiten droht. Diese Kriterien werden im Schritt 40 überprüft.
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Führt Schritt 40 zu einem Positivergebnis (Pos. 44), so wird auf Bremsfading erkannt und vom elektronischen Steuergerät an den Fahrer, bzw. an die Fahrzeuginsassen eines autonom fahrenden Fahrzeugs, ein optisches, haptisches und/oder akustisches Warnsignal abgegeben (Schritt 50).
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Alternativ oder ergänzend dazu kann der maximal einstellbare Bremsdruck an den Radbremsen von einer elektronisch steuerbaren Fahrzeugbremsanlage durch einen dementsprechende Ansteuerung einer den Radbremsen vorgeschalteten Druckmodulationseinrichtung derart begrenzt werden, dass der Energieeintrag in die Bremsanlage bei einem Bremsvorgang möglichst im Gleichgewicht steht mit einer möglicherweise erreichbaren Bremsenkühlung, beispielsweise aufgrund der Umströmung der Radbremsen mit Umgebungsluft. Bei autonom fahrenden Kraftfahrzeugen kann das Signal beispielsweise auch benutzt werden um das Fahrzeug in eine Parkposition zu steuern und dort vorrübergehend zu parken bzw. stillzulegen, bis sich die Fahrzeugbremsanlage wieder auf eine zulässige Betriebstemperatur abgekühlt hat. Auch ggf. vorhandene Kühleinrichtungen am Fahrzeug zur aktiven Abkühlung der Bremsanlage lassen sich nach Vorliegen eines entsprechenden Signals in Betrieb nehmen.
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Ist demgegenüber eine Zunahme des Füllstands des Druckmittelvorratsspeichers nicht auf Bremsfading zurückzuführen, sondern durch die Fahrdynamik des Fahrzeugs bedingt, wie oben erläutert, so werden die erwähnten Vorsorgemaßnahmen unterdrückt und das bis dahin beschriebene Verfahren wird nach einem vorgebbaren Zeitverzug von Beginn an wiederholt (Pos. 42).
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Selbstverständlich sind Änderungen oder Ergänzungen am beschriebenen Verfahren vorstellbar, ohne von einem Grundgedanken der Erfindung abzuweichen.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- DE 102006037171 A1 [0002]