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Die Erfindung betrifft ein verstellbares Fahrwerk, insbesondere für ein Kraftfahrzeug sowie ein Verfahren zum Einstellen des Radsturzes eines verstellbaren Fahrwerks gemäß den Oberbegriffen der unabhängigen Ansprüche.
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Aus dem Stand der Technik sind verstellbare Fahrwerke bekannt, bei denen an zumindest einer Achse der Sturz über Aktuatoren verstellbar ist. Als Sturz bezeichnet man allgemein den Winkel zwischen der Radmittelebene und einer Senkrechten auf die Fahrbahn. Man unterscheidet den Sturz bezüglich der Fahrbahn und den Sturz bezüglich des Fahrzeugs. Durch Verstellung des Sturzes lässt sich eine Veränderung des Kontaktes der Profilteilchen in der Reifenaufstandsfläche mit der Fahrbahn verändern.
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Um einen möglichst guten Kontakt der Reifen mit der Fahrbahn zu gewährleisten, werden für verschiedene Witterungsverhältnisse (Temperaturbereiche) unterschiedliche Reifen eingesetzt. So werden beispielsweise für winterliche Straßenverhältnisse etwa unterhalb von 7 Grad Celsius Winterreifen eingesetzt, andererseits bei Temperaturen etwa oberhalb von 7 Grad Celsius werden Sommerreifen mit einer härteren Gummimischung eingesetzt, um in diesem Temperaturbereich einen besseren Kontakt zur Fahrbahn bzw. höheren Reibwert des Reifenmaterials bei Kontakt mit der Fahrbahnoberfläche zu gewährleisten.
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Es besteht das Problem, dass gerade bei grenzwertigen Fahrbahnbedingungen um die vorgenannte Grenztemperatur ein Reifenwechsel mit einem nicht unerheblichen Aufwand, wie z. B. einem Werkstattbesuch, verbunden ist. Es ist daher erstrebenswert, einen Reifen zu verwenden, der sowohl eine Reifenlauffläche bzw. Reifenaufstandsfläche zumindest für Sommerreifen als auch eine für Winterreifen besitzt. Des Weiteren muss das Fahrwerk entsprechend ausgelegt sein, um derart spezielle Reifentypen verwenden zu können.
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Die Erfindung löst dieses Problem mit einem verstellbaren Fahrwerk, insbesondere für ein Kraftfahrzeug, mit einer Regelungseinrichtung, wobei mittels zumindest eines Aktuators der Radsturz von Rädern an zumindest einer Achse variabel änderbar ist, wobei die Reifen an den Rädern zumindest zwei unterschiedliche Laufflächen aufweisen, so dass durch gezielte Änderung des Radsturzes die Räder zumindest einer Achse derart geneigt werden können, dass die beabsichtigte Lauffläche in Kontakt mit der Fahrbahn bringbar ist.
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Die herkömmliche, aus dem Stand der Technik bekannte, Verstellung des Radsturzes ist dabei nicht zweckdienlich, da diese den Radsturz nur in einem sehr kleinen Winkelbereich verstellen kann, um die Fahrdynamik des Fahrzeuges zu verbessern. Für eine effektive Verstellung, um quasi von der Sommerlauffläche auf die Winterlauffläche umschalten zu können, muss der Radsturz über einen sehr großen Winkelbereich verstellbar sein. Entscheidend hierbei ist, dass das vorgenannte Fahrwerk in der Lage ist, den Radsturz in einen ersten Endbereich zu verstellen, um eine erste Lauffläche für den Sommerbetrieb zu erreichen. Der zumindest zweite weitere Endbereich muss erreichbar sein, um die Lauffläche für den Winterbetrieb einstellen zu können.
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Bevorzugt sind für das verstellbare Fahrwerk Aktuatoren als längenverstellbare Lenker zumindest einer Achse derart ausgebildet, den Radsturz abhängig von der beabsichtigten Lauffläche einzustellen. Mit Blick auf den vorgenannten großen Winkelbereich, der einstellbar sein muss, müssen die Aktuatoren derart ausgebildet sein, dass große Verstellwege ermöglicht sind. Es ist ersichtlich, dass bisher aus dem Stand der Technik bekannte Aktuatoren mit geringem Verstellbereich hierbei nicht eingesetzt werden können. Die Aktuatoren müssen derart weitergebildet werden, dass neben der normalen, der Verbesserung der Fahrdynamik dienenden Radsturzverstellung, die Aktuatoren zusätzlich einen großen Verstellweg gewährleisten müssen, um die vorgenannten Endbereiche für den Sommer- oder Winterbetrieb anfahren zu können.
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In einer weiteren Ausführungsform ist in dem zumindest einen Aktuator eine Messeinrichtung vorhanden, so dass die gezielte Längenänderung des Aktuators vornehmbar ist, um den für die beabsichtigte Lauffläche benötigten Radsturz gezielt einstellen zu können. Mittels der Messeinrichtung ist der Aktuator mit anderen Worten in der Lage, den für den jeweils benötigten Bereich (Sommer- oder Winterbetrieb) anfahren zu können. Die Messeinrichtung des Aktuators kann dabei mit der Fahrzeugelektronik bzw. einer Regeleinrichtung für die Aktuatoren drahtlos oder per Kabel verbunden sein. Dabei können die Aktuatoren bzw. deren Messeinrichtung über eine spezielle Verbindung, beispielsweise einem CAN-Bus mit der Regeleinrichtung verbunden sein.
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In einer bevorzugten Weiterbildung sind an den Rädern Sensoren angeordnet, die eine Lage zumindest einer Radebene der Räder an zumindest einer Achse erfassen. Die Sensoren können sowohl an den Rädern, als auch fahrwerkseitig an einem Radträger angeordnet sein, über den das Rad drehbar mit dem Fahrwerk verbunden ist. Es kann der Sensor dabei in den Reifen eingearbeitet sein, oder aber der Sensor, z. B. mittels eines Gurtes, an der Felge befestigt sein. Auch kann der Sensor an der Felge oder an den Reifen geklebt sein. Die Sensoren sind drahtlos mit der Messeinrichtung in dem Aktuator und/oder der Regeleinrichtung bzw. Fahrzeugelektronik verbunden. Es lässt sich somit sensieren, in welcher Lage sich die Räder in Bezug zur Fahrbahnoberfläche befinden. Somit lässt sich beispielsweise erfassen, ob die Verstellung des Radsturzes mittels des Aktuators ordnungsgemäß erfolgt ist und der Endbereich für den gewünschten Sommer- oder Winterbetrieb erreicht wurde. Selbstverständlich lässt sich über den Sensor ebenfalls der Radsturzverstellbereich zur Verbesserung der Fahrdynamik erfassen.
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Bevorzugt sind die vorgenannten Sensoren insbesondere als RFID-Sensoren ausgebildet, um mit dem zumindest einen Aktuator zu kommunizieren, so dass der Aktuator aufgrund der auf dem RFID-Sensor gespeicherten Daten abhängig von der beabsichtigten Lauffläche, den jeweiligen gezielten Radsturz einstellen kann. RFID ist eine Abkürzung für RADIO-FREQUENCY IDENTIFICATION: Es bezeichnet eine Technologie für Sender-Empfänger-Systeme zum automatischen und berührungslosen Identifizieren und Lokalisieren von Objekten und Lebewesen mit Radiowellen. Der eigentliche Sensor ist dabei als ein Funketikett ausgebildet, der sich an dem Reifen bzw. Rad oder auch an der Felge befindet und mit einem Lesegerät zum Auslesen der von dem RFID-Sensor gesendeten Daten ausgebildet ist. Der RFID-Sensor kann somit die aktuelle Neigung der Radebene und somit des Rades zur Fahrbahnoberfläche an den Aktuator bzw. dessen Messeinrichtung oder aber an die Fahrzeugelektronik bzw. die Regeleinrichtung senden. Neben seiner Kommunikationsfähigkeit ist der Sensor zusätzlich ausgerüstet, um Geschwindigkeiten bzw. Beschleunigungen zu erfassen. Zusätzlich zur Radneigung können an die Regeleinrichtung im Fahrzeug somit zur Verbesserung der Fahrdynamik die aktuelle Drehzahl des Rades oder auch deren Beschleunigung übermittelt werden.
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Zur Erfassung der Radneigung gegenüber der Fahrbahnoberfläche können alternativ Abstandssensoren eingesetzt werden, die sich am Fahrzeugaufbau befinden und die Neigung des Rades gegenüber dem Fahrzeugaufbau detektieren. Alternativ können die vorgenannten Sensoren auch am Radträger befestigt werden, wodurch neben der drahtlosen Verbindung auch eine kabelgebundene Verbindung mit der Fahrzeugelektronik möglich wird. Die am Radträger gemessene Neigung bzw. der Sturz stimmt dabei mit dem daran drehbar gelagerten Rad überein.
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Bevorzugt ist das verstellbare Fahrwerk derart ausgebildet, dass die Regelungseinrichtung und/oder die Messeinrichtung die Aktuatoren auf Grundlage der von den Sensoren bereitgestellten Daten nur dann gezielt ansteuert, wenn sich das Fahrzeug in einem bestimmten Zustand befindet, vorzugsweise im Stillstand befindet, und, vorzugsweise gleichzeitig, der Lenkwinkel der jeweils lenkbaren Achse in etwa 0 Grad beträgt. Es lässt sich somit sicherstellen, dass eine Änderung der Lauffläche von Winterbetrieb auf Sommerbetrieb nur dann vornehmbar ist, wenn dieses auch sinnvoll ist. Jedoch ist ersichtlich, dass im Gegensatz zum Werkstattbesuch, das Fahrzeug lediglich mit einer geringen Geschwindigkeit bei einem Lenkwinkel von 0 Grad bzw. in den Stillstand gebracht werden muss, um von einer für den Sommerbetrieb bevorzugten Lauffläche auf eine für den Winterbetrieb bevorzugten Lauffläche umschalten zu können.
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Die Erfindung betrifft des Weiteren ein Verfahren zum Einstellen des Radsturzes eines verstellbaren Fahrwerks, wie zuvor erläutert. Das Verfahren ist insbesondere für lenkbare Achsen geeignet, wobei Daten und Messwerte zur Ermittlung des Radsturzes und der Räder durch Sensoren und die Regelungseinrichtung und/oder die Messeinrichtung ermittelt werden, und die Einstellung des Radsturzes anhand der ermittelten Daten sowie Messwerte an den Rädern zumindest einer Achse über die Aktoren abhängig von der beabsichtigten Lauffläche der Räder vorgenommen werden kann.
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Bevorzugt wird die Einstellung des Radsturzes in einen ersten Bereich für den Sommerbetrieb bzw. einen zumindest zweiten Bereich für den Winterbetrieb nur dann verändert, wenn sich das Fahrwerk in einem definierten, vorzugsweise statischen Ist-Zustand befindet. Wie zuvor bereits zum verstellbaren Fahrwerk erläutert, ist die Verstellung von Sommer- auf Winterbetrieb insbesondere sinnvoll bei langsamer Geradeausfahrt bzw. Stillstand des Fahrwerks bzw. Fahrzeugs mit einem Lenkwinkel nahe 0 Grad. Die Regelungseinrichtung ist insbesondere dazu ausgebildet, den Lenkwinkel auf 0 Grad zu bringen, bevor eine Sturzverstellung auf die jeweilige Lauffläche erfolgt, beispielsweise über die Servolenkung oder Radspurverstelleinrichtung, insbesondere Hinterradlenkung.
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Die Erfindung betrifft des Weiteren eine Regelungseinrichtung zur Verwendung in einem zuvor erläuterten verstellbaren Fahrwerk und/oder zur Ausführung eines vorgenannten Verfahrens. Diese ist als separates Steuergerät oder als Teil eines Steuergerätes, z. B. ESP oder Lenkungssteuerung, ausgebildet.
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Des Weiteren betrifft die Erfindung ein Kraftfahrzeug mit einem verstellbaren Fahrwerk, wobei in dem Kraftfahrzeug eine Regelungseinrichtung eingesetzt wird, auf der ein zuvor erläutertes Verfahren zum Einstellen des gezielten Radsturzes ausgeführt wird.
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Die Erfindung wird nachfolgend anhand bevorzugter Ausführungsformen unter Bezugnahme auf die Zeichnungen beschrieben. In der Zeichnung zeigen:
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1 eine Teilansicht eines Fahrwerks im Sommerbetrieb,
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2 eine Teilansicht eines Fahrwerks im Winterbetrieb,
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3 eine schematisierte Ansicht von Verfahrensschritten zum Einstellen eines Radsturzes.
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1 zeigt eine Teilansicht eines verstellbaren Fahrwerks 1 eines Kraftfahrzeuges, wobei hier eine linke Hälfte des Fahrzeugaufbaus 35 mit einem linken Rad 5 dargestellt ist. Verdeutlicht wird dies durch eine Strichpunktlinie h, die die Mitte des Fahrzeugs darstellt. Das Rad 5 ist drehbar an einem Radträger 50 gelagert, wobei der Radträger 50 und somit das Rad 5 über Lenker 16, 17 in Position zum Fahrzeugaufbau 35 gehalten wird. Das Rad 5 weist einen Reifen 9 auf, der zwei Laufflächen 9a, 9b aufweist. Die Lenker 16, 17 sind längenverstellbar durch Aktuatoren 3, 4, die Teil der Lenker 16, 17 sind. Ein Aktuator 3 weist eine Messeinrichtung 45 auf, über die die Längenänderung des Aktuators 3 gemessen als auch eingesteuert wird. Der Reifen weist einen negativen Radsturz 10 auf, wobei sich der Sturzwinkel durch die gezeigte Senkrechte ergibt, die die Radebene 5a auf Höhe der Radmitte bzw. der Drehachse des Rades 5 schneidet. Die Senkrechte ist im rechten Winkel zur Fahrbahnoberfläche 20 aufgetragen. Es ist erkennbar, dass der Reifen 9 des Rades 5 mit einer Lauffläche 9b in Kontakt mit der Fahrbahnoberfläche 20 ist. Die Achse 15 des verstellbaren Fahrwerks 1 befindet sich somit im Sommerbetrieb. An dem Fahrzeugaufbau 35 ist eine Regeleinrichtung 40 angeordnet, die drahtlos mit zumindest einem Sensor 30, der an dem Rad 5 bzw. dem Reifen 9 angeordnet ist, sowie einer Messeinrichtung 45, die einem Aktuator 3 zugeordnet ist, kommunizieren kann.
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2 zeigt dasselbe Fahrwerk 1, das hier jedoch den Winterbetrieb darstellt. Es ist deutlich erkennbar, dass das Rad 5 einen positiven Radsturz aufweist und mit der äußeren Lauffläche 9a in Kontakt mit der Fahrbahnoberfläche 20 steht. Die weiteren Bauteile entsprechen denen der 1 und werden hier nicht noch einmal gesondert aufgezählt, um Wiederholungen zu vermeiden.
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Es ist offensichtlich, dass zwischen den 1 und 2 der Radsturz des Rades 5 des Fahrwerks 1 deutlich verändert ist.
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3 zeigt ein Blockschaltbild mit verschiedenen Verfahrensschritten eines Verfahrens zum Einstellen des Radsturzes eines verstellbaren Fahrwerks 1, wie zuvor zu den Figuren 1 und 2 beschrieben. In einem ersten Schritt 100 wird über das Auslesen eines RFID-Sensors der Reifentyp ermittelt, so dass dem Gesamtsystem Informationen über die unterschiedlichen Laufflächen vorliegen. Des Weiteren wird die Radneigung und somit der Radsturz ermittelt. In einem weiteren Schritt 101 wird der Fahrzustand ermittelt, so dass eine Unterscheidung zwischen bewegtem und stillstehendem Fahrzeug vorliegt. In einem nächsten Schritt 102 werden die verstellbaren Lenker bzw. Aktoren betätigt, so dass das Rad von dem einen Radsturzendbereich in den anderen Radsturzendbereich gefahren werden kann. In einem weiteren Verfahrensschritt 103 wird geprüft, ob der Endbereich der Radsturzverstellung erreicht wurde und die Vorwahl (Sommer- oder Winterbetrieb) fehlerfrei angefahren wurde. In einem weiteren Verfahrensschritt 104 wird anhand aller Sensoren bzw. Mess- und Regeleinrichtungen eine abschließende Prüfung durchgeführt, so dass der Fahrbetrieb wieder aufgenommen werden kann. Sollte nach dem Verfahrensschritt 103 festgestellt werden, dass der Radsturzendbereich durch die Verstellung der verstellbaren Lenker 16, 17 mittels der Aktuatoren nicht erreicht wurde und/oder nicht der Vorwahl (Sommer- oder Winterfahrbetrieb) entspricht, so wird zurückverwiesen auf den Verfahrensschritt 101 und die Schritte 101 bis 103 erneut ausgeführt.
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Es versteht sich, dass die vorstehend genannten Merkmale der Erfindung nicht nur in der jeweils angegebenen Kombination, sondern auch in anderen Kombinationen oder in Alleinstellung verwendbar sind, ohne den Rahmen der Erfindung zu verlassen. Ebenso liegt es im Rahmen der Erfindung, eine mechanische Umkehr der Funktionen der einzelnen mechanischen Elemente der Erfindung zu bewirken.
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Bezugszeichenliste
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- 1
- Fahrzeugaufbau
- 3, 4
- Aktuator
- 5
- Rad
- 5a
- Radebene
- 9
- Reifen
- 9a
- Lauffläche
- 9b
- Lauffläche
- 10
- Radsturz
- 15
- Achse
- 16, 17
- Lenker
- 20
- Fahrbahnoberfläche
- 30
- Sensor
- 35
- Fahrzeugaufbau
- 40
- Regeleinrichtung
- 45
- Messeinrichtung
- 50
- Radträger
- h
- Mitte des Fahrzeugs