-
Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Vergrößerung des Arbeitsbereiches bei Hubarbeitsbühnen, insbesondere fahrbaren Hubarbeitsbühnen, wobei die Hubarbeitsbühne eine Kinematikstruktur mit mehreren, unabhängig voneinander bewegbaren Kinematikelementen aufweist, wobei die Kinematikelemente in verschiedene Aufstellpositionen bewegbar sind und für die jeweilige Aufstellpositionen jeweils ein Arbeitsbereich ermittelt wird und von einer Sicherheitssteuerung in Abhängigkeit von dem jeweiligen Arbeitsbereich nur für den jeweiligen Arbeitsbereich zulässige Kinematikbewegungen der Kinematikelemente freigegeben werden.
-
Bei Hubarbeitsbühnen, insbesondere bei fahrbaren Hubarbeitsbühnen, muss durch eine geeignete Sicherheitssteuerung gewährleistet werden, dass die Standsicherheits- und Festigkeitsgrenzen im Laufe des Betriebes der Hubarbeitsbühne nicht überschritten werden. Die Menge aller zulässigen Hubarbeitsbühnenpositionen wird als Arbeitsbereich bezeichnet. Zur Ermittlung des Arbeitsbereiches sowie zu dessen Überwachung können unterschiedliche Verfahren zum Einsatz kommen. Dabei werden die normativ geforderten Randbedingungen rechnerisch in erlaubte und verbotene Bewegungen überführt.
-
Der aktuelle Arbeitsbereich einer Hubarbeitsbühne ist dabei von ihrer Aufstellkonfiguration, insbesondere der Position der Abstützeinrichtung, abhängig. Diese Aufstellkonfiguration bezeichnet die Komponenten, die während eines Hubarbeitsbühneneinsatzes unverändert bleiben. Es gibt Hubarbeitsbühnen, die während des Aufstellvorganges einen reduzierten Arbeitsbereich zur Verfügung stellen. Dabei erfolgt die Freigabe eines Arbeitsbereiches über die Position eines oder mehrerer Kinematikelemente der Hubarbeitsbühne, wobei das Verlassen dieser Position verhindert wird.
-
Bei der Bestimmung des Arbeitsbereiches müssen laut Norm das Eigengewicht, die Zuladung, die Windkraft und eine dynamische Last berücksichtigt werden. Die dynamische Last berücksichtigt alle Belastungen der beweglichen Teile einer Hubarbeitsbühne.
-
Bei bekannten Hubarbeitsbühnen weist jede Hubarbeitsbühne einen oder mehrere Arbeitsbereiche auf, die einer bestimmten Aufstellkonfiguration zugeordnet sind. Dabei erfolgt die Umschaltung zwischen den Arbeitsbereichen in Abhängigkeit von der Position der Hubeinrichtung oder manuell. Bei Hubarbeitsbühnen, die in bestimmten Bereichen eine oder mehrere Bewegungsrichtungen nicht zulassen, erfolgt eine Anpassung des Arbeitsbereiches vorab und kann nicht während eines Hubarbeitsbühneneinsatzes gesteuert werden. Die Arbeitsbereiche bekannter Hubarbeitsbühnen sind somit begrenzt.
-
Aus
DE 38 07 966 A1 und
DE 10 2012 106 222 A1 sind Hubarbeitsbühnen mit mehreren Kinematikelementen bekannt. Aus DIN EN 280, April 2016, Fahrbare Hubarbeitsbühnen – Berechnung – Standsicherheit – Bau – Sicherheit – Prüfungen; Seiten 18–24 ist die Ermittlung der Standsicherheitsanforderungen bei Hubarbeitsbühnen bekannt.
-
Aufgabe der Erfindung ist es, den Arbeitsbereich von Hubarbeitsbühnen zu vergrößern, ohne die Standsicherheit zu beeinträchtigen.
-
Diese Aufgabe wird einem Verfahren der eingangs bezeichneten Art erfindungsgemäß dadurch gelöst, dass wenigstens ein Kinematikelement in seiner aktuellen Kinematikposition verriegelt oder die Geschwindigkeit wenigstens eines Kinematikelementes ausgehend von seiner aktuellen Kinematikposition auf einen vorgegebenen maximalen Geschwindigkeitswert begrenzt wird und anschließend von der Sicherheitssteuerung automatisch auf einen Arbeitsbereich umgeschaltet wird, welcher die dynamische Belastung des wenigstens einen verriegelten oder in seiner maximalen Geschwindigkeit begrenzten Kinematikelementes nicht oder nur in verringertem Umfang berücksichtigt.
-
Zur Vergrößerung des Arbeitsbereiches wird somit ein (oder ggf. mehrere) Kinematikelement in seiner aktuellen Position elektrisch, hydraulisch oder mechanisch oder auf andere Weise verriegelt oder es wird die Geschwindigkeit wenigstens eines Kinematikelementes auf einem vorgegebenen maximalen Geschwindigkeitswert begrenzt (z. B. sehr langsame Schleichgeschwindigkeit) und anschließend auf einen Arbeitsbereich umgeschaltet, der die dynamische Belastung des wenigstens einen verriegelten oder in seiner maximalen Geschwindigkeit begrenzten Kinematikelementes nicht oder nur in verringertem Umfang berücksichtigt. Bei Stillstand und Verriegelung eines Kinematikelementes kann je nach Position dieses Kinematikelementes seine dynamische Belastung gar nicht berücksichtigt werden oder nur in geringerem Umfang, wenn dynamische Übertragungseffekte der sich noch bewegenden Kinematikelemente auf das verriegelte Kinematikelement entstehen können. Bei Begrenzung der maximalen Geschwindigkeit eines Kinematikelementes wird dagegen in der Regel die dynamische Belastung desselben nicht vernachlässigt, sondern in geringerem Umfang berücksichtigt. Dabei ist die Position des jeweils relevanten Kinematikelementes völlig beliebig. Anhand der aktuellen Position des jeweiligen betroffenen Kinematikelementes wird durch die Nichtberücksichtigung oder geringerer Berücksichtigung der dynamischen Last dieses Kinematikelementes der Arbeitsbereich automatisch neu ermittelt, entweder durch entsprechende Berechnung oder durch Auswahl aus werkseitig gespeicherten Daten für alle möglichen Positionen der Kinematikelemente der Hubarbeitsbühne. Durch diese Verriegelung oder Geschwindigkeitsbegrenzung wenigstens eines Kinematikelementes steht somit ein anderer, nämlich vergrößerter Arbeitsbereich zur Verfügung. Die so frei werdende Reserve kann als zusätzliche Reichweite der Hubarbeitsbühne ausgenutzt werden.
-
In einer ersten bevorzugten Ausgestaltung ist vorgesehen, dass das wenigstens eine Kinematikelement manuell vom Bediener verriegelt oder die Geschwindigkeit des wenigstens einen Kinematikelementes manuell vom Bediener auf den maximalen Geschwindigkeitswert begrenzt wird. Der Bediener kann somit in jeder beliebigen Position der Kinematikelemente selbst entscheiden, dass er für eine bestimmte Zeit ein bestimmtes Kinematikelement in der aktuellen Position belassen oder mit geringer Geschwindigkeit bewegen möchte. Dieses Kinematikelement wird durch den Eingriff des Bedieners elektrisch, hydraulisch oder mechanisch verriegelt oder in seiner Geschwindigkeit begrenzt und anschließend ein (vergrößerter) Arbeitsbereich ermittelt und freigegeben.
-
Alternativ kann auch vorgesehen sein, dass die Position wenigstens eines Kinematikelementes von einem mit der Sicherheitssteuerung verbundenen Sensor überwacht wird und bei Feststellung eines Stillstandes des wenigstens einen Kinematikelementes über einen vorgegebenen Zeitraum dieses wenigstens eine Kinematikelement von der Sicherheitssteuerung automatisch in seiner aktuellen Kinematikposition verriegelt wird. Wird somit wenigstens ein Kinematikelement vom Bediener der Hubarbeitsbühne über einen vorgegebenen Zeitraum nicht betätigt, wird dies von einem Sensor festgestellt und an die Sicherheitssteuerung weitergeleitet, die dann automatisch das jeweilige Kinematikelement in der aktuellen Position verriegelt und einen größeren Arbeitsbereich freigibt.
-
Dabei kann außerdem vorgesehen sein, dass die Geschwindigkeit wenigstens eines Kinematikelementes von einem mit der Sicherheitssteuerung verbundenen Sensor überwacht wird und bei Feststellung eines Unterschreitens des maximalen Geschwindigkeitswertes des wenigstens einen Kinematikelementes über einen vorgegebenen Zeitraum die Geschwindigkeit dieses wenigstens eine Kinematikelementes von der Sicherheitssteuerung automatisch auf den maximalen Geschwindigkeitswert begrenzt wird. Dadurch wird automatisch ebenfalls von der Sicherheitssteuerung ein größerer Arbeitsbereich freigegeben.
-
In bevorzugter Ausgestaltung ist vorgesehen, dass die Position sämtlicher Kinematikelemente überwacht wird. Alle im vorgegebenen Zeitraum stillstehenden Kinematikelemente werden dann automatisch verriegelt und alle im vorgegebenen Zeitraum sich mit entsprechend geringer Geschwindigkeit bewegenden Kinematikelemente werden entsprechend in ihrer maximalen Geschwindigkeit begrenzt, so dass ein noch größerer Arbeitsbereich für die übrigen Kinematikelemente zur Verfügung steht.
-
Ferner ist bevorzugt vorgesehen, dass vorgegebene Kinematiksituationen mit wenigstens einem verriegelten oder in seiner Geschwindigkeit auf den maximalen Geschwindigkeitswert begrenzten Kinematikelement als verschiedene Fahrmodi in einem Speicher der Sicherheitssteuerung abgespeichert werden und vom Bediener der jeweils gewünschte Fahrmodus auswählbar ist, wodurch von der Sicherheitssteuerung automatisch auf die zugehörigen Arbeitsbereiche umgeschaltet wird. Durch eine Auswahl an solchen Fahrmodi kann die Bedienung vereinfacht werden, da der Bediener nicht selbst aktiv wenigstens ein Kinematikelement durch manuellen Eingriff verriegeln oder in seiner Geschwindigkeit begrenzen muss, sondern aus einer überschaubaren Anzahl von vorgegebenen Fahrmodi auswählen kann.
-
Die Erfindung ist nachstehend anhand der Zeichnung beispielhaft näher erläutert. Diese zeigt jeweils in schematischer Darstellung in
-
1 eine Hubarbeitsbühne,
-
2 die bei der Hubarbeitsbühne auftretenden dynamischen Kräfte bei freier Rotation um einen Drehpunkt A,
-
3 das durch die dynamischen Kräfte nach 2 erzeugte Kippmoment,
-
4 die durch eine Rotation nur um einen Drehpunkt B erzeugten Kräfte und in
-
5 das durch die dynamischen Kräfte nach 4 erzeugte Kippmoment.
-
Eine stark vereinfacht dargestellte, vorzugsweise selbstfahrende Hubarbeitsbühne 1 weist ein Fahrgestell 2 auf, welches durch eine Abstützeinrichtung 3 (z. B. mehrere Teleskopstützen) freistehend, d. h. nicht auf den nicht dargestellten Rädern stehend, auf einer geneigten Bodenfläche 4 aufgestellt ist.
-
Die Hubarbeitsbühne 1 weist eine Kinematikstruktur mit mehreren unabhängig voneinander bewegbaren Kinematikelementen auf, nämlich eine untere, vorzugsweise teleskopierbare Hubeinrichtung 5, welche in einem ersten Drehpunkt A um eine horizontale Achse schwenkbar ist. Außerdem ist üblicherweise die untere Hubeinrichtung 5 auch um eine vertikale Achse gegenüber dem Fahrgestell 2 verschwenkbar, was in den Figuren nicht dargestellt ist. Die untere Hubeinrichtung 5 geht über einen weiteren Drehpunkt B in eine obere, vorzugsweise teleskopierbare Hubeinrichtung 6 über, an deren freien Ende ein Arbeitskorb 7 angeordnet ist.
-
Erkennbar weist die Kinematikstruktur der Hubarbeitsbühne 1 eine Vielzahl von Freiheitsgraden auf. So kann die untere Hubeinrichtung 5 durch ihre Teleskopierbarkeit in ihrer Länge verändert werden. Außerdem kann sie um eine vertikale Achse gegenüber dem Fahrgestell 2 sowie um den Drehpunkt A um eine horizontale Achse verschwenkt werden. Die obere Hubeinrichtung 6 kann aufgrund ihrer Teleskopierbarkeit in ihrer Länge verändert werden. Des Weiteren kann sie um den Drehpunkt B um eine horizontale Achse gegenüber der unteren Hubeinrichtung 5 verschwenkt werden.
-
Weitere Freiheitsgrade sind möglich, aber der Übersichtlichkeit halber in den Figuren nicht dargestellt. So kann beispielsweise auch der Arbeitskorb 7 um eine horizontale Achse gegenüber der oberen Hubeinrichtung 6 verschwenkbar sein.
-
In den 2 und 3 ist eine Situation der Kinematikstruktur dargestellt, in welcher die Rotation um die Drehpunkte A und B erlaubt ist, d. h. die entsprechenden Bewegungen sind nicht verriegelt. In diesem Fall treten die in 2 dargestellten dynamischen Kräfte F1a im Schwerpunkt der unteren Hubeinrichtung 5, F2a im Schwerpunkt der oberen Hubeinrichtung 6 und F3a im Schwerpunkt des Arbeitskorbes 7 auf. Daraus resultieren die in 3 dargestellten einzelnen Kippmomente in Verbindung mit den jeweiligen Hebelarmen L1a, L2a, L3a.
-
Das gesamte Kippmoment M_Kipp_a ergibt sich dann wie folgt: M_Kipp_a = F1a × L1a + F2a × L2a + F3a × L3a.
-
Wird nun vom Bediener der Hubarbeitsbühne 1 (oder automatisch) die untere Hubeinrichtung 5 z. B. in der in 4 dargestellten Lage verriegelt, so dass keine Rotation um den Drehpunkt A möglich ist, treten nur noch die in 4 dargestellten dynamischen Kräfte durch eine Rotation um den Drehpunkt B auf, nämlich F2b und F3b. Dagegen ist die dynamische Kraft F1b gleich 0.
-
Aus diesen dynamischen Kräften resultiert ein Kippmoment entsprechend der Hebelarme L2b und L3b, wie dies in 5 dargestellt ist. Das gesamte Kippmoment M_Kipp_b ergibt sich zu M_Kipp_b = F1b × Lib + F2b × L2b + F3b × L3b
= F2b × L2b + F3b × L3b
< M_Kipp_a, weil F1a > F1b (F1b = 0)
F2a = F2b
F3a = F3b
L2a > L2b
L3a > L3b.
-
Bei einer Verriegelung der Rotation um den Drehpunkt A ist somit das durch die dynamischen Kräfte auftretende Kippmoment M_Kipp_b kleiner als das maximale Kippmoment M_Kipp_a bei einer Nicht-Verriegelung des Drehpunktes A, so dass ein größerer Arbeitsbereich zur Verfügung steht, wenn eine Rotation um den Drehpunkt A verriegelt wird, was einerseits dadurch geschehen kann, dass der Bediener eine mechanische, elektrische oder hydraulische Verriegelung des Drehgelenkes A bewirkt oder die Sicherheitssteuerung der Hubarbeitsbühne 1 eine Verriegelung automatisch durchführt, z. B. wenn durch einen Sensor festgestellt wird, dass die untere Hubeinrichtung 5 über einen vorgegebenen Zeitraum nicht mehr um den Drehpunkt A verschwenkt worden ist.
-
Neben einer vollständigen Verriegelung eines Kinematikelementes der Kinematikstruktur kann der Arbeitsbereich auch dadurch vergrößert werden, dass die Geschwindigkeit eines ausgewählten Kinematikelementes auf einen maximalen Geschwindigkeitswert begrenzt wird (z. B. Schleichgeschwindigkeit). Auch eine solche geringere Bewegungsgeschwindigkeit eröffnet die Möglichkeit, die dynamische Belastung des betreffenden Kinematikelementes bei der Ermittlung des aktuellen Arbeitsbereiches entsprechend geringer zu berücksichtigen und dadurch den Arbeitsbereich zu vergrößern.
-
Bezugszeichenliste
-
- 1
- Hubarbeitsbühne
- 2
- Fahrgestell
- 3
- Abstützeinrichtung
- 4
- geneigte Bodenfläche
- 5
- untere Hubeinrichtung
- 6
- obere Hubeinrichtung
- 7
- Arbeitskorb
- A
- Drehpunkt
- B
- Drehpunkt