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Die vorliegende Erfindung betrifft ein Bremssystem in Elektrofahrzeugen, in denen das Bremspedal keine mechanische, hydraulische oder pneumatische Kopplung mit den Radbremsen aufweist, und ein Verfahren zur Regelung der Raddrehmomente mit gleichzeitiger Kompensation externer Störungen.
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Während des Fahrbetriebs von Elektrofahrzeugen treten Störungen unterschiedlicher Art, wie beispielsweise eine Fahrbahnsteigung oder der Verschleiß von Reifen und Bremsbelägen usw., auf. Durch diese Störungen werden zusätzliche Kräfte erzeugt, die die Fahrzeugdynamik beeinflussen (z.B. die Fahrzeugverzögerung bei einer Fahrzeugbremsung). Ebenso wird auch die Fahrerwahrnehmung aufgrund eines veränderten Bremspedalgefühls (jede Pedalposition entspricht einem bestimmten Grad der gewünschten Fahrzeugverzögerung) beeinträchtigt. Derartige externe Störungen verursachen eine unerwünschte Belastung des Fahrers, weil das Bremspedal zusätzlich betätigt werden muss, um die gewünschte Verzögerung zu erreichen.
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Die aus der Patent- und technischen Literatur bekannten Regelungsansätze hinsichtlich aktiver Fahrsicherheitssysteme berücksichtigen bereits den Einfluss derartiger Störungen. So wird z.B. in der Publikation [E. Liebemann, T. Führer, P. Kröger, „Light commercial vehicles: challenges for vehicle stability control“ in Proceedings of the 20th International Technical Conference on the Enhanced Safety of Vehicles (ESV), Lyon, France, 2007] gezeigt, dass die Lastverteilung zwischen der Vorder- und Hinterachse eine Verzerrung der Bremsregelfunktionen verursacht. Deshalb wurde vorgeschlagen, diese Lastverteilung bei der Radschlupfregelung zu berücksichtigen. Jedoch sind die in der Publikation beschriebenen Maßnahmen keine Störungskompensation, mit der stets gleichartige Bremspedalkennlinien realisiert werden können.
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In der
US 4 336 592 A wird weiter ein Antiblockier-Steuersystem angegeben, welche eine veränderliche Verstärkung umfasst, um Bremsen auszugleichen, welche starke Veränderungen im Reibungskoeffizient des Belages zeigen. Grundsätzlich umfasst die Erfindung einen Druckwandler und einen zugehörigen Verstärker, welcher ein Ausgangssignal entsprechend dem Bremsdruck liefert. Diese zwei Signale werden in einer Summenschaltung summiert und die von dieser Schaltung erhaltene Funktion wird dazu verwendet, das Steuersignal von der Antiblockier-Steuerschaltung zu verändern.
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Aus der
US 6 663 197 B2 ist bekannt, dass in Elektrofahrzeugen ein konstantes Bremspedalgefühl mit Berücksichtigung von externen Störungen realisiert werden kann. Dazu wird zuerst das tatsächliche Bremsmoment durch den Fahrzeugbeschleunigungsmesser ermittelt. Das vom Fahrer gewünschte Bremsmoment wird anschließend aus der aufgebrachten Bremskraft und dem Bremspedalweg ermittelt. Schließlich wird die Differenz zwischen dem gewünschten Bremsmoment und dem tatsächlichen Bremsmoment mit der vorgeschlagenen Regelstrategie ausgeglichen, so dass während einer Bremsung gleichartige Bremspedalkennlinien gewährleistet werden können.
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In der
US 2010 / 0 049 415 A1 wird ein Steuerungssystem für eine Fahrzeugbremse beschrieben, die ein Kompensationsmodul umfasst, das einen kompensierten Bremswert auf der Grundlage einer Fahrzeugmasse und einer Pedalkraft und/oder eines Pedalversatzes ermittelt, und ein Bremssteuerungsmodul, das einen Fluiddruck, der an die Fahrzeugbremse geliefert wird, auf der Grundlage des kompensierten Bremswerts selektiv einstellt. Das Kompensationsmodul ermittelt den kompensierten Bremswert auf der Grundlage eines Vergleichs der Fahrzeugmasse und eines vorbestimmten Massenwertes. Ein zugehöriges Verfahren zum Steuern der Fahrzeugbremse auf der Grundlage der Fahrzeugmasse wird ebenfalls beschrieben.
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In der
US 2013 / 0 085 650 A1 wird ein weiteres Steuerungssystem für die Fahrzeugbremse eines Elektrofahrzeugs dargestellt, welches bei einer Bremsung die Frequenzschwankungen des regenerativen Bremsmoments berücksichtigt und den Bremsbetriebs entsprechend anpasst, um das gewünschte Bremspedalgefühl zu erreichen. Als Regelstörung identifiziert die Erfindung nur die Schwankungen des regenerativen Bremsmoments und verarbeitet diese Schwankungen mittels eines Filters.
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Aus dem Stand der Technik sind lediglich Lösungen bekannt, mit denen die externen Störungen unterschiedlicher Art gleichzeitig kompensiert werden können, wobei jedoch das eigentliche Kompensationsverfahren nicht vollständig offenbart wird und die konkrete Auslegung der Bremssysteme und die Fahrzeugart nicht berücksichtigt werden.
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Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es deshalb, die aufgezeigten Nachteile aus dem Stand der Technik zu überwinden und ein System und ein dazugehöriges Verfahren zur Regelung der Radbremsmomente mit gleichzeitiger Störungskompensation bereitzustellen, die insbesondere für entkoppelte Bremssysteme von Elektrofahrzeugen einsetzbar sind.
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Erfindungsgemäß gelingt die Lösung dieser Aufgabe mit den Merkmalen des ersten und vierten Patentanspruches.
Vorteilhafte Ausgestaltungen des erfindungsgemäßen Systems sind in den Patentansprüchen 2 und 3 gekennzeichnet, während bevorzugte Ausgestaltungen des erfindungsgemäßen Verfahrens in den Patentansprüchen 5 bis 8 angegeben sind.
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Weitere Einzelheiten und Vorteile der Erfindung sind dem nachfolgenden Beschreibungsteil zu entnehmen, in dem die Erfindung unter Bezugnahme auf die beigefügten Zeichnungen näher erläutert wird. Es zeigt:
- 1 - prinzipieller Aufbau eines erfindungsgemäßen entkoppelten Bremssystems für ein Elektrofahrzeug
- 2 - ein Blockdiagramm der Einheit zum Regeln der Bremsmomente
- 3 - ein Blockdiagramm der Einheit zum Regeln der Basisbremsmomente
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In 1 ist der prinzipielle Aufbau eines erfindungsgemäßen entkoppelten Bremssystems für ein Elektrofahrzeug mit einem elektrischen und einem Reibbremssystem dargestellt. Es umfasst insbesondere eine Einheit zum Regeln der Bremsmomente (125), mit der eine Kompensation externer Störungen realisiert werden kann. Jedes anzutreibende Rad (101 - 104) ist mit einem der Elektromotoren (109 - 112) über Antriebsstrangelemente (113 - 116) gekoppelt. Außerdem sind die Elektromotoren (109 ... 112) mit einer Speichereinheit (128) elektrisch verbunden. In Abhängigkeit vom Betriebsmodus des Fahrzeugs (Antrieb oder Bremsung) wird die elektrische Leistung entweder von der Speichereinheit (128) zu den Elektromotoren (109 - 112) oder von den Elektromotoren (109 - 112) zur Speichereinheit (128) entsprechend übertragen.
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Die Einheit zum Regeln der Bremsmomente (125) sendet an die Motorsteuereinheit (123) und die Bremssteuereinheit (124) Signale zur Erzeugung eines Moments auf die jeweiligen Räder (101 - 104). Dabei ermittelt die Bremssteuereinheit (124) aus dem Bremspedalweg die gewünschte Fahrzeugverzögerung und verteilt das für die gewünschte Fahrzeugverzögerung erforderliche Bedarfsmoment für jedes Rad (101-104) zwischen dem jeweiligen Elektromotor und dem jeweiligen Reibbremssystem.
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Während dieser Prozedur misst der Sensor (129) den Ladezustand der Speichereinheit (128), um in Abhängigkeit von den vorhandenen batteriebedingten Einschränkungen den für die Elektromoren festgelegten Anteil des Bedarfsmoments Ti_em zu saturieren. Anschließend wird in der Bremssteuereinheit (124) ein zusätzliches Kompensationsmoment generiert, mit dem während der Bremsung eine konstante Bremspedalkennlinie gewährleistet werden kann.
Mit dem Sensor (122) wird die Position des Bremspedals (121) erfasst. Dabei wird das Bremspedal (121) von einer Betätigungskraft Fped (128) angesteuert, um die gewünschte Fahrzeugverzögerung zu erreichen. Die gewünschte Fahrzeugverzögerung wird in der Einheit zum Regeln der Bremsmomente (125) aus dem Verhältnis der Referenzverzögerung und der Position des Bremspedals sped berechnet.
Der Beschleunigungssensor (126) generiert für die Einheit zum Regeln der Bremsmomente (125) ein Signal der Beschleunigung des Fahrzeugaufbaus (127) in Fahrtrichtung.
An den Rädern (101 - 104) sind jeweils Sensoren (105 - 108) positioniert, die für die Einheit zum Regeln der Bremsmomente (125) jeweils ein Signal der Drehgeschwindigkeit des entsprechenden Rades (101 - 104) generieren.
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2 zeigt ein Blockdiagramm der Einheit zum Regeln der Bremsmomente (125), in welcher die Basisbremsung für das elektrische und hydraulische Bremssystem sowie auch die Störungskompensation funktionalisiert sind.
Die Einheit zum Regeln der Bremsmomente (125) generiert für die Elektromotoren (Subsystem 203) das Bedarfsmoment Ti_em und für die Reibbremse (Subsystem 202) das Bedarfsmoment Ti_fric. Die Energiemanagement-Einheit (205) definiert aus den Signalen der Sensoren (105 - 108, 129) das verfügbare Bedarfsmoment Ti_lim für jeden Elektromotor.
Mit der Einheit zur Ermittlung des Fahrzeugzustands (207) wird aus den Sensorsignalen der Radgeschwindigkeiten ωi, der Beschleunigung des Fahrzeugaufbaus ax_act, den Motorströmen ii und den Reibbremsdrücken Pi der Fahrzeugzustand ermittelt, wobei die Sensorsignale an die Einheit zum Regeln der Bremsmomente (125) mit Hilfe eines Kommunikationsbusses (201) übermittelt werden.
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Die so ermittelten Parameter des Fahrzeugzustands, wie die allgemeinen Widerstandskräfte Fres (Rollwiderstand, aerodynamischer Widerstand), die tatsächliche Fahrzeugmasse ma_act und die Widerstandskraft bei einer Fahrt mit Fahrbahnsteigung Fgrad, werden in der Einheit zum Regeln der Basisbremsmomente (206) weiter verarbeitet. Insbesondere wird daraus das Gesamtbremsmoment Ttotal ermittelt und die externen Störungen unter Berücksichtigung der Parameter des Fahrzeugzustands und der gewünschten Fahrzeugverzögerung kompensiert. Die gewünschte Fahrzeugverzögerung wird mit einer Datenbank (209), welche die Abhängigkeit der Referenzverzögerung ax_ref vom Bremspedalweg sped beschreibt, berechnet.
Anschließend wird das Gesamtbremsmoment Ttotal in der Einheit zur Aufteilung des Bremsmoments (204) in die Bremsmomente für die Vorderachse Tfront und für die Hinterachse Trear des Fahrzeugs aufgeteilt. Die Einheit zur Erzeugung eines kombinierten Bremsmoments (208) realisiert die Aufteilung jedes der Bremsmomente Tfront und Trear zwischen dem Subsystem (203) (Elektromotoren) und dem Subsystem (202)
(Bremssystem) und generiert entsprechende individuelle Bremsmomente Ti_em und Ti_fric für jedes Rad. Bei der Aufteilung der Bremsmomente berücksichtigt die Einheit zur Erzeugung eines kombinierten Bremsmoments (208) das Signal von der Energiemanagement-Einheit (205) über die limitierenden Momente Ti_lim der Elektromotoren.
In Abhängigkeit von den individuellen Bremsmomenten Ti_em werden die Elektromotoren (Subsystem 203) durch die Motorsteuereinheit (123) angesteuert. In Abhängigkeit von den individuellen Bremsmomenten Ti_fric wird die Reibbremse des Bremssystems (Subsystem 202) durch die Bremssteuereinheit (124) angesteuert.
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3 zeigt das Blockdiagramm der Einheit zum Regeln der Basisbremsmomente (
206). Die Einheit zur Generierung des Bedarfsmoments (
301) berechnet aus dem Signal der gewünschten Fahrzeugverzögerung a
x_ref das Bedarfsmoment T
dem. Die Berechnung schließt auch die Kompensationsprozedur basierend auf dem Signal der beobachteten aktuellen Fahrzeugmasse m
a_act ein:
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Der Radradius rw wird dabei als konstanter Wert betrachtet und das Signal der beobachteten aktuellen Fahrzeugmasse ma_act in der Einheit zur Ermittlung des Fahrzeugzustands (207) berechnet. Die gewünschte Fahrzeugverzögerung ax_ref wird aus der Datenbank (209) abgeleitet. Die Einheit zur Ermittlung des Fahrzeugzustands (207) ermittelt aus den Sensorsignalen der Radgeschwindigkeiten ωj, der Beschleunigung des Fahrzeugaufbaus ax_act, den Motorströmen ii und den Reibbremsdrücken Pi den Fahrzeugzustand.
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Der Kompensator
2 (
303) dient der Kompensation von momentanen Störungen, wie eine Fahrbahnsteigung F
grad, und / oder eine Änderung der tatsächlichen Fahrzeugmasse m
a_act. Das entsprechende Kompensationsmoment wird als Reaktionsmoment T
react bezeichnet und wie folgt berechnet:
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Gleichung 2 beschreibt den Einzelfall der Kompensation einer Fahrbahnsteigung. Andere momentan wirkende Kräfte können auf ähnliche Weise kompensiert werden, wobei die Kraft Fgrad mit Hilfe der Einheit zur Ermittlung des Fahrzeugzustands (207) ermittelt wird.
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Der Kompensator
1 (
302) realisiert eine schrittweise Kompensation von permanenten Störungen. Dazu gehören z.B. der Verschleiß von Reifen und Bremsbelägen oder eine thermisch bedingte Reduktion der Bremsreibkraft. Sie ändern sich zunehmend während eines relativ langen Zeitraums und können deshalb als permanente Störungen betrachtet werden. Um den nicht vorhersehbaren Änderungen im Bremspedalgefühl aufgrund dieser permanenten Störungen vorzubeugen, generiert der Kompensator
1 (
302) ein entsprechendes Kompensationsmoment T
long_term schrittweise. Das Moment T
long_term wird im Laufe jeder Bremsung mit Hilfe eines Korrekturfaktors f
cor berechnet:
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Die aerodynamische Widerstandskraft Faero und Rollwiderstandskraft Froll werden in der Einheit zur Ermittlung des Fahrzeugzustands (207) ermittelt und zu der Widerstandskraft Fres summiert. Die tatsächliche Brems- und Schubkraft des Fahrzeugs Fx_act wird ebenfalls werden in der Einheit zur Ermittlung des Fahrzeugzustands (207) ermittelt.
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Zur Bestimmung des Korrekturfaktors f
cor können verschiedene indirekte Verfahren verwendet werden. Um die Robustheit der Korrektur zu gewährleisten, ist die Änderung des Korrekturfaktors durch einen bestimmten Wert fup begrenzt:
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Der begrenzte Korrekturfaktor f
cor_lim wird weiter verwendet, um den Momentanteil T
long_term des Kompensators
1 (
302) zu definieren:
wobei der Wert des Bedarfsmoments T
demaus der Einheit zur Generierung des Bedarfsmoments (
301) übernommen wird.
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Das finale Moment T
total, welches für die Einheit zur Aufteilung des Bremsmoments (
204) erforderlich ist, wird schließlich wie folgt berechnet:
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Bezugszeichenliste
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- 101 - 104
- Rad
- 105 - 108
- Sensor zum Erfassen der Drehgeschwindigkeiten der Räder
- 109 - 112
- Elektromotoren
- 113 - 116
- Antriebsstrangelemente
- 117 - 120
- Reibungsbremsen
- 121
- Bremspedal
- 122
- Sensor zum Erfassen der Position des Bremspedals
- 123
- Motorsteuereinheit
- 124
- Bremssteuereinheit
- 125
- Einheit zum Regeln der Bremsmomente
- 126
- Sensor zum Erfassen der Beschleunigung des Fahrzeugaufbaus
- 127
- Fahrzeugaufbau
- 128
- Betätigungskraft
- 129
- Sensor zur Erfassung des Zustandes der Speichereinheit
- 201
- Kommunikationsbus
- 202
- Subsystem (Bremssystem)
- 203
- Subsystem (Elektromotoren)
- 204
- Einheit zur Aufteilung des Bremsmoments
- 205
- Energiemanagement-Einheit
- 206
- Einheit zum Regeln der Basisbremsmomente
- 207
- Einheit zur Ermittlung des Fahrzeugszustands
- 208
- Einheit zur Erzeugung eines kombinierten Bremsmoments
- 209
- Datenbank
- 301
- Einheit zur Generierung des Bedarfsmoments
- 302
- Kompensator 1
- 303
- Kompensator 2
- 304
- Sensoren zum Erfassen des Bremsdrucks
- 305
- Sensoren zum Erfassen des Stroms