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[Beschreibung und Einleitung des allgemeinen Gebietes der Erfindung]
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Die vorliegende Erfindung betrifft eine pulmonal verabreichte Arzneimittelformulierung, welche eine verzögerte Freisetzung mittels einem Sol-Gel Übergang aufweist.
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[Stand der Technik]
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In der
DE 60035211 T2 wird eine verzögerte Freisetzung des Arzneimittels durch eine Mikrokapsel bewirkt. Nachteilig dabei ist, dass man die Mikrokapsel erzeugen und darin den Wirkstoff oder Arzneimittel einlagern muss. Mikrokapseln sind besonders bei pulmonaler Verabreichung hinderlich, da zuerst ein Nebel erzeugt wird, der eingeatmet wird. Die Erzeugung des Nebels erfolgt bevorzugt durch „vibrating-membrane” Vernebler. Die darin eingesetzten Membranen haben Öffnungen mit wenigen um Durchmesser zur Einstellung der Tröpfchengröße des Nebels. Mikrokapseln sind dafür zu groß. Die Tröpfchen müssten mehrere Nanokapseln enthalten, damit eine Verneblung stattfinden kann, was den Aufwand in der Herstellung erheblich erhöht. Mikrokapseln können leicht die Öffnungen in der Membran verstopfen bzw. gelangen nicht durch die Öffnungen. Damit ist eine konstante Dosierung nicht gegeben.
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[Aufgabe]
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Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es, die Nachteile des Standes der Technik mittels einer neuen Arzneimittelformulierung zu beseitigen.
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[Lösung der Aufgabe]
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Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß gelöst durch eine Arzneimittelformulierung, die eine wässrige Polymerlösung umfasst. Das Polymer umfasst dabei Poloxamere, welche Blockcopolymere von Ethylenoxid und Propylenoxid darstellen oder Triblockcopolymere, die Ethylenoxid und Poly(lactide) und oder Poly(lactide-co-glycolide) umfassen.
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Bevorzugt wird Poloxamer 407 eingesetzt. Dieses ist auch unter dem Handelsnamen Pluronic F127, Kolliphor P407 oder Lutrol F127 bekannt.
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Der Anteil des Poloxamers am Gesamtgewicht der Arzneimittelformulierung liegt im Bereich von 5 bis 30 Gew.-%, bevorzugt 11 bis 21 Gew.-%, besonders bevorzugt 13 bis 18 Gew.-%.
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Eine polymerhaltige Arzneimittelformulierung, Arzneistofflösung oder Wirkstoffformulierung mit Poloxamer 407 hat den Vorteil, dass sie mittels Vernebler zerstäubt werden kann. Durch die amphiphilen Eigenschaften des Poloxamers ist es möglich hydrophobe Wirkstoffe in eine wässrige Lösung zu bringen. Nach der Verneblung erfolgt die Inhalation in die Lunge. Durch die Temperaturänderung während der Inhalation (Temperaturdifferenz zwischen Inhalator und Lunge) verfestigt sich die inhalierte Arzneistofflösung (Sol-Gel Übergang). Dadurch sammelt sich die Arzneimittelformulierung an lokal begrenzten Stellen in der Lunge. Der in der Formulierung enthaltene Arzneistoff wird beim Sol-Gel Übergang eingeschlossen. Die Freisetzung des Arzneistoffs erfolgt zum einen durch die Auflösung bzw. den Abbau des Polymers, zum anderen mittels Diffusion durch das versteifte Polymergerüst.
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Dadurch wird der Arzneistoff verzögert freigesetzt.
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Der Übergang vom Sol in den Gel-Zustand ist beim Poloxamer 407 konzentrations- und temperaturabhängig.
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Im Konzentrationsbereich von 14 bis 16 Gew.-% tritt bei ca. 34 bis 39°C eine Verfestigung ein. Das hat den Vorteil, dass die Formulierung als Flüssigkeit (Raumtemperatur von ca. 20°C) (Sol-Zustand) vernebelt werden kann, die sich anschließend in der Lunge, bei höherer Temperatur (Körpertemperatur ca. 37°C), (Gel-Zustand) verfestigt. Die verabreichte Arzneitoffdosis wird über eine längere Zeit abgegeben, so dass ein „Burst”-Effekt ausbleibt. Damit können erhöhte (toxische) Arzneistoffspiegel vermieden werden.
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Insgesamt werden somit mehrere Vorteile realisiert. Zum einen wird eine großflächige Belastung der Lunge verhindert, indem durch den Übergang in den Gel-Zustand nur noch lokale Stellen mit der Arzneistoffformulierung belastet werden.
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Zum anderen wird durch die verzögerte Freisetzung des Arzneistoffs eine zu zügige Freisetzungsrate vermieden, so dass keine Arzneistoffspiegelspitzen auftreten.
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Als Vernebler sind alternativ zum ”vibrating-membrane” Vernebler auch Ultraschal)-, Düsen- und Sprayvernebler (Mikrosprayer®) einsetzbar.
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Als Arzneistoffe oder Wirkstoffe werden mit Vorteil solche eingesetzt, die ausgewählt sind aus der Gruppe der Appetitzügler/Antiadiposita, Azidosetherapeutika, Analeptika/Antihypoxämika, Analagetika, Antirheumatika, Anthelminthika, Antiallergika, Antianämika, Antiarrhythmika, Antibiotika, Antiinfektiva, Antidementiva, Antidiabetika, Antidota, Antiemetika, Antivertiginosa, Antiepileptika, Antihämorrhagika, Hämostatika, Antihypertonika, Antihypoglykämika, Antihypotonika, Antikoagulantia, Antiomykotika, Antiparasitika, Antiphlogistika, Antitussiva, Expektorantia, Arteriosklerosemittel, β-Blocker, Kalzium-Kanal-Blocker, Hemmstoffe des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems, Broncholytika, Antiasthmatika, Cholagoga, Gallenwegstherapeutika, Cholinergika, Kortikoide, Diagnostika und Mittel zur Diagnosevorbereitung, Diuretika, Durchblutungsfördernde Mittel, Entwöhnungsmittel, Enzyminhibitoren, Enzymaktivatoren oder -stimulatoren, Präparate bei Enzymmangel, Rezeptorantagonisten, Transportproteine, Fibrinolytika, Geriatrika, Gichtmittel, Grippemittel, Mittel gegen Erkältungskrankheiten, Gynäkologika, Hepatika, Hypnotika, Sedativa, Hypophysen- oder Hypothalamushormone, regulatorische Peptide, Hormone, Peptid-Hemmstoffe, Immunmodulatoren, Kardiaka, Koronarmittel, Laxantia, Lipidsenker, Lokalanästhetika, Neuraltherapeutika, Magen-Darm-Mittel, Migränemittel, Mineralstoffpräparate, Muskelrelaxanzien, Narkosemittel, Neurotrope Mittel, Osteoporosemittel, Kalzium-/Knochenstoffwechsel-Regulatoren, Parkinsonmittel, Psychopharmaka, Sinusitismittel, Roborantia, Schilddrüsentherapeutika, Sera, Immunglobuline, Impfstoffe, Antikörper, Sexualhormone und ihre Hemmstoffe, Spasmolytika, Anticholinergika, Thrombozytenaggregationshemmer, Tuberkulosemittel, Urologika, Venentherapeutika, Vitamine, Zytostatika, Antineoplatische Mittel, Homöopathika, Gefäßaktive Substanzen, Gentherapeutika (DNA/RNA-Derivate), Transkriptions-Inhibitoren, Virostatika, Nikotin, Mittel gegen erektile Dysfunktion, Stickstoffmonoxid und/oder Stickstoffmonoxid-liberierende Substanzen.
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Bei den Diagnostika handelt es sich sowohl um in vitro- als auch um in vivo-Diagnostika. Ein erfindungsgemäß einzusetzendes Diagnostikum ist beispielsweise bildgebend und/oder radioaktiv und/oder ein Kontrastmittel.
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Insbesondere ist die Verwendung der erfindungsgemäßen wässrigen Polymerlösung aus bevorzugt Poloxamer 407 zur Herstellung eines pharmazeutischen Mittels zur Prävention, Diagnose und/oder Behandlung von Erkrankungen der Atemwege durch den auftretenden Sol-Gel Übergang von besonderem Vorteil.
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So kann die erfindungsgemäße wässrigen Polymerlösung aus bevorzugt Poloxamer 407 zur Herstellung von Mitteln zur Behandlung oder Diagnose von Lungenerkrankungen eingesetzt werden. Lungenerkrankungen umfassen dabei: Entzündliche (infektiöse, nicht-infektiöse) und hyperproliferative (neoplastische, nicht-neoplastische) Erkrankungen der Lunge und der Atemwege, wie Bronchitis, COPD, Asthma, Pneumonie, Tuberkulose, pulmonale Hypertonie, Lungentumoren, fibrosierende Lungenerkrankungen, weiterhin Lungenmetastasen, Mukoviszidose, Sarkoidose, Aspergillose, Bronchiekatsien, ALI IRDS, ARDS, Alveolarproteinose, Immunsuppression und Infektionsprophylaxe nach Lungentransplantation.
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Weiterhin ist ein Einsatz bei Erkrankungen möglich, wobei die Wirkstoffe über die Lunge in die systemische Zirkulation aufgenommen werden. Damit ist ein Einsatz bei Sepsis, Fettstoffwechselstörungen, Tumorerkrankungen, Leukämien, angeborenen Stoffwechselstörungen (z. B. Wachstumsstörungen, Speicherstörungen, Störungen des Eisenhaushalts), endokrinologischen Erkrankungen, beispielsweise der Hypophyse oder der Schilddrüse (Glandula thyreoidea), Diabetes, Adipositas, psychischen Erkrankungen (z. B. Schizophrenie, Depression, bipolaraffektive Störungen, posttraumatisches Stressyndrom, Angst- und Panikstörungen), ZNS-Erkrankungen (beispielsweise M. Parkinson, Multiple Skerose, Epilepsie), Infektionskrankheiten, rheumatischen Erkrankungen, allergischen und Autoimmunerkrankungen, erektilen Dysfunktionen, Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems (beispielsweise Arterielle Hypertonie, Koronare Herzerkrankung, Herzrhythmusstörungen, Herzinsuffizienz, Thrombosen und Embolien), Niereninsuffizienz, Anämien, Antikörpermangelsyndromen, angeborenen oder erworbenen Gerinnungsstörungen, Thrombozytenfunktionsstörungen oder Vitaminmangelsyndromen gegeben.
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Die erfindungsgemäße Ausführung ist nachfolgend erläutert, wobei die Erfindung alle nachfolgend aufgeführten bevorzugten Ausführungsformen einzeln und in Kombination umfasst.
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[Ausführungsbeispiele]
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Zu einer Lösung aus 17 Gew.-% Pluronic F127 (Poloxamer 407) wird 0,1 Gew.-% Sildenafil als Wirkstoff oder Arzneistoff gegeben und verrührt. Die entstandene Lösung wird mit einem Vernebler z. B. Mikrosprayer® in einen inhalierbaren Nebel umgewandelt und in eine Lunge vom menschlichem Patienten oder einem Tier (z. B. Kaninchen, Hund oder Katze) verbracht. Anschließend wird die Zeit gemessen, die das Sildenafil für den Übertritt über die Luft/Blut-Barriere die Lunge benötigt.
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1 zeigt die Übertrittskinetik von Sildenafi nach Applikation in die Lunge, hier am Beispiel der Kaninchenlunge. Wie in 1 sichtbar, tritt ohne den Zusatz von Poloxamer 407 ein „Burst”-Effekt auf. Sofort nach Verabreichung der freien Sildenafilformulierung ist der gesamte bioverfügbare Arzneistoff über die Luft/Blut-Barriere übergetreten und im Perfusat zu finden. Mit dem Zusatz von 17 Gew.-% Pluronic F127 erfolgt eine verzögerte Freisetzung des Sildenafil, wobei sich innerhalb von ca. 1,5 Stunden eine nahezu konstante Freisetzungsgeschwindigkeit einstellt. Die Einstellung der nahezu konstanten Freisetzungsgeschwindigkeit erfolgt im Bereich von 10 Minuten bis 12 Stunden, bevorzugt 0,5 bis 2 Stunden. Entsprechend erfolgt eine verzögerte Wirkstofffreisetzung nach Inhalation ebenfalls im Bereich von 10 Minuten bis 4 Stunden, bevorzugt 0,5 bis 2 Stunden. Ein „Burst”-Effekt tritt nicht auf. Die Freisetzungsgeschwindigkeit von Sildenafil steigt nach der Inhalation für ca. 1,5 Stunden an. Die Zugabe von 21 Gew.-% Pluronic F127 bewirkt eine relevante Absenkung der Freisetzungsgeschwindigkeit des enthaltenen Wirkstoffs, was durch eine verstärkte Verfestigung der Arzneistoffformulierung nach der Inhalation bedingt wird. Damit ist die Freisetzungsgeschwindigkeit wesentlich reduziert. Das hat den Vorteil, dass man durch die Wahl der Konzentration von Pluronic F127 eine Einstellung der Freisetzungsgeschwindigkeit des Wirkstoffs erreichen kann.
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Das Verhältnis von Konzentration zur Temperatur des Sol-Gel-Zustands ist auch von den polaren Eigenschaften der Wirkstoffe oder von weiteren Zusätzen (z. B. Natriumchlorid) abhängig. Entsprechend ist die Konzentration von Pluronic F127 einzustellen, damit ein Sol-Gel Übergang bevorzugt im Bereich von 28 bis 38°C erfolgt. Dieser Temperaturbereich hat den Vorteil, dass eine arzneistoffhaltige Flüssigkeit (Sol) vernebelt werden kann, die sich erst nach Eintritt in die Lunge zu einem Gel verfestigt.
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[Abbildungslegenden und Bezugszeichenliste]
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- 1 Luft/Perfusat-Übertrittskinetik von wässrigen Poloxamer 407-Lösungen nach Verabreichung (Microsprayer®) in die Lunge, am Beispiel der Kaninchenlunge.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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