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Die Erfindung betrifft die Problematik der Rekonstruktion eines Nutzsignals aus einem rauschbehafteten Eingangssignal.
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Die von einem Sensor oder einer anderen technischen Einrichtung ausgegebenen Nutzsignale sind oft mit einem gewissen Rauschen behaftet. Gründe hierfür können äußere oder innere Rauschquellen sein. Zumindest zeitweise kann es vorkommen, dass das eigentliche Nutzsignal im Rauschen nahezu untergeht und damit als solche nicht ohne weiteres erfassbar ist. Das Signal-Rausch-Verhältnis (SNR = signal-tonoise ratio) des Nutzsignals ist dann gering. Dies kann zu Problemen führen, beispielsweise wenn das Nutzsignal als Rückkopplungssignal einer Regelung verwendet werden soll.
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Ein periodisches Nutzsignal kann als näherungsweise sinusförmiges Signal x(t) aufgefasst werden. Somit gilt:
mit
- • einer unbekannten und zeitlich veränderlichen Amplitude A des Nutzsignals,
- • einer unbekannten und zeitlich veränderlichen Kreisfrequenz ω des Nutzsignals,
- • einem unbekannten und zeitlich veränderlichen Nullphasenwinkel φ0 des Nutzsignals.
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Wenn mit dem Auftreten eines Rauschens bei einem solchen Nutzsignal gerechnet wird, stellt sich oft die Frage, wie aus der verrauschten Signal das eigentlich interessierende Nutzsignal rekonstruiert werden kann. Überdies sind häufig die Signalamplitude A und die Kreisfrequenz ω des Nutzsignals von Interesse.
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Ein solcher Fall kann eine aktive Schwingungskompensation bei einer mechanischen Struktur sein, deren Schwingung messtechnisch erfasst wird. Die Unbekanntheit der Signalparameter ω und A des Messsignals (Eingangssignal) können dann daher rühren, dass die Struktur fertigungs- oder ermüdungsbedingten Toleranzen unterliegt oder die Schwingungsanregung der Struktur nicht genau bekannt ist.
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Eine Möglichkeit, aus einem gemessenen, verrauschten Eingangssignal das darin enthaltene Nutzsignal in guter Näherung zu rekonstruieren, besteht darin, das Eingangssignal mit einem Tiefpassfilter zu glätten. Bei der Auswahl des Tiefpassfilters muss dann im Wesentlichen darauf geachtet werden, dass sich die zu erwartenden Kreisfrequenzen ω im Durchlassbereich des Tiefpassfilters befinden. Jedoch erhält man dann nicht automatisch einen Wert für die Amplitude A oder die Kreisfrequenz ω des Nutzsignals.
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Sofern die Kreisfrequenz ω des Nutzsignals bekannt ist, kann beispielsweise mit dem Goertzel-Algorithmus die Amplitude A ermittelt werden. Bei unbekannter Kreisfrequenz ω ist der Goertzel-Algorithmus nicht anwendbar.
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Die Ermittlung einer dominierenden Kreisfrequenz ω in einem verrauschten Eingangssignal sowie der zugehörigen Amplitude A ist bekanntermaßen mit der schnellen Fourier-Transformation möglich. Jedoch ist dies rechnerisch aufwändig, da bei der schnellen Fourier-Transformation keinerlei Nutzen daraus gezogen wird, dass ein dominierendes Signal mit der speziellen mathematischen Form der Gleichung (1) gesucht wird. Außerdem ist die Quantisierung der von der schnellen Fourier-Transformation ermittelten Kreisfrequenzen ω umso schlechter, je höher die Abtastrate und je kleiner der Auswertezeitraum ist. Hieraus können nicht-tolerierbar große Fehler bei der Ermittlung der Signalparameter A, ω und φ0 resultieren. Außerdem kann die Ausgabe der schnellen Fourier-Transformation selbst stark verrauscht sein.
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Des Weiteren sind verschiedene Parameteridentifikationsverfahren bekannt, um die Parameter eines sinusförmigen Nutzsignals der Gleichung (1) zu bestimmen. Bei den sogenannten algebraischen Parameteridentifikationsverfahren wird die Kreisfrequenz ω durch Division zweier verrauschter Signale errechnet. Üblicherweise handelt es sich bei diesen verrauschten Signalen zum einen um einen tiefpassgefilterten Verlauf des Eingangssignals und zum anderen um einen mit einem zum Tiefpassfilter synchronisierten mit einem zweifach zeitlich differenzierenden Tiefpassfilter berechneten Verlauf der zweiten zeitlichen Ableitung des Eingangssignals. Das Restrauschen im tiefpassgefilterten Verlauf sowie im zweifach differenzierten tiefpassgefilterten Verlauf führt, in Kombination mit der numerischen Division, zu einem deutlich verrauschten Schätzwert für ω. Weitere Parameteridentifikationsverfahren zur Ermittlung von ω beruhen auf der Methode der kleinsten Fehlerquadrate. Die Parameteridentifikationsverfahren liefern häufig keine guten Schätzwerte, wenn das Nutzsignal zu sehr von der mit Gleichung (1) angenommen Sinus-Form abweicht.
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Die Rekonstruktion eines Nutzsignals und dessen Kreisfrequenz ω aus einem verrauschten Eingangssignals ist außerdem mittels Phasenregelschleifen (PLL = phase locked loop) möglich. Diese können aber hinsichtlich des Rechenzeitbedarfs nachteilig sein. Phasenregelschleifen verfügen außerdem über verschiedene Betriebsbereiche. Der Haltebereich (hold-in range) kennzeichnet hierbei den äußerste Betriebsbereich, in dem eine Phasenregelschleife noch stabil arbeitet. Außerhalb des Haltebereichs arbeiten Phasenregelschleifen instabil.
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Aufgabe der Erfindung ist es daher, eine verbesserte Rekonstruktion eines Nutzsignals aus einem rauschbehafteten Eingangssignal anzugeben, sowie eine verbesserte Überwachung eines periodisch schwingenden Systems, sowie ein verbessertes Steuergerät zur Betätigung einer Vorrichtung anhand eines dem Steuergerät zugeführten Eingangssignals.
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Diese Aufgabe wird durch die in den Hauptansprüchen angegeben Gegenstände gelöst. Bevorzugte Ausführungsformen sind den Unteransprüchen entnehmbar.
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Demnach werden vorgeschlagen:
- • Ein Verfahren zur Rekonstruktion eines Nutzsignals aus einem rauschbehafteten Eingangssignal.
- • Ein Verfahren zur Überwachung eines periodisch (mechanisch oder elektrisch) schwingenden Systems, wobei die periodische Schwingung mit einem Sensor erfasst wird, der ein rauschbehaftetes Eingangssignal, enthaltend ein mit der erfassten Schwingung korrespondierendes Nutzsignal, ausgibt. Hierbei wird das Nutzsignal aus dem rauschbehafteten Eingangssignal rekonstruiert.
- • Ein Steuergerät zur Betätigung (insbesondere Steuerung oder Regelung) einer Vorrichtung anhand eines Nutzsignals, das dem Steuergerät als ein rauschbehaftetes Eingangssignal, enthaltend das Nutzsignal, zugeführt wird. Hierbei ist das Steuergerät dazu ausgeführt, das Nutzsignal aus dem rauschbehafteten Eingangssignal zu rekonstruieren.
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Grundintention hiervon ist, dass eine Echtzeit-Rekonstruktion eines sinusförmigen Signals unbekannter, zeitlich veränderlicher Amplitude A, Frequenz ω und Phasenlage φ0 erfolgen soll und eine Ermittlung zumindest der Signalparameter A und ω.
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Dies wird dadurch gelöst, dass die Rekonstruktion des Nutzsignals aus dem Eingangssignal mittels einer Kombination eines nichtlinearen Zustandsbeobachters mit einem (differenzierenden) Tiefpassfilter und dem zum Tiefpassfilter inversen Filter erfolgt.
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Vorgeschlagen wird somit zur Rekonstruktion des Nutzsignals den nichtlinearen Zustandsbeobachter in Kombination mit dem Tiefpassfilter und dem zum Tiefpassfilter inversen Filter auf das rauschbehaftete Eingangssignal anzuwenden. Dies erfolgt im Rahmen der vorgeschlagenen Verfahren. Dies erfolgt auch bei dem vorgeschlagenen Steuergerät, das entsprechend ausgeführt ist.
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Im Rahmen der Rekonstruktion werden auch zumindest die Signalparameter Amplitude A und Frequenz ω durch Schätzung automatisch mit ermittelt. Dementsprechend kann ausgewählt werden, ob der Verlauf des rekonstruierten Nutzsignals und/oder dessen Amplitude A und/oder dessen Kreisfrequenz ω ausgegeben werden soll.
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Ausgangspunkt der Erfindung stellt demnach das Eingangssignal dar. Dieses kann beispielsweise an einem Eingang des Steuergeräts anliegen. Das Eingangssignal kann beispielsweise ein Messsignal sein, also von einem Sensor stammen. Das Eingangssignal kann jedoch auch aus einer internen Berechnung oder von einem anderen Steuergerät stammen. Das Eingangssignal ist rauschbehaftet. Es umfasst somit das Nutzsignal, das von einem Rauschen überlagert wird. Das Rauschen kann von inneren und/oder äußeren Rauschquellen stammen.
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Besondere Vorteile der Erfindung sind, dass
- • weder die Frequenz ω noch die Amplitude A oder die Phasenlage φ0 des Nutzsignals bekannt sein müssen,
- • simultan die Frequenz ω und die Amplitude A geschätzt werden, sowie nahezu phasenverzugsfrei geglättete Werte des näherungsweise sinusförmigen Nutzsignals und seiner ersten zeitlichen Ableitung,
- • die ermittelten Signalparameter A, ω und φ0 durch implizite Tiefpasswirkung des nichtlinearen Beobachters ein geringes Rauschen aufweisen,
- • die Rekonstruktion des Nutzsignals auch bei zeitlich veränderlichen Frequenzen ω, Amplituden A und Phasenlagen φ0 des Nutzsignals möglich ist;
- • nur relativ wenige Rechenoperationen erforderlich sind, insbesondere gegenüber der schnellen Fourier-Transformation,
- • das vorgeschlagene Verfahren einfach applizierbar ist, da es nur wenige Parameter besitzt.
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Bevorzugt ist das Nutzsignal näherungsweise sinusförmig, mit einer unbekannten, zeitlich veränderlichen Amplitude A und mit einer unbekannten, zeitlich veränderlichen Kreisfrequenz ω und mit einem unbekannten, zeitlich veränderlichen Nullphasenwinkel φ0. Dadurch lässt es sich besonders effektiv mit den vorgeschlagenen Mitteln rekonstruieren. Je weiter das Nutzsignal von dieser mathematischen Form abweicht, desto ungenauer wird die Rekonstruktion.
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Das Nutzsignal weist dann also die mathematische Form nach Gleichung (1) auf:
wobei
- • x(t) der zeitliche Verlauf des Nutzsignals x ist,
- • A(t) die zeitlich veränderliche Amplitude A des Nutzsignals x ist,
- • ω(t) die zeitlich veränderliche Kreisfrequenz ω des Nutzsignals x ist,
- • φ0(t) der zeitlich veränderliche Nullphasenwinkel φ0 des Nutzsignals x ist.
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Bevorzugt ist das Tiefpassfilter ein linearer zeitinvarianter stabiler Filter. Die Verwendung eines solchen Filters hat sich als besonders vorteilhaft erwiesen. Das Filter kann daher auf einem bekannten Savitzky-Golay-Filter basieren, oder auf einem Legendre-Ableitungsschätzfilter, oder auf einem algebraischen Ableitungsschätzfilter oder auf einem Ableitungsschätzfilter, das auf einer orthogonalen Projektion des Eingangssignals auf die orthogonalen Hahn-Polynome beruht.
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Bevorzugt wird das vorgeschlagene Verfahren zeitdiskret, insbesondere numerisch, durchgeführt. Somit kann es auch einem Steuergerät durchgeführt werden. Hierbei hat sich als Tiefpassfilter die Verwendung eines PT1-Tiefpassfilter als vorteilhaft erwiesen, also ein Tiefpass 1. Ordnung.
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Bevorzugt wird das Verfahren in mehreren Schritten durchgeführt, insbesondere auf einem Steuergerät:
- • In einem ersten Schritt wird ein aktueller Wert x des Eingangssignals erfasst.
- • In einem zweiten Schritt wird ein Wert y und eine zeitliche Ableitung des Wertes y durch Anwendung des Tiefpassfilters auf den Wert x des Eingangssignals ermittelt.
- • In einem dritten Schritt werden Beobachterzustandsvariablen des nichtlinearen Zustandsbeobachters mittels des Wertes y und der zeitlichen Ableitung des Wertes y aktualisiert.
- • In einem vierten Schritt wird auf die im dritten Schritt mittels des Wertes y und der zeitlichen Ableitung des Wertes y aktualisierten Beobachterzustandsvariablen der zum Tiefpassfilter inversen Filter angewandt.
- • In einem fünften Schritt wird das somit aus dem Eingangssignal rekonstruierte Nutzsignal ausgegeben. Beispielsweise wird es an eine Regelung oder Steuerung ausgegeben oder es wird gespeichert oder sonstig weiterverarbeitet.
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Der zweite und dritte Schritt können hierbei auch zusammengefasst sein.
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Bevorzugt verfügt der nichtlineare Zustandsbeobachter über die Form (Gleichungen (2)):
mit den Beobachterzustandsvariablen (ξ
i)
i=1,2,3, wobei
ξ
1 ein Schätzwert für ξ
1 := y ist,
ξ
2 ein Schätzwert für
ist,
ξ
3 ein Schätzwert für
ist, mit der Kreisfrequenz ω,
mit den Schätzfehlern ξ̃
i := ξ̂
i - ξ
i, mit i = 1, 2, wobei
k1, k2, k3 > 0 anwendungsspezifisch vorgebbare Parameter sind, über die die Dynamik des Zustandsbeobachters einstellbar ist. Dem Fachmann ist hierbei bekannt, wie er die Parameter k1, k2, k3 sinnvoll auszuwählen hat. Beispielsweise kann dies empirisch erfolgen.
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Bei dem vorgeschlagenen Verfahren zur Überwachung eines periodisch schwingenden Systems wird die periodische Schwingung mittels eines Sensors erfasst. Dieser gibt ein rauschbehaftetes Eingangssignal aus, das das mit der erfassten Schwingung korrespondierende Nutzsignal enthält. Das Nutzsignal wird nun aus dem rauschbehafteten Eingangssignal mittels des vorgeschlagenen Verfahrens zur Rekonstruktion des Nutzsignals rekonstruiert. Insbesondere wird das auf diese Weise rekonstruierte Nutzsignal zur Regelung des periodisch schwingenden Systems verwendet. In diesem Fall bildet das Nutzsignal also die Rückkopplung einer Regelschleife zur Regelung des periodisch schwingenden Systems.
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Das vorgeschlagene Steuergerät ist, wie erläutert, dazu ausgebildet, eines oder beide der vorgeschlagenen Verfahren (Verfahrens zur Rekonstruktion des Nutzsignals; Verfahren zur Überwachung des periodisch schwingenden Systems) auszuführen. Hierzu verfügt das Steuergerät über die erforderlichen Eingänge und Ausgänge und Verarbeitungsmittel. Der Ablauf des Verfahrens kann insbesondere in Form entsprechender Verfahrensvorschriften, also einem entsprechenden Softwarecode, in dem Steuergerät hinterlegt sein.
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Die vorgeschlagene transiente Rekonstruktion des näherungsweise sinusförmigen Nutzsignals kann beispielsweise zur Regelung eines sinusförmigen Dithersignals eingesetzt werden, welches dem Ansteuersignal eines elektromagnetischen Aktors überlagert wird. Dadurch ist wird die Stell- oder Regelgenauigkeit sowie das Ansprechverhalten des Aktors durch Reduktion der wirksamen Reibung verbessert.
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Ebenso kann damit die Überwachung des Versagens mechanischer Strukturen anhand einer Veränderung der rekonstruierten Eigenfrequenz ω erfolgen. Dazu werden die mechanischen Schwingungen einer mechanischen Struktur als Eingangssignal gemessen und daraus das Nutzsignal und die Eigenfrequenz ω rekonstruiert. Das Versagen der Struktur ist dann anhand einer charakteristischen Änderung des zeitlichen Verlaufs der rekonstruierten Eigenfrequenz ω erkennbar.
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Ebenso kann damit eine Drehzahl eines drehenden Antriebs oder einer Pumpe oder eines anderen drehenden Bauteils aus einer externen Messung erfolgen. Beispielsweise kann eine Messung einer Beschleunigung eines Gehäuses oder des davon ausgehenden Körperschalls oder des davon ausgehenden Luftschalls als Eingangssignal erfolgen und hieraus das Nutzsignal mit der Eigenfrequenz ω rekonstruiert werden. Die Eigenfrequenz ω entspricht dann der gesuchten Drehzahl.
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Grundsätzlich sind noch vielfältig weitere Anwendungsgebiete möglich.
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Beispiel für eine Umsetzung
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Im Folgenden wird eine bevorzugte Ausführungsform des vorgeschlagenen Verfahrens zur Rekonstruktion auf einem Steuergerät erläutert. Das Steuergerät kann hierbei zyklisch oder ereignisgesteuert folgende Schritte ausführen:
- 1. Erfassung eines Wertes x eines näherungsweise sinusförmigen Nutzsignals (Gleichung (1)). Dies kann beispielsweise durch Messung oder interne Berechnung oder durch Übertragung von einem anderen Steuergerät erfolgen.
- 2. Ermittlung des Wertes y und des zugehörigen Wertes
der ersten zeitlichen Ableitung y durch Anwendung eines linearen zeitinvarianten stabilen Filters auf x (siehe unten stehenden Gleichung (11)). Dem Fachmann sind hierzu verschiedene Filter bekannt, wie ein Zustandsvariablenfilter oder eine Filterbank, bestehend aus einem Tiefpassfilter und dem hierzu passenden zeitlich synchronen einfach zeitlich differenzierenden Tiefpassfilter, beispielsweise auf der Basis der bekannten Savitzky-Golay-Filter oder Legendre-Ableitungsschätzfilter oder algebraischen Ableitungsschätzfilter oder Ableitungsschätzfiltern, die auf einer orthogonalen Projektion des Eingangssignals auf die orthogonalen Hahn-Polynome beruhen.
- 3. Die oben genannten Beobachterzustandsvariablen (ξi)i=1,2,3 werden dann mit dem Zustandsbeobachter (Gleichungen (2))
basierend auf den Schätzfehlern ξ̂i := ξ̂i - ξi, mit i = 1, 2 und den in früheren Zeitschritten ermittelten Werten der Beobachterzustandsvariablen aktualisiert (siehe auch folgender Abschnitt zur Herleitung des Zustandsbeobachters). Dann sind
die Schätzwerte für die Kreisfrequenz ω und die Amplitude A des Nutzsignals (1).
- 4. Die mit dem (differenzierenden) Tiefpassfilter im zweiten Schritt erhaltenen Schätzwerte ξ̂1 := y und
sind im Vergleich zum Wert x des Nutzsignals und seiner zeitlichen Ableitung
mit einem Phasenverzug behaftet. Um phasenverzugsfreie Schätzwerte x̂ von x und
zu erhalten, wird das zum im zweiten Schritt verwendete Tiefpassfilter inverse Filter auf ξ̂1 bzw. ξ̂2 angewandt. Die kann mit Hilfe des Faltungsintegrals g nach unten stehender Gleichung (12) durch die Schreibweise
symbolisiert werden. Hierbei ist mit g-1 die Impulsantwort des zum im zweiten Schritt verwendeten Filter inversen Filter bezeichnet. Hierfür gilt nach unten stehender Gleichung (11)
- 5. Speicherung, Ausgabe oder sonstige Weiterverarbeitung der geschätzten Signalparameter Amplitude Â, ω̂ sowie des rekonstruierten Nutzsignals x̂ und dessen rekonstruierte zeitliche Ableitung
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Für die zeitdiskrete Lösung der Differentialgleichungen (2) des Beobachters auf einem nummerisch arbeitenden Steuergerät sind dem Fachmann zahlreiche Zeitdiskretisierungsverfahren für die sukzessive Lösung von Anfangswertproblemen bekannt. An dieser Stelle braucht daher nicht extra darauf eingegangen werden.
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Die oben aufgeführten Schritte 2. bis 4. sollen im Folgenden an einer hinsichtlich Rechenzeiteffizienz besonders vorteilhaften Ausführung erläutert werden. Hierzu wird der Schätzwert ξ
1 = y mit Hilfe eines PT1 -Tiefpassfilters aus dem Nutzsignal x gewonnen, also als Lösung der Differentialgleichung
wobei T die Zeitkonstante des PT1-Filters ist. Zusammen mit den Gleichungen (2) ergibt sich somit der um das PT1-Filter erweiterte Zustandsbeobachter zur Aktualisierung der Beobachterzustände (ξ̂
i)
i=1,2,3 (Gleichungen (6)):
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Dieser erweiterte Zustandsbeobachter fasst die Schritte 2. und 3. in obigem Ablauf zusammen. Es ist dann also keine separate Ausführung des zweiten Schrittes vor dem dritten Schritt erforderlich.
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Für den vierten Schritt ist eine Realisierung zum PT1-Filter nach Gleichung (5) inversen Filter erforderlich. Eine zeitdiskrete Approximation des PT1-Filters nach Gleichung (5) wird bevorzugt mittels der an sich bekannten Bilineartransformation nach Tustin ermittelt. Sie lautet:
wobei t
k den aktuellen Ausführungszeitpunkt und t
k-1 den vorherigen Ausführungszeitpunkt des erweiterten Zustandsbeobachters nach Gleichungen (6) bezeichnen und T
S := t
k - t
k-1 die Abtastperiode bezeichnet. Entsprechend lauten die Berechnungsvorschriften der Gleichungen (4) in diesem Fall (Gleichungen (7)):
mit
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Herleitung und Stabilitätsanalyse des Zustandsbeobachters
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Im Folgenden wird die Herleitung des Zustandsbeobachters der Gleichungen (2) erläutert und dieser einer Stabilitätsanalyse unterzogen.
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Es wird dabei davon ausgegangen, dass sich die Amplitude A und die Kreisfrequenz ω und der Phasenwinkel φ
0 eines Nutzsignals x nach Gleichung (1) hinreichend langsam ändern, so dass näherungsweise die Gleichungen (8) angenommen werden können:
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Dann genügt das Nutzsignal x näherungsweise der Differentialgleichung
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Infolge der Gleichungen (8) genügt die Frequenz Ω auch näherungsweise
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Gemäß Gleichung (9) genügt auch das Signal
wobei g die Impulsantwort eines stabilen linearen zeitinvarianten Filters ist und * das Faltungsintegral
der Differentialgleichung
bezeichnet.
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Mit den Zustandsvariablen
können die Gleichungen (13) und (10) in der Zustandsraumdarstellung nach Gleichungen (14)
bezüglich des Eingangs y geschrieben werden.
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Basierend auf der Zustandsraumdarstellung nach Gleichungen (14) wird der Zustandsbeobachter nun nach den Gleichungen (15)
angesetzt, wobei ξ̂
i, mit i = 1, 2, 3, einen Schätzwert von ξ̂̂
i bezeichnet und f und g und h Funktionen sind, die im Folgenden bestimmt werden sollen.
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Der Beobachterfehler, bestehend aus den Komponenten ξ̃
i := ξ̂
i - ξ
i, mit i = 1,2,3, besitzt damit die Dynamik nach Gleichungen (16)
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Die Funktion (Beobachterfehlernorm)
ist für k
i > 0, mit i = 1, 2, 3, positiv definiert bezüglich (ξ̃
i)
i=1,2,3 und besitzt die zeitliche Ableitung
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Mit der Wahl nach Gleichungen (18)
wird
somit negativ semidefinit bezüglich (ξ̃
i)
i=1,2,3:
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Dann lautet die Fehlerdynamik der Gleichungen (16) wie folgt (Gleichungen (20)):
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Aus Gleichungen (19) und (17) folgt unmittelbar die Konvergenz der Komponenten des Beobachterfehlers ξ̃1 gegen Null.
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Für ξ̃1 = 0 und ξ̃3 ≠ 0 und y ≠ 0 wird ξ̃2 über die Differentialgleichung (20b) angeregt. Somit wird über die Differentialgleichung (20a) auch ξ̃1 angeregt. Dies führt nach Gleichung (19) zu einer Verringerung der Beobachterfehlernorm V. Für ξ̃1 = 0 und ξ̃2 ≠ 0 und y ≠ 0 wird ξ̃3 über die Differentialgleichung (20c) angeregt, sodass der zuvor erläuterte Fall eintritt.
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Zusammengenommen folgt also die Konvergenz des Beobachterfehlers in allen Komponenten gegen Null, sofern y von Null verschieden ist. Da y die Antwort eines linearen zeitinvarianten Filters auf das sinusförmige Nutzsignal x ist, ist y fast überall (also überall mit Ausnahme einer abzählbaren Menge von Zeitpunkten) von Null verschieden, sofern folgende beiden Bedingungen gemeinsam erfüllt sind:
- 1. Die Amplitude A muss ungleich Null sein.
- 2. Der Frequenzgang des linearen zeitinvarianten Filters g, also die Fourier-Transformierte von g, darf keine Nullstelle bei der Kreisfrequenz ω besitzen.
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Wenn dies erfüllt ist, wird also die Vektornorm des Beobachterfehlers (Beobachterfehlernorm; Gleichung (17)) zu fast jedem Zeitpunkt (also zu jedem Zeitpunkt mit Ausnahme einer abzählbaren Menge von Zeitpunkten) abnehmen. Der Beobachterfehler wird also in allen Komponenten asymptotisch abklingen.
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Betrachtung der Gültigkeit der beiden Bedingungen:
- 1. Für den Fall A = 0 handelt es sich um einen degenerierten Fall eines sinusförmigen Signals, nämlich die konstante Funktion x ≡ 0, weshalb auch das gefilterte Signal y gegen Null konvergiert. In diesem Fall ist die Frequenz Ω nicht eindeutig definiert. In diesem Fall wird jedoch gemäß Gleichung (19) in jedem Fall der Beobachterzustand ξ̂1 gegen den wahren Verlauf ξ1 konvergieren und ξ̂2 und ξ̂3 gemäß Gleichung (17) nicht über alle Grenzen wachsen. Folglich kann der Beobachter der Gleichungen (15) mit den Fehleraufschaltungen der Gleichungen (18) auch für A = 0 weiter betrieben werden. Es ist also keine separate Strategie zur Behandlung dieses Sonderfalls nötig, was den Einsatz des Beobachters in der Praxis vereinfacht.
- 2. Das lineare zeitinvariante Filter mit der Impulsantwort g kann stets so gewählt werden, dass sein Frequenzgang keine Nullstelle besitzt, beispielsweise als IIR-Filter (IIR= infinite duration impulse response). Dies ist dem Fachmann geläufig.
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Somit ergeben sich beim praktischen Einsatz keine der vorgeschlagenen Verfahren und des vorgeschlagenen Steuergeräts keine Einschränkungen.