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Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zum Steuern einer Hinterradlenkung nach dem Oberbegriff des Anspruchs 1 und ein entsprechendes Fahrzeug.
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Moderne Fahrzeuge enthalten zunehmend Systeme, die eine Lenkbarkeit der Hinterräder ermöglichen, wodurch das Fahrverhalten des Fahrzeugs wesentlich beeinflusst wird. Solche Systeme umfassen z.B. eine Hinterradlenkung, einen aktiven Spur- und/oder Sturzsteller oder eine Kombination von lenkbaren Hinterrädern mit aktiven oder mechanischen Vorderachslenkungen. Solche Systeme sind bspw. unter den Begriffen Integral-Aktivlenkung, Dynamik-Allradlenkung, Allradlenkung, aktive Hinterachskinematik oder dergleichen bekannt. Eine Hinterradlenkung weist den großen Vorteil auf, dass durch ein gegensinniges Auslenken der Hinterräder gegenüber den Vorderrädern, der Wendekreis des Fahrzeugs erheblich reduziert wird.
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Es ist bekannt, den zulässigen Lenkwinkel der Hinterräder mit der Geschwindigkeit des Fahrzeugs zu verknüpfen, wodurch bei Fahrzeugen mit Hinterradlenkung beim Anhalten des Fahrzeugs, der Lenkwinkel der Hinterräder in eine Geradeausstellung bzw. in eine Mittenposition gefahren wird. Dadurch soll verhindert werden, dass beim Abstellen des Fahrzeugs die Hinterräder eingeschlagen sind. Ein solches Vorgehen weist jedoch den Nachteil auf, dass bei einem Einparkvorgang, der üblicherweise bei langsamer Geschwindigkeit durchgeführt wird und bei dem sich der Fahrer in eine Parklücke hineintastet, die Hinterradlenkung sich durch die geringe Geschwindigkeit nahe der Geradeausstellung befindet. Dadurch wird der Vorteil der Hinterradlenkung, nämlich die Wendekreisreduktion und die Reduktion der Fahrschlauchbreite, aufgehoben und steht dem Fahrer nicht zur Verfügung. Üblicherweise wird bei einem Hineintasten in eine Parklücke die Fahrzeuggeschwindigkeit erhöht und kurz darauf wieder auf nahe 0 km/h reduziert. Durch die Veränderung der Fahrzeuggeschwindigkeit wird aber bei dem vorstehend beschriebenen Vorgehen auch der zulässige Lenkwinkel der Hinterräder erhöht und wieder auf die Geradeausstellung reduziert. Dadurch ändert sich kontinuierlich entsprechend der Fahrzeuggeschwindigkeit der Wendekreis des Fahrzeugs, wodurch der Fahrer sich schwierig auf das Verhalten des Fahrzeugs einstellen und den Platzbedarf des Fahrzeugs einschätzen kann.
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Die
DE 10 2008 012 685 B4 der Anmelderin offenbart ein Kraftfahrzeug mit über ein Lenkrad lenkbaren Vorderrädern und über eine Stelleinrichtung unabhängig von den Vorderrädern lenkbaren Hinterrädern. Das Kraftfahrzeug umfasst eine Einrichtung zur Erfassung zumindest eines seitlichen Fahrzeugumfeldes und zur Bestimmung einer möglichen Kollision mit einem im Fahrzeugumfeld detektierten Hindernis während eines Park- oder Rangiervorgangs unter Berücksichtigung der anhand des gegebenen Stellwinkels der Vorder- und Hinterräder ermittelbaren Trajektorie. Die Steuereinrichtung soll dabei nur bei Erfassung einer möglichen Kollision derart zum Verstellen der Hinterräder ansteuerbar sein, dass eine Kollision vermieden wird.
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Die
DE 198 52 155 C1 offenbart ein Fahrzeug mit lenkbaren Vorderrädern und selbsttätig arbeitender oder auf selbsttätigen Betrieb umschaltbarer Hinterradzusatzlenkung. Dabei soll der Lenkwinkel der Hinterräder in Abhängigkeit vom Lenkwinkel der Vorderräder sowie u.a. der Fahrzeuggeschwindigkeit gesteuert oder geregelt werden, wobei die Hinterradzusatzlenkung parameterabhängig zwischen einem Anfahrbetrieb und einem Normalbetrieb umschaltet. Bei dem Anfahrbetrieb soll der Lenkwinkel der Hinterräder derart gesteuert oder geregelt werden, dass die Hinterräder nicht über einen beim letzten Halt des Fahrzeugs eingenommenen Lenkwinkel hinaus verstellt werden.
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Die
DE 10 2014 009 130 A1 offenbart ein Verfahren zum Steuern einer aktiven Hinterrad-Lenkvorrichtung, bei dem ein Betriebszustand der Hinterrad-Lenkvorrichtung und ein Fahrmodus des Fahrzeugs bestimmt wird. Entsprechend der jeweiligen Zustände soll die Hinterrad-Lenkvorrichtung gesteuert werden, wobei in einem automatischen Parkmodus der Betrieb der Hinterrad-Lenkvorrichtung angehalten wird.
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Die
US 2006/0235590 A1 offenbart ein Verfahren zum Unterstützen eines Vorwärtseinparkvorgangs, wobei eine Steuereinheit die Vorder- und/oder Hinterräder steuert, so dass das Fahrzeug automatisch einem zuvor berechneten Kurs in die Parklücke vorwärtsfahrend folgt. Des Weiteren wird ein Verfahren offenbart, bei dem die Steuereinheit lediglich die Hinterradlenkung in Abhängigkeit einer Drehung des Lenkrads steuert.
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Nachteil bei diesen Ausführungsformen ist, dass bei einem Ausschlag der Hinterräder die Hinterräder mit einem Objekt, wie bspw. einer Bordsteinkante, kollidieren können, wodurch das Fahrzeug und/oder die Hinterräder beschädigt werden können.
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Die
DE 10 2013 010 306 A1 betrifft ein Verfahren zum Betrieb einer Hinterachslenkung eines Fahrzeugs, bei dem die Hinterachslenkung erst aktiviert wird, wenn eine aktuelle Fahrzeuggeschwindigkeit einen vorgegebenen ersten Geschwindigkeitswert unterschreitet. Die Steuerung der Hinterradlenkung kann in verschiedenen Modi betrieben werden, abhängig von der Fahrzeuggeschwindigkeit oder einer erkannten Einpark- oder Ausparkabsicht.
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Die
DE 44 13 413 C1 betrifft ein Fahrzeug mit willkürlich betätigbarer Vorderradlenkung und selbsttätig arbeitender Hinterradlenkung. Es kann eine besondere Betriebsweise eingeschaltet werden, durch die ein sonst mögliches Überrollen seitlicher Hindernisse mit den Hinterrädern vermieden wird.
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Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es daher, eine Lösung bereitzustellen, die die Nachteile des Stands der Technik überwindet. Insbesondere soll eine Lösung angegeben werden, die ein sicheres Manövrieren eines Fahrzeugs aus einer Parklücke heraus ermöglicht. Zumindest soll zu den bekannten Lösungen wenigstens eine Alternative vorgeschlagen werden.
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Erfindungsgemäß wird zur Lösung der Aufgabe ein Verfahren gemäß Patentanspruch 1 und ein Fahrzeug gemäß dem nebengeordneten Patentanspruch 6 vorgeschlagen. Vorteilhafte Weiterbildungen ergeben sich aus den Unteransprüchen.
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Erfindungsgemäß wird also ein Verfahren zum Steuern einer Hinterradlenkung eines Fahrzeugs vorgeschlagen, bei dem bei einem Ausparkvorgang des Fahrzeugs der Lenkwinkel der jeweiligen Hinterräder des Fahrzeugs derart gesteuert wird, dass bei dem Ausparkvorgang der Lenkwinkel der jeweiligen Hinterräder in Abhängigkeit von einer Entfernung eines Objektes von einem der jeweiligen Hinterräder eingestellt wird.
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Der Lenkwinkel der Hinterräder wird also in jedem Fall so gesteuert, dass bei dem Ausparkvorgang die Hinterräder immer mitlenken. Dazu kann der Hinterradlenkwinkel unabhängig von der jeweiligen Fahrzeuggeschwindigkeit gesteuert werden. Damit ist gewährleistet, dass auch bei niedrigen Fahrzeuggeschwindigkeiten, wie sie üblicherweise beim Ausparken vorliegen, die Hinterräder genug ausschlagen, um den Parkvorgang zu unterstützen. Der Hinterradlenkwinkel könnte aber auch abhängig von der Fahrzeuggeschwindigkeit gesteuert werden. Hierbei erfolgt die Ansteuerung derart, dass auch bei einer Fahrzeuggeschwindigkeit nahe oder gleich 0 km/h ein weiteres Lenken der Hinterachslenkung erlaubt ist. Dies kann über einen entsprechenden Wert der Steuerung mitgeteilt werden.
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Der Lenkwinkel der Hinterräder wird bezüglich eines Objekts eingestellt. Dadurch wird verhindert, dass die Hinterräder, bzw. zumindest das Hinterrad, das dem Objekt am nächsten ist, mit dem Objekt in Kontakt tritt. Parkt ein Fahrzeug z.B. parallel zu einer Bordsteinkante, befindet sich ein Hinterrad nahe dem Bordstein. Bei einem Ausschlag der Hinterradlenkung kann es nun passieren, dass das Hinterrad in Richtung des Bordsteins ausgelenkt wird, wodurch das Hinterrad gegen den Bordstein gedrückt wird. Dadurch kann es zu Beschädigungen des Hinterrades kommen, insbesondere des Reifens oder der Felge. Durch das Einstellen des Lenkwinkels der Hinterräder in Abhängigkeit der Entfernung der Hinterräder zu dem Bordstein, wird der Lenkwinkel auf einen Wert beschränkt, der verhindert, dass ein Hinterrad gegen den Bordstein auslenkt und gegen ihn gedrückt wird. Folglich wird eine Beschädigung des Hinterrades verhindert.
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Der im Stillstand anliegende und eingeschlagene Lenkwinkel der Hinterräder begrenzt bei einem Ausparken den Lenkwinkel der Hinterräder in diese Richtung. Damit kann der Fahrer, wenn er mit eingeschlagenen Hinterrädern anhält und dann nach geradeaus zurücklenkt, auch wieder bis zu dem ursprünglichen Lenkwinkel der Hinterräder einschlagen. Beim weiteren Lenken der Hinterräder wird der Lenkwinkel begrenzt. Dadurch wird eine Kollision des Hinterrades nahe des Bordsteins mit dem Bordstein verhindert. Da die Hinterräder entsprechend der Entfernung zu einem Objekt gesteuert werden, wird somit auch eine Kollision mit z.B. einem Bordstein verhindert, sollte das Fahrzeug mit eingeschlagenen Hinterrädern abgestellt werden.
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Eine Ausführungsform des Verfahrens sieht vor, dass ein Lenkwinkel im Stillstand auf einen vorbestimmten Wert eingestellt wird. Der vorbestimmte Wert kann auch ein für das jeweilige Fahrzeug spezifischer Wert sein und vom Hersteller des Fahrzeugs festgelegt sein. Beispielsweise kann der vorbestimmte Wert auf 0,5° bzgl. einer Geradeausstellung eingestellt werden.
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Das Verfahren sieht vor, dass das Objekt ein virtuelles Objekt ist, das von dem Fahrzeug berechnet wird. Hierbei wird angenommen, dass eines der Hinterräder sich bspw. an einem Bordstein befindet. Der Bordstein wird dabei so errechnet, dass er im Stillstand an dem Hinterrad anliegt.
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Beim Losfahren und Ausparken wird dann in einer Weiterbildung des Verfahrens berechnet, wie weit sich das Hinterrad durch die Fahrzeugbewegung und den Einschlag der Vorderachse bzw. Vorderräder schon von dem „virtuellen“ Bordstein entfernt hat. Je weiter sich das Hinterrad bereits entfernt hat, desto größere Lenkwinkel der Hinterräder werden zugelassen.
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Des Weiteren schlägt die vorliegende Erfindung ein entsprechendes Fahrzeug vor, dass dazu eingerichtet ist, die vorstehend beschriebenen Ausführungsformen des erfindungsgemäßen Verfahrens auszuführen.
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Es wird folglich ein Fahrzeug mit lenkbaren Vorderrädern, lenkbaren Hinterrädern und einem System zum Unterstützen eines Lenkverhaltens des Fahrzeugs vorgeschlagen, wobei das System eine Steuereinrichtung zum Steuern eines Lenkwinkels der Hinterräder umfasst und die Steuereinrichtung dazu eingerichtet ist, bei einem Ausparkvorgang des Fahrzeugs den Lenkwinkel der jeweiligen Hinterräder in Abhängigkeit von einer Entfernung eines Objektes von einem der jeweiligen Hinterräder einzustellen.
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Erfindungsgemäß ist das Objekt ein virtuelles Objekt, und das System ist dazu eingerichtet, das Objekt zu berechnen.
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Schließlich ist eine Ausführungsform des Fahrzeugs dadurch gekennzeichnet, dass das System dazu eingerichtet ist, bei einem Ausparkvorgang zu berechnen, wie weit sich das jeweilige Hinterrad von dem Objekt entfernt hat.
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Weitere Vorteile und Ausgestaltungen der Erfindung ergeben sich aus der Beschreibung und den beiliegenden Zeichnungen. Die Erfindung ist anhand von Ausführungsformen in den Zeichnungen schematisch und beispielhaft dargestellt und wird unter Bezugnahme auf die begleitenden Zeichnungen schematisch und ausführlich beschrieben.
- 1 zeigt eine schematische Darstellung eines Parkvorgangs.
- 2 zeigt Ausführungsformen von parkenden, erfindungsgemäßen Fahrzeugen.
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In 1 ist ein erfindungsgemäßes Fahrzeug 10 gezeigt, das hinter einem geparkten Fahrzeug 12 und parallel zu einer Bordsteinkante bzw. eines Bordsteins 14 einparkt. Während des gezeigten Einparkvorgangs sind die Vorderräder 16 eingeschlagen. Weiterhin weist das Fahrzeug Hinterräder 17 auf. Das Fahrzeug 10 ist des Weiteren mit einem Hinterachslenksystem 18 ausgestattet. Das Hinterachslenksystem 18 unterstützt das Lenkverhalten des Fahrzeugs 10, indem die Hinterräder 17 während eines Lenkvorgangs gegensinnig zu den Vorderrädern 16 ausschlagen.
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Das Hinterachslenksystem 18 umfasst eine Steuereinrichtung 20. Die Steuereinrichtung 20 ist mit den Hinterrädern 17 wirkverbunden und dazu eingerichtet, die Hinterräder 17 zu steuern. Insbesondere ist die Steuereinrichtung 20 dazu eingerichtet, einen Lenkwinkel 22 der Hinterräder 17 zu steuern. Der Lenkwinkel ist bezüglich einer Längsachse 23 des Fahrzeugs 10 eingetragen.
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Die Steuereinrichtung 20 steuert die Hinterräder 17 bei dem gezeigten Einparkvorgang unabhängig von einer Fahrzeuggeschwindigkeit, die mit dem Pfeil 24 angedeutet ist. Dadurch wird ermöglicht, dass auch bei einer geringen Fahrzeuggeschwindigkeit 24 der Lenkwinkel 22 der Hinterräder groß ist. Damit bleiben der Wendekreis und die Fahrschlauchbreite des Fahrzeugs 10 annähernd konstant, wodurch der Fahrer den Platzbedarf seines Fahrzeugs 10 besser einschätzen kann. Besonders vorteilhaft ist, dass der Lenkwinkel 22 in Abhängigkeit von einer Entfernung 26 eines der Hinterräder 17 von dem Bordstein 14 durch die Steuereinrichtung 20 gesteuert wird. Dadurch wird verhindert, dass die Hinterräder 17 mit dem Bordstein kollidieren. Dies wird in Zusammenhang mit 2 näher erläutert.
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Zur Bestimmung der Entfernung 26 weist das Fahrzeug 10 eine Umfeldsensorik 28 auf. Die Umfeldsensorik 28 ist auch dazu eingerichtet, ein Objekt in einer Umgebung um das Fahrzeug, wie bspw. den Bordstein 14, zu erkennen.
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Bei dem Einparkvorgang oder auch bei einem nachfolgenden Ausparkvorgang, der nachfolgend beschrieben wird, kann der Lenkwinkel 22 der Hinterräder 17 auch bezüglich eines Winkels 30 zwischen der Fahrzeuglängsachse 23 und dem Bordstein 14 von der Steuereinrichtung 18 gesteuert werden. Dieser Winkel 30 wird Fahrzeuggierwinkel genannt. Die Bestimmung des Fahrzeuggierwinkels 30 erfolgt über die Umfeldsensorik 28 und/oder die Steuereinrichtung 20.
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Bei dem oberen Fahrzeug 10 in 2 hat die Steuereinrichtung 20 erkannt, dass das Fahrzeug 10 abgestellt ist. Daraufhin wurden die Hinterräder 17 in einer Geradeausstellung bzw. eine Mittenposition gefahren. Der Lenkwinkel der Hinterräder 17 zur Längsachse des Fahrzeugs 10 verschwindet bzw. wird im Wesentlichen 0 Grad bzw. 180 Grad. Jedenfalls sind die Räder im Wesentlichen parallel zum Bordstein 14 und/oder der Fahrzeuglängsachse 23.
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Das untere Fahrzeug 10 parkt nahe an dem Bordstein 14. Die Umfeldsensorik hat erkannt, dass das Fahrzeug 10 nahe an dem Bordstein 14 parkt. Bei einem Ausparkvorgang wird nun der Lenkwinkel 22 der Hinterräder 17 begrenzt, so dass das Hinterrad, das nahe zu dem Bordstein 14 ist, nicht mit diesem kollidiert.
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Erfindungsgemäß ist der Bordstein 14 mathematisch errechnet. Dabei wird im Stillstand von der Steuereinrichtung 20 an ein Hinterrad 17 ein virtueller Bordstein gelegt. Die Koordinaten des virtuellen Bordsteins entsprechen somit den Koordinaten des Hinterrads im Stillstand. Die Steuereinheit 20 errechnet nun kontinuierlich, wie weit sich das jeweilige Hinterrad 17 von dem Bordstein entfernt hat. In der 2 ist das Hinterrad noch sehr nahe an dem Bordstein, so dass der Lenkwinkel 22 auf einen kleinen Wert begrenzt ist.