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Die Erfindung betrifft ein Verfahren und eine entsprechende Vorrichtung zur Unterstützung eines Fahrers eines Fahrzeugs beim Erkennen und Ausweichen von einem Hindernis.
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Es sind Fahrerassistenzsysteme (FAS) bekannt, die den Fahrer eines Fahrzeugs (im Folgenden als Ego-Fahrzeug bezeichnet) dabei unterstützen, einem Hindernis auf einer Trajektorie des Ego-Fahrzeugs (z. B. einem stehenden Fahrzeug auf der aktuellen Fahrspur des Ego-Fahrzeugs) auszuweichen. Dabei wird mittels Umfeldsensoren ein Umfeld vor dem Ego-Fahrzeug erfasst. Bei Erkennung eines Hindernisses kann ein Warnhinweis an den Fahrer ausgegeben werden und/oder es kann automatisch durch das Ego-Fahrzeug ein Notbrems- bzw. Ausweichmanöver eingeleitet werden.
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Desweiteren kann anhand der durch Umfeldsensoren erfassten Umfelddaten ermittelt werden, ob die Gefahr besteht, dass Fahrzeuge von einer benachbarten Fahrspur auf die aktuelle Fahrspur des Ego-Fahrzeugs fahren, und somit ein Kollisionsrisiko für das Ego-Fahrzeug besteht. Der Fahrer kann dann auf diese Gefahrensituation hingewiesen werden.
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Ein Nachteil bei den o. g. Fahrerassistenzsystemen besteht darin, dass die o. g. Gefahren für das Ego-Fahrzeug möglicherweise erst zu einem relativ späten Zeitpunkt auf Basis der Umfelddaten detektiert werden können. Insbesondere kann ein Hindernis auf der Trajektorie des Ego-Fahrzeugs typischerweise erst dann detektiert werden, wenn das Hindernis von den Umfeldsensoren des Ego-Fahrzeugs erfasst werden kann. Eine relativ späte Detektion eines Hindernisses kann dazu führen, dass der Fahrer des Ego-Fahrzeugs nicht in ausreichendem Maße bei der Vermeidung einer Kollision mit dem Hindernis unterstützt werden kann.
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Das vorliegende Dokument befasst sich mit der technischen Aufgabe, ein Verfahren und eine entsprechende Steuereinheit für ein Ego-Fahrzeug bereitzustellen, die eine verbesserte Unterstützung eines Fahrers des Ego-Fahrzeugs zur Vermeidung einer Kollision bereitstellen.
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Die Aufgabe wird durch die unabhängigen Ansprüche gelöst. Vorteilhafte Ausführungsformen werden u. a. in den abhängigen Ansprüchen beschrieben.
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Gemäß einem Aspekt wird ein Verfahren zur Reduzierung des Kollisionsrisikos eines Ego-Fahrzeugs beschrieben. Das Verfahren umfasst das Ermitteln von Umfelddaten bzgl. eines Umfelds vor dem Ego-Fahrzeug. Die Umfelddaten werden dabei typischerweise durch ein oder mehrere Umfeldsensoren (z. B. ein oder mehrere Kameras, ein oder mehrere LIDAR-Sensoren, etc.) des Ego-Fahrzeugs erfasst.
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Das Verfahren umfasst weiter, das Bestimmen, auf Basis der Umfelddaten, dass ein Vorderfahrzeug im Umfeld vor dem Ego-Fahrzeug einem Hindernis ausweicht. Insbesondere kann anhand der Umfelddaten erkannt werden, dass das Vorderfahrzeug von einer Fahrspur ausschert bzw. eine Schlenkerbewegung in Richtung des Randes einer aktuell befahrenen Fahrbahn durchführt. Diese Schlenker- oder Ausscherbewegung des Vorderfahrzeugs kann als Hinweis darauf gewertet werden, dass das Vorderfahrzeug einem Hindernis ausweicht. Es kann somit auf Basis der Umfelddaten bestimmt werden, dass das Vorderfahrzug (mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit) einem Hindernis ausweicht.
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Insbesondere kann auf Basis der Umfelddaten ein Vorderfahrzeug detektiert werden, das vor dem Ego-Fahrzeug auf einer aktuellen Fahrspur des Ego-Fahrzeugs fährt. Mit anderen Worten, das Vorderfahrzeug kann auf der gleichen Fahrspur fahren wie das Ego-Fahrzeug. Es kann dann auf Basis der Umfelddaten detektiert werden, dass das Vorderfahrzeug eine Schlenker- oder Ausscherbewegung in Richtung zu einer, zu der aktuellen Fahrspur benachbarten, Fahrspur durchführt. Dies kann als Hinweis darauf gewertet werden, dass sich vor dem Vorderfahrzeug ein Hindernis auf der aktuellen Fahrspur befindet, dem das Vorderfahrzeug durch eine Schlenker- oder Ausscherbewegung ausweicht. Es ist dann zu erwarten, dass ein Risiko einer Kollision des Ego-Fahrzeugs mit dem Hindernis besteht.
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Alternativ kann auf Basis der Umfelddaten ein Vorderfahrzeug detektiert werden, das vor dem Ego-Fahrzeug auf einer, zu einer aktuellen Fahrspur des Ego-Fahrzeugs (direkt) benachbarten, Fahrspur fährt. Mit anderen Worten, das Vorderfahrzeug kann sich auf einer (direkten) Nachbar-Fahrspur zu der aktuellen Fahrspur des Ego-Fahrzeugs befinden. Es kann dann auf Basis der Umfelddaten detektiert werden, dass das Vorderfahrzeug auf die aktuelle Fahrspur des Ego-Fahrzeugs ausschert. Dies kann als Hinweis darauf gewertet werden, dass sich auf der Nachbar-Fahrspur ein Hindernis befindet, dem das Vorderfahrzeug ausweicht. Es ist dann zu erwarten, dass auch andere Fahrzeuge auf der Nachbar-Fahrspur diesem Hindernis ausweichen müssen, und dazu auf die aktuelle Fahrspur des Ego-Fahrzeugs ausscheren. Es ist somit zu erwarten, dass ein Risiko einer Kollision des Ego-Fahrzeugs mit einem Folgefahrzeug des Vorderfahrzeugs besteht.
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Das Verfahren umfasst außerdem das Durchführen einer Maßnahme in dem Ego-Fahrzeug, um ein auf das Hindernis zurückzuführendes Kollisionsrisiko des Ego-Fahrzeugs zu reduzieren. Insbesondere kann eine Maßnahme eingeleitet werden, um das Risiko einer Kollision mit dem Hindernis bzw. das Risiko einer Kollision mit einem Folgefahrzeug des Vorderfahrzeugs zu reduzieren. Beispielhafte Maßnahmen sind das Ändern einer Fahrgeschwindigkeit des Ego-Fahrzeugs (z. B. um vor dem Hindernis abbremsen zu können bzw. um eine Lücke für ein Folgefahrzeug auf der Nachbar-Fahrspur freizumachen), das Ausgeben eines akustischen und/oder optischen Warnhinweises (um den Fahrer des Ego-Fahrzeugs auf eine mögliche Gefahr aufmerksam zu machen), das Ändern eines Bremsdrucks in einer Radbremse des Ego-Fahrzeugs (um das Ego-Fahrzeug auf ein Bremsmanöver vorzubereiten), das Einleiten eines Manövers zur Verfolgung einer Trajektorie des Vorderfahrzeugs (um den Fahrer dabei zu unterstützen, dem Hindernis auszuweichen), das Ermitteln einer Ausweichtrajektorie für das Ego-Fahrzeug (um das Ego-Fahrzeug auf ein Ausweichmanöver vorzubereiten), und/oder das Auswerten von Umfelddaten bzgl. eines seitlichen Umfelds des Ego-Fahrzeugs (um das Ego-Fahrzeug auf ein Ausweichmanöver vorzubereiten).
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Durch Auswerten des Verhaltens eines Vorderfahrzeugs kann ein Hindernis erkannt werden, noch bevor es durch die ein oder mehreren Umfeldsensoren des Ego-Fahrzeugs und/oder durch einen Fahrer des Ego-Fahrzeugs erfasst werden kann. Beispielsweise kann ein Sichtfeld zwischen dem Hindernis und den ein oder mehreren Umfeldsensoren des Ego-Fahrzeugs, insbesondere durch das Vorderfahrzeug, verdeckt sein. Die Umfelddaten können somit keine Daten umfassen, die es ermöglichen, das Hindernis direkt zu detektieren. Dennoch kann durch Auswerten des Verhaltens eines Vorderfahrzeugs das Vorliegen eines Hindernisses prädiziert werden. Es können dann Maßnahmen eingeleitet werden, um ein Kollisionsrisiko zu reduzieren. Diese Maßnahmen können eingeleitet werden, noch bevor das Hindernis durch die ein oder mehreren Umfeldsensoren erfasst werden kann, so dass eine verbesserte Reduzierung des Kollisionsrisikos ermöglicht wird.
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Das Verfahren kann umfassen, das Ermitteln, auf Basis der Umfelddaten, eines Vertrauensmaßes für das Vorderfahrzeug 102. Dabei hängt das Vertrauensmaß von einem Verhalten des Vorderfahrzeugs vor dem Zeitpunkt ab, an dem bestimmt wird, dass das Vorderfahrzeug einem Hindernis ausweicht. Beispielsweise kann ermittelt werden, ob das Vorderfahrzeug seine Fahrspur hält (und somit ein relativ hohes Vertrauensmaß aufweist) oder ob das Vorderfahrzeug häufig grundlos aus der Fahrspur fährt (und somit ein relativ geringes Vertrauensmaß aufweist).
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Es kann dann auch in Abhängigkeit von dem Vertrauensmaß bestimmt werden, ob das Vorderfahrzeug einem Hindernis ausweicht oder nicht. Insbesondere kann ein Ausscheren bzw. ein Schlenkern des Vorderfahrzeugs bei Vorliegen eines relativ geringen Vertrauensmaßes (welches unterhalb von einem vordefinierten Vertrauens-Schwellenwert liegt) ggf. nicht als Hinweis darauf gewertet werden, dass das Vorderfahrzeug einem Hindernis ausweicht.
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Alternativ oder ergänzend kann die von dem Ego-Fahrzeug durchgeführte Maßnahme von dem Vertrauensmaß abhängen. Beispielsweise können bei einem relativ hohen Vertrauensmaß direkt konkrete Maßnahmen eingeleitet werden, um das Kollisionsrisiko zu mindern (z. B. eine konkrete Anpassung der Fahrgeschwindigkeit). Andererseits können bei einem relativ niedrigen Vertrauensmaß nur vorbereitende Maßnahmen eingeleitet werden, um die Reaktionsgeschwindigkeit des Ego-Fahrzeugs zu erhöhen, für den Fall dass tatsächlich ein Hindernis durch die ein oder mehreren Umfeldsensoren des Ego-Fahrzeugs erfasst wird.
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Durch die Ermittlung und Berücksichtigung eines Vertrauensmaßes kann die Zuverlässigkeit eines Fahrerassistenzsystems, welches das Verhalten eines Vorderfahrzeugs zur Erkennung eines Hindernisses auswertet, erhöht werden.
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Das Verfahren kann umfassen, das Ermitteln, auf Basis der Umfelddaten, einer Vielzahl von Vorderfahrzeugen in einem Umfeld vor dem Ego-Fahrzeug. Dabei kann sich die Vielzahl von Vorderfahrzeugen auf der gleichen Fahrspur befinden.
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Es kann weiter auf Basis der Umfelddaten ermittelt werden, dass die Vielzahl von Vorderfahrzeugen in einem zeitlichen Abstand nacheinander schlenkert bzw. ausschert. Dies kann als Hinweis auf das Vorliegen eines Hindernisses gewertet werden. Insbesondere kann daraufhin bestimmt werden, dass die Vielzahl von Vorderfahrzeugen vor dem Ego-Fahrzeug einem Hindernis ausweicht. Durch die Auswertung des Verhaltens von einer Vielzahl von Vorderfahrzeugen kann die Zuverlässigkeit der Erkennung eines Hindernisses erhöht werden.
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Das Verfahren kann weiter umfassen, das Bestimmen, auf Basis der Umfelddaten, von Fahrgeschwindigkeiten der Vielzahl von Vorderfahrzeugen. Es kann dann auf Basis der Fahrgeschwindigkeiten der Vielzahl von Vorderfahrzeugen und auf Basis des zeitlichen Abstands bestimmt werden, ob sich das Hindernis bewegt oder nicht. Ggf. kann auch eine Bewegungsgeschwindigkeit des Hindernisses (z. B. eines langsam fahrenden Traktors) ermittelt werden. Die Maßnahme zur Reduzierung des Kollisionsrisikos kann dann in Abhängigkeit davon ausgewählt werden, ob sich das Hindernis bewegt oder nicht. Desweiteren kann die ausgewählte Maßnahme von der Bewegungsgeschwindigkeit des Hindernisses abhängen. Die Beobachtung einer Vielzahl von Vorderfahrzeugen ermöglicht somit die Bestimmung von weiteren Eigenschaften des Hindernisses und eine darauf angepasst Auswahl von Maßnahmen zur Reduzierung eines Kollisionsrisikos. Es kann somit das Kollisionsrisiko weiter reduziert werden.
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Gemäß einem weiteren Aspekt wird eine Steuereinheit für ein Ego-Fahrzeug beschrieben (z. B. zur Bereitstellung eines Fahrerassistenzsystems). Die Steuereinheit ist eingerichtet, Umfelddaten bzgl. eines Umfelds vor dem Ego-Fahrzeug zu ermitteln. Außerdem ist die Steuereinheit eingerichtet, auf Basis der Umfelddaten zu ermitteln, ob ein Vorderfahrzeug vor dem Ego-Fahrzeug einem Hindernis ausweicht oder nicht. Desweiteren ist die Steuereinheit eingerichtet, wenn ermittelt wird, dass das Vorderfahrzeug vor dem Ego-Fahrzeug einem Hindernis ausweicht, eine Maßnahme in dem Ego-Fahrzeug zu veranlassen, um ein, auf das Hindernis zurückzuführendes, Kollisionsrisiko des Ego-Fahrzeugs zu reduzieren.
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Gemäß einem weiteren Aspekt wird ein Fahrzeug (insbesondere ein Straßenkraftfahrzeug, z. B. ein Personenkraftwagen, ein Lastkraftwagen oder ein Motorrad) beschrieben, das die in diesem Dokument beschriebene Steuereinheit umfasst.
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Gemäß einem weiteren Aspekt wird ein Software (SW) Programm beschrieben. Das SW Programm kann eingerichtet werden, um auf einem Prozessor (z. B. auf einem Steuergerät eines Kraftfahrzeugs) ausgeführt zu werden, und um dadurch das in diesem Dokument beschriebene Verfahren auszuführen.
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Gemäß einem weiteren Aspekt wird ein Speichermedium beschrieben. Das Speichermedium kann ein SW Programm umfassen, welches eingerichtet ist, um auf einem Prozessor ausgeführt zu werden, und um dadurch das in diesem Dokument beschriebene Verfahren auszuführen.
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Es ist zu beachten, dass die in diesem Dokument beschriebenen Verfahren, Vorrichtungen und Systeme sowohl alleine, als auch in Kombination mit anderen in diesem Dokument beschriebenen Verfahren, Vorrichtungen und Systemen verwendet werden können. Desweiteren können jegliche Aspekte der in diesem Dokument beschriebenen Verfahren, Vorrichtung und Systemen in vielfältiger Weise miteinander kombiniert werden. Insbesondere können die Merkmale der Ansprüche in vielfältiger Weise miteinander kombiniert werden.
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Im Weiteren wird die Erfindung anhand von Ausführungsbeispielen näher beschrieben. Dabei zeigen
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1 eine beispielhafte Fahrsituation;
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2 beispielhafte Komponenten eines Fahrzeugs;
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3 ein Ablaufdiagramm eines beispielhaften Verfahrens zur Reduzierung des Kollisionsrisikos mit einem Hindernis; und
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4a und 4b weitere beispielhafte Fahrsituationen.
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Wie eingangs dargelegt, befasst sich das vorliegende Dokument mit der Reduzierung von Kollisionsrisiken eines Ego-Fahrzeugs aufgrund von einem Hindernis. Das Ego-Fahrzeug kann ein oder mehrere Umfeldsensoren umfassen, die eingerichtet sind, Umfelddaten bzgl. eines Umfelds des Ego-Fahrzeugs, insbesondere bzgl. eines Umfelds vor dem Ego-Fahrzeug, zu erfassen. Auf Basis der Umfelddaten kann ein Hindernis auf einer Trajektorie des Ego-Fahrzeugs detektiert werden.
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Die Detektion von einem Hindernis anhand der Umfelddaten ermöglicht jedoch nicht immer eine frühzeitige Warnung vor einem Hindernis. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn das Hindernis durch ein Vorderfahrzeug des Ego-Fahrzeugs verdeckt ist, und somit nicht von den ein oder mehreren Umfeldsensoren erfasst werden kann.
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Andererseits kann anhand der Umfelddaten ein Verhalten des Vorderfahrzeugs erfasst und automatisch bestimmt werden. So kann ein „aufmerksamer” Fahrer nachgebildet werden, der ein plötzliches Ausscheren bzw. Schlenkern des Vorderfahrzeugs bemerken würde, und daraufhin Maßnahmen zur Kollisionsvermeidung einleiten würde, auch wenn der Fahrer das Hindernis selbst noch nicht sehen kann.
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Das Hindernis kann ggf. ein abgefallenes Bauteil eines Fahrzeugs oder ein anderes kleineres Hindernis auf der Trajektorie des Ego-Fahrzeugs (und des Vorderfahrzeugs) sein. Derartige Hindernisse können durch die Umfeldsensoren des Ego-Fahrzeugs erst zu einem relativ späten Zeitpunkt erfasst werden. Andererseits können derartige Hindernisse durch das Vorderfahrzeug oder durch einen Fahrer des Vorderfahrzeugs bereits zu einem früheren Zeitpunkt (im Vergleich zu dem Ego-Fahrzeug) erfasst werden. Diese Information könnte per Car2Car- bzw. Car2X-Kommunikation an das Ego-Fahrzeug kommuniziert werden. Die Fähigkeit zur Teilnahme an ITS (Intelligent Transport System) Netzwerken ist jedoch zum heutigen Zeitpunkt wenig verbreitet, so dass es vorteilhaft wäre, wenn das Ego-Fahrzeug unabhängig von ITS Nachrichten frühzeitig ein verdecktes Hindernis detektieren könnte.
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Dazu kann das Ego-Fahrzeug eingerichtet sein, durch Beobachtung eines vorherfahrenden Fahrzeugs selbständig zu erkennen, dass sich ein Hindernis auf der Trajektorie des Ego-Fahrzeugs befinden könnte. Daraufhin können vorsorglich Maßnahmen zur Vorbereitung eines Ausweichmanövers eingeleitet werden. Insbesondere können Maßnahmen eingeleitet werden, die die Einleitung eines Ausweichmanövers beschleunigen, wenn zu einem späteren Zeitpunkt das Hindernis von dem Fahrer des Ego-Fahrzeugs und/oder durch die Umfeldsensoren des Ego-Fahrzeugs erfasst werden kann.
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1 zeigt eine beispielhafte Fahrsituation, bei der ein Ego-Fahrzeug 101 auf einer Fahrbahn 104 hinter einem Vorderfahrzeug 102 herfährt. Das Vorderfahrzeug 102 weicht dabei einem Hindernis 103 aus, indem das Vorderfahrzeug 102 die aktuelle Fahrbahn 104 zumindest teilweise verlässt. Das Hindernis 103 ist durch das Ego-Fahrzeug 101 bzw. durch einen Fahrer des Ego-Fahrzeugs 101 nicht direkt zu erfassen. Andererseits kann das Verhalten des Vorderfahrzeugs 102 erfasst werden. Das Verhalten des Vorderfahrzeugs 102 erlaubt wiederum Schlüsse darauf, dass vor dem Vorderfahrzeug 102 ein Hindernis 103 besteht.
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2 zeigt beispielhafte Komponenten eines Ego-Fahrzeugs 101. Das Ego-Fahrzeug 101 umfasst ein oder mehrere Umfeldsensoren 202 (z. B. ein oder mehrere Kameras, ein oder mehrere Ultraschallsensoren, ein oder mehrere Radarsensoren, ein oder mehrere LIDAR-Sensoren, etc.), die eingerichtet sind, Umfelddaten bzgl. eines Umfelds des Ego-Fahrzeugs 101 zu erfassen. Desweiteren umfasst das Ego-Fahrzeug 101 eine Steuereinheit 201, die eingerichtet ist, auf Basis der Umfelddaten ein Verhalten des Vorderfahrzeugs 102 des Ego-Fahrzeugs 101 zu analysieren. Insbesondere kann auf Basis der Umfelddaten bestimmt werden, dass das Vorderfahrzeug 102 einem Hindernis 103 ausweicht, welches noch nicht von den Umfeldsensoren 202 des Ego-Fahrzeugs 101 erfasst werden kann.
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Die Steuereinheit 201 kann eingerichtet sein, das Verhalten des Vorderfahrzeugs 102 auf Basis der Umfelddaten über einen längeren Zeitraum zu analysieren.
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Insbesondere kann auf Basis der Umfelddaten ein Vertrauensmaß für das Verhalten des Vorderfahrzeugs 102 ermittelt werden. Beispielsweise kann ermittelt werden, mit welcher Güte das Vorderfahrzeug 102 die aktuelle Fahrspur 104 hält. Ergeben sich relativ große Schwankungen bei der Positionierung des Vorderfahrzeugs 102 innerhalb der aktuellen Fahrspur 104, so kann dies zu einer Reduzierung des Vertrauensmaßes führen. Das Vertrauensmaß kann in einer Speichereinheit 203 des Ego-Fahrzeugs 101 gespeichert werden.
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Die Steuereinheit 201 kann eingerichtet sein, das Vertrauensmaß bei der Ermittlung des Verhaltens des Vorderfahrzeugs 202 zu berücksichtigen. Insbesondere kann bei relativ niedrigem Vertrauensmaß unterbunden werden, dass das Vorliegen eines Hindernisses 103 auf Basis des Verhaltens der Vorderfahrzeugs 102 bestimmt wird.
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Die Steuereinheit 201 kann weiter eingerichtet sein, Maßnahmen zur Reduzierung eines Kollisionsrisikos mit dem Hindernis 103 einzuleiten, sobald bestimmt wurde, dass das Vorderfahrzeug 202 einem Hindernis 103 ausweicht. Beispielhafte Maßnahmen sind eine Analyse einer Nachbar-Fahrspur, um zu ermitteln, ob ein kollisionsfreier Wechsel der Fahrspur möglich ist. Ggf. kann die Fahrgeschwindigkeit angepasst werden, um einen Fahrspurwechsel zu ermöglichen. Außerdem kann der Bremsdruck in den Bremsen des Ego-Fahrzeugs 101 angepasst werden, um ein Bremsmanöver vorzubereiten. Desweiteren kann eine Lenkung des Ego-Fahrzeugs 101 auf ein mögliches Ausweichmanöver vorbereitet werden. Außerdem können vorbereitend Ausweichtrajektorien zum Ausweichen des Hindernisses 103 berechnet werden. Die Steuereinheit 201 kann im Rahmen der vorbereitenden Maßnahmen auf ein oder mehrere Aktuatoren 204 des Ego-Fahrzeugs 101 einwirken.
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Es kann somit mittels der Beobachtung der vorherfahrenden Kraftfahrzeugs 102 bereits frühzeitig ein mögliches Hindernis 103 auf der aktuellen Fahrspur 104 des Ego-Fahrzeugs 101 erkannt werden. Desweiteren können die nötigen Maßnahmen für ein Ausweichmanöver vorbereitet werden (z. B. durch Überprüfung der Nachbar-Fahrspur, ob dort Platz zum Ausweichen ist, durch das frühzeitige Verringern der Geschwindigkeit, etc.). Hierbei kann den ein oder mehreren vorherfahrenden Fahrzeugen 102 ein plausibles Fahrverhalten unterstellt werden. Insbesondere kann unterstellt werden, dass eine Handlung eines Vorderfahrzeugs 102, wie z. B. ein kurzes Ausscheren bzw. Schlenkern, nicht grundlos erfolgt.
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Ein Beispiel für eine Ausschersituation ist eine Fahrt auf einer Autobahn oder in der Stadt auf der rechten Fahrspur 104 (wie in den 1 und 4a dargestellt). Vor dem Ego-Fahrzeug 101 fahren in einem relativ kleinen Abstand andere Fahrzeuge 102. Wenn auf Basis der Umfelddaten zu erkennen ist, dass alle vorherfahrenden Fahrzeuge 102 ein kurzes Ausweichmanöver/Ausscheren vornehmen, kann erwartet werden, dass sich ein Hindernis 103 (z. B. Autoteile, Schmutz, ein ausparkendes Fahrzeug (siehe 4b, rechte Seite), ein breiter, parkender LKW (siehe 4b, linke Seite), etc.) auf der aktuellen Fahrspur 104 befindet. Diese Hindernis 103 kann typischerweise erst dann durch die Umfeldsensoren 202 des Ego-Fahrzeugs 101 erfasst und detektiert werden, wenn eine freie Sicht auf das Hindernis 103 möglich ist. Wenn die Umfeldsensoren 202 das Hindernis 103 erfassen können, kann es eventuell zu spät für eine unterstützende Reaktion sein oder die Reaktion fällt sehr heftig aus (z. B. ein hartes Bremsen/Ausweichen).
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Durch das Erkennen von kurzen Ausweichmanövern von Vorderfahrzeugen und durch das Bestimmen, dass ein mögliches Hindernis 103 vorliegt, kann in automatischer Weise eine frühzeitige Unfallprävention vorgenommen werden und ein Ausweichvorgang kann adaptiert werden. Insbesondere kann das Ego-Fahrzeug 101 vorsichtshalber einem detektierten Ausweichvorgang des Vorderfahrzeuges 102 folgen. Beispielsweise kann durch die Steuereinheit 201 ein Lenkmoment an dem Lenkrad des Ego-Fahrzeugs 101 bewirkt werden, um den Fahrer des Ego-Fahrzeugs 101 zu veranlassen, dem Ausweichmanöver des Vorderfahrzeugs 102 zu folgen.
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In analoger Weise kann ein Vorderfahrzeug in einer Nachbar-Fahrspur über die Umfeldsensoren 202 des Ego-Fahrzeugs 101 erfasst werden. Desweiteren kann das Verhalten des Vorderfahrzeugs auf Basis der erfassten Umfelddaten analysiert werden. Wenn beobachtet wird, dass das Vorderfahrzeug auf die aktuelle Fahrspur 104 des Ego-Fahrzeugs 101 ausschert, so kann dies ein Hinweis auf ein Hindernis auf der Nachbar-Fahrspur sein. Desweiteren kann dies ein Hinweis darauf sein, dass ein Fahrzeug, welches dem Vorderfahrzeug auf der Nachbar-Fahrspur folgt, in ähnlicher Weise zu dem Vorderfahrzeug auf die Fahrspur 104 des Ego-Fahrzeugs 101 ausscheren wird. Es kann somit detektiert werden, dass aufgrund eines Hindernisses auf der Nachbar-Fahrspur ein. Risiko besteht, dass das Ego-Fahrzeug 101 mit einem Folgefahrzeug des Vorderfahrzeugs kollidiert.
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Es können daraufhin vorbereitende Maßnahmen zur Vermeidung einer Kollision eingeleitet werden. Insbesondere kann durch Ändern der Fahrgeschwindigkeit Platz für das Folgefahrzeug geschaffen werden, welches möglicherweise auf die Fahrspur 104 des Ego-Fahrzeugs 101 ausscheren wird.
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Somit kann durch die Analyse des Verhaltens von Vorderfahrzeugen 102 ein Hindernis 103 auf der Fahrspur 104 des Ego-Fahrzeugs 101 und/oder auf einer Nachbar-Fahrspur erkannt werden. Desweiteren können daraufhin (ggf. ohne, dass das eigentliche Hindernis 103 erfasst werden kann), Maßnahmen eingeleitet werden, um ein Kollisionsrisiko zu reduzieren.
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3 zeigt ein Ablaufdiagramm eines beispielhaften Verfahrens 300 zur Reduzierung des Kollisionsrisikos eines Ego-Fahrzeugs 101. Das Verfahren 300 umfasst das Ermitteln 301 von Umfelddaten bzgl. eines Umfelds vor dem Ego-Fahrzeug 101. Außerdem umfasst das Verfahren 300 das Bestimmen 302, auf Basis der Umfelddaten, dass ein Vorderfahrzeug 102 im Umfeld vor dem Ego-Fahrzeug 101 einem Hindernis 103 ausweicht. Desweiteren umfasst das Verfahren 300 das Durchführen 303 einer Maßnahme in dem Ego-Fahrzeug 101, um ein auf das Hindernis 103 zurückzuführendes Kollisionsrisiko des Ego-Fahrzeugs 101 zu reduzieren.
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Mit dem in diesem Dokument beschriebenen Verfahren 300 kann auf mögliche Hindernisse 103 auf einer Trajektorie eines Ego-Fahrzeugs 101 frühzeitig reagiert werden. So kann insbesondere ein problemloses Umfahrung des Hindernisses 103 eingeleitet werden kann. Desweiteren kann ein rechtzeitiges Ausweichen ohne Gefährdung andere Fahrzeuge auf einer Nachbar-Fahrspur bewirkt werden. So kann das vorrauschauende Fahren gefördert werden, selbst wenn das Ego-Fahrzeug 101 nicht selber auf der Fahrspur fährt, auf der sich das Hindernis 103 befindet. Dabei kann anderen Verkehrsteilnehmern, die dem Hindernis 103 ausweichen müssen, ein Ausweichvorgang vereinfacht werden. So können heftige Reaktionen oder Unfälle vermieden werden.
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Die vorliegende Erfindung ist nicht auf die gezeigten Ausführungsbeispiele beschränkt. Insbesondere ist zu beachten, dass die Beschreibung und die Figuren nur das Prinzip der vorgeschlagenen Verfahren, Vorrichtungen und Systeme veranschaulichen sollen.