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Die Erfindung betrifft ein Verfahren gemäß Oberbegriff von Anspruch 1 und ein elektronisches Steuergerät gemäß Oberbegriff von Anspruch 15.
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Das Fahrverhalten von Kraftfahrzeugen, insbesondere von kommerziell genutzten Fahrzeugen zum Transport von Lasten, kann beträchtlich durch den Beladungszustand beeinflusst werden. Neben einer Änderung des Fahrzeuggewichts kann es auch zu einer Änderung der Lage des Schwerpunkts kommen, welche ebenfalls ein wichtiger Parameter für die Fahrdynamik eines Kraftfahrzeugs ist. So verändert eine Verschiebung des Schwerpunkts in der Fahrbahnebene das Eigenlenkverhalten des Fahrzeugs, und eine Zunahme der Schwerpunkthöhe führt besonders zu einer erhöhten Überrollgefahr in schnell gefahrenen Kurven. Wenn aktuelle Schwerpunktkoordinaten ermittelt werden können, ermöglicht beispielsweise eine Anpassung einer Fahrdynamikregelung an die daraus resultierende Aufstandskraftverteilung eine Verbesserung von Komfort und Sicherheit des Fahrverhaltens.
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Daher sind bereits verschiedene Verfahren zur Schätzung mindestens einer Schwerpunktkoordinate bekannt geworden, welche – wie dies aus Kostengründen wünschenswert ist – nur Signale von bereits für eine Fahrdynamikregelung und/oder Bremsschlupfregelung vorhandenen Sensoren für die Ermittlung der Lage des Schwerpunkts benötigen.
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Aus der
DE 10 2004 056 108 A1 ist ein Verfahren zur näherungsweisen Ermittlung der Schwerpunktlage eines Fahrzeugs bekannt, bei dem aus den Längskräften der Räder, dem Steigungswinkel der Straße, der Längsbeschleunigung des Fahrzeugs und dem Radabstand ein Schätzwert für die Schwerpunktlage des Fahrzeugs in Längsrichtung bestimmt wird. Die Schätzung erfolgt insbesondere während einer ABS-Bremsung, wobei angenommen wird, dass die Reibwerte für alle Räder identisch sind.
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In der
US 2012/0173133 A1 ist ein Verfahren zur Schätzung der Höhe des Schwerpunkts eines Fahrzeugs mit einer Vorder- und einer Hinterachse aus jeweils mindestens zwei Rädern beschrieben, bei dem eine erste Bremsphase und eine zweite Bremsphase ermittelt werden, welche auf einer Fahrbahn auftreten, die im wesentlichen eine gleichbleibende Steigung hat, wohingegen die erste und die zweite Bremsphase unterschiedliche Fahrzeugverzögerungen aufweisen. Während der zwei Bremsphasen werden zumindest eine Fahrzeuglängsbeschleunigung, eine Radschlupfgeschwindigkeit an Vorder- und Hinterachse, die Bremskräfte an Vorder- und Hinterachse oder zumindest deren Verhältnis und die Steigung des Fahrbahnabschnitts ermittelt, anhand deren die Höhe des Fahrzeugschwerpunkts geschätzt wird.
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Die gattungsbildende
EP 2 331 926 B1 offenbart ein Verfahren und eine Vorrichtung zum Ermitteln eines Schwerpunkts eines Kraftfahrzeugs, bei dem für wenigstens ein Rad des Kraftfahrzeugs zwei unterschiedliche Antriebskraftwerte sowie zugehörige Längsbeschleunigungswerte und zugehörige Radschlupfwerte ermittelt werden; aus den ermittelten Antriebskraftwerten, den zugehörigen Längsbeschleunigungswerten und den zugehörigen Radschlupfwerten werden wenigstens zwei Koordinaten des Schwerpunkts ermittelt.
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Die Aufgabe der vorliegenden Erfindung besteht darin, eine Ermittlung der Lage des Schwerpunkts mit einer gegenüber den bisher bekannten Verfahren erhöhter Genauigkeit zu ermöglichen.
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Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß durch ein Verfahren gemäß Anspruch 1 gelöst.
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Es wird also ein Verfahren bereitgestellt, bei dem die Lage des Schwerpunkts eines fahrenden Kraftfahrzeugs ermittelt wird, wobei mindestens zwei Datenpunkte aus zusammengehörigen Eingangsgrößen umfassend zumindest eine Beschleunigung des Kraftfahrzeugs, Radgeschwindigkeiten von mindestens zwei, insbesondere vier, Rädern und an diesen Rädern anliegende Antriebs- oder Bremsmomenten berücksichtigt werden. Erfindungsgemäß werden zumindest eine Schwerpunktkoordinate in einem fahrzeugfesten Koordinatensystem und zumindest ein Anpassungsparameter einer Reibwertkennlinie, die den Zusammenhang zwischen Radschlupf und Reibwert unter Berücksichtigung zumindest einer Schwerpunktkoordinate beschreibt, gemeinsam ermittelt.
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Unter zusammengehörigen Eingangsgrößen wird hierbei verstanden, dass diese parallel oder zumindest innerhalb einer vorgegebenen Zeitdauer gemessen bzw. ermittelt wurden. Somit gibt ein Datenpunkt zweckmäßigerweise die für eine Ermittlung der Schwerpunktlage benötigten Informationen zu einem bestimmten Zeitpunkt an. Indem mindestens zwei, vorzugsweise mehr Datenpunkte betrachtet werden, kann eine statistische Auswertung erfolgen.
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Das erfindungsgemäße Verfahren baut auf der Erkenntnis auf, dass der Fahrzeugschwerpunkt einen nicht zu vernachlässigenden Einfluss auf den Reibwert an der Kontaktfläche zwischen Reifen und Fahrbahn hat. Dadurch, dass zumindest eine Koordinate der Schwerpunktlage als ein (erster) Parameter der Reibwertkennlinie berücksichtigt wird, und sowohl Schwerpunktkoordinate als auch mindestens ein Anpassungsparameter der schwerpunktabhängigen Reibwertkennlinie gemeinsam ermittelt bzw. geschätzt werden, kann diese Wechselwirkung geeignet beschrieben werden. Somit wird eine erhöhte Genauigkeit in der Ermittlung sowohl der Schwerpunktkoordinaten als auch der Reibwertkennlinie erzielt.
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Es ist vorteilhaft, wenn in einem ersten Schritt eine Schwerpunktkoordinate in einer ersten Raumrichtung, insbesondere Querrichtung, ermittelt wird, und in einem zweiten Schritt die ermittelte Schwerpunktkoordinate in der ersten Raumrichtung als Parameter bei der Ermittlung einer Schwerpunktkoordinate zumindest einer zweiten Raumrichtung, insbesondere Längs- und Hochrichtung, vorgegeben wird. Die Querkoordinate Y und die Längs- bzw. Hochkoordinaten (X, Z) sind bei einer Geradeausfahrt nur schwach miteinander gekoppelt. Entsprechend sind bei einer Kurvenfahrt die Längskoordinate X und die Quer- bzw. Hochkoordinaten (Y, Z) nur schwach miteinander gekoppelt. Indem die Schätzung der Schwerpunktkoordinaten in den verschiedenen Richtungen unabhängig voneinander erfolgt, reduziert sich die Dimension des Problems, und eine Ermittlung kann in einer kürzeren Zeit und/oder mit einem geringeren Bedarf an Rechenleistung durchgeführt werden.
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Gemäß einer besonders vorteilhaften Ausführung des Verfahrens erfolgt die Ermittlung der Schwerpunktkoordinaten rekursiv, wobei beispielsweise in einem vorherigen Durchlauf ermittelte Längs- und Hochkoordinaten des Schwerpunkts bei der Ermittlung der Querkoordinate eingesetzt werden. Ganz besonders vorteilhaft ist es, wenn auch die Schätzung der einzelnen Koordinate(n) rekursiv erfolgt, da dann nur die Werte des vorherigen und des aktuellen Durchlaufs gespeichert und ausgewertet werden müssen.
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Zweckmäßigerweise werden die Schwerpunktkoordinaten in allen 3 Raumrichtungen ermittelt, wobei das Kraftfahrzeug vier Räder aufweist, die in zwei Achsen angeordnet sind, und wobei für jedes der vier Räder des Kraftfahrzeugs ein anhand einer gemessenen Radgeschwindigkeit ermittelter Radschlupf und ein anliegendes Brems- oder Antriebsmoment als zusammengehörige oder parallel ermittelte Eingangsgrößen berücksichtigt werden. Somit kann eine ermittelte Längskoordinate des Schwerpunkts bei einer Bremsregelung wie einer Antiblockierregelung für eine Verbesserung der Regelgüte bzw. eine angepasste Bremskraftverteilung genutzt werden. Eine ermittelte Hochkoordinate kann einer Fahrsicherheitsregelung zur Verhindern eines Umkippens des Fahrzeugs zur Verfügung gestellt werden, um beispielsweise eine Anpassung des Schwellenwerts oder der Schwellenwerte zu ermöglichen. Eine ermittelte Schwerpunktkoordinate in Querrichtung kann beispielsweise in dem Fahrzeugmodell einer Fahrdynamikregelung berücksichtigt werden. Sowohl Fahrkomfort als auch Fahrsicherheit werden erhöht.
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Bevorzugt werden Datenpunkte aus zusammengehörigen Eingangsgrößen für eine Ermittlung der Lage des Schwerpunkts fortlaufend oder kontinuierlich gemessen, wobei nur solche Datenpunkte aus zusammengehörigen Eingangsgrößen bei der Ermittlung der Lage des Schwerpunkts berücksichtigt werden, während deren Messung eine vorgegebene Bedingung erfüllt ist. Indem eine größere Anzahl von Datenpunkten bei der Ermittlung des Schwerpunkts berücksichtigt wird, erhöht sich die statistische Güte des ermittelten Schwerpunkts. Dadurch, dass bereits bei der Messung der Eingangsgrößen überprüft wird, ob geeignete Fahrtbedingungen vorliegen, wird eine Verfälschung des Ergebnisses vermieden.
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Besonders bevorzugt ist die vorgegebene Bedingung erfüllt, wenn eine parallel gemessene Querbeschleunigung und/oder Gierrate innerhalb eines vorgegebenen Intervalls liegt und/oder der Betrag der Längsbeschleunigung des Fahrzeugs einen vorgegebenen Schwellenwert überschreitet. Insbesondere eine Geradeausfahrt, während der das Fahrzeug beschleunigt oder abgebremst wird, ist für eine Ermittlung der Lage des Schwerpunkts besonders gut geeignet. Die gemeinsame Betrachtung von Brems- und Beschleunigungsmanövern erleichtert eine Unterscheidung zwischen der Hoch-(Z) und der Längskoordinate (X) des Schwerpunkts, bzw. zwischen deren Auswirkungen.
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Alternativ ist die vorgegebene Bedingung besonders bevorzugt erfüllt, wenn eine parallel gemessene Längsbeschleunigung des Fahrzeugs innerhalb eines vorgegebenen Intervalls liegt und/oder der Betrag von einer gemessenen Querbeschleunigung und/oder Gierrate einen vorgegebenen Schwellenwert überschreitet. Eine Kurvenfahrt mit gleichbleibender Geschwindigkeit eignet sich für die Ermittlung der Lage des Schwerpunkts aus der Rolldynamik des Kraftfahrzeugs.
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Besonders bevorzugt wird eine Anzahl von Datenpunkten in einem Datensatz gespeichert, und die Schwerpunktlage wird anhand einer Schätzung ermittelt, bei der jeweils der gesamte Datensatz betrachtet wird, wobei vorzugsweise der Datensatz auf eine vorgegebene Anzahl von Datenpunkten beschränkt ist und insbesondere jeweils der älteste Datenpunkt durch einen neu ermittelten Datenpunkt ersetzt wird. Indem ein definiertes Vergessen bzw. Ersetzen alter Datenpunkte vorgesehen ist, können auch geänderte Umgebungsbedingungen (wie z. B. ein Reibwertsprung der Fahrbahn) berücksichtigt werden. Weiterhin kann der für den Datensatz benötigte Speicherplatz begrenzt und somit ein geeigneter Kompromiss zwischen statistischer Güte und Ressourcenverbrauch gewählt werden. Insbesondere kann der Datensatz in einem Ringpuffer vorgegebener Größe gespeichert werden oder eine rekursive Berechnung mit einem Vergessenheitsfaktor vorgesehen sein.
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Ganz besonders bevorzugt werden Datenpunkte sowohl bei Beschleunigungs- als auch bei Bremsvorgängen ermittelt, wobei die Datenpunkte eine gemessene Längsbeschleunigung umfassen, und wobei insbesondere eine Auswertung des Datensatzes nur dann erfolgt, wenn die aufsummierte Längsbeschleunigung in einem vorgegebenen Gleichgewichtsintervall liegt, wobei vorzugsweise über die Berücksichtigung eines neuen Datenpunktes nach Maßgabe der diesem Datenpunkt zugeordneten Längsbeschleunigung entschieden wird. Dadurch, dass die aufsummierte Längsbeschleunigung im Mittel Null ist (und somit eine vergleichbare Anzahl von Beschleunigungs- und Bremsvorgängen betrachtet wird) erhöht sich die Zuverlässigkeit der ermittelten Schwerpunktkoordinaten. Es kann insbesondere vorgesehen sein, über die Aufnahme eines neuen Datenpunktes in den Datensatz anhand der während seiner Messung vorliegenden Längsbeschleunigung zu entscheiden. Wird somit die Symmetrie des Datensatzes bereits bei der Erfassung der Eingangsgrößen bzw. Speicherung gewährleistet, ist keine weitere Überprüfung erforderlich.
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Alternativ ist es besonders bevorzugt, wenn Datenpunkte bei einer Fahrt mit gleichbleibender Geschwindigkeit ermittelt werden, wobei die Datenpunkte eine gemessene Querbeschleunigung und/oder Gierrate umfassen, und wobei insbesondere eine Auswertung des Datensatzes nur dann erfolgt, wenn die aufsummierte Querbeschleunigung und/oder Gierrate in einem vorgegebenen Gleichgewichtsintervall liegt. Wenn ein Datensatz aus einer Anzahl von Rechts- und Linkskurven erfasst wurde, ist anhand der Rolldynamik eine zuverlässige Ermittlung der Lage des Schwerpunkts möglich.
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Es ist vorteilhaft, wenn eine Anzahl von möglichen Schwerpunktkoordinaten vorgegeben wird, wobei für jeden vorgegebenen Satz von Schwerpunktkoordinaten eine Schätzung der Reibwertkennlinie erfolgt und ein Schwankungsmaß, insbesondere eine Varianz, der geschätzten Reibwertkennlinie ermittelt wird, und wobei der vorgegebene Satz von Schwerpunktkoordinaten als Lage des Schwerpunkts ermittelt wird, bei dem das Schwankungsmaß der geschätzten Reibwertkennlinie einen vorgegebenen Genauigkeitsschwellenwert unterschreitet und/oder minimal wird. Indem ein Schwankungsmaß wie eine Varianz bzw. eine quadrierte Abweichung der geschätzten Reibwertkennlinie ermittelt und betrachtet wird, kann indirekt auf die Korrektheit der vorbestimmten Schwerpunktkoordinaten geschlossen werden, welche z. B. über die Aufstandskräfte die Reibwertkennlinie beeinflussen.
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Besonders vorteilhaft ist es, wenn für mindestens eine Koordinatenachse ein Raster aus in einem vorgegebenen Intervall liegenden Schwerpunktkoordinaten gebildet wird, wobei für jeden Rasterpunkt eine Instanz eines Schätzers erstellt wird, wobei die verschiedenen Instanzen parallel laufen. Dadurch, dass für jede vorgegebene Schwerpunktlage bzw. jeden Rasterpunkt eine Reibwertkennlinie geschätzt wird, können auch Nichtlinearitäten in der Modellierung direkt beschrieben werden, ohne dass eine Linearisierung erforderlich ist. Indem mehrere Instanzen eines Schätzers parallel laufen, erfolgt eine besonders schnelle Ermittlung der Schwerpunktlage.
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Ganz besonders vorteilhaft ist es, wenn die Lage des Schwerpunkts in einem ersten Raster ermittelt wird, bis das Schwankungsmaß oder die Änderung des Schwankungsmaßes der geschätzten Reibwertkennlinie einen vorgegebenen ersten Schwellenwert unterschreitet, und das anschließend die Lage des Schwerpunkts in einem zweiten Raster ermittelt wird, welches ein kleineres Intervall umfasst und insbesondere durch zwei Rasterpunkte des ersten Rasters begrenzt wird. Eine schrittweise Näherung an die Schwerpunktkoordinaten mit zwei oder mehr immer feineren Rastern ermöglicht eine hohe Genauigkeit ohne übermäßigen Ressourcenverbrauch und ist daher besonders effizient.
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Gemäß einer bevorzugten Ausführungsform der Erfindung findet anhand der Datenpunkte weiterhin eine Ermittlung der Fahrzeugmasse statt, wobei eine ermittelte Fahrzeugmasse bei der Ermittlung der Lage des Schwerpunkts berücksichtigt wird, insbesondere als Parameter fest vorgegeben wird. Somit können die Aufstandskräfte genauer beschrieben und die Reibwertkennlinie besser angenähert werden, was auch die Genauigkeit der Schwerpunktkoordinaten erhöht.
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Hierbei ist es besonders bevorzugt, wenn mindestens eine Schwerpunktkoordinate anhand einer ermittelten Fahrzeugmasse begrenzt oder plausibilisiert wird. Dadurch, dass unabhängige Informationen wie eine geschätzte Fahrzeugmasse bei der Ermittlung der Schwerpunktkoordinaten berücksichtigt werden, kann eine Plausibilisierung oder Begrenzung der Werte erfolgen und somit die Zuverlässigkeit der Schätzung erhöht werden.
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Ferner betrifft die Erfindung ein elektronisches Steuergerät, insbesondere für ein Bremssystem eines Kraftfahrzeugs, mit Schnittstellen für den Anschluss mindestens eines Raddrehzahlsensors, mindestens eines Bremsbetätigungssensors, mindestens eines Inertialsensors und vorzugsweise einer Schnittstelle zu einem Fahrzeugdatenbus, wobei das elektronische Steuergerät eine Recheneinheit umfasst, welche ein erfindungsgemäßes Verfahren durchführt.
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Weitere bevorzugte Ausführungsformen ergeben sich aus den Unteransprüchen und der nachfolgenden Beschreibung eines Ausführungsbeispiels an Hand von Figuren.
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Es zeigen
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1 eine schematische Darstellung eines Kraftfahrzeugs in Seiten- und Heckansicht,
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2 ein bevorzugtes Ausführungsbeispiel des erfindungsgemäßen Verfahrens, bei dem ein Multiple Model Filter verwendet wird,
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3 eine schematische Struktur eines Schätzverfahrens gemäß einem besonders bevorzugten Ausführungsbeispiel der Erfindung, und
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4 ein Diagramm mit Ergebnissen einer Schätzung der Koordinaten des Schwerpunkts in der Längs-Hoch-Ebene.
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1 zeigt eine schematische Darstellung eines beispielgemäßen Kraftfahrzeugs in Seiten- und in Heckansicht. In unbeladenem Zustand liegt der Schwerpunkt des Fahrzeugs bei (X*, 0, Z*), wobei die X-Achse der Längsachse des Fahrzeugs entspricht (mit der Hinterachse als Bezugspunkt), die Y-Achse senkrecht zu dieser in der Fahrbahnebene verläuft (mit dem Schnittpunkt zur Symmetrieebene des Fahrzeugs als Bezugspunkt), und die Z-Achse die Höhe des Schwerpunkts über der Fahrbahnebene angibt.
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Das dargestellte Fahrzeug weist vier Räder auf, die in einer Vorder- und Hinterachse angeordnet sind. Die Mittelpunkte der Berührungsflächen zwischen den Rädern und der Fahrbahn sind als Punkte angedeutet, an denen die als Pfeile gezeigten Aufstandskräfte wirken. Hierbei gibt FN,VR die Aufstandskraft am rechten Vorderrad, FN,HR die Aufstandskraft am rechten Hinterrad, FN,VL die Aufstandskraft am linken Vorderrad und FN,HL die Aufstandskraft am linken Hinterrad an. In der Figur ist eine Anzahl von Quadern dargestellt, welche als Beladung das Gewicht des Fahrzeugs hinten links erhöhen. Gegenüber dem unbeladenen Fahrzeug ist der Schwerpunkt nach hinten oben links zu den Koordinaten (X, Y, Z) verschoben.
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Das Kraftfahrzeug wird von einem Antriebsmotor wie einer Verbrennungskraftmaschine angetrieben, welche ein Motormoment beispielsweise auf die Räder der Vorderachse überträgt und damit eine beschleunigende Kraft bewirkt. Anhand Getriebeübersetzung und Motormoment kann das auf die Antriebsräder wirkende Antriebsmoment ermittelt werden, welches über den dynamischen Radradius mit der beschleunigenden Kraft verknüpft ist. Wenn der Fahrer das Bremspedal betätigt, so wird durch das Bremssystem eine (typischerweise gegenüber der Betätigungskraft des Fahrers verstärkte) Bremskraft auf das Fahrzeug ausgeübt, die sich gemäß der installierten Bremskraftverteilung auf die Räder der Vorderachse und die Räder der Hinterachse verteilt. Bremskraft und Bremsmoment sind über den dynamischen Radradius miteinander verknüpft.
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Der gegenüber einem unbeladenen Fahrzeug nach oben verschobene Schwerpunkt führt dazu, dass ein Umkippen um die Längsachse bereits bei einer gegenüber dem unbeladenen Fahrzeug geringeren Querbeschleunigung erfolgen kann. Es ist daher vorteilhaft, wenn eine Fahrdynamikregelung, insbesondere eine Überrollverhinderung wie ARP (Active Rollover Protection), je nach ermittelter Schwerpunkthöhe angepasst wird.
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Bevorzugt wird das erfindungsgemäße Verfahren von einem elektronischen Steuergerät eines Bremssystems des Kraftfahrzeugs ausgeführt, da dieses vielfach bereits eine Fahrdynamikregelung und/oder eine Bremsschlupfregelung bereitstellt. Somit weist es zweckmäßigerweise eine oder mehrere Recheneinheiten, insbesondere einen kernredundanten Mikrocontroller, und Auswerteschaltungen für Signale angeschlossener Sensoren sowie ein oder mehrere mit einem Fahrzeugdatenbus wie CAN oder FlexRay verbundene Schnittstellen auf.
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Das elektronische Steuergerät ist vorzugsweise mit je einem Rad zugeordneten Raddrehzahlsensoren an allen Rädern verbunden, die ein Geschwindigkeitssignal liefern. Aus den Geschwindigkeitssignalen der 4 Raddrehzahlsensoren kann eine Fahrzeuggeschwindigkeit und jeweils eine Radbeschleunigung bzw. Radgeschwindigkeit ermittelt werden. Eine Bremsbetätigung durch den Fahrer kann bei einem hydraulischen Bremssystem anhand des Drucks im Hauptbremszylinder erkannt werden, alternativ oder ergänzend kann auch das Signal eines Bremspedalwinkelsensors oder eines Betätigungswegsensors betrachtet werden. Weiterhin weist das elektronische Steuergerät zweckmäßigerweise einen Längsbeschleunigungssensor und einen Querbeschleunigungssensor sowie einen Gierratensensor auf oder ist mit diesen verbunden. Als Beschleunigungssensor wird bevorzugt ein Inertial- bzw. Trägheitssensor verwendet, der eine beweglich gelagerte Prüfmasse umfasst und insbesondere als mikro-elektro-mechanisches System realisiert ist.
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Somit werden für die Ermittlung der Schwerpunktlage zweckmäßigerweise Signale der bereits im Fahrzeug vorhandenen Sensoren erfasst und/oder Informationen wie ein Antriebssignal der Motorsteuerung über den CAN-Bus ausgelesen werden. Beispielsweise über einen mit der Motorsteuerung verbundenen Sensor an der Kurbelwelle kann die Motordrehzahl ermittelt werden, und über einen Vergleich mit der Raddrehzahl das Übersetzungsverhältnis bzw. der eingelegte Gang bestimmt werden.
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Aufbauend auf der Erkenntnis, dass der Fahrzeugschwerpunkt einen nicht zu vernachlässigenden Einfluss auf die Reibwerteigenschaft der Berührungsflächen zwischen Reifen und Fahrbahn hat, und dass die Genauigkeit einer Bestimmung von Schwerpunktkoordinaten mit einer identifizierter Reibwertkennlinie deutlich verbessert wird, schätzt ein erfindungsgemäßes Verfahren zweckmäßigerweise die Schwerpunktlage zusammen mit Reibwertcharakteristik in einem gemeinsamen Schätzsystem.
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Gemäß einer bevorzugten Ausführungsform der Erfindung wird die Reibwertkennlinie eines Reifens, welche den Zusammenhang zwischen Reibwert μ und Schlupf λ angibt, folgendermaßen parametrisiert dargestellt:
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Hierbei bezeichnet
die Umfangskraft an Rad (bzw. Reifen) r,
die Aufstandskraft an Rad r,
μ
r den Reibwert an Rad r und
λ
r den Schlupf an Rad r.
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Der Schlupf gibt die Radgeschwindigkeit v
r bezogen auf ein mit der Fahrzeuggeschwindigkeit v mitlaufendes Rad an, (v
r – v)/v und wird im Antriebsfall größer als Null und im Bremsfall kleiner als Null. Die Anpassungsparameter
können radindividuell oder für das Gesamtfahrzeug (bzw. alle betrachteten Räder) an gemessene Punkte der Reibwertkennlinie angepasst werden, um die konkrete Messung bestmöglich zu beschreiben.
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Alternativ kann die Reibwertkennlinie eines Reifens auch gemäß einer Parametrisierung von Burckhardt
angesetzt werden, wobei
mit i = 0..5 Anpassungsparameter bezeichnet.
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Aus Formel (1) können durch Umformung vier radindividuelle Gleichungen
gewonnen werden, welche den Zusammenhang zwischen Längskräften und Aufstandskräften eines Rads bzw. Reifens (und somit eine schwerpunktabhängige Reibwertkennlinie) beschreiben.
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Gemäß einer bevorzugten Ausführungsform der Erfindung werden die Aufstandskräfte an den vier Rädern des Kraftfahrzeugs mit je einer radindividuellen Gleichung dargestellt:
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Hierbei bezeichnet
m die Fahrzeugmasse,
ax die auf das Fahrzeug wirkende Längsbeschleunigung,
ay die Querbeschleunigung,
bv die Spurweite an der Vorderachse,
bh die Spurweite an der Hinterachse,
l den Radstand und
Fx,Luft die Luftwiderstandskraft.
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Formel (3) basiert auf einer der Momentgleichgewichtsgleichungen
der Fahrzeugnickdynamik, der Momentgleichgewichtsgleichung
der Fahrzeugrolldynamik und der Vertikalkraftbilanzierung
wobei zweckmäßigerweise die Annahme gemacht, dass
gilt.
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Bevorzugt werden Datenpunkte aus zusammengehörigen Eingangsgrößen für die Ermittlung der Schwerpunktlage nur in vorgegebenen Fahrsituationen erfasst bzw. bei der Schätzung berücksichtigt. So ist es besonders bevorzugt, wenn eine Geradeausfahrt (Gierrate ψ . = 0) auf einer ebenen Straße (Steigungs- und Neigungswinkel θx = 0, θy = 0) vorliegt. Fährt das Fahrzeug durch eine Kurve, so kann es vorgesehen sein, einen Schwimmwinkel und/oder einen generalisierten Schlupf zu betrachten, der sowohl eine Längs- als auch eine Quergeschwindigkeit eines Rades berücksichtigt. Insbesondere wird in Anlehnung an den Kammschen Kreis dann eine generalisierte Reibwertkennlinie betrachtet. Es ist vorteilhaft, Datenpunkte dann zu erfassen, wenn eine Abbremsung oder Beschleunigung des Fahrzeugs erfolgt.
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Bevorzugt werden die Formeln (2) und (3) in die folgende radindividuelle Gleichung
umgeformt, wobei
einen (kombinierten) Anpassungsparameter bezeichnet. Diese Schreibweise stellt zweckmäßigerweise einen linearen Zusammenhang in den Parametern der Reibwertkennlinie dar.
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Gibt man daher eine Lage des Schwerpunkts vor, so ist eine Identifikation der Parameter der Reibwertkennlinie
über einen herkömmlichen Filter möglich, vorzugweise einen rekursiven Least Square Schätzer, der also die quadrierte Varianz bzw. Abweichung ermittelt bzw. minimiert. Der Anpassungsparameter
kann über die Lage des Maximums
vorzugsweise extern als c
2 ermittelt werden. Sowohl die Pseudomessung g
r,x,y,z(k) als auch die Ausgangsmatrix H
r,x,y,z(k) sind von Schwerpunktkoordinaten x, y, z und Eingangsgrößen zum Abtastzeitpunkt
abhängig.
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Gemäß einer alternativen Ausführungsform der Erfindung werden die Anpassungsparameter der Reibwertkennlinie
für alle Räder identisch angenommen werden, da diese Parameter prinzipiell nur von Straßenverhältnissen und Reifen abhängen. Dann kann zur Identifikation dieser Parameter ein herkömmliches Filter, vorzugsweise ein rekursiver Least Square Schätzer, basierend auf der Gleichung
eingesetzt werden, wobei sowohl g
x,y,z(k) als auch H
x,y,z(k) Einträge für alle vier Räder enthalten.
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Ein erfindungsgemäßes Verfahren kann sowohl auf Gleichung (4) als auch auf Gleichung (5) aufbauen. Im Folgenden wird auf die Angabe des Indexes *r im Falle radindividueller Identifikation verzichtet.
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2 zeigt ein bevorzugtes Ausführungsbeispiel des erfindungsgemäßen Verfahrens, bei dem ein Multiple Model Filter verwendet wird. Hierbei werden die Längsbeschleunigung ax, die Fahrzeuggeschwindigkeit (in Längsrichtung) vx, der Schlupf λwhl und die Umfangskraft Fx,whl bzw. das anliegende Antriebs- oder Bremsmoment als Eingangsgrößen berücksichtigt. Es kann auch vorgesehen sein, die Querbeschleunigung ay als Eingangsgröße zu berücksichtigen. Weiterhin wird vorzugsweise die Fahrzeugmasse m als Eingangsgröße berücksichtigt.
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Der Multiple Model Filter
201 umfasst eine Anzahl von Schätzern
202,
203,
204,
205,
206,
207 welche insbesondere als nebenläufige Instanzen realisiert sind, welche jeweils auf einem unabhängigen Modell bzw. Parametersatz basieren. In dem Multiple Model Filter schätzen N parallele bzw. nebenläufige Instanzen von vorzugsweise rekursiven Least Square Schätzern die Reibwertparameter c
0, c
1, c
3* mit jeweils einem vorgegebenen Werttripel (x
j, y
j, z
j) von Schwerpunktkoordinaten (mit j = 1..N). Einer Instanz j liegt also das Modell j
zugrunde. Für jedes Modell wird zweckmäßigerweise die Summe der quadratischen Fehler bzw. Abweichungen
berechnet, insbesondere rekursiv, wobei k den aktuellen Abtastzeitpunkt (von aufeinanderfolgenden Datenpunkten), und R die Meßkovarianzmatrix bezeichnet.
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Bevorzugt wird das Minimum von J
j(k)
als statistisches Schwankungsmaß zum Finden des besten Modells ermittelt. In einem Modul
208 erfolgt also eine statistische Auswertung der von den verschiedenen Modellen geschätzten Reibwertkennlinien. Das zu dem Modell mit einer minimalen Abweichung gehörende Werttripple (x, y, z) wird zweckmäßigerweise als geschätzter Wert für die aktuelle Lage des Schwerpunkts verwendet. In dem gezeigten Multiple Model Filter werden als Ausgangsgrößen vorzugsweise die Schwerpunktkoordinaten x, y, z und ein der jeweiligen Schwerpunktkoordinate zugeordnetes Schwankungsmaß bzw. ein Fehler Cl
x, Cl
y, Cl
z sowie die Parameter c
0, c
1, c
3 der Reibwertkennlinie und ein diesen zugeordnetes Schwankungsmaß Cl
c ausgegeben.
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Das in 2 dargestellte Ausführungsbeispiel eines erfindungsgemäßen Verfahrens mit einem Multiple Model Filter, welches auf den Gleichungen (6) bis (8) basiert, kann verwendet werden, um beliebige Kombinationen von einzelnen oder mehreren Schwerpunktkoordinaten zu ermitteln, wobei die verbleibenden Koordinaten einen festen Wert zugeordnet bekommen. Es kann auch vorgesehen sein, Wertebereiche für eine oder mehrere der Koordinaten vorzugeben und/oder die geschätzten Koordinaten zu plausibilisieren, um eine offensichtlich fehlerhaft ermittelte Schwerpunktlage zu verhindern.
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Die als Eingangsgröße berücksichtigten bzw. benötigten Umfangskräfte am jeweils betrachteten Rad
werden vorzugsweise in einem vorgelagerten Block mit Hilfe eines Antriebs modells aus dem Motormoment T
eng, den Bremsmomenten
und Radgeschwindigkeiten
berechnet. Besonders bevorzugt wird hierzu ein Sliding Mode Observer oder ein (Extended) Kalman Filter eingesetzt.
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Es ist vorteilhaft, wenn ein weiterer externer Schätzer Information über die Zuladung bzw. die resultierende Gesamtmasse m des Fahrzeugs bereitstellt. Beispielsweise ist in der
EP 1 858 736 B1 ein Verfahren zur Schätzung der Fahrzeugmasse beschrieben, welches insbesondere in einem Fahrdynamikregelsystem durchgeführt werden kann.
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3 zeigt eine schematische Struktur eines Schätzverfahrens gemäß eines besonders bevorzugten Ausführungsbeispiels der Erfindung, die beispielsweise für eine Durchführung in einem elektronischen Steuergerät eines Bremssystems bzw. einem Fahrdynamikregelsystem besonders geeignet ist. Die Ein- und Ausgangsgrößen entsprechen den bereits angegebenen, wobei eine Menge von einzelnen Ein- bzw. Ausgangsgrößen durch eine geschweifte Klammer gekennzeichnet ist. Bei der Schätzung der drei Schwerpunktkoordinaten (x, y, z) und der Reibwertkennlinie (c0, c1, c3) wird von der Erkenntnis ausgegangen, dass bei einer Geradeausfahrt die Schwerpunktkoordinaten entlang der y-Achse nur schwach mit den Schwerpunktkoordinaten in der (x, z)-Ebene gekoppelt sind.
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Gemäß dieser besonders bevorzugten Ausführungsform wird in einem kaskadierten Ansatz in Block 301 zunächst y für beliebige (x, z) bestimmen, vorzugsweise mit dem aktuellen Schätzwert (x(k), z(k)) oder durch Anwendung des oben beschriebenen Multiple Model Filters mit grober Rasterung für (x, z). In dem nachfolgenden Block 302 wird in einem Multiple Model Filter (vorzugsweise mit einem vorgegebenen Wertebereich für (x, z)) bei fest vorgegebenem y ein Schätzwert für (x, z) bestimmt. Die Abtrennung der Koordinaten führt zu einer Reduzierung der Dimension des Suchraums im jeweiligen Schätzer und erlaubt eine feinere Unterteilung in diesem für die zu schätzenden Koordinaten.
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Zweckmäßigerweise erfolgt eine rekursive Ausführung der Blöcke 301 und 302 zur Verbesserung der Schätzgüte, wobei eine immer kleinere verbleibende Restunsicherheit erreicht werden kann. Es ist vorteilhaft, wenn das erfindungsgemäße Verfahren nur für bestimmte Fahrsituationen ausgeführt wird, wobei insbesondere nur solche Datenpunkte berücksichtigt werden, während deren Messung eine Bremsung oder Beschleunigung in Längsrichtung vorlag. Ferner ist es vorteilhaft, wenn ein Datensatz aus einzelnen Datenpunkten betrachtet wird, für den die Längsbeschleunigung im Mittel a x = 0 erfüllt. Vorzugsweise kann daher eine externe Vorschaltung einer Auswahl-Logik, insbesondere einer Fuzzy-Logik, zur Differenzierung bzw. Erkennung dieser Fahrsituationen erfolgen.
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Gemäß einer ganz besonders bevorzugten Ausführungsform der Erfindung ist den Multiple Model Filtern 301 und 302 ein Block 303 zur statistischen Auswertung nachgeschaltet, durch den eine Erhöhung der Genauigkeit und Zuverlässigkeit der Schätzung erreicht werden kann. In einem statistischen Verfahren können nicht zutreffende Modelle unter Einbeziehung des Gütemaßes Jj(k) und zusätzlicher Informationen bzw. Plausibilitätsbetrachtungen ausgeschlossen werden. Hierbei können u. a. mögliche Bereiche für Schwerpunktkoordinaten je nach Höhe der Zuladung, eine Historie der Beladungszustände, eine Rasterung für sinnvolle Parametersätze (c0, c1, c3) und/oder eine Auswertung des Offsets von Längs-/Querbeschleunigungssensor berücksichtigt bzw. vorgegeben werden. Erfolgt eine radindividuelle Schätzung, so ist eine Plausibilisierung anhand des Vergleichs mehrerer Räder vorteilhaft.
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Vorzugsweise werden diese Informationen in einer Wahrschein lichkeitsverteilung
einer sogenannten Likelihood für jedes Modell j, zusammengeführt. Durch eine weitere statistische Auswertung kann die jeweilige Likelihood in eine Wahrscheinlichkeit
für jedes Modell j überführt werden, wozu bevorzugt ein Bayes'sches Framework mit rekursiver Berechnung genutzt werden. Somit kann eine Auswahl des wahrscheinlichsten Modells zur Bestimmung der Schwerpunktkoordinaten (x, y, z) und der Reibwertkennlinie (c
0, c
1, c
3) erfolgen und ein Konfidenzintervall bzw. ein Fehler für die geschätzten Größen erhalten werden.
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Alternativ zu einer Nachschaltung von Block 303 kann die Auswahl des besten Modells direkt in den Blöcken 301 und 302 anhand eines vorgegebenen Kriteriums, vorzugsweise einem Minimum des Schwankungsmaßes Jj(k) erfolgen.
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4 zeigt eine mit einer Implementierung des besonders bevorzugten Ausführungsbeispiels des Verfahrens geschätzte Lage des Schwerpunkts in der Längs-Hoch-Ebene. Hierbei gibt die Ordinate die Längskoordinate x des Schwerpunkts und die Abszisse die Hochkoordinate z des Schwerpunkts an. Für die verschiedenen Punkte in der gezeigten Fläche erfolgt (mit einem vorgegebenen Raster) eine Schätzung der Reibwertkennlinie. Als Schwankungsmaß wird für jedes Modell bzw. jede vorgegebene Schwerpunktlage die Varianz der verschiedenen geschätzten Reibwertkennlinien berechnet, wobei in dem Diagramm eine weiße bzw. helle Fläche eine geringe Abweichung und eine schwarze bzw. dunkle Fläche eine hohe Abweichung angibt. Zusätzlich ist als weißes X bzw. Kreuz die Lage des Schwerpunkts eines unbeladenen Fahrzeugs, als schwarzes Rechteck die tatsächliche Lage des Schwerpunkts des beladenen Fahrzeugs und als schwarzer Kreis die anhand der Berechnung geschätzte Lage des Schwerpunkts dargestellt. Wie man an der geringen Abweichung zwischen Kreis und Rechteck erkennt, kann bereits in der verwendeten Implementierung ohne Nachschaltung von Block 303 die Schwerpunktlage in Längsrichtung genau bestimmt und auch die Höhe des Schwerpunkts ermittelt werden.
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Die beschriebenen Ausführungsformen des erfindungsgemäßen Verfahren benötigen als Eingangsgrößen nur solche Signale, die mit Standard-ESP-Sensorik, wie Raddrehzahlsensoren, Längsbeschleunigungssensor, Querbeschleunigungssensor, gemessen werden bzw. in einer Fahrdynamikregelung ohnehin ermittelt werden, wie Motormoment und Bremsmomente. Daher ist es in einem breiten Spektrum an Fahrzeugen kostengünstig zur Schätzung der Schwerpunktlage und der Reibwertkennlinie einsetzbar. Dies ermöglicht die Anpassung eines oder mehrerer Parameter der Fahrdynamikregelung an die ermittelte Schwerpunktlage und/oder den aktuell vorliegenden Reibwert, wodurch sowohl Fahrkomfort als auch Fahrsicherheit erhöht werden.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- DE 102004056108 A1 [0004]
- US 2012/0173133 A1 [0005]
- EP 2331926 B1 [0006]
- EP 1858736 B1 [0059]