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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Betreiben eines Kraftfahrzeugs, das eine Antriebsmaschine in Form eines Verbrennungsmotors umfasst, der über eine zuschaltbare Motorbremse verfügt, wobei das Kraftfahrzeug auch eine Dauerbremseinrichtung in Form eines Retarders aufweist, der zur Verzögerung des Kraftfahrzeugs mit der Motorbremse gemeinsam betrieben werden kann.
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Antriebsstränge in insbesondere schweren Nutzfahrzeugen weisen zur Verzögerung des Kraftfahrzeugs neben den Betriebsbremsen zusätzliche Dauerbremsen auf, die eine Verzögerung des Kraftfahrzeugs durch die Betriebsbremsen unterstützen und die insbesondere bei längeren Gefällstrecken zum Einsatz kommen und dort auch die Geschwindigkeit des Kraftfahrzeugs konstant halten können. Dauerbremsen sind im Wesentlichen verschleißfrei und erlauben dem Kraftfahrzeug eine höhere Durchschnittsgeschwindigkeit, da ein Überhitzen der üblicherweise als Reibungsbremsen ausgebildeten Betriebsbremsen des Kraftfahrzeugs weitgehend vermieden werden kann.
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Zu den Dauerbremsen zählen hydrodynamische und elektrodynamische Retarder. Hydrodynamische Retarder können als Sekundärretarder außerhalb oder auch als Intarder innerhalb des Getriebes von der Getriebeabtriebswelle direkt oder über eine Hochtreiberstufe angetrieben werden. Bei hydrodynamischen Retardern findet eine Energieumwandlung von Bewegungsenergie des Kraftfahrzeugs in Wärmeenergie über eine Flüssigkeit wie Öl oder Wasser statt, während bei einem elektrodynamischen Retarder die Umwandlung mittels eines Magnetfeldes erfolgt.
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Weitere Dauerbremsen in Kraftfahrzeugen stellen Motorbremsen dar, die auf den Verbrennungsmotor direkt einwirken und den Verbrennungsmotor ein Bremsmoment auf den Fahrzeugantriebsstrang ausüben lassen. Als Motorbremsen sind beispielsweise Auspuffklappenbremsen oder Konstantdrosseln bekannt.
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Motorbremsen und Retarder können kombiniert werden und gemeinsam zur Erzielung eines Bremsmomentes genutzt werden. Dabei wird vorzugsweise zunächst das vom Retarder erzeugte Bremsmoment zur Verzögerung genutzt und ab einer vorgegebenen Erforderlichkeit die Motorbremse hinzugeschaltet. Eine derartige Vorgehensweise ist beispielgebend aus der
EP 1 341 687 B2 der Anmelderin bekannt.
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Die Notwendigkeit zum Zuschalten der Motorbremse zum bereits eingeschalteten Retarder ergibt sich beispielsweise wenn die vom Retarder zu erbringende Bremsleistung einen bestimmten Wert überschreitet. Ein gängiger Wert hierfür ist beispielsweise eine Bremsleistung von 200 kW, ab deren Erreichen die Zuschaltung der Motorbremse erfolgt. Gleichermaßen kann sich eine solche Notwendigkeit bei der Überschreitung einer Grenztemperatur des im Kühlsystem des Retarders verwendeten Kühlmittels ergeben, die dazu führen würde, dass der Retarder zurückgeregelt werden müsste, weil andernfalls die vom Kühlsystem erbrachte Kühlleistung zu einer Überhitzung des gesamten auch den Verbrennungsmotor einschließenden Fahrzeugkühlsystems führen könnte. Eine solche Grenztemperatur liegt beispielsweise bei 85 °C, ab der eine Zuschaltung der Motorbremse initiiert wird.
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Neue Ausgestaltungen von Fahrzeugantriebssträngen sehen zur Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs vor, dass das im Antriebsstrang vorgesehene Achsübersetzungsverhältnis zu immer kleineren Werten tendiert, um dadurch bei den vorgeschriebenen Geschwindigkeitswerten geringere Drehzahlen des Verbrennungsmotors zu bedingen bzw. bei gleichen Getriebeabtriebsdrehzahlen höhere Drehzahlen an den Antriebsrädern zu ermöglichen. Durch diese Tendenz kommen diese Antriebsstränge nicht mehr in Anwendungsbereiche hinein, in denen die zuvor beschriebenen Grenzwerte überschritten werden und somit die Initiierung einer Motorbremsenanforderung nicht mehr erfolgt. Insbesondere tritt dies bei niedrigen Geschwindigkeiten auf, bei denen diese Grenzwerte nicht mehr erreicht werden, so dass die Motorbremsanforderung nicht mehr aktiviert wird und das Kraftfahrzeug ungewollt beschleunigt. Damit kann die prinzipiell im Kraftfahrzeug verfügbare Bremsleistung in derartigen Antriebssträngen nicht mehr vollständig ausgenutzt werden.
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Der vorliegenden Anmeldung liegt die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren anzugeben, dass die Anforderung bremsleistungsunterstützender Systeme in einem Kraftfahrzeugantriebsstrang verbessert.
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Die Aufgabe wird gelöst durch ein Verfahren mit den Merkmalen des Anspruchs 1. Ausgestaltungen sind Gegenstand von Unteransprüchen.
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Bei einem Verfahren zur Anforderung bremsleistungsunterstützender Systeme in einem Kraftfahrzeug erfolgt die Anforderung einer Motorbremse nach Überschreitung eines die Bremswirkung eines hydrodynamischen Retarders bestimmenden Grenzwertes. Einen solchen Grenzwert kann beispielsweise die erreichte Bremsleistung darstellen oder die im Kühlkreislauf vorhandene Temperatur. Wird der Grenzwert überschritten, fordert der hydrodynamische Retarder automatisch die Zuschaltung der Motorbremse des Kraftfahrzeugs an, so dass beide Dauerbremsen gemeinsam die Verzögerung des Kraftfahrzeugs übernehmen können, ohne dass zunächst auf die Zuhilfenahme der Betriebsbremsen des Kraftfahrzeugs zurückgegriffen werden muss.
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Erfindungsgemäß wird nun nach jedem Neustart des Kraftfahrzeugs an einem Messzeitpunkt die aktuelle Fahrzeuggeschwindigkeit ermittelt, sowie die zum Messzeitpunkt gemessene Getriebeabtriebsdrehzahl. Das Verhältnis der beiden ermittelten Werte zueinander ergibt einen Koeffizienten, der ermittelt und gespeichert wird. Da die aktuelle Geschwindigkeit und die Getriebeabtriebsdrehzahl in einem Bezug zueinander stehen, der über das Übersetzungsverhältnis des Achsantriebes und den Radius des angetriebenen Rades gebildet wird, stellt dieser Koeffizient eine Aussage über das aktuell vorhandene Achsübersetzungsverhältnis und einen Teil der Radgröße dar. In einem ersten Kennfeld ist eine Kennlinie abgelegt, die in Abhängigkeit von dem ermittelten Koeffizienten den Temperaturgrenzwert angibt, bei dem die Anforderung zur Zuschaltung der Motorbremse erfolgt. Wird also ein bestimmte Koeffizient ermittelt und in das erste Kennfeld eingegeben, so ergibt sich über die Kennlinie der zugehörige Temperaturwert, der für dieses besondere Achsübersetzungsverhältnis und den Radradius als Grenzwert fungiert, um die Anforderung der Motorbremse auszulösen. So können die bei einem hydrodynamischen Retarder bei dessen Endabnahme in der Produktion vorgegebenen Einstellwerte für die Anforderung der Motorbremse zunächst gleich eingestellt werden, unabhängig davon, ob der Retarder später in einem Fernverkehrslastzug mit einer kleinen Achsübersetzung (lange Achse) oder aber in einem Kiesgrubenfahrzeug eingebaut ist, das wiederum über eine große Achsübersetzung (kurze Achse) verfügt.
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In einem zweiten Kennfeld ist eine Kennlinie abgelegt, die in Abhängigkeit von dem ermittelten Koeffizienten den Bremsleistungsgrenzwert angibt, bei dem die Anforderung zur Zuschaltung der Motorbremse erfolgt. Wird also ein bestimmte Koeffizient ermittelt und in entsprechender Weise in das zweite Kennfeld eingegeben, so ergibt sich über die Kennlinie der zugehörige Bremsleistungswert, der für dieses besondere Achsübersetzungsverhältnis und den Radradius als Grenzwert fungiert, um die Anforderung der Motorbremse auszulösen.
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Somit ist es möglich, durch die Bestimmung des im Kraftfahrzeug vorhandenen Achsübersetzungsverhältnisses und des gegebenen Radradius eine Anpassung der Motorbremsanforderungsfunktion vorzunehmen und dem zunehmenden Phänomen der immer kleiner werdenden Achsübersetzungsverhältnisse zu begegnen.
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Bei einem Kraftfahrzeug mit einer kleinen Achsübersetzung wie einem Fernverkehrslastzug werden die aus den Kennfeldern sich ergebenden Grenzwerte zu einer früheren Anforderung der Motorbremse führen, während bei einem Kraftfahrzeug mit einer größeren Achsübersetzung wie einem Kiesgrubenfahrzeug die sich ergebenden Grenzwerte zu einer späteren Anforderung der Motorbremse führen werden als die voreingestellten Werte.
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Die Auslösung der Zuschaltung der Motorbremse kann erfindungsgemäß in zwei Alternativen ausgeführt werden. Entweder erfolgt die Zuschaltung der Motorbremse dann, wenn sowohl der Temperaturgrenzwert als auch der Bremsleistungsgrenzwert erreicht wird, so dass beide Grenzwerte nacheinander oder auch gleichzeitig erreicht worden sein müssen, um die Zuschaltung auszulösen und die Zuschaltbedingung somit UND-verknüpft ist. Oder aber die Zuschaltung der Motorbremse erfolgt alternativ dann, wenn nur einer der beiden Grenzwerte erreicht wird, also entweder der Temperaturgrenzwert oder der Bremsleistungsgrenzwert erreicht wird und die Zuschaltbedingung dadurch ODER-verknüpft ist.
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Der ermittelte Temperaturgrenzwert ist in einer vorteilhaften Ausgestaltung des erfinderischen Verfahrens der Temperaturgrenzwert des Kühlmittels des hydrodynamischen Retarders. Um zu vermeiden, dass das Kühlmittel nicht mehr in der Lage ist, die durch den Retarder eingebrachte Wärmemenge abzutransportieren, wird standardmäßig eine Rückregelung des Bremsmoments durchgeführt, die vermieden oder zumindest verzögert werden kann, wenn rechtzeitig die Motorbremse zur Unterstützung zugeschaltet wird. Somit dient das erfinderische Verfahren der Vermeidung oder Verzögerung der Bremsmomentrückregelung
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In einer alternativen Ausgestaltung des erfinderischen Verfahrens ist der ermittelte Temperaturgrenzwert der Temperaturgrenzwert des Betriebsmediums des hydrodynamischen Retarders, das vorzugsweise aus Öl oder Wasser besteht. Bei der Verwendung von Öl als Betriebsmedium kann eine zu hohe Temperatur das Öl schädigen und zu einer frühzeitigen Alterung des Öls führen. Diese Schädigung kann vermeiden oder zumindest hinausgezögert werden, wenn rechtzeitig die Motorbremse zugeschaltet wird und das Betriebsmedium nicht in Temperaturregionen getrieben wird, die zu einer schnelleren Alterung führen würden.
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In einer weiteren vorteilhaften Ausgestaltung der Erfindung wird der Koeffizient in einem vorgegebenen Zeitraum nach dem Neustart des Kraftfahrzeugs mehrfach ermittelt und die Werte werden mit vorgegebenen Grenzwerten verglichen. Liegt der Koeffizient bei mehreren Messungen innerhalb des Zeitraums innerhalb vorgegebener Grenzen und bleibt innerhalb dieser Grenzen konstant, so wird dieser Wert als Koeffizient gespeichert.
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In einer anderen Ausgestaltung, die in jedem Fall die Zuschaltung der Motorbremse zum frühestmöglichen Zeitpunkt ermöglichen will, ist vorgesehen, dass derjenige ermittelte Koeffizient gespeichert wird, der den niedrigsten Temperaturgrenzwert im ersten Kennfeld und/oder den niedrigsten Bremsleistungsgrenzwert im zweiten Kennfeld bedingt. Somit kann sichergestellt werden, dass, wenn immer möglich, eine frühestmögliche Anforderung der Zuschaltung der Motorbremse erfolgt.
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Zur Ermittlung der Fahrzeuggeschwindigkeit, die in die Ermittlung des Koeffizienten eingeht, wird in einer Ausgestaltungsvariante vorgeschlagen, dass die Fahrzeuggeschwindigkeit aus den Raddrehzahlsignalen ermittelt wird. Als Geber bzw. Sensoren zur Ermittlung der Radrehzahlen können Sensoren von ABS-Systemen oder ESP-Systemen dienen. Eine andere vorteilhafte Ermittlungsform der Fahrzeuggeschwindigkeit greift auf GPS-Signale zurück, die insbesondere für Navigationssysteme aber auch für vorausschauende Fahraktivitäten Verwendung finden.
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Die Erfindung wird anhand einer Zeichnung näher erläutert.
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Es zeigen:
- 1 eine schematische Fahrzeugdarstellung
- 2 ein schematisches Diagramm der Verfahrensschritte
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Die 1 zeigt eine schematische Darstellung eines Kraftfahrzeugs 2, das einen Verbrennungsmotor 4, ein Getriebe 6 und eine zwischen Verbrennungsmotor 4 und Getriebe 6 angeordnete Kupplung 8 aufweist. Das Getriebe 6 ist über eine Abtriebswelle 10, ein Differential 12 und Achswellen 24 mit den beiden Hinterrädern 14 verbunden. Abtriebswelle 10, Differential 12 und die Achswellen 24 sowie gegebenenfalls an den Hinterrädern 14 vorgesehene und hier nicht gezeigte zusätzliche Getriebe bilden die Achsübersetzung, mit der die Getriebeabtriebsdrehzahl nab zur Drehzahl des Hinterrades 14 hin übersetzt wird.
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Am Getriebe 6 ist ein hydrodynamischer Retarder 16 angeordnet, der mit dem Getriebe 6 über eine gemeinsame Ölversorgung verfügt. Aus Ausgang des Getriebes 16 ist ein Sensor 18 vorgesehen, der die Getriebeabtriebsdrehzahl nab der Abtriebswelle 10 erfasst. Der gemessene Wert nab wird einer Steuereinrichtung 20 zugeführt, mit der auch der Retarder 16 verbunden ist. Ebenfalls mit der Steuereinrichtung 20 verbunden ist ein Sensor 22, beispielsweise eines hier nicht näher gezeigten ABS-Systems, über dessen gemessene Werte in allgemein bekannter Weise die aktuelle Fahrzeuggeschwindigkeit vFzg bestimmbar ist.
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In dem Verbrennungsmotor 4 ist eine Motorbremseinrichtung 26 angeordnet, die als Dauerbremseinrichtung zur Verzögerung des Kraftfahrzeugs 2 beiträgt und ebenfalls mit der Steuerungseinrichtung 20 verbunden ist.
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Die 2 zeigt in einem schematischen Diagramm, dass zunächst die aktuell anliegende Fahrzeuggeschwindigkeit vFzg und die aktuell anliegende Getriebeabtriebsdrehzahl nab im jeweiligen Messzeitpunkt ermittelt wird. Beide ermittelten Werte gehen ein in die Bestimmung eines Koeffizienten iHARD, der sich aus dem Verhältnis von Fahrzeuggeschwindigkeit vFzg zu Getriebeabtriebsdrehzahl nab ergibt. Dieser Koeffizienten iHARD wird den beiden Kennfeldern zur Bestimmung des Bremsleistungsgrenzwertes PGrenz und des Temperaturgrenzwertes TGrenz zugeleitet, in denen der für den jeweiligen Koeffizienten iHARD zugehörige Grenzwert ermittelt wird. Anschließend wird in einem ersten dargestellten Alternativpfad überprüft, ob die aktuell im Bremssystem anliegende Bremsleistung P diesen Bremsleistungsgrenzwert PGrenz überschreitet oder ob die aktuell im Kühlsystem vorherrschende Temperatur T den Temperaturgrenzwert TGrenz überschreitet. Wenn einer der beiden Grenzwerte überschritten und somit die ODER-verknüpfte Bedingung erfüllt wird, erfolgt die Anforderung der Motorbremsenzuschaltung auf der Basis der für die Achsübersetzungsverhältnisse des vorliegenden Antriebsstrangs richtigen Werte.
Ein mit einer gestrichelten Linie weitergeführter zweiter Alternativpfad führt zu einer Überprüfung, ob sowohl die aktuell im Bremssystem anliegende Bremsleistung P den Bremsleistungsgrenzwert PGrenz als auch die aktuell im Kühlsystem vorherrschende Temperatur T den Temperaturgrenzwert TGrenz überschreitet. Wenn beide mit UND verknüpften Bedingungen erfüllt sind, wird die Anforderung zur Motorbremsenzuschaltung ausgelöst.
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Bezugszeichen
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- 2
- Kraftfahrzeug
- 4
- Verbrennungsmotor
- 6
- Getriebe
- 8
- Kupplung
- 10
- Abtriebswelle
- 12
- Differential
- 14
- Hinterrad
- 16
- Retarder
- 18
- Sensor
- 20
- Steuereinrichtung
- 22
- Sensor
- 24
- Achswelle
- 26
- Motorbremse
- vFzg
- Fahrzeuggeschwindigkeit
- nab
- Getriebeabtriebsdrehzahl
- iHARD
- Koeffizient
- PGrenz
- Bremsleistungsgrenzwert
- TGrenz
- Temperaturgrenzwert
- P
- Bremsleistung
- T
- Temperatur