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Hintergrund:
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Im klassischen Orgelbau ist eine Spieltraktur einer Pfeifenorgel mechanisch ausgeführt. Die Bewegung der Taste wird über zahlreiche kunstvolle Koppelglieder, auch über große Entfernungen, direkt auf das Ventil an der Windlade übertragen. Wird die Taste heruntergedrückt, wird z. B. eine federnd gelagerte Klappe in einem Windkanal geöffnet und Luft strömt in die Pfeife.
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Anders als etwa beim Klavier hat die Kraft oder Geschwindigkeit, mit der die Taste angeschlagen wird, keinen Einfluss auf die Lautstärke der klingenden Orgelpfeife. Allerdings kann ein geübter Organist abhängig von der Art der Tastenbetätigung subtile Änderungen beim Einschwingen des Tons hervorrufen.
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Der Ton der Pfeife entsteht durch eine periodische Oszillation der Luftsäule in einem Resonanzkörper. Sie wird durch einen stetigen Luftstrom angetrieben, der durch Verwirbelungen an aerodynamisch speziell geformten Kanten oder mit Hilfe mechanisch schwingfähiger Anordnungen, wie federnde Metallzungen, moduliert wird. In den ersten Sekundenbruchteilen, in denen die Pfeife zu klingen beginnt, wird dieser oszillatorische Prozess angestoßen, und während sich aus dem ersten Druckstoß der einströmenden Luft die stationäre Schwingung entwickelt, ändert sich das Obertonspektrum der abgestrahlten Schallwelle. Je nach Bauart der Pfeife ist diese ”Ansprache” mehr oder weniger ausgeprägt. Durch eher schlagartiges oder allmähliches Öffnen des Ventils mittels einer entsprechend kontrollierten Tastenbewegung kann ein Organist den musikalischen Ausdruck der gespielten Tonfolgen in gewissen Grenzen beeinflussen.
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Neben der mechanischen Traktur ist auch eine elektrische Traktur weit verbreitet. Hierbei wird durch die Tastenbewegung ein Kontakt geschlossen, der einen Elektromagneten betätigt, welcher durch eine geeignete Vorrichtung das Ventil zur Pfeife öffnet. Die ursprünglich einfachen Tastenkontakte in Form von Metallstiften und Kontaktblechen sind im Laufe der Entwicklung durch optoelektronische oder andere Sensoren ersetzt worden, und statt einer direkten Kabelverbindung vom Kontakt zum Ventilmagneten kommt heute häufig eine elektronische Steuerungsanlage zum Einsatz. Am Grundprinzip ändert das jedoch nichts: Betätigt der Organist die Taste, wird an einem bestimmten Punkt der Tastenbewegung (nach Durchlaufen der sogenannten Leerreise) der Ventilmagnet bestromt. Daraufhin öffnet sich das Ventil. Da dieser Vorgang stets an der gleichen Position der Tastenbewegung stattfindet und das Bestromen des Magneten stets den gleichen Öffnungsvorgang bewirkt, kann bei dieser Art der Traktur der Organist das Ansprechverhalten der Pfeife nicht beeinflussen.
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Bei der Auslegung der Komponenten der elektromechanischen Traktur sind die Konstrukteure üblicherweise darauf bedacht, das Ventil in einer möglichst geringen Zeit zu öffnen, damit beim Spiel keine Verzögerung auftritt und auch schnelle Tonfolgen präzise gespielt werden können. Dies führt dazu, dass die Öffnung des Ventils stets mit einer gewissen Abruptheit geschieht.
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Aufgrund dieser beiden Faktoren – keine Möglichkeit zur Beeinflussung der Pfeifen-Ansprache und abruptes Einsetzen des Luftstroms – gilt die konventionelle elektrische Traktur in der Wahrnehmung der Orgelbauer und Organisten oft als minderwertige Lösung gegenüber der mechanischen Traktur. Versuche, die elektrische Traktur zu verbessern, hatten bisher immer das Ziel, das Verhalten einer mechanischen Traktur nachzuempfinden.
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Es sind Systeme verschiedener Hersteller auf dem Markt, die dem beschriebenen Nachteil der elektrischen Traktur dadurch abzuhelfen versuchen, dass an der Taste ein Sensor angebracht wird, der die Bewegung der Taste kontinuierlich erfasst, und anstelle eines einfachen Betätigungsmagneten ein geregelter Aktuator am Ventil angebracht wird, der das Ventil in fein abgestufte Positionen zwischen geschlossen und geöffnet bewegen kann. Eine geeignete Steuerelektronik kann so das Ventil synchron zur Tastenbewegung positionieren. Dadurch kann der Organist durch langsames Niederdrücken der Taste das Ventil ebenso behutsam öffnen oder durch schnelles Drücken der Taste das Ventil schlagartig öffnen.
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Üblicherweise werden solche Systeme als ”Proportionalsystem” bezeichnet, da sie die Bewegung des Ventils proportional zur Bewegung der Taste steuern.
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In
DE 43 19 633 C1 ist eine Einrichtung zur Betätigung der Spielventile einer Pfeifenorgel offenbart.
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DE 10 2013 004 468 A1 beschreibt ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Erfassung einer Betätigung einer auslenkbaren Geberkomponente.
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In der oben bereits genannten Druckschrift
US 7 754 952 B2 ist ein proportionales elektromagnetisches Aktuator- und Steuerungssystem offenbart.
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Ferner sind verschiedene Sensor- und Steuerungsmethoden entwickelt worden, beispielsweise analoge oder digitale Regler. Es sind auch unterschiedliche Aktuatortypen im Einsatz, deren Zweck aber immer derselbe ist: Die Bewegung der Taste mit einer hohen Ortsauflösung zu messen und mithilfe der Ortsinformation der Tastenlage die Absolutposition des Ventils zu regeln.
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Da sich die Kraftverhältnisse am Ventil im Moment des Öffnens in der Regel stark ändern, wenn durch die einströmende Luft ein Druckausgleich zwischen den vorher getrennten Bereichen des Windsystems stattfindet, erfordert das Einstellen einer bestimmten Ventilposition stets einen geschlossenen Regelkreis mit Sensoren zur Erfassung der aktuellen Ventilposition mit hoher Orts- und Zeitauflösung sowie relativ aufwendig gebaute Aktuatoren, die das Ventil sowohl in Öffnungs- als auch in Schließrichtung mit einer Kraft beaufschlagen können.
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Der Weg, den ein Ventil in der Orgel maximal geöffnet wird, ist typischerweise kleiner als 10 mm. Der Bereich, in dem der Luftstrom beim Öffnen in seiner Dynamik signifikant beeinflusst wird, liegt bei 2 bis 3 mm. Die Zeit, in der eine Taste beim schnellen Spiel vollständig heruntergedrückt wird, kann kleiner als 10 ms sein. Daher muss ein Proportionalsystem zugleich über eine hohe Ortsauflösung von unter 0,1 mm sowie eine Zeitauflösung von unter 1 ms bei der Übertragung und Verarbeitung der Positionsdaten verfügen.
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Zwangsläufig sind diese Systeme deutlich komplexer und teurer als eine konventionelle elektrische Traktur. Zudem sind die Aktuatoren mechanisch deutlich größer als konventionelle Ventilmagnete, wodurch die Konstruktion von Windladen mit engen Pfeifenabständen erschwert wird.
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Durch den vergleichsweise hohen Preis und die mechanischen Komplikationen beim Einbau solcher Systeme, bleiben Proportionalsysteme bislang die Ausnahme bei der Realisierung elektrischer Trakturen in Orgeln.
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Die Erfindung verfolgt das Ziel, ein verbessertes Verfahren zur dynamischen Steuerung von elektrisch betätigten Tonventilen in Pfeifenorgeln bereitzustellen.
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Zusammenfassung der Erfindung
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Die Erfindung stellt ein Verfahren zur Einstellung eines Ansteuerprofils für ein einzelnes Ventil an einer elektrischen Traktur einer Orgel nach dem Anspruch 1 bereit. Ausführungsformen sind in den abhängigen Ansprüchen beschrieben.
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Erfindungsgemäß umfasst das Verfahren zur Beeinflussung des Vorgangs eines Öffnens eines elektrisch betreibbaren Ventils einer durch eine elektrische Traktur betätigbaren Pfeifenorgel in Abhängigkeit von einer Betätigung einer Taste an der Traktur, die Schritte: Erfassen einer Geschwindigkeit der Betätigung der Taste und Umwandlung der erfassten Geschwindigkeit in ein Geschwindigkeitssignal; und Umwandlung des Geschwindigkeitssignals in ein Ansteuerprofil zur zeitabhängigen Ansteuerung des Ventils wobei das Ansteuerprofil die Beaufschlagung des Ventils mit elektrischem Strom bestimmt, wobei die Beaufschlagung des Ventils mit elektrischem Strom durch eine steuerbare Pulsweitenmodulation variierbar ist.
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Mit ”Traktur” kann hier insbesondere ein Übertragungssystem einer Orgel das zur Steuerung des Winds für die Orgelpfeifen, das die Betätigungselemente, also insbesondere Tasten einer Klaviatur, gegebenenfalls Sensoren, diverse Bus-Systeme, einen Spieltisch und/oder Steuergerät, sowie ein Ventilsystem in einer Windlade umfasst.
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Es hat sich überraschenderweise gezeigt, dass die Erfindung es leistet, die Beeinflussung der Ventilöffnung durch langsames oder schnelles Herunterdrücken einer Taste zu ermöglichen, ohne hohe Anforderungen an die Datenübertragungsrate des Steuerungssystems zu stellen. Zudem kann ein gemäß Ausführungsformen betriebenes System die nuancierte Bewegung des Ventils mit konventionellen Ventilmagneten ermöglichen, das heißt ohne die Notwendigkeit, die Position des Ventils zu erfassen. Auch kann ein Erfordernis entfallen, eine geschlossene Regelstrecke aufzubauen, was eine beträchtliche Vereinfachung in der Entwicklung bedeutet. Dadurch lässt sich das System zu vergleichbaren Kosten wie eine konventionelle elektrische Traktur realisieren, und es ist möglich, bestehende elektrisch betätigte Windladen mit der Technik nachzurüsten. Mit anderen Worten stellen Ausführungsformen eine neuartige, dynamische Ventilsteuerung dar.
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In einer Ausführungsform ist das Ansteuerprofil weitestgehend streng monoton steigend mit der Zeit. Das Ansteuerprofil kann ein vorgebbarer Zeitverlauf einer elektrischen Größe, beispielsweise Strom und/oder Spannung, sein. Mit ”weitestgehend” kann hier insbesondere gemeint sein, dass das Ansteuerprofil in einem kleinen Zeitabschnitt einen von dem streng monoton steigenden Verlauf abweichenden Verlauf aufweist. Insbesondere kann nämlich vorgesehen sein, dass das Ansteuerprofil einen Anfangsimpuls aufweist. Abgesehen von diesem Anfangsimpuls kann das Ansteuerprofil linear mit der Zeit ansteigen.
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Erfindungsgemäß ist eine elektrische Traktur zur Betätigung einer Orgel bereitgestellt, umfassend: wenigstens einen Sensor zum Erfassen einer Geschwindigkeit einer Betätigung einer Taste; und ein Steuermodul zur Beaufschlagung eines Ventils mit einem elektrischen Strom, wobei das Steuermodul dazu hergerichtet ist, nach dem voranstehend genannten Verfahren zu arbeiten.
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Gemäß der Erfindung ist ein Verfahren zur Einstellung eines Ansteuerprofils für ein einzelnes Ventil an einer elektrischen Traktur wie im voranstehenden Aspekt beschrieben bereitgestellt, umfassend: Wahl einer für die Einstellung des Ansteuerprofils vorgesehenen Betriebsart; und Variieren eines das Ventil beaufschlagenden Stroms, bis ein Stromwert IH ermittelt ist, bei dem das Ventil derart geöffnet ist, dass Luft in die Pfeife strömt, aber noch kein Ton erzeugt wird.
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Mit anderen Worten ist in einer Ausführungsform ein ”Justage-Modus” bereitgestellt. Die Betriebsart kann beispielsweise durch Betätigung vorbestimmter Tasten und/oder Tastenkombinationen gewählt oder an einem Steuergerät eingestellt werden. Es versteht sich hierbei, dass ein Auswählen einer Pfeife erfolgt, welcher das einzelne jeweilige Ventil zugeordnet ist. Die Bedingung, dass das Ventil derart geöffnet ist, dass Luft in die Pfeife strömt, aber noch kein Ton erzeugt wird, ist als sogenannter ”Heulton” hörbar.
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Anders als bei einem herkömmlichen Proportionalsystem, welches eine Ortskoordinate einer Taste auf die Ortskoordinate eines Ventils überträgt, wird für in der hier vorgestellten, neuartigen dynamische Ventilkontrolle die Geschwindigkeit der Tastenbewegung ermittelt und mit dieser Information die Geschwindigkeit der Ventilöffnung beeinflusst.
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Im Weiteren werden Ausführungsformen der Erfindung mit Bezugnahme auf Figuren einer Zeichnung näher erläutert.
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Es zeigen:
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1 einen Überblick über Komponenten zur Ansteuerung einer Mehrzahl von Orgelpfeifen;
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2 Ansteuerprofile zur zeitabhängigen Ansteuerung eines Ventils gemäß einer Ausführungsform; und
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3 Ansteuerprofile zur zeitabhängigen Ansteuerung eines Ventils nebst Anfangsimpuls gemäß einer weiteren Ausführungsform.
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1 gibt einen Überblick über die Komponenten zur Ansteuerung einer Mehrzahl von Orgelpfeifen. Eine oder mehrere Klaviaturen 10, an denen (nicht gezeigte) Tastensensoren zur Erfassung von Betätigungen von Tasten an den Klaviaturen vorgesehen sind werden abgefragt, um über einen Datenbus 11 Signale der Klaviatur an eine Spieltischeinheit 20 weiter zu leiten. Die Spieltischeinheit 20 kann ein Steuergerät 20 sein, das aus den erfassten Signalen von den Klaviaturen Steuersignale errechnet und diese über einen Datenbus 21 an eine oder mehrere Windladen-Empfangseinheiten 30.1, ..., 30.n weiterleitet. Die Windladen-Empfangseinheiten 30.1, ..., 30.n wiederum leiten die Steuersignale direkt an die Ventile 40, 40.1.1, ..., 40.1.m, ..., 40.n.m weiter. Es versteht sich, dass, je nach Konfiguration des Spieltisches und/oder der Windlade-Empfangseinheiten, mit Betätigung einer Taste ein oder mehrere Ventile angesteuert werden können.
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Gemäß Ausführungsformen kommen insbesondere zwei Komponenten zum Einsatz:
Ein Tastensensor an einer Klaviatur zur Ermittlung der Geschwindigkeit und ein Steuermodul zur veränderlichen Bestromung des Ventils oder Ventilmagneten. Die Übertragung der Information für eine oder mehrere Klaviaturen an eine oder mehrere Windladen erfolgt vorteilhafter Weise durch übliche Bussysteme wie in 1 dargestellt.
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Für die Erfassung der Geschwindigkeit der Tastenbewegung eignen sich verschiedene Verfahren, die bereits Stand der Technik sind. So ist beispielsweise eine Technik weit verbreitet, zwei Kontakte in räumlichem Abstand unter der Taste anzubringen und mit einer Auswerteschaltung die Zeit zu messen, die zwischen dem Betätigen der beiden Kontakte vergeht. Bekannte alternative berührungslose Verfahren werden ebenfalls erwogen.
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Wird eine Taste betätigt, gibt das Sensorsystem die Information über die gespielte Taste sowie die Geschwindigkeit der Tastenbewegung aus. Dies geschieht beispielsweise in Form von Datenworten im standardisierten Midi-Format. Ein solches Wertetripel besteht aus 3 Bytes mit der Bezeichnung <status>, <note>, <velocity>. Das Status-Byte kodiert den Befehl ”note on” (sowie eine für diese Funktion nicht relevante Kanal-Information), das ”note”-Byte überträgt eine Tastennummer von 0 bis 127, die den gespielten Ton identifiziert, und das ”velocity”-Byte kodiert die Geschwindigkeit, mit der die Taste gedrückt wurde. Kleine Geschwindigkeiten führen zu geringen velocity-Werten, hohe Geschwindigkeiten zu hohen velocity-Werten.
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Wird die Taste wieder losgelassen, gibt das System ein entsprechendes Datenwort aus, wobei ein Befehl ”note off” das Ende des Tons markiert.
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Diese Information kann über einen seriellen Datenbus zu einer oder mehreren Steuereinheiten übertragen werden, welche die Tonventile an den Windladen ansteuern. Geeignet ist beispielsweise der Ethernet-Bus, für den bereits ein Standard zum Transport von Midi-Daten über das IP-Protokoll implementiert ist.
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Im Gegensatz zu einem herkömmlichen Proportionalsystem ist es gemäß Ausführungsformen nur noch erforderlich, ein Datenwort am Beginn des Toneinsatzes und am Ende des Tons zu übertragen. Während der Tastenbewegung fallen jedoch keine Daten an und sind auch gar nicht erforderlich. Dies verringert die erforderliche Übertragungsbandbreite erheblich.
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Ein Steuergerät, das gemäß einem Verfahren gemäß einer Ausführungsform arbeitet, empfängt die Daten, die wie vorstehend beschrieben MIDI-Daten sein können, und erzeugt daraus ein zeitlich variables Strom- und/oder Spannungssignal für den Ventilmagneten. Dies kann mit Hilfe der PWM-Technik (Pulsweiten-Modulation) geschehen, um die Verlustleistung im Steuergerät gering zu halten. Durch eine Variation des Tastverhältnisses des PWM-Signals kann die dem Magneten zugeführte elektrische Energie und somit eine Aktion des Ventils in an sich bekannter Weise variabel gesteuert werden. Ferner kann in Ausführungsformen die PWM-Frequenz oberhalb des menschlichen Hörvermögens (über 20 kHz) gewählt werden, damit die Tonventilmagneten oder Ventilmagneten keine hörbar störenden Tone abstrahlen.
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Hierdurch kann es erreicht werden, den Strom durch den Ventilmagneten so zu modulieren, dass beim Empfang von Note-On-Signalen mit niedriger Velocity das Ventil langsamer öffnet als beim Empfang von Note-On-Signalen mit hoher Velocity.
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2 zeigt Ansteuerprofile zur zeitabhängigen Ansteuerung eines Ventils gemäß einer Ausführungsform, wie sie nach einem ”note an”-Befehl erzeugt werden können. In dem dargestellten Zeit-Strom-Diagramm ist ein einen Ventilmagneten durchfließender Strom I in Abhängigkeit von der Zeit t eintragbar. Der Strom ist in Prozent von einem Maximalwert angebbar, so dass ein Maximalstrom durch eine Angabe von 100% repräsentiert wird. Ein Ansteuerprofil 100 zeigt einen vergleichsweise steilen steigenden Verlauf, so dass nach einer vergleichsweise kurzen Zeit t1 der Maximalstrom erreicht wird. Ein Ansteuerprofil 120 zeigt einen vergleichsweise eher flach steigenden Verlauf, so dass erst nach einer vergleichsweise längeren Zeit t3 der Maximalstrom erreicht wird.
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2 zeigt, anders gesagt, einen möglichen Stromverlauf, den das Steuergerät als Funktion der Zeit in Abhängigkeit von der Note-On-Velocity erzeugt, was auch als Modulation bezeichnet werden kann: Wenn das Note-On-Signal empfangen wird, kann das Steuergerät beispielsweise einen linearen Strom- und/oder Spannungsverlauf errechnen, dessen Steigung mit der Velocity steiler wird. Dadurch steigt der Strom durch den Ventilmagneten, der eine entsprechend der Ausgabe des Steuergerätes modulierte Kraft ausübt, bei schnellen Betätigungsgeschwindigkeiten schneller an als bei langsamen Tastengeschwindigkeiten. Die Maximalkraft wird bei hoher Geschwindigkeit nach einer relativ kurzen Zeit t1 erreicht, bei einer niedrigen Geschwindigkeit erst nach einer relativ langen Zeit t3.
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Diese Methode der Strom-Modulation hat jedoch nur bei bestimmten Ventiltypen den gewünschten Effekt der langsamen Öffnung. Bei vielen im Orgelbau üblichen Ventilen muss zu Beginn der Ventilöffnung eine relativ hohe Kraft überwunden werden. Diese Kraft sinkt jedoch schlagartig, sobald Luft durch das wenig geöffnete Ventil in den dahinter liegenden Bereich des Windsystems fließt und die Druckdifferenz über das Ventil teilweise ausgeglichen wird. Dadurch wird sich beim Anlegen eines linearen Spannungsverlaufs an den Magneten das Ventil zunächst gar nicht öffnen, beim Überschreiten eines bestimmten Wertes jedoch schlagartig. Man erreicht auf diesem Weg also zwar eine Velocity-abhängige Verzögerung der Ventilbewegung, nicht aber ein allmähliches Öffnen.
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3 zeigt Ansteuerprofile zur zeitabhängigen Ansteuerung eines Ventils nebst Anfangsimpuls gemäß einer weiteren Ausführungsform, wie sie nach einem ”note on”-Befehl erzeugt werden können. Ähnliche Bezugszeichen haben ähnliche Bedeutungen wie in der zuvor gezeigten Figur. In Abwandlung von der vorangegangen Ausführungsform ist hier ein Löse-Puls oder Anfangsimpuls 230 vorgesehen, der zum Überwinden einer anfänglich durch das Ventil zu überwindenden Gegenkraft dient. Die maximale Höhe des Anfangsimpulses 230 kann durch einen Strom IR vorgegeben sein. Die zeitliche Dauer des Anfangsimpulses 230 kann durch eine Zeit tR vorgegeben sein, die eine erforderliche, zu verstreichende Zeit tR, darstellt. Sobald das Ventil demnach durch den Anfangsimpuls 230, quasi stoßweise, geöffnet ist wird es wieder soweit geschlossen, dass nahezu keine Luft mehr die Orgelpfeife durchströmt, aber eben doch noch genug, um hernach eine allmähliche, kontrollierbare Öffnung des Ventils zu ermöglichen. In dieser Konstellation ist nur noch ein sogenannter ”Heulton” hörbar, der bei einer Bestromung IH des Ventils einsetzt.
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Mit anderen Worten kann eine Ausführungsform der dynamischen Ventilsteuerung daher einen Strom- und/oder Spannungsverlauf vorgeben, wie er in 3 dargestellt ist. Nach dem Empfang des Note-On-Befehls wird der Magnet zunächst für eine Zeit tR mit einem hohen Strom IR beaufschlagt. Dieser Löse-Puls oder Anfangsimpuls 230 ist kräftig genug, um das Ventil gegen den Luftdruck zu öffnen. Nach der Zeit tR wird der Strom auf den Wert IH verringert. Dieser Strom wird so eingestellt, dass sich das Ventil am sogenannten Heulpunkt befindet. Es ist etwas geöffnet, so dass Luft in die Pfeife strömt, der Luftstrom jedoch nicht ausreicht, um den Toneinsatz vollständig auszulösen. Die Pfeife gibt einen undefinierten Ton von sich, sie ”heult”. Nach diesem Vorgang erhöht das Steuergerät den Strom mit einem ansteigenden Verlauf auf den Maximalwert. Die Steigung des Verlaufs wird wiederum aus der Note-On-Velocity errechnet, so dass schnelle Tastenbewegungen zu einem schnellen Stromanstieg, langsame zu einem langsamen Stromanstieg führen.
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Für das Funktionieren des Verfahrens kann es vorgesehen sein, den Strom IH zum Erreichen des Heulpunkts individuell für jedes Ventil einzustellen. Beispielsweise kann dafür das Steuergerät einen speziellen Justage-Modus zur Verfügung stellen. In dieser Betriebsart wählt der Benutzer eine Pfeife zur Justage aus. Beim Druck auf die Taste wird der zugehörige Ventilmagnet mit dem Löse-Puls und anschließend mit IH bestromt. Mit anderen Tasten kann der Benutzer den Wert von IH erhöhen oder verringern. Durch wiederholtes Betätigen der einzustellenden Taste und versuchsweises Erhöhen und Verringern von IH kann der Benutzer durch akustische Kontrolle schnell den passenden Wert für IH ermitteln, bei dem die Pfeife den charakteristischen Heulton erzeugt, das Ventil aber nicht ganz öffnet. Das Steuergerät erlaubt das Abspeichern eines individuellen Werts IH für jedes von ihm angesteuerte Ventil.
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Die Parameter IR und tR können so angepasst werden, dass das Ventil in der Auslösebewegung zwar zuverlässig öffnet, aber nicht zu stark überschwingt. Auf diese Weise lässt sich ein Betriebszustand herstellen, in dem das System die Ventilbewegung auch ohne geschlossenen Regelkreis beeinflussen kann.
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Typischerweise kann die Zeit tR unter 10 ms betragen. Der Proportionalitätsfaktor zwischen Stromanstieg und Note-On-Velocity kann so gewählt sein, dass ein musikalischer Effekt unterschiedlicher Anschlaggeschwindigkeiten hörbar ist, der Anstieg aber nicht als hörbare Verzögerung empfunden wird. Üblicherweise ist das der Fall, wenn die längste Zeit bis zum Erreichen des Maximalstroms 200 ms nicht überschreitet.
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Sind die Parameter richtig eingestellt, kann der Organist den gewünschten Effekt erzielen, mit einem langsam angeschlagenen Ton ein sanftes Anblasen der Pfeife zu erreichen. Ein schnelles Anschlagen der Taste führt zu einem schnellen Öffnen der Taste. Oberhalb einer bestimmten Anschlagsgeschwindigkeit öffnet das Steuergerät das Ventil sofort ohne die Verzögerung der Heulphase, so dass die Traktur mit maximaler Reaktionsgeschwindigkeit arbeitet.
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Das beschriebene Verfahren ermöglicht zwar nicht das beliebig langsame Herunterdrücken von Tasten und das Halten von Tasten auf einer Zwischenposition, das Proportionalsysteme bewerkstelligen können, in der musikalischen Spielpraxis sind diese Zustände jedoch weitgehend irrelevant. Bei geeigneter Wahl der leicht zu bestimmenden Signalparameter, lässt sich durch dynamische Ventilsteuerung die ohnehin eingeschränkte Möglichkeit zur Tonbeeinflussung durch die Art der Tastenbetätigung einer mechanischen Traktur mit einfachen Mitteln elektronisch nachbilden.
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Bezugszeichenliste
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- 10
- Klaviatur oder Klaviaturen
- 11
- Datenbus zur Weiterleitung von Signalen einer Klaviatur an eine Spieltischeinheit
- 20
- Spieltischeinheit
- 21
- Datenbus zur Weiterleitung von Signalen einer Spieltischeinheit an eine Windladen-Empfangseinheit
- 30.1, ..., 30.n
- Windladen-Empfangseinheit
- 40, 40.1.1, ..., 40.1.m, ..., 40.n.m
- Ventil-Magnete
- 100
- Ansteuerprofil, repräsentierend einen hohen Velocity-Wert
- 120
- Ansteuerprofil, repräsentierend einen niedrigen Velocits-Wert
- 200
- Ansteuerprofil, repräsentierend einen hohen Velocity-Wert
- 220
- Ansteuerprofil, repräsentierend einen niedrigen Velocits-Wert
- 230
- Anfangsimpuls
- I/%
- einen Ventil-Magneten beaufschlagender Strom, in Prozent von einem Maximalwert (= 100%)
- IH
- Stromwert, bei dem das mit diesem Strom beaufschlagte Ventil derart geöffnet ist, dass Luft in die Pfeife strömt, aber noch kein Ton erzeugt wird, bzw., nur ein sogenannter ”Heulton”
- IR
- erforderlicher Strom eines zur initialen Überwindung der Rückstellkraft erforderlichen Anfangsimpulses
- t
- verstreichende Zeit, in willkürlichen Einheiten
- tR
- Dauer eines Anfangsimpulses, bis das Ventil die Rückstellkraft überwunden hat und geöffnet ist