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Die Erfindung betrifft ein Nutzfahrzeug mit einer Vorderachse und mit wenigstens zwei Hinterachsen, von welchen wenigstens eine Hinterachse eine aktiv steuerbare Hinterachslenkung umfasst.
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Derartige Nutzfahrzeuge mit einer aktiv steuerbaren Hinterachslenkung erlauben bei Kurvenfahrten eine Manipulation der Giergeschwindigkeit sowie der Quergeschwindigkeit des Nutzfahrzeugs durch Verstellen des in den Hinterrädern des Nutzfahrzeugs eingestellten, sogenannten Lenkwinkels. Dies wiederum bewirkt eine Änderung der momentanen Position des Drehpunktes auf der Mittellängsachse des Nutzfahrzeugs beim Befahren der Kurve. Die Position des Drehpunkts trägt jedoch in nicht unerheblichem Maße zum Fahrverhalten des Nutzfahrzeugs beim Befahren einer Kurve bei, so dass eine kontrollierte Variation dieser Position von Bedeutung ist. Dies gilt auch beim Parkieren des Nutzfahrzeugs.
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Vor diesem Hintergrund behandelt die
WO 2005/044650 A1 eine Vorrichtung und ein Verfahren zur Bestimmung eines Drehpunkts eines Nutzfahrzeugs um eine Fahrzeughochachse. Die Vorrichtung ist dabei derart konfiguriert, dass sie den Drehpunkt in Abhängigkeit von einer momentanen Giergeschwindigkeit und einem momentanen Schwimmwinkel des Nutzfahrzeugs bestimmt.
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Die
DE 43 39 372 A1 zeigt ein Nutzfahrzeug mit einer Vorderachse und einer ersten Hinterachse, sowie wenigsten eine zweite Hinterachse. Die Vorderachse umfasst eine Vorderachslenkung, mittels welcher ein momentaner vorderer Lenkwinkel der Vorderräder einstellbar ist. Die erste Hinterachse umfasst eine erste Hinterachslenkung, mittels welcher ein momentaner Lenkwinkel der beiden an der ersten Hinterachse vorgesehenen Hinterräder einstellbar ist. Dabei ist die erste Hinterachslenkung derart ausgebildet, dass bei einer Kurvenfahrt des Nutzfahrzeugs durch Variation des momentanen hinteren Lenkwinkels die Position eines momentanen Drehpunktes auf der Mittelachse des Nutzfahrzeugs variierbar ist. Dabei ist der Drehpunkt als derjenige Punkt definiert, der in einer Draufsicht von oben auf das Nutzfahrzeug bei der Kurvenfahrt die momentane Quergeschwindigkeit des Nutzfahrzeugs einen Null-Wert aufweist. Entsprechende Systeme sind auch aus der
WO 2015/060752 A1 bzw.
DE 11 2004 001 258 T5 bekannt.
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Die
DE 10 2014 107 309 A1 beschreibt ein ähnliches System, bei dem der Hinterradlenkwinkel derart geregelt wird, dass sich ein Drehpunkt auf einer senkrecht zur Längsachse des Fahrzeugs verlaufenden Linie befindet. Die Lage des Drehpunktes kann sich dabei in Abhängigkeit von der Verschiebung des Referenzpunktes ändern.
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Es ist eine Aufgabe der vorliegenden Erfindung, bei der Entwicklung von Nutzfahrzeugen mit aktiver Hinterachslenkung neue Wege aufzuzeigen und insbesondere ein Nutzfahrzeug zu schaffen, welches beim Befahren von Kurven sowie beim Parkieren verbesserte Fahreigenschaften aufweist.
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Diese Aufgabe wird durch den Gegenstand des unabhängigen Patentanspruchs 1 gelöst. Bevorzugte Ausführungsformen sind Gegenstand der abhängigen Patentansprüche.
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Grundgedanke der Erfindung ist demnach, die momentane Position eines Drehpunkts des Nutzfahrzeugs um seine Hochachse entlang der Mittellängsachse beim Befahren einer Kurve oder beim Parkieren gezielt zu variieren, um auf diese Weise Stabilität und Agilität des Nutzfahrzeugs an verschiedene Fahrsituationen anzupassen. Als Drehpunkt wird dabei derjenige Punkt auf der Mittellängsachse des Nutzfahrzeugs definiert, in welchem die momentane Quergeschwindigkeit bei der Kurvenfahrt einen Null-Wert aufweist.
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Die Variation des Drehpunkts kann beim hier vorgestellten, erfindungsgemäßen Nutzfahrzeug im Sinne einer Regelung der Position des Drehpunkts auf der Mittellängsachse als Regelgröße erfolgen. Als Stellgröße eines solchen Regelkreises kann der verstellbare momentane hintere Lenkwinkel der an der ersten Hinterachse vorhandenen Hinterräder des Nutzfahrzeugs herangezogen werden. Dieser kann mit Hilfe einer im Nutzfahrzeug vorhandenen Steuerungs-/Regelungseinrichtung und einer mit der Steuerungs-/Regelungseinrichtung zusammenwirkenden Hinterachslenkung variiert werden. Dies ermöglicht eine gezielte, fahrsituationsbedingte Variation der Position des Drehpunkts auf der Mittellängsachse. Indem die Position des Drehpunkts entlang der Mittellängsachse nach vorne vorstellt wird, kann die Agilität des Nutzfahrzeugs erhöht werden, was dem Fahrer insbesondere bei relativ langsamen Fahrzeuggeschwindigkeiten sowie beim Parkieren die Steuerung des Nutzfahrzeugs erleichtert. Demgegenüber wird durch ein Verstellen der Position des Drehpunkts entlang der Mittellängsachse nach hinten die Stabilität des Nutzfahrzeugs erhöht, so dass möglichen Gefahrensituation durch ein Kippen des Nutfahrzeugs, insbesondere bei relativ hohen Fahrzeuggeschwindigkeiten entgegengewirkt werden kann. Dabei kann der Gefahr eines seitlichen Kippens des Nutzfahrzeugs, die bei Fahrzeuggeschwindigkeit besonders groß ist, gerade bei hoher Beladung des Nutzfahrzeugs entgegengewirkt werden.
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Ein erfindungsgemäßes Nutzfahrzeug umfasst eine Vorderachse sowie eine erste und wenigstens eine zweite Hinterachse. Von der vorliegenden Erfindung sind also auch Nutzfahrzeuge mit drei oder mehr Hinterachsen umfasst. Die Vorderachse des Nutzfahrzeugs umfasst eine Vorderachslenkung, mittels welcher ein momentaner vorderer Lenkwinkel der Vorderräder des Nutzfahrzeugs eingestellt werden kann. Zumindest die erste Hinterachse umfasst eine erste Hinterachslenkung, mittels welcher ein hinterer Lenkwinkel der beiden an der ersten Hinterachse vorgesehenen Hinterräder des Nutzfahrzeugs eingestellt werden kann. Die Hinterachslenkung ist derart ausgebildet, dass bei einer Kurvenfahrt des Nutzfahrzeugs durch Variation des momentanen hinteren Lenkwinkels die Position eines momentanen Drehpunkts auf der Mittellängsachse des Nutzfahrzeugs variiert werden kann. Der Drehpunkt ist dabei als derjenige Punkt in einer Draufsicht von oben auf das Nutzfahrzeug definiert, in welchem bei der Kurvenfahrt die momentane Quergeschwindigkeit des Nutzfahrzeugs einen Null-Wert aufweist.
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Weiterhin umfasst das Nutzfahrzeug eine mit der ersten Hinterachslenkung zusammenwirkende Steuerungs-/Regelungseinrichtung, mittels welcher der momentane hintere Lenkwinkel verstellt werden kann. Die Steuerungs-/Regelungseinrichtung ist bei dieser Ausführungsform als Regeleinheit ausgebildet, welche durch Anpassung des momentanen hinteren Lenkwinkels den momentanen Drehpunkt auf eine vorbestimmte Soll-Position oder auf einen vorbestimmten Soll-Bereich auf der Mittellängsachse des Nutzfahrzeugs regelt.
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Schließlich umfasst auch die zweite Hinterachse eine von der Steuerungs-/Regelungseinrichtung steuerbare zweite Hinterachslenkung, mittels welcher ein momentaner hinterer Lenkwinkel der beiden an der zweiten Hinterachse vorgesehenen Hinterräder des Nutzfahrzeugs eingestellt werden kann. Dabei variiert die Steuerungs-/Regelungseinrichtung durch Ansteuerung der ersten Hinterachslenkung die Position des Drehpunkts auf der Mittellängsachse und hält diese Position durch Ansteuerung der zweiten Hinterachslenkung auf der Mittellängsachse konstant. Denkbar ist auch eine umgekehrte Zuordnung der beiden Hinterachsen. Dabei ist es möglich, in Abhängigkeit von der Fahrzeuggeschwindigkeit, der Beladung, der gewünschten Agilität des Nutzfahrzeugs sowie weiterer Parameter eine optimale Drehpunkt-Position zu ermitteln. Dies kann insbesondere in der Art einer Regelstrategie geschehen.
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Gemäß einer vorteilhaften Weiterbildung variiert die Steuerungs-/Regelungseinrichtung die vorbestimmte Soll-Position bzw. den vorbestimmte Soll-Bereich in Abhängigkeit von der momentanen Fahrzeuggeschwindigkeit des Nutzfahrzeugs. Auf diese Weise kann das gewünschte, vorteilhafte Fahrverhalten des Nutzfahrzeugs beim Befahren der Kurve erreicht werden. Insbesondere kann durch geeignete Variation der Soll-Position bzw. des Soll-Bereichs die Agilität des Nutzfahrzeugs bei ausreichend geringen Geschwindigkeiten erhöht und die Stabilität des Nutzfahrzeugs bei hohen Geschwindigkeiten verbessert werden.
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Besonders bevorzugt verschiebt die Steuerungs-/Regelungseinrichtung daher die Soll-Position bzw. den Soll-Bereich mit zunehmender Fahrzeuggeschwindigkeit entlang der Mittellängsachse nach hinten, vorzugsweise zur ersten oder zweiten Hinterachse hin. Mit einer solchen Verschiebung der Soll-Position bzw. des Soll-Bereichs nach hinten geht eine Stabilisierung des Nutzfahrzeugs einher. Alternativ oder zusätzlich verschiebt die Steuerungs-/Regelungseinrichtung die Soll-Position bzw. den Soll-Bereich und/oder mit abnehmender Fahrzeuggeschwindigkeit entlang der Mittellängsachse nach vorne, vorzugsweise zur Vorderachse hin. Mit einer solchen Verschiebung der Soll-Position bzw. des Soll-Bereichs nach hinten geht eine Erhöhung der Agilität des Nutzfahrzeugs einher.
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Gemäß einer anderen bevorzugten Ausführungsform variiert die Steuerungs-/Regelungseinrichtung die Soll-Position bzw. den Soll-Bereich des Drehpunkts auf der Mittellängsachse in Abhängigkeit von wenigstens einem weiteren Parameter. Auf diese Weise kann das Fahrverhalten des Nutzfahrzeugs beim Befahren der Kurve in Abhängigkeit von einem oder mehreren weiteren Parametern - zusätzlich zur Fahrzeuggeschwindigkeit - angepasst werden.
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Gemäß einer vorteilhaften Weiterbildung ist der wenigstens eine Parameter das Gewicht der momentanen Beladung des Nutzfahrzeugs ist. Somit können Stabilität und Agilität des Nutzfahrzeugs in Abhängigkeit von der Beladung des Nutzfahrzeugs optimiert werden.
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Gemäß einer anderen bevorzugten Ausführungsform verschiebt die Steuerungs-/Regelungseinrichtung die Soll-Position bzw. den Soll-Bereich mit zunehmendem Gewicht der Beladung entlang der Mittellängsachse nach hinten, vorzugsweise zur ersten oder zweiten Hinterachse hin. Alternativ oder zusätzlich verschiebt die Steuerungs-/Regelungseinrichtung mit abnehmendem Gewicht der Beladung entlang der Mittellängsachse nach vorne, vorzugsweise zur Vorderachse hin. In analoger Weise zur Fahrzeuggeschwindigkeit wird somit mit zunehmender Beladung die Stabilität des Nutzfahrzeugs verbessert. Demgegenüber wird mit abnehmender Beladung die Agilität des Nutzfahrzeugs bei der Kurvenfahrt erhöht.
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Gemäß einer weiteren vorteilhaften Weiterbildung umfasst die zweite Hinterachse eine von der Steuerungs-/Regelungseinrichtung steuerbare Bremseinrichtung, mittels welcher ein an der zweiten Hinterachse vorgesehenen linkes Hinterrad unabhängig von einem an der zweiten Hinterachse vorgesehenem rechten Hinterrad angesteuert werden kann oder angesteuert wird. Auf diese Weise kann die Fahrsicherheit des Nutzfahrzeugs zusätzlich erhöht werden. Auch eine Verbesserung der Wendigkeit des Nutzfahrzeugs kann mit Hilfe dieser Maßnahme erzielt werden.
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Besonders bevorzugt bestimmt die Steuerungs-/Regelungseinrichtung durch einen gezielten Bremseingriff mittels der Bremseinrichtung am linken und/oder am rechten Hinterrad die momentane Position des Drehpunkts. Auf diese Weise kann die Regelgenauigkeit der Drehpunkts-Regelung durch die Steuerungs-/Regelungseinrichtung erhöht werden.
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Zweckmäßig kann die vorbestimmte Soll-Position bzw. der vorbestimmte Soll-Bereich der Drehpunkt-Position einem vordefinierten Fahrprogramm des Nutzfahrzeugs zugeordnet sein.
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Gemäß einer Weiterbildung sind wenigstens ein erster und ein zweiter Soll-Bereich vorgesehen, wobei dem ersten Soll-Bereich ein erstes Fahrprogramm und dem zweiten Bereich ein zweites Fahrprogramm zugeordnet ist. Je nach Position des Drehpunkts auf der Mittellängsachse lässt sich somit ein bestimmtes Fahrprogramm, und damit einhergehend, ein bestimmtes Fahrverhalten des Nutzfahrzeugs, beim Befahren der Kurve erreichen.
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Bei einer besonders vorteilhaften Weiterbildung ist im ersten Fahrprogramm der Drehpunkt auf der Mittellängsachse bzgl. der Fahrtrichtung hinter einem Schwerpunkt des Nutzfahrzeugs und im zweiten Fahrprogramm bzgl. der Fahrtrichtung vor dem Schwerpunkt angeordnet. Auf diese Weise können Fahrprogramme mit individuellem Fahrverhalten des Nutzfahrzeugs definiert werden.
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Weitere Vorteile der Erfindung ergeben sich aus den Unteransprüchen, aus den Zeichnungen und aus der zugehörigen Figurenbeschreibung anhand der Zeichnungen.
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Es versteht sich, dass die vorstehend genannten und die nachstehend noch zu erläuternden Merkmale nicht nur in der jeweils angegebenen Kombination, sondern auch in anderen Kombinationen oder in Alleinstellung verwendbar sind, ohne den Rahmen der vorliegenden Erfindung zu verlassen.
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Bevorzugte Ausführungsbeispiele der Erfindung sind in den Zeichnungen dargestellt und werden in der nachfolgenden Beschreibung näher erläutert, wobei sich gleiche Bezugszeichen auf gleiche oder ähnliche oder funktional gleiche Bauteile beziehen.
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Dabei zeigen, jeweils schematisch:
- 1 ein Beispiel eines erfindungsgemäßen Nutzfahrzeugs in einer Seitenansicht,
- 2 das Nutzfahrzeug der 1 in einer Draufsicht während einer Kurvenfahrt,
- 3 eine zur 2 alternative Darstellung zur Erläuterung der Positionsbestimmung des Drehpols auf der Mittellängsachse des Nutzfahrzeugs.
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1 zeigt ein Beispiel eines erfindungsgemäßen Nutzfahrzeugs 1 in einer Seitenansicht. Die 2 zeigt das Nutzfahrzeug 1 in einer Draufsicht während einer Kurvenfahrt. Die Trajektorie dieser Kurvenfahrt ist in 2 durch einen Pfeil mit dem Bezugszeichen 13 angedeutet. Das Nutzfahrzeug 1 durchfährt demnach eine Linkskurve. Eine solche Linkskurve kann prinzipiell auch beim Parkieren des Nutzfahrzeugs 1 befahren werden. Nachfolgende Erläuterungen gelten selbstredend auch für das Befahren einer Rechtskurve.
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Das Nutzfahrzeug 1 umfasst eine in 1 nur grobschematisch dargestellte Fahrzeugkarosserie 2 sowie eine Vorderachse 5 und zwei Hinterachsen 6, 21. Wie die Draufsicht der 2 erkennen lässt, sind die Vorderräder 3a, 3b an der Vorderachse 5 des Nutzfahrzeugs 1 angeordnet. An der Vorderachse 5 ist ferner eine Vorderachslenkung 7 ausgebildet, die in 2 nur grobschematisch angedeutet ist. Mittels der Vorderachslenkung 7 kann der Fahrer des Nutzfahrzeugs 1 durch Betätigung eines Handlenkrads 8 den momentanen Lenkwinkel der beiden Vorderräder 3a, 3b verstellen.
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An der ersten Hinterachse 6, an welcher zwei Hinterräder 4a, 4b vorgesehen sind, ist eine aktive erste Hinterachslenkung 9 ausgebildet, mittels welcher der momentane hintere Lenkwinkel der beiden Hinterräder 4a, 4b des Nutzfahrzeugs 1 einstellbar ist. An der zweiten Hinterachse 21 sind ebenfalls zwei Hinterräder 23a, 23b vorgesehen. Die erste bzw. zweite Hinterachslenkung 9, 24 sind derart ausgebildet, dass bei einer Kurvenfahrt des Nutzfahrzeugs 1 durch Variation des momentanen hinteren Lenkwinkels die Position des momentanen Drehpunkts 14 auf der Mittellängsachse M des Nutzfahrzeugs 1 variiert werden kann. Die erste bzw. zweite Hinterachslenkung 9, 24 werden gemäß den 1 und 2 von einer im Nutzfahrzeug 1 vorgesehenen Steuerungs-/Regelungseinrichtung 10, die als herkömmliches Steuergerät ausgebildet sein kann, angesteuert. Die Steuerungs-/Regelungseinrichtung 10 kann hierzu eine Steuerungseinheit 11 und eine Speichereinheit 12 umfassen. Die Steuerungs-/Regelungseinrichtung 10 kann als herkömmliches Steuergerät ausgebildet sein und auch andere, im Zusammenhang mit der Steuerung der ersten bzw. zweiten Hinterachslenkung 9, 24 wichtige Funktionalitäten bereitstellen kann.
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Der Drehpunkt 14 ist als derjenige Punkt in einer Draufsicht von oben auf das Nutzfahrzeugs 1 definiert, in welchem bei der Kurvenfahrt die momentane Quergeschwindigkeit vq des Nutzfahrzeugs 1 einen Null-Wert aufweist. Entsprechend 2 wird durch den Drehpunkt 14 eine momentane Gierachse G entlang der Hochrichtung H des Nutzfahrzeugs 1 festgelegt, um welche das Nutzfahrzeugs 1 eine Drehbewegung ausführt.
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Die Steuerungs-/Regelungseinrichtung 10 ist bevorzugt als Regeleinheit ausgebildet, welche durch Anpassung des momentanen hinteren Lenkwinkels den momentanen Drehpunkt 14 auf eine vorbestimmte Soll-Position oder auf einen vorbestimmten Soll-Bereich auf der Mittellängsachse M des Nutzfahrzeugs 1 regelt. Die Steuerungs-/Regelungseinrichtung 10 regelt die vorbestimmte Soll-Position bzw. den vorbestimmte Soll-Bereich dabei in Abhängigkeit von der momentanen Fahrzeuggeschwindigkeit v des Nutzfahrzeugs 1. Auf diese Weise kann ein vorteilhaftes Fahrverhalten des Nutzfahrzeugs 1 beim Befahren der Kurve erreicht werden. Insbesondere kann durch geeignete Variation der Soll-Position bzw. des Soll-Bereichs die Agilität des Nutzfahrzeugs 1 bei geringer Fahrzeuggeschwindigkeit v erhöht und die Stabilität des Nutzfahrzeugs 1 bei hoher Fahrzeuggeschwindigkeit v verbessert werden. Hierfür verschiebt die Steuerungs-/Regelungseinrichtung 10 die Soll-Position bzw. den Soll-Bereich mit zunehmender Fahrzeuggeschwindigkeit v entlang der Mittellängsachse M nach hinten zur ersten oder zweiten Hinterachse 6, 21 hin. Eine solche Verschiebung der Soll-Position bzw. des Soll-Bereichs nach hinten bewirkt eine Stabilisierung des Nutzfahrzeugs 1. Zudem verschiebt die Steuerungs-/Regelungseinrichtung 10 die Soll-Position bzw. den Soll-Bereich und/oder mit abnehmender Fahrzeuggeschwindigkeit v entlang der Mittellängsachse M nach vorne, vorzugsweise zur Vorderachse 5 hin. Eine solche Verschiebung der Soll-Position bzw. des Soll-Bereichs nach vorne bewirkt eine verbesserte Agilität des Nutzfahrzeugs 1.
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Die Steuerungs-/Regelungseinrichtung 10 kann die Soll-Position bzw. den Soll-Bereich des Drehpunkts 14 auf der Mittellängsachse M nicht nur abhängig von der momentanen Fahrzeuggeschwindigkeit v des Nutzfahrzeugs 1, sondern in Abhängigkeit von wenigstens einem zusätzlichen Parameter variieren. Auf diese Weise kann das Fahrverhalten des Nutzfahrzeugs 1 beim Befahren der Kurve bzw. der Trajektorie 13 in Abhängigkeit von einem oder mehreren weiteren Parametern - zusätzlich zur Fahrzeuggeschwindigkeit v - verschiedenen Situationen angepasst werden. Besagter zusätzlicher Parameter kann beispielsweise das Gewicht der aktuellen Zuladung des Nutzfahrzeugs 1 sein. Im Beispielszenario verschiebt die Steuerungs-/ Regelungseinrichtung 10 die Soll-Position bzw. den Soll-Bereich mit zunehmendem Gewicht der Beladung entlang der Mittellängsachse M nach hinten, zur ersten und zweiten Hinterachse 6, 21 hin. Entsprechend verschiebt die Steuerungs-/Regelungseinrichtung 10 mit abnehmendem Gewicht der Beladung entlang der Mittellängsachse M nach vorne, zur Vorderachse 5 hin. In analoger Weise zur Fahrzeuggeschwindigkeit v wird also mit zunehmender Beladung die Stabilität des Nutzfahrzeugs 1 bei der Kurvenfahrt erhöht. Demgegenüber wird mit abnehmender Beladung die Agilität des Nutzfahrzeugs 1 bei der Kurvenfahrt erhöht. Im Ergebnis werden können Stabilität und Agilität des Nutzfahrzeugs 1 in Abhängigkeit von der Beladung des Nutzfahrzeugs 1 optimiert werden.
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Die zweite Hinterachse 21 kann eine von der Steuerungs-/Regelungseinrichtung 10 steuerbare Bremseinrichtung 22 umfassen, mittels welcher ein an der zweiten Hinterachse 21 vorgesehenen linkes Hinterrad 23a unabhängig von einem an der zweiten Hinterachse 21 vorgesehenem rechten Hinterrad 23b angesteuert wird. Somit kann die Steuerungs-/Regelungseinrichtung 10 durch einen gezielten Bremseingriff am linken und/oder am rechten Hinterrad 23a, 23b mittels der Bremseinrichtung 22 die momentane Position des Drehpunkts 14 bestimmen. Auf diese Weise können Wendigkeit und Stabilität des Nutzfahrzeugs 1 bei der Kurvenfahrt sowie beim Parkieren zusätzlich erhöht werden. Außerdem wird bei der Regelung der Position des Drehpunkts 14 durch die Steuerungs-/Regelungseinrichtung 10 die Genauigkeit der Regelung erhöht.
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Zusätzlich zur Bremseinrichtung 22 umfasst die zweite Hinterachse 21 eine von der Steuerungs-/Regelungseinrichtung 10 steuerbare, zweite Hinterachslenkung 24, mittels welcher ein momentaner hinterer Lenkwinkel der beiden an der zweiten Hinterachse 21 vorgesehenen Hinterräder 23a, 23b des Nutzfahrzeugs 1 eingestellt werden kann. Dadurch ist es möglich, dass die Steuerungs-/Regelungseinrichtung 10 durch Ansteuerung der ersten Hinterachslenkung 9 die Position des Drehpunkts 14 auf der Mittellängsachse M zunächst - beispielsweise in Abhängigkeit von der Fahrzeuggeschwindigkeit v und/oder der Beladung des Nutzfahrzeugs 1 - variiert und anschließend diese Position 14 durch Ansteuerung der zweiten Hinterachslenkung 21 auf der Mittellängsachse 14 konstant hält. Dadurch ist es möglich, in Abhängigkeit von der Fahrzeuggeschwindigkeit v, der Beladung, der gewünschten Agilität des Nutzfahrzeugs sowie, alternativ oder zusätzlich, weiterer Parameter eine optimale Position des Drehpunkts 14 zu ermitteln, einzustellen und, falls gewünscht, auch beizubehalten. Dies kann insbesondere in der Art einer Regelstrategie zum Bestimmen der optimalen Drehpunkts-Position geschehen. Denkbar ist in einer alternativen Variante auch eine umgekehrte Zuordnung der beiden Hinterachsen 6, 21 zu der Bremseinrichtung 22 und zu der zweiten Hinterachslenkung 24.
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Im Folgenden wird anhand der 3 die Vorgehensweise zur Regelung der Position des Drehpunkts 14 erläutert. In 3 ist gegenüber der Darstellung der 2 die Vorderachse 5 mit den beiden Vorderrädern 3a, 3b vereinfacht dargestellt. Gleiches gilt für die Hinterachsen 6, 21 mit den Hinterrädern 4a, 4b, 23a, 23b. Zur Verdeutlichung ist in 3 der Massenschwerpunkt des Nutzfahrzeugs 1 bezüglich der gezeigten Draufsicht mit S bezeichnet.
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Der Geschwindigkeitsvektor vv der Vorderachse 5 im Schnittpunkt 20 der Vorderachse 5 mit der Mittellängsachse M ist in dieser vereinfachten Darstellung mit vv bezeichnet. Der Geschwindigkeitsvektor vH der Hinterachse 6 im Schnittpunkt 17 der Hinterachse 6 mit der Mittellängsachse M ist entsprechend mit vH bezeichnet. Die durch den Schnittpunkt 20 verlaufende Orthogonale zum Geschwindigkeitsvektor vv ist in 3 mit dem Bezugszeichen 18 bezeichnet. Die durch den Schnittpunkt 17 verlaufende Orthogonale zum Geschwindigkeitsvektor vv ist mit dem Bezugszeichen 19 bezeichnet. Der Schnittpunkt zwischen den beiden Orthogonalen 18, 19 wird als Drehpol P bezeichnet. Durch Projektion des Drehpols P entlang der Querrichtung Q des Nutzfahrzeugs 1 - diese verläuft senkrecht zur Längsrichtung L des Nutzfahrzeug 1, welche durch die Mittellängsachse M definiert ist - auf die Mittellängsachse M ergibt sich der gesuchte momentane Drehpunkt 14 des Nutzfahrzeugs 1.
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Beim Befahren der Trajektorie 13 in Form einer Linkskurve kann aufgrund des Lenkeingriffs mittels der Vorderachslenkung 7 durch den Fahrer die Position des Drehpunktes 14 entlang der Mittellängsachse M variieren, was in 2 durch weitere, exemplarisch eingezeichnete Drehpunkte 14* angedeutet wird.
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Um die Position des Drehpunktes 14 auf der Mittellängsachse M zu regeln, ist es zunächst erforderlich, den momentanen Ist-Wert des Drehpunkts 14 auf der Mittellängsachse M zu ermitteln. Dies durch Auswertung der momentanen Quergeschwindigkeit und der momentanen Giergeschwindigkeit d/dt Ψ geschehen. Hierzu kann das Nutzfahrzeug 1 einen Gierratensensor 16 zur Bestimmung der momentanen Giergeschwindigkeit des Nutzfahrzeugs 1 und/oder einen Geschwindigkeits-sensor 15 zur Bestimmung der momentanen Quergeschwindigkeit des Nutzfahrzeugs 1 quer zur Mittellängsachse M umfassen. Alternativ dazu kann wie bereits erläutert, der Ist-Wert der Position des Drehpunkts 14 mit Hilfe eines durch die Bremseinrichtung 22 erzeugten Bremseingriffs ermittelt werden.
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Um die Position des Drehpunkts 14 bei der Kurvenfahrt auf der Mittellängsachse M konstant zu halten, wird der mittels der aktiven ersten Hinterachslenkung 9 einstellbare hintere Lenkwinkel der beiden Hinterräder 4a, 4b von der Steuerungs-/ Regelungseinrichtung 10 entsprechend verstellt bzw. angepasst.