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Vorrichtung und Verfahren zur Untersuchung des Bruchverhaltens
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Die Erfindung betrifft eine neuartige Vorrichtung und ein Verfahren zur Untersuchung des Bruchverhaltens von Materialen insbesondere von Materialverbindungen (z.B. Klebungen).
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Beschreibung und Einleitung des allgemeinen Gebietes der Erfindung
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Strukturelle Klebverbindungen haben die Aufgabe der Lastübertragung. Sie übernehmen somit eine sicherheitsrelevante Funktion im fertigen Bauteil. Eine realitätsnahe Vorhersage des Verbindungsversagens ist zum Beispiel bei der Auslegung einer Automobilkarosserie von hoher Wichtigkeit. Dazu müssen in der verwendeten Berechnungssoftware entsprechende Versagensmodelle verfügbar sein. In der Praxis werden hier gegenwärtig die so genannten Kohäsivzonenmodelle herangezogen. Die Eingangsdaten oder auch Parameter für solche Modelle liefern in der Regel bruchmechanische Versuche, aus denen sich u.a. die beim Versagen freigesetzte Energie oder die Verbindungsfestigkeit bestimmen lassen.
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Für den Maschinenbau und insbesondere den Bereich Werkstofftechnik ist es sehr wichtig zwischen elastischer und plastischer Verformung zu unterscheiden. Im Folgenden die wichtigsten Infos zu diesen zwei Arten der Verformung.
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Elastische Verformung:
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Von einer elastischen Verformung spricht man, wenn sich ein Werkstoff bzw. ein Bauteil nach einer Belastung wieder in den Ausgangszustand zurückformt. Das heißt die elastische Verformung besteht über die Zeit, in der eine entsprechende Belastung einwirkt. Solange die Belastung nicht groß genug ist, um Atomwanderungen zu bewirken, bleibt es bei einer rein elastischen Verformung. Das Gitter des Materials wird verformt (z.B. zusammengedrückt, gedehnt etc.), danach bewegen sich.
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Plastische Verformung:
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Sind die Belastungen und die dadurch ausgelösten Spannungen im Bauteil zu groß, kommt es zur plastischen Verformung des Werkstoffs bzw. des Metalls. Bei der plastischen Verformung kehrt ein Bauteil nicht wieder zu 100% in die ursprüngliche Form zurück - man spricht hier auch von der Formänderung. Ein Teil der Verformung ist nach wie vor elastisch und somit reversibel, nur ein bestimmter Teil ist plastisch und bleibt dauerhaft bestehen.
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Elastoplastische Verformung:
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Eine elastoplastische Verformung liegt vor, wenn es gleichzeitig zu einer plastischen Verformung und einer elastischen Verformung kommt.
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Hyperelastische Verformung
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Hyperelastizität (auch als Green'sche Elastizität) bedeutet die Existenz eines elastischen Potentials, aus dem die Spannung im Material bei (beliebig großer) Verzerrung folgt. Verformungen des Materials sind demnach auch für große als auch nichtlineare Verzerrungen komplett reversibel, sodass unter Entlastung die ursprüngliche Materialgeometrie wieder erreicht wird. Für viele Materialien beschreibt die lineare Elastizität das beobachtete Materialverhalten nicht genau. Das bekannteste Beispiel mit nichtlinear elastischem Verhalten ist Gummi, das großen Verformungen standhält und dessen Reaktionen in guter Näherung mit Hyperelastizität nachgebildet werden können.
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Stand der Technik
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In der modernen Werkstoffwissenschaft ist die Bruchmechanik ein wichtiges Hilfsmittel zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit mechanischer Bauteile. Die Bruchmechanik befasst sich mit dem Verhalten rissbehafteter Bauteile bzw. der Ausbreitung von Rissen unter (quasi-)statischen und dynamischen Belastungen bis zum Bruch.
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Allen bruchmechanischen Konzepten ist gemeinsam, dass eine bereits vorhandene Fehlstelle im Bauteil unterstellt wird. Diese wird als Riss bezeichnet. Diese kann infolge des Herstellprozesses als Lunker, Einschluss, Spannungsriss o. ä. entstanden sein oder erst im Einsatz gebildet werden, z. B. bei zyklischer Beanspruchung. Die Schädigungsmechanik behandelt die Entstehung und Ausbreitung dieser Mikrorisse von bis zu 1 mm Länge. Ausgehend von Annahmen zur Geometrie und Beanspruchung dieser Fehlstelle, werden über ein Zähigkeitsmaß Bedingungen formuliert, unter denen es zu einem unzulässigen Risswachstum bis hin zum Bruch (durch das Übersteigen der Bruchfestigkeit) kommt. Die Aussagesicherheit der klassischen Festigkeitsrechnung soll somit erhöht werden.
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Hierzu werden die im Folgenden erklärten Begriffe verwendet:
- Rissspitze/Rissfront: Die Rissspitze bzw. die Rissfront ist der Bereich einer Materialprobe, welche sich in Richtung der Ausbreitungsrichtung am Ende eines Risses befindet.
- Rissufer/Rissoberflächen: Die gegenüberliegenden Berandungen eines Risses werden auch als Rissufer/Rissoberflächen bezeichnet.
- Rissebene: Die Ebene in welcher sich die Rissspitze bewegt wird als Rissebene bezeichnet.
- Anriss: Der Begriff Anriss bezeichnet die Länge eines Risses.
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Es gilt die Physik des Spannungs- und Dehnungsverhaltens von Materialien, insbesondere der Theorien der Elastizität und Plastizität, auf die mikroskopischen kristallographischen Defekte, die in realen Materialien gefunden werden, um das makroskopische mechanische Verhalten dieser Körper vorherzusagen. Fraktographie ist weit verbreitet mit Frakturmechanik verwendet, um die Ursachen von Ausfällen zu verstehen und auch die theoretischen Fehlervorhersagen mit Ausfällen im realen Leben zu überprüfen. Die Vorhersage des Risswachstums steht im Mittelpunkt der Schadenstoleranz der mechanischen Konstruktionsdisziplin.
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In der klassischen Bruchmechanik wird zwischen drei Beanspruchungsarten einer Rissspitze unterschieden, den so genannten Rissöffnungsmoden oder kurz Moden, die Abbildung 1 illustriert.
- • Mode I Bruch - Öffnungsmodus: Hierbei wirkt eine Zugspannung normal zur Rissebene.
- • Mode II Bruch - Gleitmodus: Hierbei wirkt eine Schubspannung, parallel zur Rissebene und senkrecht zur Rissfront.
- • Mode III Bruch - Scher-Modus: Hierbei wirkt eine Schubspannung, parallel zur Rissebene und parallel zur Rissfront.
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Eine reine Mode III - Beanspruchung umfasst keine oder eine zu vernachlässigbare kleine, simultane Überlagerung der Beanspruchungsmodi I und/ oder II. Andernfalls wird von einem beschriebenen Mixed-Mode Verhalten gesprochen.
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Hierbei sei darauf hingewiesen, dass der in dieser Anmeldung verwendete Begriff „Schub“ aus den Ingenieurwissenschaften stammt und streng genommen in der Materialwissenschaft nicht uneingeschränkt existiert. Dieser Umstand muss hier berücksichtigt werden, da hyperelastische, gummiartige Klebstoffe sehr große Deformationen bis zum Bruch erdulden und somit die Annahmen und Begrifflichkeiten der klassischen Mechanik kleiner Deformationen a priori keine Gültigkeit mehr besitzen. Große Deformationen werden zweckmäßig über die Cauchy-Greenschen Streckungstensoren beschrieben, während der klassische ingenieurmäßige Ansatz Deformation über die Komponenten eines linearisierten Dehnungstensors erfasst und diese Komponenten mit den Begriffen Dehnung (Längenänderung) und Gleitung (Scherung) veranschaulicht.
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Eine wichtige Kenngröße für die Untersuchung von bruchmechanischen Effekten ist das J-Integral welches die Energiefreisetzungsrate während eines Risswachstums beschreibt. Das J-Integral ist ein geschlossenes Linienintegral, welches die Rissspitze vollständig umschließt. Es ist damit auch möglich nichtlineares elastisches Verhalten zu beschreiben. So ermöglicht die Verwendung des J-Integrals unter gewissen Einschränkungen auch die Charakterisierung elastisch-plastischen Verhaltens. J ist dabei unabhängig vom Integrationsweg, solange die Rissspitze vollständig umschlossen wird. Anschaulich gesprochen ist das J-Integral die Differenz der potentiellen Energien zweier, sonst identischer Körper, deren Risslänge um Δa variiert.
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Für die Geometrie des Double Cantilever Beam (DCB)-Versuchs lässt sich das J-Integral aus den (äußeren Randbedingungen) oben genannten Messgrößen des Versuchs bestimmen. Im Falle einer äußeren Krafteinleitung lässt sich das J-Integral über das Produkt aus Kraft und Rotation des Krafteinleitungspunktes bestimmen, bei einer Momentenbeanspruchung über das Produkt aus Moment und Krümmung oder aus dem Momenten-Quadrat und einer Probenkonstanten. Weiterhin entspricht der Wert des J-Intergrals dabei der zur Ausformung der Rissoberflächen dissipierten Energie und ist in der nichtlinearen Bruchmechanik der Energiefreisetzungsrate G äquivalent. Ferner erfolgt aus den Versuchen die Ermittlung jener Energiefreisetzungsrate unter der ein Rissfortschritt um Δa infolge einzelner Rissoberflächen eintritt. Dieser Wert der Energiefreisetzungsrate G wird als kritische Energiefreisetzungsrate Gc bezeichnet.
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Die gegenwärtig nach Stand von Technik und Forschung existierenden Kohäsivzonenmodelle stützen sich auf das Versagensverhalten unter reiner Mode I und reiner Mode ll-Beanspruchung. Der Mode III wird üblicherweise äquivalent zum Mode II angenommen und auch so behandelt. Es existieren derzeit keine standardisierten Versuchsaufbauten für Mode-III-Versuche.
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Abbildung 2 zeigt schematisch einen Double Cantilever Beam (DCB)-Versuch, mit dem sich das Versagen unter dem rein schälenden Mode I für beliebige Klebstoffklassen nach gegenwärtigem Kenntnisstand untersuchen lässt.
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Im Falle der beiden scherenden Moden II und III stoßen die bekannten Versuchstypen, wie der (Tapered) End-Notched Flexure - Versuch, im Falle von hyperelastischen Klebungen, die große Deformationen bis zum Bruch erdulden, jedoch an ihre Grenzen.
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Ursächlich hierfür ist die Versuchsführung, bei der die Schubbelastung unter Mode II durch einen Drei- oder Vierpunktbiegeversuch, wie den in Abbildung 3 skizzierten End-Notched Flexure (ENF)-Versuch, erzeugt wird. Bei diesen Versuchen müssen sich die Fügeteile während der gesamten Versuchsdauer linear-elastisch verhalten. Diese Forderung ist im Falle von hyperelastischen Klebungen durch deren hohes Verformungsvermögen vor dem eigentlichen Bruch in der Regel aus technischen Gründen nicht einzuhalten.
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Das Mixed-Mode-Verhalten lässt sich nach dem gültigen Stand der Technik nur für spröde (Kleb-)Verbindungen untersuchen. Hierzu wird der sogenannte Mixed-Mode-Bending-(MMB)-Versuch herangezogen, der in seinem wesentlichen Aufbau einem ENF-Versuch ähnelt, jedoch noch eine zusätzliche Schälbeanspruchung der Rissspitze beinhaltet.
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Der MMB-Versuch stützt sich auf die Kombination der Moden I und II und ist für spröde Strukturen aus kohlefaserverstärktem Kunststoff, die bei kleinen Deformationen versagen, auch normativ geregelt. Es gibt bereits Untersuchungen an nichtlinearen Verbindungen, deren Ergebnisse jedoch noch viele offene Fragen liefern, respektive Probleme aufwerfen.
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Aufgabe
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Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es, eine Vorrichtung und ein Verfahren bereitzustellen zur Untersuchung des Bruchverhaltens von Materialen insbesondere von Materialverbindungen. Insbesondere soll eine Vorrichtung und ein Verfahren bereitgestellt werden, welches auch zur Untersuchung von elastoplastischen bzw. hyperelastischen Verbindungen unter reiner Mode III Scherbeanspruchung, als auch unter Mixed-Mode I / III Schäl-Scherbeanspruchungen geeignet ist.
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Lösung der Aufgabe
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Gelöst wird diese Aufgabe durch eine Vorrichtung mit den Merkmalen des Anspruchs 1 und ein Verfahren und mit den Merkmalen des Anspruchs 2. Vorteilhafte Ausführungsformen und Weiterbildungen der vorliegenden Erfindung ergeben sich aus den Unteransprüchen.
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Gegenstand der Untersuchung ist ein Prüfkörper 40. Dieser umfasst das zu untersuchende Material. Er kann aus einem einheitlichen Material oder einer Kombination von verschieden Materialien bestehen
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Der Prüfkörper 40 ist ein Komposit aus zwei Fügeteilen 41, 42 und einer zwischen diesen Fügeteilen 41,42 befindlichen Verbindungsschicht 45. Der Prüfkörper weist hierbei einen Riss mit einer bestimmten Länge, der sogenannten Anrisslänge a auf.
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Die Verbindungsschicht 45 kann dabei entweder aus dem gleichen Material bestehen wie die Fügeteile 41, 42. Das ist beispielsweise bei einem einheitlichen Materialblock der Fall. Alternativ besteht die Verbindungsschicht 45 aus einem anderen Material als die Fügeteile wie einem Klebstoff, ein Lot oder ein Schweißzusatzwerkstoff.
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Das erfindungsgemäße Verfahren umfasst folgende theoretische Grundlagen:
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Im erfindungsgemäßen Verfahren erfolgt eine Beanspruchung der Rissspitze in einer Materialprobe unter Mixed-Mode I / III. Beide Einzelmoden sind dabei während der Versuchsdurchführung voneinander entkoppelt. Ferner werden die Anteile des J-Integrals, respektive der Energiefreisetzungsrate G, in den beiden Einzelmoden direkt aus Versuchsparametern separat bestimmt. Eine gezielte Reglung auf ein während der Versuchsdurchführung konstantes, insbesondere aber auch variables Moden-Verhältnis ist damit gegeben.
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Die in der Abbildung 4 gezeigten drei lokalen Raumachsen η, ζ und ξ sind wie folgt definiert.
η-Achse: Vertikale Symmetrie-Achse des Prüfkörpers im unbelasteten Zustand ζ-Achse: horizontale Symmetrie-Achse quer des Prüfkörpers im unbelasteten Zustand
ξ-Achse: horizontale Symmetrie-Achse längs des Prüfkörpers im unbelasteten Zustand
Die Achsen beschreiben ein lokales, sich in der Prüfkörpersymmetrie befindendes Koordinatensystem.
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Die in Abbildung 6 gezeigten drei globalen Raumachsen Achsen x, y, z beschreiben im Gegensatz dazu ein globales, festes Koordinatensystem das an dem Aufbau der Einspannvorrichtung 30 bzw. der Prüfmaschine 20 ausgerichtet ist.
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Die Bestimmung der Anteile des J-Integrals in den Einzelmoden kann analytisch erfolgen, so dass für eine DCB-Probengeometrie Gleichung 2 gilt.
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Hierin beschreibt M das äußere Moment und K die Krümmung der Fügeteile 41, 42, F die axiale Kraft, θ die lokale Rotation sowie W die Verbindungsschichtbreite der Verbindungsschicht 45, wie 5 illustriert.
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Weiterhin erlaubt die gewählte Probengeometrie der Fügeteile
41,
42 eine zweite Auswertemethode des Anteils J
III. Nach Balkentheorie (Theorie der Biegelinie) besteht für Fügeteile mit konstantem Elastizitätsmodul E sowie konstantem Flächenträgheitsmoment I
z entlang der Fügeteil-Längsachse ein proportionaler Zusammenhang zwischen der Krümmung K der Fügeteile
41,
42 und dem Biegemoment M
b. Die Probennachgiebigkeit C=C(a) stellt für die gewählte Probengeometrie eine von der Risslänge a abhängige, lineare Funktion dar. Ferner gilt die Äquivalenz zwischen Biegemoment M
b und Drehmoment
M, sodass
K über die Probenkonstante dC / da und das aktuelle Moment
M als
ausgedrückt werden kann. Der Faktor ½ berücksichtigt, dass es sich hierbei nur um ein Fügeteil handelt, der Prüfkörper
40 jedoch zwei Fügeteile
41,
42 umfasst. Demnach ist
und
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Die Bestimmung der Probenkonstanten dC / da erfolgt experimentell durch Ermittlung der Probennachgiebigkeit
C unter definierten Anrisslängen a. Die Steigung der linearen Regression entspricht dabei der Probenkonstanten dC / da. Als Näherungswert der Probenkonstanten kann die Nachgiebigkeit beider Fügeteile
41,
42 mit
betrachtet werden.
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Ein zur Untersuchung geeigneter Prüfkörper 40 besteht aus zwei zur ξ-ζ-Ebene spiegelsymmetrischen Fügeteilen 41, 42, die über eine Verbindungsschicht 45 verbunden sind. (Abbildung 4)
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Versuchsvorrichtung zur Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens:
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Die Versuchsvorrichtung 10 umfasst eine axial-torsionale Prüfmaschine 20, die eine externe (axiale und torsionale) Regelung auf ein Verhältnis der JI- respektive der JIII-Anteile ermöglicht, sowie eine Einspannvorrichtung 30 zur Lasteinleitung und Lagerung eines Prüfkörpers 40.
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Die Regelung der Lasteinleitung wird beispielsweise durch einen Regelkreis der Prüfmaschine 20 ermöglicht. Zur Durchführung dieser Regelung ist die Prüfmaschine so ausgebildet, dass sowohl JI als auch JIII kontinuierlich während des Versuchs gemessen werden könne. Diese Werte beschreiben damit die J-Istwerte. Durch die Vorgabe des Modenverhältnisses Φ kann aus JIII=tan(Φ*JI ein Sollwert für JIII generiert werden. Die Prüfmaschine 20 ist so ausgebildet, dass sie den „Abgleich“ zwischen Soll- und Istwert durchführen kann.
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Die Einspannvorrichtung 30 ist weiterhin in die Komponenten des oberen Teils der Einspannvorrichtung 31 und des unteren Teils Einspannvorrichtung 32 untergliedert, sodass eine separate Verbindung mit den Fügeteilen 41, 42 realisiert wird. Die Verbindungen dienen dabei als Lasteinleitungspunkte (LEP) 410, 420. Eine beispielhafte Darstellung der Versuchsvorrichtung zeigt die Abbildung 7.
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Einspannvorrichtung 30 weist eine Unterteilung auf, wodurch eine Relativbewegung der Lasteinleitungspunkte (LEP) 410, 420 ermöglicht wird. Diese Relativbewegung beinhaltet eine freie translatorische, relative Verschiebung der LEP entlang der ξ-ζ-Ebene, sowie eine freie Rotation der Lasteinleitungspunkte (LEP) um den Winkel θ. Die Einspanneinrichtung 30 ist so ausgebildet, dass infolge einer Lasteinleitung weitere Relativbewegungen der LEP 410, 420 bewirkt werden können, was der relativen Rotation α um die η-Achse und der translatorischen Verschiebung entlang der η-Achse entspricht. Die in Abbildung 5 illustrierte Separation der Fügeteile 41, 42 sowie die ebenfalls gekennzeichneten Freiheitsgrade können damit realisiert werden.
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Weiterhin umfasst die Versuchsvorrichtung eine Messeinheit 50. Die Messeinheit ist dabei so ausgebildet, dass sie folgende Größen erfassen kann: das Drehmoment M und die Krümmung K um die η-Achse, die entlang der η-Achse wirkende Kraft Fη , die lokalen Rotationen der Fügeteile an den Lasteinleitungspunkten 410, 420 mit θ und α als auch die translatorischen Verschiebungen Δx, Δy und Δz in x-, y- und z-Richtung (s. Abbildung 6.).
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Die Messeinheit 50 umfasst dabei vorzugsweise über Kraft- und Momentmessdosen sowie wenigstens einen Drehgeber. Das Moment M als auch die Kraft F können damit über Kraft- und Momentmessdosen und der Winkel θ über den/die Drehgeber gemessen wird.
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Weiterhin umfasst die Versuchsvorrichtung ein optisches Messsystem 55. Dieses ist so ausgebildet, dass es die Rissöffnungsverschiebungen (COD) in einem Prüfkörper in Richtung der ζ-Achse als Mode III Separation und in Richtung der η-Achse als Mode I Separation erfassen kann. Das optische Messsystem 55 ist bevorzugt so ausgebildet, dass er mittels ein Grauwert-Muster arbeiten kann. Dabei wird die Probe wird durch aufsprühen mit diesem Muster versehen (Speckle-Muster). Das Messsystem 55 ist dadurch in der Lage auf der Probe ausgewählte Punkte im Raum zu verfolgen und darüber z.B. Längenänderungen, Rotationen, Dehnungen, etc. zu messen.
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Da sind die Bauteilabmessungen wie folgt definiert:
- L Länge des Prüfkörpers 40
- B Breite der Prüfkörpers 40
- a Anrisslänge
- W Klebschichtbreite
- t Klebschichtdicke
- h Höhe der Fügeteile 41, 42
- s Verjüngung
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Es muss nicht zwangsläufig eine Verjüngung der Fügeteile vorliegen, häufig entspricht die Breite der Klebschicht auch der Breite der Fügeteile.
In der in Abbildung
4 dargestellten Ausführungsform ist diese Verjüngung vorgesehen, da sich beide Breitenmaße vorzugsweise unterscheiden sollten, um eine Plastifizierung der Fügeteile
41,
42 zu vermeiden. Dies ist aber nicht zwingend erforderlich.
Beispielhafte Abmessungen der Probengeometrie, wie in Abbildung
4 gezeigt, sind
Tabelle 1:
| L | a | W | h | s | B | T |
[mm] | 500 | 200 | 5 | 20 | 5 | 20 | 0,3 |
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Das erfindungsgemäße Verfahren umfasst dabei folgende Schritte der Versuchsdurchführung:
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Vor der Durchführung des Verfahrens erfolgt vorzugsweise die Probenvorbereitung und Probenfertigung.
Zunächst erfolgt die Vorbereitung der Fügeteile 41,42. Diese umfasst die verbindungsspezifische Vorbehandlung der Fügeteile 41,42 an den Flächen der vorgesehenen Verbindungsschicht Klebstoffapplizierung. Die Fügeteile werden dabei je nach Klebstoff unterschiedlich vorbehandelt. Der Prozess der Probenvorbereitung ist dabei ja nach Material der Verbindungsschicht 45 (z.B. Klebstoff)und Fügeteilmaterial. Üblicherweise beinhaltet die Vorbereitung das Aktivieren der Fügeteil-Oberfläche mit Strahlgut, zusätzlich werden teilweise chemische Aktivatoren eingesetzt.
Danach wird eine Verbindungsschicht 45 an der vorbereiteten Fläche eines ersten Fügeteils 41 appliziert. Die Anrisslänge a und die Klebschichtdicke T werden dabei festgelegt. Das zweite Fügeteil 42 wird entsprechend spiegelsymmetrisch aufgesetzt. Die Klebschichtdicke wird dabei an wenigstens 2 Positionen gemessen. Das arithmetische Mittel aller gemessenen Klebstoffdicken ergibt die repräsentative Dicke T der Verbindungsschicht 45 des resultierenden Prüfkörpers.
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Das erfindungsgemäße Verfahren umfasst die Schritte a bis c.
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a
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Zunächst wird der Prüfkörper 40 in einem Schritt innerhalb der Einspannvorrichtung 30 befestigt.
Dabei wird ein Fügeteil 41 am oberen Teil 31 der Einspannvorrichtung 30 und ein Fügeteil am unteren Teil 32 der Einspannvorrichtung 30, sodass eine separate Verbindung der Einspannvorrichtung mit den Fügeteilen 41, 42 realisiert wird. Anschließend erfolgt eine Rotation um den Winkel α am oberen Teil 31 der Einspannvorrichtung 30 mit dem Fügeteil 41 am Lasteinleitungspunkt 410 um die η-Achse. Dies führt zu einer Mode III Separation der Fügeteile 41, 42. Dabei wird eine Schubspannung parallel zur Rissebene und parallel zur Rissfront ausgeübt. Die axiale Kraft Fη entlang der η-Achse wird dabei auf den Wert Null geregelt.. (s. 6).
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a1
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Vorzugsweise erfolgt gleichzeig zum Schritt a in einem Schritt a1 eine translatorische Bewegung der oberen Einspannvorrichtung
31 mit dem Fügeteil
41 am Lasteinleitungspunkt
410 entlang der z-Achse oder der
η -Achse, wobei eine Schälspannung senkrecht zur Rissebene und senkrecht zur Rissfront ausgeübt wird. Das bewirkt zu der Mode III Belastung zusätzlich eine Mode I Belastung. Damit handelt es sich um eine Mixed-Mode Belastung. Im Gegensatz zu Schritt a wird in Schritt a1 zusätzlich an der unteren Teils
32 der Einspannvorrichtung
30 die lokale Rotation um den Winkel θ am Lasteinleitungspunkt
420 entsperrt sowie eine Reglung auf ein Modenverhältnis der Energiefreisetzungsraten J
I und J
III vorgenommen.
Dabei erfolgt optional zunächst die Festlegung des Modenverhältnisses für eine Belastung im Mixed-Mode I/III als Sollwertgröße. Dieses Verhältnis wird durch den Wert Φ charakterisiert. Dabei
Hierbei ist eine Reglung auf ein konstantes aber auch variables Modenverhältnis Φ während der Versuchsdurchführung möglich. Es ist möglich das Verhältnis während der Versuchsdurchführung zu variieren, so gilt zusätzlich Φ=Φ(t).
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Alternativ wird der Anteil J
I gemessen aufzufassen, um daraus
zu regeln. Die praktische Umsetzung erfolgt hierzu durch relative translatorische Bewegung des Laststranges in η-Richtung wodurch eine Mode I Separation resultierend ist. Die Reglung von J
III erfolgt über die Rotationsachse.
Entsprechend dieser Darstellung der Reglung ist gleichermaßen eine umgekehrte Reglung möglich, sodass J
III als Messgröße und J
I als Regelgröße verwendet werden kann.
Anschließend erfolgt die Beanspruchung der Rissspitze im Mixed-Mode I / III er entsprechend der Reglung des vorher festgelegten Modenverhältnisses während der Versuchsdurchführung.
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a2
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In einer alternativen Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens, wird in einem Schritt a2, der gleichzeitig zu Schritt a erfolgt, auf die Rissspitze eine Druckkraft Fη entlang der η-Achse ausgeübt. Das behindert die Rissbildung und bewirkt eine Erhöhung der Bruchenergie. Dies ist auch in Kombination mit der Durchführung eines Schrittes a1 möglich.
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b
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Anschließend erfolgt in einem Schritt b eine Messung des Momentes M, der Kraft F und der Rotation ⊖ des Krafteinleitungspunktes und von dC/da.
Die Messung der des Momentes M und der Kraft F erfolgt dabei über die Messeinheit 50, die Messung der Rotation ⊖ des Krafteinleitungspunktes LEP über das optisches Messsystem 55.
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dC/da kann auf verschiedenen Wegen bestimmt werden:
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In einer ersten Methode werden mehrere DCB-Proben geklebt, die sich in ihrer Anrisslänge a unterscheiden. Für jede Probe wird dann ein Versuch gefahren und das Moment M als auch der Rotationswinkel α gemessen. Einer beispielhaften Auftragung zeigt die Abbildung 7. Für geringe Rotationen kann der Verlauf als linear angesehen werden. Mit steigender Anrisslänge a nimmt die Steigerung des Momentes M bei größerem Rotationswinkel αa. Diese Steigerung d.h. der Quotient aus dem Anstieg des Momentes und dem Anstieg des Rotationswinkels α ist ein Maß für die Nachgiebigkeitsänderung der Probe bei Rissfortschritt. Der Kehrwehrt der Steifigkeit wird als Nachgiebigkeit C bezeichnet. Das bedeutet, dass aus einer wachsenden Anrisslänge a eine Abnahme der Steifigkeit resultiert. Werden nun die Nachgiebigkeiten C gegen die Anrisslängen a gegeneinander aufgetragen (siehe Abbildung 8) ergibt dies einen linearen Zusammenhang, sodass dC/da aus dem Anstieg einer linearen Regression bestimmt werden kann.
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Eine weitere Möglichkeit besteht in der Messung von Moment M und der Krümmung K.
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Dabei ist:
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Gleichzeitig zum Schritt a erfolgt in einem Schritt b während der Versuchsdurchführung die Erfassung der Messgrößen mittels der Messeinheit 50. Dies umfasst an der oberen Einspannvorrichtung 31 die Wegmessung von Δz, die Winkelmessung von aαα, sowie die lokale Winkelmessung von θ am LEP 410. An der unteren Einspannvorrichtung 32 erfolgt die Wegmessung von Δx und Δy, sowie unter Schritt a1 zusätzlich die lokale Winkelmessung von θ am LEP 420. Kraft- als auch Momenten-Messung werden außerhalb der Einspannvorrichtung 30 vorgenommen. An den Fügeteilen 41, 42 erfolgt die lokale Krümmungsmessung von κ, ebenso wie die Messung der Rissöffnungsverschiebung (COD) an der Position des Anrisses. Zur Messung der COD-Werte wird zusätzlich der Messeinheit 50 ein optisches Messsystem 55 eingebunden.
Eine Ermittlung der J-Anteile während der Versuchsdurchführung ist damit gegeben, sodass unter Schritt a1 die Reglung auf ein Modenverhältnis möglich ist.
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c
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Nach der Erfassung der Messwerte erfolgt in einem Schritt c die Auswertung der Versuchsergebnisse, wobei die kritischen Energiefreisetzungsraten (GIIIc) und (GIc,) bestimmt werden.
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Der Wert der Energiefreisetzung bei der Rissbildung unter Mixed-Mode I/III Belastung, entspricht dem Wert des J-Integrals, lässt wird als Summe der J-Integralanteile beider einzelner Moden beschreiben,
und wird durch
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Bestimmt oder durch Gleichung 2
berechnet.
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Das J-Integral folgt direkt aus den Messgrößen Moment
M, Kraft
F und Rotation des Krafteinleitungspunktes ⊖. Der Wert für dC/da ist eine vorab zu bestimmende Probenkonstante und beruht auf dem analytischen Ansatz nach Irwin-Kies,
W ist die Breite der Verbindung und κ die lokale Krümmung des Prüfkörpers. Die Auswertemethode
beziehungsweise
basiert direkt auf der originären Definition des J-Integrals nach Rice und wird auch von anderen Wissenschaftlern mit entsprechenden Modifikationen zur Auswertung bruchmechanischer Versuche herangezogen. Unter Annahme der Gültigkeit der klassischen Bruchmoden liefern die beiden Summanden in Gleichung 1 oder Gleichung 2 die Anteile des J-Integrals in den Moden I und III, die per Definition entkoppelt vorliegen.
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Im Falle eines reinen Mode III-Versuchs wird die Kraft F=Fη zu Null geregelt. Das vereinfacht die spätere Bestimmung des J-integrals, der zweite Summand in
entfällt, sodass sich je nach Auswertemethode J nach
respektive nach
ergibt. Eine Separation der Fügeteile
41,
42 in Richtung der η-Achse ist dennoch möglich, einen Einfluss auf den J
I-Anteil der Energiefreisetzungsrate besteht aufgrund F=Fη=0 nicht. Resultierend daraus ist ebenfalls eine lokale Rotation am Lasteinleitungspunkt (LEP)
410 um den Winkel θ am oberen Fügeteil
41. Die Rotationsfreiheitsgrade, als auch der translatorische Freiheitsgrad in
z-Richtung (
η-Richtung) am unteren Fügeteil
42 werden über die untere Einspannvorrichtung
32 dagegen für diese Versuchsdurchführung gesperrt, die translatorischen Freiheitsgrade in
x- und -
y Richtung sind demnach frei. Der LEP entspricht dabei einem fiktiven Punkt der die reale Lasteinleitung der Einspannvorrichtung auf die Fügeteile auf einen idealisierten Punkt reduziert.
Im Falle eines Mixed-Mode-Versuchs wird gleichzeitig auch die kritische Energiefreisetzungsrate (G
Ic,) bestimmt, wobei
ist.
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Dieses bruchmechanische Verfahren erlaubt auch die Charakterisierung von elastoplastischen und hyperelastischen Verbindungen, bei denen die bekannten Methoden der linear-elastischen Bruchmechanik keine Gültigkeit besitzen. Dabei wird Wert des J-Integrals direkt aus im Versuch gewonnenen Messwerten bestimmt.
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Ausführungsbeispiel:
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Für den Klebstoff SikaPower-498™, einem strukturellen auf Epoxidharz-Basis beruhenden und crashfesten Klebstoff, der unter anderem seinen Einsatz in KFZ-Karosserieteilen findet, können unter der in Tabelle 1 genannten Probengeometrie nachfolgende Kennwerte/ Messwerte im reinen Mode III -Versuch ermittelt werden:
- Experimentell ermitteltes dC/da: dC/da = 6.266 * 10e-9 1/Nmm2
- Maximales Moment Mmax : Mmax ≈ 150 Nm
- Krit. Energiefreisetzungsrate GIII c : GIII c ≈ 13 kJ/m2
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Diese Werte sind als Näherungswerte zu betrachten und wurden über mehrere Versuche gemittelt. Weiterhin sind für andere Klebstoffsysteme auch (deutlich) andere Werte zu erwarten.
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Figurenliste
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- 1 Darstellung der Beanspruchungsarten einer Rissspitze
- 2 Darstellung eines DCB- Prüfkörpers 40 unter Mode I Beanspruchung
- 3 Darstellung eines ENF- Prüfkörpers 40, bei der die Schubbelastung unter Mode II durch einen Dreipunktbiegeversuch hervorgerufen wird
- 4 Darstellung der Abmaße eines für Mode III Beanspruchungen geeigneten DCB- Prüfkörpers 40
Die Abbildung 4a zeigt dabei eine Ansicht des Prüfkörpers 40 in der η-ξ Ebene und die Abbildung 4b zeigt dabei eine Ansicht des Prüfkörpers 40in der η-ζ Ebene.
- 5 Darstellung eines DCB- Prüfkörpers 40 unter Mode III Beanspruchung
- 6 Darstellungen eines Ausführungsbeispiels der Versuchsvorrichtung 10
- 7 Darstellung der Abhängigkeit des Moments M vom Rotationswinkel α für verschiedene Anrisslängen a
- 8 Darstellung der Abhängigkeit der Nachgiebigkeit C von der Anrisslänge a
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Bezugszeichenliste
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- 10
- Versuchsvorrichtung
- 20
- axial-torsionale Prüfmaschine
- 30
- Einspannvorrichtung
- 31
- oberer Teil der Einspannvorrichtung
- 32
- untererTeil der Einspannvorrichtung
- 40
- Prüfkörper
- 41 , 42
- Fügeteil
- 45
- Verbindungsschicht
- 410, 420
- Lasteinleitungspunkt (LEP)
- 50
- Messeinheit
- 55
- optisches Messsystem