-
Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Bestimmen eines Schädigungsgrades eines Leistungshalbleitersystems, an welchem ein Signaleingang und ein Signalausgang bereitgestellt werden. Die Erfindung betrifft außerdem eine Schaltungsanordnung.
-
Leistungshalbleitersysteme, welche Leistungshalbleitermodule beziehungsweise Schaltmodule umfassen, sind bereits aus dem Stand der Technik bekannt und können als ein Wechselrichter oder als ein Umrichter ausgestaltet sein. Leistungshalbleitermodule umfassen in der Regel zumindest einen Leistungshalbleiterchip beziehungsweise ein Leistungshalbleiterbauelement, welches insbesondere für das Steuern und Schalten hoher elektrischer Ströme und Spannungen ausgelegt ist. Ein solches Leistungshalbleiterbauelement kann beispielsweise ein Leistungs-Metall-Oxid-Feldeffekttransitor (Leistungs-MOSFET), eine Leistungsdiode oder ein Bipolartransistor mit isolierter Gate-Elektrode (insulated-gate bipolar transistor, kurz IGBT) sein. Die Leistungshalbleiterbauelemente werden zum Ausbilden des Leistungshalbleitermoduls üblicherweise auf ein Substrat gelötet und durch Bondverbindungen elektrisch miteinander verbunden. Innerhalb des Leistungshalbleitersystems werden die Leistungshalbleitermodule in der Regel über Stromschienen und elektrische Leitungen miteinander verschaltet.
-
Leistungshalbleitermodule und Leistungshalbleitersysteme können über ihre Lebensdauer charakterisiert werden. Die Lebensdauer des Leistungshalbleitersystems ist eine Zeit bis zu einem Ausfall beziehungsweise einer Funktionsuntüchtigkeit des Leistungshalbleitersystems. Eine zu erwartende Lebensdauer des Leistungshalbleitersystems kann sich durch eine Alterung des Leistungshalbleitersystems oder des Leistungshalbleitermoduls verändern. Durch den normalen Betrieb unterliegen die Schaltmodule einer Alterung innerhalb ihrer spezifizierten Betriebsgrenzen. Diese Alterung wird hauptsächlich durch eine hohe Zahl von Zyklen einer Erwärmung und Abkühlung des Leistungshalbleitermoduls im Betrieb hervorgerufen. Diese Zyklen können zur allmählichen Zerstörung der, insbesondere kühlenden, Chiplotschichten unter den Leistungshalbleiterchips und zur Ermüdung der Kontaktbonddrähte führen, die den Strom beispielsweise in die schaltenden und gleichrichtenden Leistungshalbleiterchips leiten. Durch die gelegentliche Überlastung dieser Schaltmodule kann die im üblichen Falle zu erwartende Lebensdauer, die meist zwischen einigen Jahren und einigen Jahrzehnten liegt, aber auch deutlich verkürzt werden. Dadurch wird eine zutreffende Prognose der noch zu erwartenden Lebensdauer beziehungsweise Restlebensdauer schwierig oder sogar unmöglich.
-
Verschienungen und Verkabelungen des Leistungshalbleitersystems und der leistungselektronischen Komponenten, beispielsweise der Leistungshalbleitermodule, unterliegen ebenfalls einer weitgehend unbestimmten Alterung. In unkritischen Einsatzgebieten der Leistungshalbleitersysteme kann ein tatsächlicher Ausfall eines Schaltmoduls einfach abgewartet werden. Dies ist jedoch nachteilig, wenn dieser Ausfall zu einem ungünstigen Zeitpunkt eintritt, in dem beispielsweise ein (Reparatur-)Service zeitlich, beispielsweise am Wochenende, oder örtlich beispielsweise auf einem weit entfernten oder schwer zugänglichen Streckenpunkt, schlecht verfügbar ist.
-
In kritischen Einsatzgebieten, in denen ein Ausfall solch eines elektronischen oder leistungselektronischen Systems mit einem damit verbundenen, unvorhersehbaren Betriebsstillstand nicht zulässig ist, werden die Schaltmodule üblicherweise, ohne Rücksicht auf ihren tatsächlichen Alterungszustand, regelmäßig und präventiv, beispielsweise während eines geplanten Betriebsstillstandes, ausgetauscht und die Verschienungen turnusmäßig überprüft und gewartet. Dieser Austausch ist aber nicht immer möglich, da die Schaltmodule sehr häufig nicht aus dem Leistungshalbleitersystem entnommen werden können und dürfen. So kann es sein, dass mehrfache Montagen in den Einsatzanlagen der Leistungshalbleitersysteme, beispielsweise in Lokomotiven, Flugzeugen oder Stahlwerkstraßen weder üblich noch gut machbar sind. Darüber hinaus können mehrfache Montagen auch schädlich für die Lebensdauer sein, da die Chiplotschichten der Chips, beispielsweise durch mechanische Verspannungen, spezifisch verformt werden und nachfolgende Ab- und Wiedermontagen zu Stress im Chiplot führen können. Daher wird in kritischen Einsatzgebieten, in denen der Ausfall des Wandler- oder Schaltsystems unbedingt vermieden werden muss, Redundanz für die Schaltmodulfunktionen eingeplant. So gibt es beispielsweise in Leistungshalbleitersystemen, welche kaskadierte Höchstspannungsschalter, also eine Reihenschaltung von Schaltmodulen aufweisen, um ein Vielfaches der Eigenspannungsfestigkeit schalten zu können, mehr Module als zwingend nötig wären. Fällt eines der Schaltmodule aus, wird es durch eine sichere Maßnahme, beispielsweise eine Sprengkapsel oder ein Relais, zum Kurzschluss gebracht und stört den Betrieb nicht weiter. Die verbliebenen Schaltmodule sind aufgrund der vorgehaltenen Redundanz in der Lage, die Betriebsspannung zu übernehmen.
-
Es ist bereits aus dem Stand der Technik bekannt, von einem Leitungsende einer elektrischen Übertragungsleitung aus Unterbrechungen oder Kurzschlüsse der Leitung nachzuweisen und die Entfernung der Fehlerstelle vom Leitungsende aus zu messen. Dazu sind beispielsweise RADAR-Techniken, wie das Impuls-RADAR-Verfahren beziehungsweise die Puls-Laufzeit-Echo Methode, das FMCW-RADAR beziehungsweise das frequenzmoduliertes Dauerstrich-RADAR-Verfahren oder das FSK-FMCW-RADAR beziehungsweise das frequenzversatzverschlüsselte Dauerstrich-RADAR-Verfahren bekannt. Auch sind drahtgebundene Verfahren mit ähnlichen Modulations-Demodulationsverfahren aus dem Stand der Technik bekannt. Dies wird beispielsweise in der
US 2002/0169585 A1 beschrieben.
-
In dem Artikel „Digital Simulation of fault location on EHV lines using wideband spread spectrum techniques" (V. Taylor, M. Faulkner, A. Kalam, J. Haydon, IEE Proc.-Gener. Transm. Distrib., Vol. 142, No. 1, January 1995) ist beispielsweise ein sogenanntes „Spread Spectrum Time Domain Reflectometry“-Verfahren (SSTDR) beschrieben, welches es erlaubt, Kabelfehlstellen zu detektieren, die lokale Kabelimpedanz über die Strecke zu bestimmen und eine ungefähre Entfernung der Kabelfehlstellen von der Signaleinspeisestelle zu messen.
-
Wie in den
Artikeln „Analysis of Spread Spectrum Time Domain Reflectometry for Wire Fault Location" (P.Smith, C.Furse, J.Gunther, IEEE Sensors Journal, Vol.5, Issue.6, Dec. 2005, p. 1469–1478) und
"Quantifying Device Degradation in Live Power Converters Using SSTDR Assisted Impedance Matrix" (M.S.Nasrin, F.H.Khan, M.K.Alam, IEEE Transactions on Power Electronics, 2013, p.1–16) beschrieben, wird bereits versucht, SSTDR-Verfahren einzusetzen, um die Alterung von leistungselektronischen Bauelementen, beispielsweise Hochstrom-MOSFETs bestimmen zu können. Diese Verfahren sind jedoch üblicherweise nicht in der Lage, eine genaue Ortsauflösung zu liefern und damit eine etwaige lokale Schädigung überhaupt zu erfassen. Damit wird die angestrebte Alterungsmessung ungenau und eventuell zu unempfindlich für eine verlässliche Lebensdauerprognose.
-
Es ist Aufgabe der vorliegenden Erfindung, eine Lösung bereitzustellen, durch welche eine Alterung von Leistungshalbleitersystemen zuverlässiger bestimmt und dadurch eine Restlebensdauer der Leistungshalbleitersysteme genauer vorhergesagt werden kann.
-
Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß durch ein Verfahren sowie eine Schaltungsanordnung mit den Merkmalen gemäß den jeweiligen unabhängigen Patentansprüchen gelöst. Vorteilhafte Ausführungen der Erfindung sind Gegenstand der abhängigen Patentansprüche, der Beschreibung und der Figuren.
-
Ein erfindungsgemäßes Verfahren dient zum Bestimmen eines Schädigungsgrades eines Leistungshalbleitersystems, an welchem mindestens ein Signaleingang und ein Signalausgang bereitgestellt werden. Bei dem Verfahren wird ein Hochfrequenzsignal vorgegeben, dessen Signalfrequenz einen vorgegebenen Hochfrequenzbereich durchläuft. In einem nächsten Schritt wird ein Referenz-Streuparameterspektrum, welches ein Reflexions- und/oder Transmissionsverhalten des Leistungshalbleitersystems beschreibt, zu einem Referenzzeitpunkt bestimmt. Das eine Referenz-Streuparameterspektrum wird durch Bestimmen eines jeweiligen Verhältnisses des an dem Signaleingang eingespeisten Hochfrequenzsignals zu einem an dem Signalausgang empfangenen Referenzreflexions- und/oder Referenztransmissionssignal bei den jeweiligen Signalfrequenzen des eingespeisten Hochfrequenzsignals bestimmt. Zu zumindest einem gegenüber dem Referenzzeitpunkt späteren Zeitpunkt wird ein aktuelles Streuparameterspektrum durch Bestimmen eines jeweiligen Verhältnisses des an dem Signaleingang eingespeisten Hochfrequenzsignals zu einem an dem Signalausgang empfangenen aktuellen Reflexions- und/oder Transmissionssignal bei den jeweiligen Signalfrequenzen des eingespeisten Hochfrequenzsignals bestimmt. Anschließend wird ein Differenz-Streuparameterspektrum bestimmt, welches einen Unterschied zwischen dem Referenz-Streuparameterspektrum und dem aktuellen Streuparameterspektrum beschreibt. Anhand des Differenz-Streuparameterspektrums wird ein Schadensindikator bestimmt und anhand des Schadensindikators ein Schädigungsgrad des Leistungshalbleitersystems bestimmt.
-
Das Leistungshalbleitersystem kann Leistungshalbleiter sowie Treiberschaltungen umfassen. Um nun eine Prognose für eine noch verbleibende Lebensdauer des Leistungshalbleitersystems zu erstellen, wird ein Schädigungsgrad des Leistungshalbleitersystems bestimmt. Der Schädigungsgrad gibt Aufschluss über eine Alterung beziehungsweise einen Alterungsfortschritt des Leistungshalbleitersystems. Erfindungsgemäß wird dazu ein elektrisches Signalverfahren mit einer Auswertungsmethodik eingesetzt, um ein Maß der Alterung, auch in quantitativer Weise, zu bestimmen.
-
Dazu wird ein gleichmäßiges sinusförmiges Hochfrequenzsignal vorgegeben, welches über den Hochfrequenzbereich durchfahren wird. Das gleichmäßige sinusförmige Hochfrequenzsignal kann beispielsweise durch einen Funktionsgenerator bereitgestellt werden. Der Hochfrequenzbereich umfasst bevorzugt Frequenzen zwischen 100 MHz und 8 GHz. Auch sind Frequenzen ab 1 MHz bis hin zu 18 GHz möglich. Dieses Hochfrequenzsignal wird an dem Signaleingang in das Leistungshalbleitersystem eingespeist, das von dem eingespeisten Hochfrequenzsignal abhängige Ausgangssignal, welches einem Reflexions- und/oder Transmissionssignal entspricht, an dem Signalausgang empfangen und das Streuparameterspektrum bestimmt. Das Hochfrequenzsignal kann leitungsgebunden über den Signaleingang in das Leistungshalbleitersystem eingespeist werden oder drahtlos über den als Antenne ausgebildeten Signaleingang in das Leistungshalbleitersystem eingespeist werden. Entsprechend kann das Ausgangssignal drahtgebunden oder drahtlos empfangen werden. Wenn die Signaleingänge als Antennen ausgebildet sind, so kann in vorteilhafter Weise ein Hochfrequenzbereich, welcher Frequenzen bis zu 40 GHz umfasst, vorgegeben werden.
-
Zum Bestimmen des Streuparameterspektrums wird bei jeder der vorgegebenen Frequenzen aus dem Hochfrequenzbereich jeweils ein Streuparameter durch Bilden des Verhältnisses zwischen dem einlaufenden wellenförmigen Hochfrequenzsignal und dem auslaufenden wellenförmigen Hochfrequenzsignal bestimmt und alle Streuparameter über die Frequenzen aus dem Hochfrequenzbereich aufgetragen. Der Frequenzverlauf der gemessenen Streuparameter hängt von der internen Verdrahtung, also den elektrischen Verbindungen innerhalb des Leistungshalbleitersystems, der Leistungselektronik und der internen Aufbau- und Verbindungstechnik des Leistungshalbleitersystems beziehungsweise des Leistungshalbleitermoduls ab.
-
Wenn der Signaleingang und der Signalausgang dasselbe Signaltor bilden, dann entspricht das von dem Hochfrequenzsignal abhängige Ausgangssignal dem in dem Leistungshalbleitersystem reflektierten eingespeisten Hochfrequenzsignal. Das daraus gebildete Referenz-Streuparameterspektrum beschreibt somit ein Reflexionsverhalten des Leistungshalbleitersystems.
-
Wenn der Signaleingang einen Eingang eines ersten Signaltores und der Signalausgang einen Ausgang eines zweiten Signaltores bilden, dann entspricht das von dem Hochfrequenzsignal abhängige Ausgangssignal dem durch das Leistungshalbleitersystem transmittierten eingespeisten Hochfrequenzsignal. Das daraus gebildete Referenz-Streuparameterspektrum beschreibt somit ein Transmissionsverhalten des Leistungshalbleitersystems.
-
Es kann auch vorgesehen sein, dass durch den Signaleingang und den Signalausgang ein erstes Signaltor gebildet wird und durch zumindest einen weiteren Signaleingang und zumindest einen weiteren Signalausgang zumindest ein zweites Signaltor gebildet wird. Dabei kann für jedes Signaltor und für jede mögliche Signaltorkombination jeweils ein Streuparameterspektrum bestimmt werden. Insgesamt kann somit eine Streuparameterspektrums-Matrix bestimmt werden, deren Zeilenanzahl und deren Spaltenanzahl der Anzahl an Signaltoren des Leistungshalbleitersystems entsprechen. Auf der Hauptdiagonalen der Matrix befinden sich diejenigen Streuparameterspektren, die ein Reflexionsverhalten des Leistungshalbleitersystems an dem entsprechenden Signaltor beschreiben. In der untern und der oberen Dreiecksmatrix der Matrix befinden sich diejenigen Streuparameterspektren, welche ein Transmissionsverhalten des Leistungshalbleitersystems zwischen den entsprechenden Signaltoren beschreiben.
-
Das Bestimmen des Streuparameterspektrums beziehungsweise der Streuparameterspektrums-Matrix wird zuerst zu dem Referenzzeitpunkt durchgeführt. Zu dem Referenzzeitpunkt weist das Leistungshalbleitersystem einen nicht gealterten Zustand auf, welcher auch als ein gesunder Zustand des Leistungshalbleitersystems bezeichnet wird. In dem gesunden Zustand weist das Leistungshalbleitersystem insbesondere keine Schädigung auf. Dieser Referenzzeitpunkt liegt bevorzugt vor einer Inbetriebnahme des Leistungshalbleitersystems. Dies bedeutet beispielsweise, dass das Leistungshalbleitersystem noch keinen Erwärmung- und Abkühlzyklen ausgesetzt war, welche zu einer thermomechanischen Ermüdung beziehungsweise beschleunigten Alterung des Leistungshalbleitersystems führen können. Dieses zu dem Referenzzeitpunkt erstellte Referenz-Streuparameterspektrum beziehungsweise die Referenz-Streuparameterspektrums-Matrix stellt also einen Anfangszustand des Leistungshalbleitersystems dar.
-
Nach Bestimmen des Referenz-Streuparameterspektrums beziehungsweise der Referenz-Streuparameterspektrums-Matrix wird zu dem zumindest einem späteren Zeitpunkt, welcher zeitlich nach dem Referenzzeitpunkt liegt, der Verfahrensschritt wiederholt und das aktuelle Streuparameterspektrum beziehungsweise die aktuelle Streuparameterspektrums-Matrix bestimmt. Dies kann in vorteilhafter Weise auch in einem Betrieb des Leistungshalbleitersystems, beispielsweise in einem Umrichterbetrieb, geschehen. Die Bestimmung des aktuellen Streuparameterspektrums kann kontinuierlich oder zu vorbestimmten Zeitpunkten insbesondere während des Betriebs des Leistungshalbleitersystems erfolgen.
-
Zwischen dem Referenz-Streuparameterspektrum und dem aktuellen Streuparameterspektrum beziehungsweise zwischen den entsprechenden Matrizen wird ein Differenz-Streuparameterspektrum beziehungsweise eine entsprechende Matrix berechnet.
-
Der Erfindung liegt dabei die Erkenntnis zugrunde, dass nach längerer Betriebszeit des Leistungshalbleitersystems beziehungsweise des Umrichtersystems beispielsweise durch die fortschreitende Alterung des Leistungshalbleitermoduls, das Bestandteil des Umrichters ist, sich die Streuparameter in verschiedenen Frequenzbereichen ändern können. Mit anderen Worten bedeutet dies, dass sich das aktuelle Streuparameterspektrum gegenüber dem Referenz-Streuparameterspektrum verändert. Wenn also das Differenz-Streuparameterspektrum etwa null ist, deutet dies auf ein ungealtertes Leistungshalbleitersystem hin.
-
Da sowohl die Frequenzen des Hochfrequenzbereiches als auch die Art der Änderung der Streuparameter insbesondere von Details der Verdrahtung des Leistungshalbleitermoduls und der individuellen Alterung des Leistungshalbleitermoduls abhängig und daher nicht eindeutig einem Schaden zuordenbar sind, erfolgt erfindungsgemäß die Bestimmung des Schadensindikators, bei welchem die Differenzstreuparameter über den gesamten Hochfrequenzbereich ausgewertet werden. Der Schadensindikator ist besonders bevorzugt ein skalarer Zahlenwert, welcher mittels einer mathematischen Analyse des Differenz-Streuparameterspektrums ermittelt werden kann. Dabei hat sich gezeigt, dass eine steigende Alterung beziehungsweise ein steigender Schädigungsgrad des untersuchten Leistungshalbleitersystems in der Regel zu steigenden Resultatswerten des Schadensindikators führen.
-
Mittels des erfindungsgemäßen Verfahrens kann also auf besonders einfache und vorteilhafte Weise ein Schädigungsgrad, auch im Betrieb des Leistungshalbleitersystems, ermittelt werden. Der bevorzugt als skalarer Zahlenwert bestimmte Schadensindikator erlaubt eine besonders einfache und anwenderfreundlichen Bestimmung des Schädigungsgrades und damit eine gute und schnelle Prognose der verbleibenden Lebensdauer des Leistungshalbleitersystems. Dadurch, dass die Streuparameter bei verschiedenen Frequenzen bestimmt werden, also ein Spektrum an Streuparametern bestimmt wird, kann gewährleistet werden, dass auch Schädigungen erkannt werden, welche nur bei bestimmten Frequenzen ein gegenüber dem entsprechenden Referenzstreuparameter veränderten aktuellen Streuparameter zeigen. Bei als Antennen ausgebildeten Signaleingängen und Signalausgängen kann ein besonders großer Hochfrequenzbereich vorgegeben werden, wodurch mittels des Verfahrens besonders zuverlässig Schädigungen erkannt werden können.
-
Durch das Bereitstellen der Signalfrequenzen aus dem Hochfrequenzbereich kann verhindert werden, dass das Hochfrequenzsignal den Betrieb des Leistungshalbleitersystems stört, falls der Schädigungsgrad im Betrieb des Leistungshalbleitersystems bestimmt wird. Durch die Messung des Schädigungsgrades während des normalen, bestimmungsgemäßen Betriebs der Schaltmodule kann das Verfahren in vorteilhafter Weise für Leistungshalbleitersysteme in Einsatzgebieten eingesetzt werden, in denen kaum Stillstandzeiten auftreten.
-
Bevorzugt wird der Verfahrensschritt, bei welchem das Referenz-Streuparameterspektrum bestimmt wird, mehrmalig und insbesondere ohne Veränderung der Messbedingungen wiederholt. Über diese Referenz-Streuparameterspektren wird das arithmetische Mittel gebildet und somit ein gemitteltes Referenz-Streuparameterspektrum, ein sogenanntes Durchschnitts-Streuparameterspektrum oder Mittelstreuparameterspektrum, bestimmt. Anders ausgedrückt wird das Mittelstreuparameterspektrum mittels folgender Formel bestimmt:
-
Dabei ist MRefi,j(f) das gemittelte Referenz-Streuparameterspektrum der Signaltorkombination i, j bei der Frequenz f. Wenn i und j gleich sind, also i = j, dann zeigt das gemittelte Referenz-Streuparameterspektrum ein Reflexionsverhalten des Leistungshalbleitersystems. Wenn i und j ungleich sind, also i ≠ j, dann zeigt das gemittelte Referenz-Streuparameterspektrum ein Transmissionsverhalten des Leistungshalbleitersystems. SRef (l) / i,j(f) ist das ReferenzStreuparameterspektrum der Signaltorkombination i, j bei der Frequenz f und der jeweiligen Messung l zu dem Referenzzeitpunkt, also im gesunden Zustand des Leistungshalbleitersystems. n ist die Anzahl der Messungen.
-
Dieses Mittelstreuparameterspektrum kann für die nachfolgenden Verfahrensschritte als das Vergleichsspektrum für das aktuelle Streuparameterspektrum dienen. Anders ausgedrückt wird das Differenz-Streuparameterspektrum aus der Differenz zwischen dem gemittelten Referenz-Streuparameterspektrum und dem aktuellen Streuparameterspektrum gemäß der nachfolgenden Formel bestimmt: |S (x) / i,j(f) – MRefi,j(f)| = |ΔS (x) / i,j(f)|, x = 1, 2, ...
-
S (x) / i,j(f) ist das aktuelle Streuparameterspektrum der Signaltorkombination i, j bei der Frequenz f, welches bei der Messung x zu dem zumindest einen späteren Zeitpunkt gemessen wurde. ΔS (x) / i,j(f) ist das Differenz-Streuparameterspektrum der Signaltorkombination i, j bei der Frequenz f.
-
Mittels des gemittelten Referenz-Streuparameterspektrums werden vorzugsweise Empfindlichkeits-Streuparameterspektren bestimmt, indem eine Differenz zwischen den jeweiligen Referenz-Streuparameterspektren und dem gemittelten Referenz-Streuparameterspektrum bestimmt wird. Anders ausgedrückt wird das Empfindlichkeits-Streuparameterspektrum nach folgender Formel bestimmt: ΔSEi,j(f) = |SRef (l) / i,j(f) – MRefi,j(f)|, l = 1, 2, ..., n.
-
Dabei ist ΔSEi,j(f) das Empfindlichkeits-Streuparameterspektrum der Signaltorkombination i, j bei der Frequenz f.
-
Die Empfindlichkeits-Streuparameterspektren, welche auch als Hintergrund-Differenz-Streuparameterspektren bezeichnet werden, zeigen insbesondere die bei den Wiederholungen auftretenden spontanen Abweichungen zwischen den Referenz-Streuparameterspektren und sind beispielsweise vergleichbar mit einem Rauschsignal oder einem Störsignal.
-
Gemäß einer Ausführungsform der Erfindung wird der Absolutbetrag des Differenz-Streuparameterspektrums über den Hochfrequenzbereich integriert und das Integrationsergebnis als der Schadensindikator bestimmt. Dies entspricht einem globalen absoluten, skalaren Schadensindikator, bei welchem alle Frequenzen des Hochfrequenzbereiches berücksichtigt werden. Bei einem Leistungshalbleitersystem, bei welchem mehr als ein Signaltor vorgesehen ist, wird dieser globale absolute Schadensindikator für jedes Signaltor und jede Signaltorkombination bestimmt.
-
Zum Berechnen des absoluten Schadensindikators kann folgende Formel verwendet werden: I (x) / i,j(f) = ∫|S (x) / i,j(f) – MRefi,j(f)|df.
-
Dabei ist I (x) / i,j der globale Schadensindikator der Signaltorkombination i, j bei der Messung x zu dem zumindest einen späteren Zeitpunkt.
-
Bei mehreren Signaltoren wird vorzugsweise derjenige globale absolute Schadensindikator als der zur Bestimmung des Schädigungsgrades vorgesehene Schadensindikator bestimmt, welcher den größten Wert aufweist. Mit anderen Worten bedeutet dies, dass aus den globalen absoluten Schadensindikatoren der Schadensindikator mit dem größten Wert als der bevorzugte absolute Schadensindikator bestimmt wird. Der bevorzugte absolute Schadensindikator berücksichtigt also alle Frequenzen des Hochfrequenzbereiches, aber nur ein Signaltor oder eine Signaltorkombination.
-
Gemäß einer Ausführungsform des Verfahrens werden die Absolutwerte des Differenz-Streuparameterspektrums über den Hochfrequenzbereich integriert, durch das Maximum des Intergrals des jeweiligen Empfindlichkeits-Streuparameterspektrums über den Hochfrequenzbereich geteilt und das Divisionsergebnis als der Schadensindikator bestimmt. Mit anderen Worten bedeutet dies, dass ein relativer Schadensindikator bestimmt wird, durch welchen alle Frequenzen des Hochfrequenzbereiches berücksichtigt werden. Bei einem Leistungshalbleitersystem, bei welchem mehr als ein Signaltor vorgesehen ist, wird dieser relative Schadensindikator für jedes Signaltor und jede Signaltorkombination bestimmt.
-
Zum Berechnen des relativen Schadensindikators kann folgende Formel verwendet werden:
-
Dabei ist relI (x) / i,j der relative Schadensindikator der Signaltorkombination i, j bei der Messung x zu dem zumindest einen späteren Zeitpunkt. maxSEi,j ist das maximale Signal aus n Messreihen des ungeschädigten Leistungshalbleitersystems.
-
Bei mehreren Signaltoren wird vorzugsweise derjenige relative Schadensindikator als der zur Bestimmung des Schädigungsgrades verwendete Schadensindikator bestimmt, welcher den größten Wert aufweist. Mit anderen Worten bedeutet dies, dass aus den relativen Schadensindikatoren der Schadensindikator mit dem größten Wert als der bevorzugte relative Schadensindikator bestimmt wird. Der bevorzugte relative Schadensindikator berücksichtigt also alle Frequenzen des Hochfrequenzbereiches, aber nur ein Signaltor oder eine Signaltorkombination.
-
Bei einem Leistungshalbleitersystem, bei welchem mehr als ein Signaltor vorgesehen ist, kann außerdem ein kumulativer relativer Schadensindikator gebildet werden, bei welchem alle absoluten Schadensindikatoren der Signaltore aufsummiert werden und durch eine gleichartige Summe der Maxima der Integrale der zugehörigen Empfindlichkeits-Streuparameterspektren geteilt werden. Durch den kumulativen relativen Schadensindikator können somit in einem einzelnen Zahlenwert alle Frequenzen und alle Signaltore sowie Signaltorkombinationen berücksichtigt werden.
-
Zum Berechnen des kumulativen relativen Schadensindikators kann folgende Formel verwendet werden:
-
Dabei ist relCI(x) der kumulative relative Schadensindikator.
-
Der Schadensindikator, bei welchem alle Werte aus dem oder den Differenz-Streuparameterspektren in einer einzelnen, skalaren Zahl zusammengefasst sind, erlaubt es, auf schnelle und einfache Weise den Schädigungsgrad des Leistungshalbleitersystems zu bestimmen.
-
Eine bevorzugte Ausgestaltung der Erfindung sieht vor, dass ein Maximalwert des Differenz-Streuparameterspektrums innerhalb des Hochfrequenzbereiches und/oder ein Maximalwert des Empfindlichkeits-Streuparameterspektrums innerhalb des Hochfrequenzbereiches bestimmt werden. Anders ausgedrückt wird ein sogenannter Maximum-Peak-Schadensindikator gemäß der nachfolgenden Formel als der Schadensindikator bestimmt: I (x) / Pi,j = max|S (x) / i,j(f) – MRefi,f(f)|
-
Dabei ist I (x) / Pi,j , der Maximum-Peak-Schadensindikator.
-
Die sich ergebenden weiteren Definitionen der Schadensindikatoren sind mit diesem Maximums-Kriterium völlig analog zu den vorstehenden Integralkriterien. Mit anderen Worten bedeutet dies, dass die Integralwerte über die jeweiligen absoluten Differenz-Streuparameterspektren oder absoluten Empfindlichkeits-Streuparameterspektren durch die Maximalwerte innerhalb des durchlaufenen Frequenzbereichs ersetzt werden. Somit kann in vorteilhafter Weise auf die zeitaufwändige Berechnung der Integrale verzichtet werden, da für die Bestimmung der Schadensindikatoren die Maximalwerte an Stelle der Integralergebnisse verwendet werden können.
-
In einer Weiterbildung des Verfahrens wird eine Kennlinie vorgegeben, anhand welcher jedem Schadensindikatorwert jeweils ein Wert für einen Schädigungsgrad zugeordnet wird, wobei einer der Werte des Schädigungsgrades in Abhängigkeit des bestimmten Schadensindikators als ein aktuell vorliegender Schädigungsgrad bestimmt wird. Diese Kennlinie wird insbesondere einmalig zu einem Kalibrierzeitpunkt, beispielsweise in dem gesunden Zustand des Leistungshalbleitersystems, bestimmt. In dieser Kennlinie sind Schadensindikatorwerte über den Schädigungsgrad aufgetragen. Zu dem späteren Zeitpunkt kann anhand dieser vorgegebenen Kennlinie besonders schnell und ohne großen Rechenaufwand der zu dem Wert des ermittelten Schadensindikators korrespondierende Schädigungsgrad als der aktuelle Schädigungsgrad bestimmt werden. Bei einer kontinuierlichen Bestimmung des Schadensindikators insbesondere im Betrieb des Leistungshalbleitersystems kann somit insbesondere eine Echtzeitbestimmung des Schädigungsgrades erfolgen. Damit kann eine fortschreitende Alterung des Leistungshalbleitersystems frühzeitig erkannt werden.
-
Vorzugsweise wird zum Bestimmen der Kennlinie ein Kalibrier-Leistungshalbleitersystem bereitgestellt. Dabei werden Schädigungsgrade für das Kalibrier-Leistungshalbleitersystem vorgegeben und das Kalibrier-Leistungshalbleitersystem derart geschädigt, dass es den vorgegebenen Schädigungsgrad aufweist. Daraufhin wird der jeweilige Schadensindikatorwert bei dem vorgegebenen Schädigungsgrad gemessen. Das Kalibrier-Leistungshalbleitersystem ist dabei identisch zu dem Leistungshalbleitersystem ausgestaltet, sodass die mittels des Kalibrier-Leistungshalbleitersystems bestimmte Kennlinie zu dem zumindest einen späteren Zeitpunkt zum Bestimmen des Schädigungsgrades des Leistungshalbleitersystems verwendbar ist. Das Kalibrier-Leistungshalbleitersystem wird also aktiv geschädigt. Mit anderen Worten bedeutet dies, dass aktiv eine Alterung des Kalibrier-Leistungshalbleitersystems beschleunigt wird. Die aktive Schädigung kann beispielsweise vorgenommen werden, indem elektrische Verbindungen zwischen oder innerhalb der Leistungshalbleitermodule des Kalibrier-Leistungshalbleitersystems durchtrennt werden oder zum Erzeugen von Kurzschlüssen bewusst miteinander verbunden werden. Beispielsweise kann zuerst bei dem nicht geschädigten Kalibrier-Leistungshalbleitersystem das Referenz-Streuparameterspektrum ermittelt werden. Dann wird beispielsweise eine erste elektrische Verbindung innerhalb des Leistungshalbleitersystems durchtrennt, das aktuelle Streuparameterspektrum gemessen und unter Bestimmung des Differenz-Streuparameterspektrums der Schadensindikatorwert bestimmt. Nach und nach werden weitere Verbindungen durchtrennt, also der Schädigungsgrad des Kalibrier-Leistungshalbleitersystems erhöht, und der zugehörige Schadensindikatorwert ermittelt. Durch diese Kalibrierung der Schadensindikatorwerte kann zu dem zumindest einen späteren Zeitpunkt der aktuelle Schädigungsgrad des Leistungshalbleitersystems besonders schnell und einfach bestimmt beziehungsweise aus der Kennlinie ausgelesen werden.
-
Die Erfindung umfasst außerdem eine Schaltungsanordnung. Die Schaltungsanordnung umfasst ein Leistungshalbleitersystem und einen Funktionsgenerator zum Einspeisen eines Hochfrequenzsignals, dessen Signalfrequenz einen Hochfrequenzbereich durchläuft, in einen Signaleingang des Leistungshalbleitersystems und zum Empfangen eines Reflexions- und/oder Transmissionssignals an einem Signalausgang des Leistungshalbleitersystems. Die Schaltungsanordnung umfasst außerdem eine Recheneinrichtung. Die Recheneinrichtung ist dazu ausgelegt, ein Streuparameterspektrum zu bestimmen, welches ein Reflexions- und/oder Transmissionsverhalten des Leistungshalbleitersystems beschreibt, indem ein jeweiliges Verhältnis des eingespeisten Hochfrequenzsignals zu dem an dem Signalausgang empfangenen Reflexions- und/oder Transmissionssignal bei den jeweiligen Signalfrequenzen des eingespeisten Hochfrequenzsignals bestimmt wird. Die Recheneinrichtung ist außerdem dazu ausgelegt, ein Differenz-Streuparameterspektrum zu ermitteln, welches einen Unterschied zwischen zu verschiedenen Zeitpunkten erfassten Streuparameterspektren beschreibt, einen Schadensindikator anhand des Differenz-Streuparameterspektrums zu bestimmten und einen Schädigungsgrad des Leistungshalbleitersystems anhand des Schadensindikators zu bestimmen.
-
Die mit Bezug auf das erfindungsgemäße Verfahren vorgestellten bevorzugten Ausführungsformen und deren Vorteile gelten entsprechend für die erfindungsgemäße Schaltungsanordnung.
-
Im Folgenden wird die Erfindung nun anhand eines bevorzugten Ausführungsbeispiels wie auch unter Bezugnahme auf die beigefügten Zeichnungen näher erläutert.
-
Es zeigen:
-
1 eine schematische Darstellung eines Leistungshalbleitersystems, an welchem eine Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens zur Bestimmung eines Schädigungsgrades des Leistungshalbleitersystems durchgeführt wird;
-
2 eine schematische Darstellung des Absolutbetrages eines Empfindlichkeits-Streuparameterspektrums, das heißt für ein Referenz-Streuparameterspektrum eines ungeschädigten Leistungshalbleitersystems;
-
3 eine schematische Darstellung des Absolutbetrages eines Differenz-Streuparameterspektrums eines geschädigten Leistungshalbleitersystems; und
-
4 eine schematische Darstellung zweier Kennlinien für jeweils einen Schadensindikator, wobei die Schadensindikatoren gegen die Anzahl der im Leistungshalbleitersystem durchtrennten Bonddrähte, welche den Schädigungsgraden entsprechen, aufgetragen sind.
-
Bei dem im Folgenden erläuterten Ausführungsbeispiel handelt es sich um eine bevorzugte Ausführungsform der Erfindung. Bei dem Ausführungsbeispiel stellen aber die beschriebenen Komponenten der Ausführungsform jeweils einzelne, unabhängig voneinander zu betrachtende Merkmale der Erfindung dar, welche die Erfindung auch jeweils unabhängig voneinander weiterbilden und damit auch einzeln oder in einer anderen als der gezeigten Kombination als Bestandteil der Erfindung anzusehen sind. Des Weiteren ist die beschriebene Ausführungsform auch durch weitere der bereits beschriebenen Merkmale der Erfindung ergänzbar.
-
1 zeigt ein Leistungshalbleitersystem 1 mit einem Leistungshalbleitermodul 2, welches hier eine Parallelschaltung von drei Halbbrücken mit jeweils zwei seriell geschalteten Leistungshalbleiterbauelementen aufweist. Die Leistungshalbleiterbauelemente sind im vorliegenden Fall als IGBTs T1–T6 ausgeführt. Den sechs IGBTs T1–T6 ist jeweils eine Freilaufdiode FD für einen Rückstrombetrieb parallel geschaltet. Eine Spannungsquelle 3 des Leistungshalbleitersystems 1 dient zur Stromversorgung des Leistungshalbleitermoduls 2 im Betrieb des Leistungshalbleitersystems 1.
-
Das Leistungshalbleitersystem 1 weist hier vier Signaltore ST1–ST4 mit jeweils einem Signaleingang und einem Signalausgang auf. Im vorliegenden Fall ist der Signaleingang eines ersten Signaltores ST1 mit einem Hilfsemitteranschluss des IGBTs T2 elektrisch verbunden. Der Signaleingang eines zweiten Signaltores ST2 ist hier mit einem Hilfskollektoranschluss des IGBTs T1 elektrisch verbunden. Der Signaleingang eines dritten Signaltores ST3 ist hier mit einem Gateanschluss des IGBTs T2 elektrisch verbunden und der Signaleingang eines vierten Signaltores ST4 ist hier mit einem Phasenanschluss zwischen den IGBTs T1, T3, T5 und T2, T4, T6 elektrisch verbunden. Der Masseanschluss des jeweiligen Signalausgangs der Signaltore ST1–ST4 ist mit einem Masseanschluss des Leistungshalbleitersystems 1 elektrisch verbunden.
-
Außerdem wird ein Hochfrequenzsignal HF vorgegeben, welches insbesondere sinusförmig ist und dessen Signalfrequenz f einen Hochfrequenzbereich durchläuft. Dabei wird die Signalfrequenz beginnend bei 1 MHz bis hin zu 18 GHz, bevorzugt beginnend bei 100 MHz bis hin zu 8 GHz, durchfahren. Das Hochfrequenzsignal HF kann beispielsweise von einem Funktionsgenerator bereitgestellt werden.
-
Dieses Hochfrequenzsignal HF wird in den jeweiligen Signaleingang der Signaltore ST1–ST4 eingespeist. Das Hochfrequenzsignal HF kann dabei drahtgebunden in den jeweiligen Signaleingang der Signaltore ST1–ST4 eingespeist werden. Es kann aber auch vorgesehen sein, dass die Signaleingänge der Signaltore ST1–ST4 als Antennen ausgebildet sind und somit das Hochfrequenzsignal HF drahtlos an die Signaleingänge gesendet wird. Bei als Antennen ausgebildeten Signaleingängen durchfährt das Hochfrequenzsignal HF bevorzugt Frequenzen zwischen 100 MHZ und 40 GHz.
-
Die Einspeisung des Hochfrequenzsignals HF kann beispielsweise im Betrieb des Leistungshalbleitersystems 1 erfolgen, wenn an den oberen IGBTs T1, T3, T5 beispielsweise eine Kollektorgleichspannung UC = 200 V anliegt und die unteren IGBTs T2, T4, T6 im Durchlassbetrieb mit beispielsweise einem Phasenstrom IPh = 14 A (Gleichstrom) betrieben werden. Ein Reflexions- und/oder Transmissionssignal wird an den jeweiligen Signalausgängen der Signaltore ST1–ST4 empfangen und insbesondere eine Phasenlage und Amplitude des Reflexions- und/oder Transmissionssignals registriert. Es wird also ein Spektrum mit einer Vielzahl von Wertepaaren mit einlaufender Welle, also eingespeistem Hochfrequenzsignal HF, und auslaufender Welle, also empfangenem Reflexions- und/oder Transmissionssignal, erzeugt. Aus dem Verhältnis der ein- und auslaufenden Wellen wird bei jeder Frequenz jeweils ein, insbesondere komplexwertiger, Streuparameter ermittelt. Die ermittelten Streuparameter werden über die Frequenzen des Hochfrequenzbereiches aufgetragen und bilden somit ein Streuparameterspektrum. Mit anderen Worten bedeutet dies, dass zum Bilden des Streuparameters die Amplitude und die Phasen des empfangenen Reflexions- und/oder Transmissionssignals auf die Amplitude und Phase des eingespeisten Hochfrequenzsignals HF normiert werden.
-
Diese Streuparameterspektren werden an den Signaltoren ST1–ST4 zum einen in einem Reflexionsbetrieb ermittelt, in welchem das in den jeweiligen Signaleingang der Signaltore ST1–ST4 eingespeiste Hochfrequenzsignal HF an den Signalausgängen des gleichen Signaltores ST1–ST4 als das Reflexionssignal des in dem Leistungshalbleitermodul 2 reflektierten Hochfrequenzsignals HF empfangen wird. Die im Reflexionsbetrieb empfangenen Streuparameter weisen dabei einen Wertebereich zwischen „–1“ und „1“ auf, wobei der Wert „–1“ auf einen Hochfrequenzkurzschluss in dem Leistungshalbleitermodul 2 hinweist und der Wert „1“ auf einen Hochfrequenzleerlauf in dem Leistungshalbleitermodul 2 hinweist. Weist eines der Signaltore ST1–ST4 den Leitungswiderstand, meist 50 Ohm auf, so wird das Hochfrequenzsignal HF vollständig absorbiert und der Streuparameter des jeweiligen Signaltores ST1–ST4 zeigt den Wert „0“.
-
Zum anderen werden die Streuparameterspektren in einem Transmissionsbetrieb ermittelt, in welchem das in den jeweiligen Signaleingang der Signaltore ST1–ST4 eingespeiste Hochfrequenzsignal HF an den Signalausgängen eines anderen Signaltores ST1–ST4 als das Transmissionssignal des durch das Leistungshalbleitermodul 2 transmittierten Hochfrequenzsignals HF empfangen wird. In dem Transmissionsbetrieb sind diejenigen Signaltore ST1–ST4 aktiv, zwischen welchen die Transmission des Hochfrequenzsignals HF gemessen wird, alle anderen Signaltore ST1–ST4 bleiben strikt passiv und werden in einen absorbierenden Abschlusszustand gebracht.
-
Die die Reflexion beschreibenden Streuparameterspektren werden für jedes der Signaltore ST1–ST4 gebildet. Die die Transmission beschreibenden Streuparameterspektren werden für jede mögliche Kombination der Signaltore ST1–ST4 gebildet. Daraus kann eine Streuparameterspektrums-Matrix gebildet werden, bei welcher sich auf der Hauptdiagonale die die Reflexion beschreibenden Streuparameterspektren und in der unteren und oberen Dreiecksmatrix die die Transmission beschreibenden Streuparameterspektren befinden. Im vorliegenden Fall wird somit eine 4×4 Matrix mit vier die Reflexion beschreibenden Streuparameterspektren und zwölf die Transmission beschreibenden Streuparameterspektren gebildet. Zu einem Referenzzeitpunkt, zu welchem das Leistungshalbleitersystem 1 einen unbeschädigten, gesunden Zustand aufweist, wird ein Referenz-Streuparameterspektrum SRef bestimmt. Das Bestimmen des Referenz-Streuparameterspektrums SRef kann mehrmals durchgeführt werden, um daraus durch Bilden des arithmetischen Mittels ein gemitteltes Referenz-Streuparameterspektrum beziehungsweise ein Durchschnitts-Streuparameterspektrum zu bestimmen. Das Referenz-Streuparameterspektrum SRef oder das gemittelte Referenz-Streuparameterspektrum dienen als Vergleichsspektren für das jeweilige Schädigungsmaß „Null“, also für einen Anfangszustand des Leistungshalbleitersystems 1, zu welchem das Leistungshalbleitersystem 1 ungeschädigt und ungealtert ist.
-
Darüber hinaus können Empfindlichkeits-Streuparameterspektren ΔSE beziehungsweise Hintergrund-Differenz-Streuparameterspektren beziehungsweise Messunsicherheitssignalspektren bestimmt werden, indem die jeweilige (komplexe) Differenz zwischen jedem der in den Wiederholungen ermittelten Referenz-Streuparameterspektren SRef und dem gemittelten Referenz-Streuparameterspektrum gebildet wird und der Absolutwert der Amplituden der erhaltenen (komplexen) Werte gebildet wird. Dabei sind die Amplituden dieser Empfindlichkeits-Streuparameterspektren ΔSE insbesondere deutlich kleiner als die Amplituden der originalen, gemessenen Referenz-Streuparameterspektren SRef, liegen aber noch weit im messbaren Bereich. Sie zeigen beispielsweise die Größe von spontanen Abweichungen dieser Messungen und sind vergleichbar mit einem Rausch- oder Störsockel, wie er aus anderen Hochfrequenzmessungen bekannt ist. Ein solches Empfindlichkeits-Streuparameterspektrum ΔSE ist beispielhaft in 2 gezeigt, bei welchem die Absolutwerte der Empfindlichkeits-Streuparameter ΔSE über die Frequenz f in Hertz aufgetragen sind.
-
Zu zumindest einem gegenüber dem Referenzzeitpunkt späteren Zeitpunkt wird ein aktuelles Streuparameterspektrum Sa bestimmt. Zu dem zumindest einem späteren Zeitpunkt kann das Leistungshalbleitersystem 1 bereits einen Schädigungsgrad, beispielsweise durch zyklische Erwärmung und Abkühlung des Leistungshalbleitersystems 1 im Betrieb, aufweisen, durch welchen eine zu erwartende Lebensdauer des Leistungshalbleitersystems 1 verkürzt wird. Das aktuelle Streuparameterspektrum Sa entspricht also einem Schadens-Streuparameterspektrum.
-
Schließlich wird ein Differenz-Streuparameterspektrum ΔS beziehungsweise ein Schaden-Differenz-Streuparameterspektrum bestimmt, indem die (komplexe) Differenz zwischen dem aktuellen Streuparameterspektrum Sa und dem Referenz-Streuparameterspektrum SRef beziehungsweise zwischen dem aktuellen Streuparameterspektrum Sa und dem gemittelten Referenz-Streuparameterspektrum gebildet wird und davon der Absolutwert der Amplituden der erhaltenen (komplexen) Werte genommen wird. Die Amplituden dieses Differenz-Streuparameterspektrums ΔS können deutlich kleiner sein als die Amplituden der originalen, gemessenen Referenz-Streuparameterspektren SRef, sind jedoch meist deutlich höher als die Werte der Empfindlichkeits-Streuparameterspektren ΔSE. Sie liegen somit noch weit im gut messbaren Bereich und gehen nicht in der Messunsicherheit unter. Ein solches Differenz-Streuparameterspektrum ΔS ist beispielhaft in 3 gezeigt, bei welchem die Absolutwerte der Differenz-Streuparameter ΔS über die Frequenz f in Hertz aufgetragen sind.
-
Anhand des ermittelten Differenz-Streuparameterspektrums ΔS wird ein insbesondere skalarer Schadensindikator I bestimmt und anhand des Schadensindikators I ein Schädigungsgrad A des Leistungshalbleitersystems 1 bestimmt. Der Schadensindikator I kann auf verschiedene Weisen bestimmt werden.
-
So kann für jede Kombination aus Signaleingang und Signalausgang der Signaltore ST1–ST4 der Schadensindikator I als ein globaler absoluter Schadensindikator bestimmt werden, indem das Integral aller Absolutwerte des Differenz-Streuparameterspektrums ΔS über alle Frequenzen f des Hochfrequenzbereiches gebildet wird. So wird für jede Kombination der Signaltore ST1–ST4 ein Schadensindikator gebildet, durch welchen alle Frequenzen f des Hochfrequenzbereiches berücksichtigt sind.
-
Außerdem kann aus den absoluten Schadensindikatoren der Signaltore ST1–ST4 derjenige absolute Schadensindikator als der Schadensindikator I ausgewählt werden, welcher den größten Wert aufweist und somit als bevorzugter absoluter Schadensindikator zur Bestimmung des Schädigungsgrades A verwendet werden. Der bevorzugte absolute Schadensindikator berücksichtigt also nur ein Signaltor-Kombination der Signaltore ST1–ST4, aber alle Frequenzen f des Hochfrequenzbereiches.
-
Auch ist es möglich, für jede Kombination der Signaltore ST1–ST4 den Schadensindikator I als einen relativen Schadensindikator zu bestimmen, indem der absolute Schadensindikator einer jeden Signaltor-Kombination durch den Maximalwert der über die Frequenz integrierten absoluten Empfindlichkeits-Streuparameterspektren ΔSE der entsprechenden Signaltorkombination geteilt wird. So wird für jede der Signaltorkombinationen ein Schadensindikator gebildet, durch welchen alle Frequenzen f den Hochfrequenzbereich berücksichtigt sind.
-
Aus den relativen Schadensindikatoren der Signaltore ST1–ST4 kann derjenige relative Schadensindikator ausgewählt werden, welcher den größten Wert aufweist und somit als bevorzugter relativer Schadensindikator zum Bestimmen des Schädigungsgrades A verwendet werden. Der bevorzugte relative Schadensindikator berücksichtigt also nur eine Kombination der Signaltore ST1–ST4 für einen Signaleingang und einen Signalausgang, aber alle Frequenzen f des Hochfrequenzbereiches.
-
Darüber hinaus kann als Schadensindikator I ein kumulativer relativer Schadensindikator bestimmt werden, indem alle absoluten Schadensindikatoren über alle Signaltorkombinationen aufsummiert werden und durch die gleichartige Summe der Maximalwerte der integrierten Absolutwerte der Empfindlichkeits-Streuparameterspektren ΔSE geteilt werden. Hier werden in einem einzigen skalaren Wert also alle Signaltore ST1–ST4 sowie alle Frequenzen f des Hochfrequenzbereiches berücksichtigt.
-
In 4 sind beispielhaft zwei Kennlinien 4 und 5 dargestellt, welche den Schadensindikator I in Abhängigkeit des Schädigungsgrades A zeigen. Die Schädigungsgrade A0–A6 entsprechen dabei einer Anzahl an Unterbrechungen von elektrischen Verbindungen, beispielsweise Bonddrähten, in dem Leistungshalbleitersystem 1. So entspricht der Schädigungsgradwert A0 beispielsweise dem Schädigungsgrad A des Leistungshalbleitersystems 1, bei welchem keine elektrischen Verbindungen unterbrochen sind, und der Schädigungsgradwert A6 beispielsweise dem Schädigungsgrad A des Leistungshalbleitersystems 1, bei welchem sechs elektrischen Verbindungen, beispielsweise jeweils ein Bonddraht der sechs IGBTs T1–T6, unterbrochen sind.
-
Die oberen Kennlinie 4 zeigt beispielsweise den relativen bevorzugten Schadensindikator, welcher aus den die Reflexion beschreibenden Streuparameterspektren des vierten Signaltores ST4 bestimmt wird. Die Kennlinie 5 zeigt den kumulativen Schadensindikator.
-
Die Kennlinien 4 und 5 können zum Bestimmen eines aktuellen Schädigungsgrades vorgegeben sein, indem diese Kennlinien 4 und 5 anhand eines Kalibrier-Leistungshalbleitersystems bestimmt werden, welches identisch zu dem Leistungshalbleitersystem 1 ausgestaltet ist. Dazu kann das Kalibrier-Leistungshalbleitersystem aktiv geschädigt, beispielsweise die elektrischen Verbindungen in dem Kalibrier-Leistungshalbleitersystem bewusst unterbrochen werden, und damit ein jeweiliger Schädigungsgradwert A0–A6 vorgegeben werden. Bei jedem vorgegebenen Schädigungsgradwerte A0–A6 werden die zugehörigen Schadensindikatorwerte I ermittelt. Durch diese Kalibrierung der Schadensindikatorwerte I kann zu dem zumindest einen späteren Zeitpunkt der aktuelle Schädigungsgrad A des Leistungshalbleitersystems 1 besonders schnell und einfach bestimmt beziehungsweise aus den Kennlinien 4 und 5 ausgelesen werden.
-
ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
-
Diese Liste der vom Anmelder aufgeführten Dokumente wurde automatisiert erzeugt und ist ausschließlich zur besseren Information des Lesers aufgenommen. Die Liste ist nicht Bestandteil der deutschen Patent- bzw. Gebrauchsmusteranmeldung. Das DPMA übernimmt keinerlei Haftung für etwaige Fehler oder Auslassungen.
-
Zitierte Patentliteratur
-
- US 2002/0169585 A1 [0006]
-
Zitierte Nicht-Patentliteratur
-
- Artikel „Digital Simulation of fault location on EHV lines using wideband spread spectrum techniques“ (V. Taylor, M. Faulkner, A. Kalam, J. Haydon, IEE Proc.-Gener. Transm. Distrib., Vol. 142, No. 1, January 1995) [0007]
- Artikeln „Analysis of Spread Spectrum Time Domain Reflectometry for Wire Fault Location“ (P.Smith, C.Furse, J.Gunther, IEEE Sensors Journal, Vol.5, Issue.6, Dec. 2005, p. 1469–1478) [0008]
- “Quantifying Device Degradation in Live Power Converters Using SSTDR Assisted Impedance Matrix“ (M.S.Nasrin, F.H.Khan, M.K.Alam, IEEE Transactions on Power Electronics, 2013, p.1–16) [0008]