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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Ermittlung einer Fahrbahnzustandsinformation einer einem Kraftfahrzeug vorausliegenden, von diesem befahrenen Fahrbahn dem Kraftfahrzeug, wobei das Kraftfahrzeug wenigstens einen auf das Vorfeld des Kraftfahrzeugs gerichteten, in Halbleitertechnologie ausgeführten Radarsensor aufweist. Daneben betrifft die Erfindung ein Kraftfahrzeug.
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Fahrerassistenzsysteme für Kraftfahrzeuge wurden in vielfältiger Art und Weise im Stand der Technik vorgeschlagen. Viele derartige Fahrerassistenzsysteme nutzen Sensordaten, um Informationen über das Umfeld des Kraftfahrzeugs und die Betriebsbedingungen zu ermitteln, wobei bei Erfüllung bestimmter Aktionskriterien Betriebsparameter des Kraftfahrzeugs angepasst werden können, Warninformationen ausgegeben werden können oder gar Aktoren des Kraftfahrzeugs angesteuert werden können, um bestimmte Handlungen automatisiert vorzunehmen. So sind beispielsweise Fahrerassistenzsysteme bekannt, die Daten eines Regensensors auswerten, um die Scheibenwischanlage entsprechend anzusteuern, sowie in einem anderen Beispiel Fahrerassistenzsysteme, die den Reifenschlupf zu ermitteln suchen und Fahrwerkseinstellungen anpassen können. Viele bekannte Fahrerassistenzsysteme, beispielsweise Längsführungssysteme, Querführungssysteme und Sicherheitssysteme, nutzen dabei Sensordaten eines Radarsensors, um Informationen über das Umfeld des Kraftfahrzeugs zu erhalten. Beispielsweise sind ACC-Systeme bekannt, die mithilfe von Radarsensoren den Abstand zu einem voranfahrenden Verkehrsteilnehmer messen und auf einen Sollabstand oder eine Sollzeitlücke regeln.
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Die Verwendung von Radarsensoren in Kraftfahrzeugen ist im Stand der Technik bereits weitgehend bekannt. Radarsensoren werden heutzutage meist als Umfeldsensoren für einen mittleren und größeren Distanzbereich eingesetzt, um andere Verkehrsteilnehmer oder größere Objekte in Distanz, Winkel und Relativgeschwindigkeit bestimmen zu können. Derartige Radardaten können in Umfeldmodelle eingehen oder auch unmittelbar Fahrzeugsystemen zur Verfügung gestellt werden. Nutzen aus Radardaten ziehen im bekannten Stand der Technik beispielsweise Längsführungssysteme, wie ACC, oder auch Sicherheitssysteme.
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Radarsensoren herkömmlicher Bauart weisen meist eine größere Ausdehnung auf und sind eher klobig, nachdem die Antennen sowie die unmittelbar an der Antenne benötigten Elektronikkomponenten, also das Radar-Frontend, in einem Gehäuse integriert sind. Hauptsächlich bilden die Elektronikkomponenten dabei den Radar-Transceiver, der eine Frequenzsteuerung (üblicherweise umfassend eine Phasenregelschleife – PLL), Mischeinrichtungen, einem Low Noise Amplifier (LNA) und dergleichen enthält, oft werden jedoch auch Steuermodule und digitale Signalverarbeitungskomponenten antennennah realisiert, beispielweise um bereits aufbereitete Sensordaten, beispielsweise Objektlisten, auf einen angeschlossenen Bus, beispielsweise einen CAN-Bus, geben zu können.
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Die Realisierung von Radarkomponenten auf Halbleiterbasis erwies sich lange Zeit als schwierig, da teure Spezialhalbleiter, insbesondere GaAs, benötigt wurden. Es wurden kleinere Radarsensoren vorgeschlagen, deren gesamtes Radar-Frontend auf einem einzigen Chip in SiGe-Technologie realisiert ist, ehe auch Lösungen in der CMOS-Technologie bekannt wurden. Solche Lösungen sind Ergebnis der Erweiterung der CMOS-Technologie auf Hochfrequenzanwendungen, was oft auch als RF-CMOS bezeichnet wird. Ein solcher CMOS-Radarchip ist äußerst kleinbauend realisiert und nutzt keine teuren Spezialhalbleiter, bietet also vor allem in der Herstellung deutliche Vorteile gegenüber anderen Halbleitertechnologien. Eine beispielhafte Realisierung eines 77 GHz-Radar-Transceivers als ein CMOS-Chip ist in dem Artikel von Jri Lee et al., „A Fully Integrated 77-GHz FMCW Radar Transceiver in 65-nm CMOS Technology", IEEE Journal of Solid State Circuits 45 (2010), S. 2746–2755, beschrieben.
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Nachdem zudem vorgeschlagen wurde, den Chip und die Antenne in einem gemeinsamen Package zu realisieren, ist ein äußerst kostengünstiger kleiner Radarsensor möglich, der Bauraumanforderungen deutlich besser erfüllen kann und aufgrund der kurzen Signalwege auch ein sehr niedriges Signal-Zu-Rausch-Verhältnis aufweist sowie für hohe Frequenzen und größere, variable Frequenzbandbreiten geeignet ist. Daher lassen sich derartige, kleinbauende Radarsensoren auch für Kurzreichweiten-Anwendungen, beispielsweise im Bereich von 30 cm bis 10 m, einsetzen.
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Es wurde auch bereits vorgeschlagen, einen solchen CMOS-Transceiver-Chip und/oder ein Package mit CMOS-Transceiver-Chip und Antenne auf einer gemeinsamen Leiterplatte mit einem digitalen Signalverarbeitungsprozessor (DSP-Prozessor) vorzusehen oder die Funktionen des Signalverarbeitungsprozessors ebenso in den CMOS-Transceiver-Chip zu integrieren. Eine ähnliche Integration ist für Steuerungsfunktionen möglich.
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Im Bereich der Fahrerassistenzsysteme wurden auch ESP-Systeme (Elektronisches Stabilitätsprogramm) vorgeschlagen, die, wie bereits erwähnt, anhand des Reifenschlupfes oder verwandter Größen beurteilen können, ob die Räder des Kraftfahrzeugs auf dem aktuell befahrenen Untergrund durchdrehen. In diesem Fall kann eine Warninformation auf einer Anzeigevorrichtung im Kraftfahrzeug, beispielsweise einer Kombinationsanzeigevorrichtung, ausgegeben werden. Es wurden auch bereits Fahrerassistenzfunktionen vorgeschlagen, die die Sensordaten von Licht- und/oder Regensensoren auswerten, um den Fahrer über aktuell vorliegenden Niederschlag zu informieren. Derartige Informationen können zwar Hinweise auf den Fahrbahnzustand geben, insbesondere, was die vorausschauende Beurteilung von Fahrbahnzuständen und deren Beurteilung angeht, sind jedoch noch keine Fahrerassistenzfunktionen bekannt, die eine fundierte, für den Fahrer nützliche Klassifizierung liefern können. Ein solches Fahrerassistenzsystem wäre jedoch in vielerlei Hinsicht wünschenswert, denn der Fahrbahnzustand beeinträchtigt stark die Leistungsfähigkeit heutiger Fahrzeugsysteme, insbesondere auch anderer Fahrerassistenzsysteme. So kann Regen oder Eis auf der Fahrbahn den Bremsweg verlängern, was relevant für die Betrachtung von Kollisionsszenarien ist. Auch andere Fahreigenschaften des Kraftfahrzeugs können durch glatte Fahrbahnen beeinträchtigt sein. Warnungen müssten beispielsweise früher ausgegeben werden.
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Der Erfindung liegt daher die Aufgabe zugrunde, ein eine verbesserte, vorausschauende Erkennung des Fahrbahnzustands erlaubendes Fahrerassistenzsystem anzugeben.
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Zur Lösung dieser Aufgabe ist bei einem Verfahren der eingangs genannten Art erfindungsgemäß vorgesehen, dass eine Antennenanordnung des Radarsensors zum Empfangen reflektierter Radarstrahlung in wenigstens zwei zueinander senkrechten linearen Polarisationen ausgebildet ist und die Fahrzustandsinformation bereichsweise durch Auswertung der Polarisationsverschiebung der reflektierten Radarstrahlung gegen das Sendesignal für diesen Fahrbahnbereich ermittelt wird.
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Wie bereits eingangs dargelegt wurde, sind inzwischen Radartechnologien bekannt, die eine hochauflösende Abtastung des Umfelds des Kraftfahrzeugs durch Nutzung von Halbleitertechnologien erlauben, beispielsweise in einem Bereich von 0 bis 50 m vor dem Kraftfahrzeug. Die hoch auflösenden Eigenschaften solcher moderner Systeme erlauben es auch, die Struktur der Fahrbahnoberfläche zu vermessen. Um dabei eine Klassifizierung in Form einer Fahrbahnzustandsinformation ermitteln zu können, schlägt die Erfindung vor, einen polarimetrischen Radersensor zu verwenden. Die Polarimetrie ist im Stand der Technik in anderen Anwendungsgebieten grundsätzlich bekannt und basiert darauf, dass die Oberflächenbeschaffenheit bei linear polarisierter Radarstrahlung einen Einfluss auf die Polarisation der reflektierten Radarstrahlung hat. Eine solche Verdrehung der (mittleren) Polarisation der Radarstrahlung wird als Polarisationsverschiebung bezeichnet, welche ein Maß für Oberflächeneigenschaften ist. So ist die Polarimetrie beispielsweise bei der Vermessung der Erdoberfläche ausgehend von Satelliten bekannt; ein anderes Einsatzgebiet der Polarimetrie sind Wetterradare, insbesondere in Flugzeugen. Die vorliegende Erfindung eröffnet nun ein neues Einsatzgebiet für die Polarimetrie, was durch die Existenz neuartiger, hochauflösender Radartechnologien in Kraftfahrzeugen erst ermöglicht wird. Über auf die Fahrbahn gerichtete Radarsensoren wird Radarstrahlung einer bestimmten Polarisation (oder gegebenenfalls auch Polarisationsverteilung) ausgestrahlt. Nachdem die Antennenanordnung des Radarsensors zwei zueinander senkrechte Polarisationen erfassen kann, bevorzugt Empfangsantennen für horizontale und vertikale Polarisation aufweist, lässt sich die Polarisationsverschiebung der reflektierten Radarstrahlung stochastisch für einen Fahrbahnbereich bestimmen, so dass es durch deren Auswertung ermöglicht wird, die Fahrbahnzustandsinformation zu bestimmen. Es erfolgt mithin eine Klassifizierung der untersuchten Fahrbahnbereiche, für die beispielsweise Mittelwerte der Polarisationsverschiebung betrachtet werden können, wobei insbesondere wenigstens ein Kennfeld verwendet werden kann, das abhängig von der Polarisationsverschiebung, weiteren berücksichtigten Auswertungsgrößen und/oder abgeleiteten Größen jeweils einen Teil der Fahrbahnzustandsinformation liefert.
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Damit ermöglicht die vorliegende Erfindung eine vorausschauende und sensorbasierte Bewertung des Fahrbahnzustands im Umfeld des Kraftfahrzeugs. Radarbasierte, polarimetrische Konzepte, konkret die Auswertung der Polarisationsverschiebung (Polarisationsverdrehung) werden genutzt, um Aussagen über den Fahrbahnzustand treffen zu können. Über die unterschiedlichen Empfangsantennen der Antennenanordnung des Radarsensors, insbesondere Radarstrahlung in vertikaler und horizontaler Polarisation vermessende Empfangsantennen, können separat Anteile der reflektierten Radarstrahlen in unterschiedlichen Polarisationen und somit die Polarisationsverschiebung bestimmt werden. So ist eine verbesserte Information des Fahrers über Fahrbahnzustände möglich, die Gefahren beim Befahren bergen können, beispielsweise nasse oder glatte Fahrbahnen. Der Fahrer kann in kritischen Situationen rechtzeitig informiert bzw. gewarnt werden, um den Fahrbahnzustand in seiner Fahrweise berücksichtigen zu können. Ferner ist es denkbar, andere Fahrzeugsysteme, insbesondere Fahrerassistenzsysteme, abhängig von der Fahrbahnzustandsinformation adaptiv einzustellen, damit auch deren Aktionen, beispielsweise Warnungen, korrekt ausgelöst werden können. Beispielsweise sind Betriebsparameter des Kraftfahrzeugs, beispielsweise Bremswege, Fahrzeugdynamik, Reaktionszeit, Lenkwinkel und dergleichen, vom Fahrbahnzustand stark abhängig. Mithin verbessert eine verlässliche Aussage über den Fahrbahnzustand die Leistung vieler Fahrzeugsysteme, insbesondere Fahrerassistenzsysteme. Zusammenfassend kann also gesagt werden, dass bei Erfüllung des Warnkriteriums für die Fahrbahnzustandsinformation eine, insbesondere ortsbezogene, Warnung an den Fahrer des Kraftfahrzeugs ausgegeben werden kann und/oder die Fahrbahnzustandsinformation zur Einstellung von Betriebsparametern wenigstens eines Fahrzeugsystems, insbesondere eines Fahrerassistenzsystems, verwendet werden kann.
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Konkret kann beispielsweise vorgesehen sein, dass der wenigstens eine Radarsensor Radarstrahlung mit vertikaler Polarisation ausstrahlt, wobei ein großer Anteil der reflektierten Radarstrahlung in vertikaler Polarisation auf eine glatte Struktur hindeutet. Wird ein großer Anteil mit horizontaler Polarisation in der reflektierten Radarstrahlung festgestellt, ist dies ein Hinweis auf eine eher raue Oberfläche. Mithin kann eine beispielhafte Ausgestaltung der vorliegenden Erfindung vorsehen, dass bei einem vertikal polarisierten Sendesignal und einem hohen Anteil horizontal reflektierter Radarstrahlung der Fahrbahnbereich als glatter klassifiziert wird als bei einem geringen Anteil horizontaler reflektierter Radarstrahlung.
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Wie bereits erwähnt, nutzt die Erfindung die Möglichkeit neuer Radartechnologien in Kraftfahrzeugen, die hochauflösende Ergebnisse liefern. Mithin sieht eine besonders vorteilhafte Ausgestaltung der vorliegenden Erfindung vor, dass als der wenigstens eine Radarsensor ein einen den Radartransceiver realisierenden Halbleiterchip, insbesondere CMOS-Chip, aufweisender Radarsensor verwendet wird. Dabei ist es besonders zweckmäßig, wenn durch den Halbleiterchip auch eine digitale Signalverarbeitungskomponente und/oder eine Steuereinheit des Radarsensors realisiert und/oder der Halbleiterchip und die Antennenanordnung als ein Package ausgebildet sind. Auf diese Weise lassen sich kurze Signalwege realisieren, was wiederum ein geringes Signal-zu-Rausch-Verhältnis und hohe Zykluszeiten erlaubt. Auch ist es mit derartigen Radarsensoren, wie eingangs bereits dargelegt, möglich, hohe Frequenzbandbreiten zu erzielen, was ebenfalls einer guten Abstandsauflösung zuträglich ist. Die Radarsensoren können äußerst kleinbauend realisiert werden, beispielsweise mit Ausdehnungen von 3 cm mal 3 cm oder kleiner.
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In diesem Zusammenhang sei angemerkt, dass es zweckmäßig sein kann, mehrere Radarsensoren im Kraftfahrzeug vorzusehen, wobei wenigstens die Sensordaten der auf die Fahrbahn vor dem Kraftfahrzeug gerichteten Radarsensoren hinsichtlich Fahrbahnzustandsinformation ausgewertet werden sollten. Werden weitere Beurteilungen vorgenommen, worauf im Folgenden noch näher eingegangen werden wird, können selbstverständlich auch andere Radarsensoren nützlich sein, beispielsweise hinter das Kraftfahrzeug oder seitlich ausgerichtete Radarsensoren, wenn eine Beurteilung der Gischt erfolgt. Denkbar ist in diesem Kontext beispielsweise ein Radarsystem, welches das gesamte Umfeld des Kraftfahrzeugs in einem 360°-Winkelbereich abdeckt. Hierzu können beispielsweise acht Radarsensoren vorgesehen sein, von denen drei im vorderen Stoßfänger des Kraftfahrzeugs, drei im hinteren Stoßfänger des Kraftfahrzeugs und zwei seitlich, insbesondere in den Türen des Kraftfahrzeugs, verbaut sein können. Zum Verbau in Türen des Kraftfahrzeugs ist es denkbar, im Türblech ein Fenster vorzusehen, das mit radardurchlässigen Material aufgefüllt ist, so dass der Radarsensor auch dort unsichtbar bei geringen Bauraumanforderungen, insbesondere wenn er in CMOS-Technologie realisiert ist, eingesetzt werden kann.
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Vorzugsweise kann der Radarsensor mit einer Frequenzbandbreite von wenigstens 1 GHz, insbesondere von 4 GHz und/oder in einem Frequenzbereich von 77 bis 81 GHz betrieben werden. Hohe Bandbreiten und hohe Frequenzen ermöglichen, wie bereits dargelegt, eine hervorragende Trennfähigkeit des Radarsensors, was unterschiedliche Reflektionsziele angeht.
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Wie bereits erwähnt wurde, ist es besonders vorteilhaft, wenn eine Teilantennen zum Empfangen horizontal und vertikal polarisierter Radarstrahlung aufweisende Antennenanordnung verwendet wird, nachdem häufig als Sendesignale horizontal linear polarisierte Sendesignale eingesetzt werden, so dass unmittelbar eine Anteilsberechnung bezüglich der Polarisationsverschiebung erfolgen kann. Dabei sei angemerkt, dass es selbstverständlich auch denkbar ist, Sendeantennen zu unterschiedlichen Polarisationen des Sendesignals in der Antennenanordnung vorzusehen, nachdem beispielsweise oft vertikal polarisierte Radarstrahlung für die Abtastung der Vertikalausdehnung von Objekten eingesetzt wird, horizontal polarisierte Radarstrahlung für die horizontale Abtastung von Objekten. Dabei kann es insbesondere zweckmäßig sein, wenn auch im Rahmen der vorliegenden Erfindung Sendesignale unterschiedlicher Polarisationen verwendet und deren jeweilige Polarisationsverschiebungen ausgewertet werden. Zwar zeigen sich die eindeutigsten Hinweise und Klassifizierungsmöglichkeiten dann, wenn die Polarisationsverschiebung eines vertikal linear polarisierten Sendesignals betrachtet wird, jedoch kann beispielsweise durch zusätzlichen Einsatz horizontaler Sendesignale und Auswertung der entsprechenden Polarisationsverschiebung eine Verbesserung der Datenbasis und/oder eine Plausibilisierung erreicht werden.
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Eine weitere vorteilhafte Weiterbildung der Erfindung sieht vor, dass bei der Ermittlung der Fahrbahnzustandsinformation auch durch Auswertung von Radardaten von insbesondere rückwärtig ausgerichteten Radarsensoren des Kraftfahrzeugs gewonnene Gischtinformationen und/oder Regeninformationen berücksichtigt werden, insbesondere ein Maß für die Gischtstärke und/oder Regenstärke. Wird beispielsweise anhand der Polarisationsverschiebung in Sensordaten, die das Vorfeld des Kraftfahrzeugs abtasten, festgestellt, dass die Fahrbahnoberfläche eher als glatt zu klassifizieren wäre, kann eine Gischtinformation, die bevorzugt von Radarsensoren am Heck des Kraftfahrzeugs gewonnen wird, aber auch eine Regeninformation, dazu beitragen, die Ursache der Glätte als Wasser oder Eis zu unterscheiden. Selbstverständlich sind auch komplexere Auswertungsvorgänge/Klassifikatoren unter Berücksichtigung solcher Zusatzinformationen möglich. Bei dieser Ausgestaltung der Erfindung wird letztlich das Konzept des „Wetterradars” auch auf das Kraftfahrzeug übertragen, nachdem es die verwendeten, hoch auflösenden Radarsensoren erlauben, auch kleine Gischttropfen/Partikel hinter/neben dem Kraftfahrzeug zu detektieren und somit beispielsweise die Dichte und/oder Größe solcher Partikel zu bestimmen.
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Besonders bevorzugt ist es, wenn bei der Ermittlung der Fahrbahnzustandsinformation zusätzlich die Reflektivität der Radarstrahlung in dem Fahrbahnbereich berücksichtigt wird. Die Reflektivität der Radarstrahlung ist ein Maß dafür, welcher Anteil der ausgesandten Radarstrahlung reflektiert, das bedeutet, wieder empfangen wird. Auch die Reflektivität ist von der Oberflächenbeschaffenheit im reflektierenden Fahrbahnbereich abhängig, so dass sich gemeinsam mit Polarisationsverschiebung eine verbesserte Klassifikation und Ermittlung der Fahrbahnzustandsinformation ergibt.
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Eine weiter bevorzugte Ausbildung des erfindungsgemäßen Verfahrens sieht vor, dass eine zur Differenzierung unterschiedlicher Grenzflächen geeignete Grenzflächeninformation für den Fahrbahnbereich ermittelt und bei der Ermittlung der Fahrbahnzustandsinformation berücksichtigt wird, insbesondere zur Differenzierung zwischen gefrorenem und flüssigem Wasser. Gerade bei der Mitberücksichtigung der Reflektivität ist mithin eine weitergehende Klassifikation des Fahrbahnbereiches möglich, nachdem die Reflektionseigenschaften an Grenzflächen eng mit den Dielektrizitätskonstanten der beteiligten Materialien, hier Luft und der obere Fahrbahnbelag, zusammenhängen. Somit können nicht nur nasse und trockene Fahrbahnbereiche unterschieden werden, sondern es ist auch möglich, Wasser und Eis zu unterscheiden, nachdem dort ein äußerst hoher Dielektrizitätskontrast besteht. So liegt die Dieelektrizitätskonstante von Eis im Bereich von 3 bis 4, die von Wasser jedoch bei etwa 80, so dass sich entsprechend deutliche Unterschiede der Reflektionseigenschaften an der Grenzfläche zu Luft ergeben.
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Neben dem Verfahren betrifft die Erfindung auch ein Kraftfahrzeug, aufweisend wenigstens einen Radarsensor und ein zur Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens ausgebildetes Steuergerät. Sämtliche Ausführungen zum erfindungsgemäßen Verfahren lassen sich analog auf das erfindungsgemäße Kraftfahrzeug übertragen, so dass auch mit diesem die bereits genannten Vorteile erhalten werden können. Das Steuergerät kann dabei einem Fahrerassistenzsystem zugeordnet werden, das den Fahrer bei bestimmten Fahrbahnzuständen warnt; zudem kann es auch einem weiteren Fahrzeugsystem, insbesondere Fahrerassistenzsystem, zugeordnet sein bzw. eine Kommunikationsverbindung zu einem weiteren Fahrzeugsystem besitzen, wo die ermittelte Fahrbahnzustandsinformation weiter ausgewertet werden kann.
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Weitere Vorteile und Einzelheiten ergeben sich aus den im Folgenden beschriebenen Ausführungsbeispielen sowie anhand der Zeichnungen. Dabei zeigen:
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1 ein erfindungsgemäßes Kraftfahrzeug,
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2 den Aufbau eines in dem Kraftfahrzeug verwendeten Radarsensors, und
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3 eine Skizze zur Erläuterung der Polarimetrie.
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1 zeigt eine Prinzipskizze eines erfindungsgemäßen Kraftfahrzeugs 1. Dieses weist acht Radarsensoren 2 auf, die so angeordnet sind, dass sie einen 360°-Winkelbereich rings um das Kraftfahrzeug 1 erfassen können. Es handelt sich dabei um kleinbauende, auf CMOS-Technologie basierende Weitwinkel-Radarsensoren 2, von denen jeweils 3 im vorderen und hinteren Stoßfänger 3, 4 verbaut sind; zwei weitere, seitlich ausgerichtete Radarsensoren 2 sind in Türen 5 des Kraftfahrzeugs 1 vorgesehen.
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Die Radarsensoren 2 liefern ihre Sensordaten an ein Steuergerät 6, welches zur Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens ausgebildet ist. Das Steuergerät 6 steht in Verbindung mit weiteren, hier nur angedeuteten Fahrzeugsystemen 7 sowie einer Anzeigevorrichtung 8, hier einer Kombinationsanzeigevorrichtung, auf der Warnungen bzw. Hinweise bezüglich des Fahrbahnzustands ausgegeben werden können.
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Bei den Radarsensoren 2 handelt es sich um polarimetrische Radarsensoren, bei denen mithin eine Polarisationsverschiebung detektiert werden kann, durch deren Auswertung das Steuergerät 6 eine Fahrbahnzustandsinformation ermitteln kann.
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2 zeigt den Aufbau der Radarsensoren 2 genauer. Der dort gezeigte Radarsensor 2 weist ein Gehäuse 9 auf, in dem eine Leiterplatte 10 gehaltert ist. Auf der Leiterplatte 10 ist ein Halbleiterchip 11 vorgesehen, der neben einem Radartransceiver 12 auch eine digitale Signalverarbeitungskomponente 13 (DSP) und eine Steuereinheit 14 des Radarsensors 2 realisiert. Gemeinsam mit der Antennenanordnung 15 ist der Halbleiterchip 11, hier ein CMOS-Chip, als ein Package 16 realisiert.
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Die Antennenanordnung 15 des Radarsensors 2 weist, hier nur angedeutet, Sendeantennen 17 für horizontal und vertikal linear polarisierte Radarstrahlung genauso auf wie entsprechende Empfangsantennen 18 für horizontal und vertikal linear polarisierte, reflektierte Radarstrahlung. Daher können Polarisationsverschiebungen gegenüber dem Sendesignal durch den Radarsensor 2 gemessen werden.
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Um den Zustand der Fahrbahn vor dem Kraftfahrzeug 1 ermitteln zu können, werden insbesondere die Sensordaten der das Vorfeld des Kraftfahrzeugs 1 aufnehmenden Radarsensoren 2, also der in dem vorderen Stoßfänger 3 verbauten Radarsensoren 2, ausgewertet. Die Polarimetrie beruht darauf, dass je nach Rauigkeit des reflektierenden Untergrundes unterschiedliche Polarisationsverschiebungen auftreten, was durch die Prinzipskizze in 3 näher erläutert werden soll. Dort ist ein Abschnitt der Fahrbahn 19 vor dem Kraftfahrzeug 1 angedeutet, welche vorliegend einen glatten Fahrbahnbereich 20 und einen eher raueren Fahrbahnbereich 21 aufweist. Pfeile 22 symbolisieren für beide Bereiche 20, 21 die ausgesandte Radarstrahlung des Radarsensors 2, die vertikal linear polarisiert ist. Die Pfeile 23 symbolisieren den Anteil der reflektierten Radarstrahlung, der noch immer vertikal polarisiert ist, die Pfeile 24 den Anteil der reflektierten Radarstrahlung, der horizontal linear polarisiert ist. Ersichtlich ist im glatten Fahrbahnbereich 20 der Großteil der reflektierten Radarstrahlung weiterhin vertikal polarisiert, nur ein äußerst geringer Anteil ist horizontal polarisiert, das bedeutet, es liegt nur eine äußert geringe Polarisationsverschiebung vor. Anders ist es im rauen Fahrbahnbereich 21, wo eine deutlich größere horizontal polarisierte Komponente vorliegt; die vertikal polarisierte Komponente ist deutlich geringer.
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Dieses Grundkonzept wird zur Auswertung der Sensordaten der Radarsensoren 2 genutzt. Im konkreten Fall kann dabei als Eingangsparameter ein Kennfeld oder einen entsprechenden mathematischen Zusammenhang das Verhältnis der vertikal und horizontal polarisierten Anteile, welches auch als „differentielle Reflektivität” bezeichnet wird, verwendet werden. Um eine verwendete Klassifizierung von Fahrbahnbereichen 20, 21 zu erreichen, wird jedoch auch die (übliche) Reflektivität, die den Streuquerschnitt beschreibt, als weitere Eingangsgröße betrachtet, welche durch den Radarsensor 2 selbstverständlich auch vermessen werden kann. Dann ist es möglich, auch eine durch die Dielektrizitätskonstante an der reflektierenden Oberfläche, also der Grenzfläche zu Luft, beeinflusste Grenzflächeninformation zu bestimmen, was beispielsweise ermöglicht, bei einer glatten Fahrbahn zwischen Wasserglätte und Eisglätte zu entscheiden. Hinsichtlich einer weiteren Verbesserung des Klassifizierungsvorgangs werden im Übrigen auch die hinteren Radarsensoren 2 gegebenenfalls die seitlichen Radarsensoren 2 genutzt, um Sensordaten aufzunehmen, aus denen (ebenso polarimetrisch) Gischtinformationen bzw. Regeninformationen abgeleitet werden können, die weitere Hinweise auf eine nasse Fahrbahn bieten. Die Datenbasis kann, insbesondere zu Zwecken der Plausibilisierung, dadurch erweitert werden, dass auch mit einem horizontalen Sendesignal polarimetrisch gemessen wird.
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Durch das Kennfeld und/oder den mathematischen Zusammenhang lässt sich mithin die Fahrbahnzustandsinformation ermitteln, die bereits im Steuergerät durch ein Warnkriterium weiter ausgewertet wird. Ist dieses wenigstens eine Warnkriterium erfüllt, erhält der Fahrer in der Kombinationsanzeigevorrichtung 8 eine Anzeige, die ihm den detektierten Fahrbahnzustand ermittelt, beispielsweise Eisglätte, Wasserglätte, äußerst hohe Rauigkeit und dergleichen. Der Fahrer kann nun seine Fahrweise auf den Fahrbahnzustand anpassen. Die Fahrbahnzustandsinformation wird jedoch an andere Fahrzeugsysteme 7, insbesondere Fahrerassistenzsysteme, weitergeleitet, welche diese zur Einstellung von Betriebsparametern bzw. innerhalb ihrer jeweiligen Funktionen, soweit diese betroffen sind, nutzen.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Nicht-Patentliteratur
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- Jri Lee et al., „A Fully Integrated 77-GHz FMCW Radar Transceiver in 65-nm CMOS Technology”, IEEE Journal of Solid State Circuits 45 (2010), S. 2746–2755 [0005]