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Die Erfindung betrifft ein Mikrostellsystem mit einer viskoaktiven feldsensitiven Hydraulikflüssigkeit, wie beispielsweise eine elektrorheologische oder magnetorheologische Flüssigkeit.
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In hydraulischen Mikrosystemen werden zurzeit Hydraulikventile zur Ansteuerung und Regelung von Zylindern benötigt. Diese können den Volumenstrom und oder den Hydraulikdruck verändern und somit die Kolbenstange des Hydraulikzylinders bewegen. Hydraulikzylinder werden in verschiedenen Baugrößen angeboten, welche sowohl als einstufige oder auch als mehrstufige Zylinder ausgeführt sind. Dabei ist charakteristisch, dass die Kolbenstangen durch mehrere Dichtungen zum Gehäuse hin abgedichtet werden und dadurch einem Verschleiß durch Reibung und Schmutz unterliegen. Zudem sind die durch die Dichtungen am Zylinder auftretende Leckölströme eine Einschränkung für die Anwendungsumgebungen. Die Hydraulikzylinder werden derzeit von Ventilen gesteuert. Diese sind durch ihre Größe in der Regel als Anbauteil bzw. als separates Bauteil in den Hydraulikkreislauf integriert.
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Bei konventionellen Hydraulikventilen werden der Volumenstrom und der Druckunterschied durch eine Veränderung des Leitungsquerschnittes generiert. Dabei kommen in der Regel Ventilschieber oder Klappen zum Einsatz. Es befinden sich zahlreiche verschiedene Varianten von Hydraulikventilen auf dem Markt, welche auch in der Fachliteratur ausführlich beschrieben werden. Bei all diesen konventionellen Ventilen werden die verstellbaren Klappen manuell, elektrisch oder auch elektromagnetisch angesteuert. Der Aufbau derartiger Servo- oder Proportionalventile ist komplex und die Herstellung somit teuer. Neben der Führung und Abdichtung des Ventilschieber ist eine Aktorik zur Bewegung des Schiebers notwendig, die vom Hydraulikkreis abgedichtet angeordnet sein muss. Zudem ist die Schaltgeschwindigkeit durch die Massenträgheit der zu bewegenden Schieber oder Klappen eingeschränkt.
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Durch die Entdeckung und Entwicklung feldsensitiver Flüssigkeiten sind diverse neue Möglichkeiten für die Gestaltung hydraulischer Ventile und Aktuatoren entstanden. Beispielsweise ändern feldsensitive Flüssigkeiten ihre Viskosität unter Wirkung eines elektrischen Feldes (elektrorheologische Flüssigkeiten, ERF) oder eines magnetischen Feldes (magnetorheologische Flüssigkeiten, MRF). Unter Ausnutzung dieses feldsensitiven Effekts lassen sich konstruktiv äußerst einfach aufgebaute und damit sehr kostengünstig herstellbare Hydraulikventile realisieren. Dieses ist insbesondere für Hydrauliksysteme mit einer hohen Anzahl von Aktuatoren und Ventilen von großem Vorteil. Weitere Vorteile dieser bekannten Ventilart sind die weitgehende Verschleißfreiheit, da sich keine Bauteile relativ zueinander bewegen, und die hohen Schaltgeschwindigkeiten. Durch die einfache Bauweise sind diese Arten von Ventilen hervorragend für eine Miniaturisierung geeignet und zeichnen dadurch obendrein noch durch sehr geringe Schallemissionen aus. Bei den bekannten Hydraulikventilen für feldsensitive Flüssigkeiten durchströmt die Flüssigkeit einen Strömungskanal innerhalb des Ventils. Die Querschnittsform dieses Kanals kann grundsätzlich beliebig gewählt werden; vorzugsweise werden jedoch quadratische oder kreisringförmige Querschnittsflächen verwendet. Um ein elektrisches oder magnetisches Feld in der strömenden Flüssigkeit zu erzeugen, werden mindestens zwei Wandflächen des durchströmten Kanals als Wirkflächen ausgebildet. Für ERF sind dieses Elektroden, an die eine veränderliche elektrische Spannung angelegt wird. Für MRF stellen die Wirkflächen magnetische Pole dar.
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Die
DE 198 10 921 A1 zeigt im Ausführungsbeispiel zur
3 ein hydraulisches Stellsystem. Das Stellsystem umfasst einen Membranaktuator, der von einer Hydraulikflüssigkeit beaufschlagt wird. Ventile steuern die Zuführung und Abführung der Hydraulikflüssigkeit zu dem Membranaktuator. Die Ventile sind außerhalb des Membranaktuators angeordnet. Die Hydraulikflüssigkeit ist eine elektrorheologische Flüssigkeit. Entsprechend sind die Ventile des Membranaktuators als elektrorheologische Ventile ausgebildet. Die Ventile sind außerhalb des Membranaktuators angeordnet.
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Aus der
DE 198 20 569 A1 sind ein elektrorheologisches und ein magnetorheologisches Ventil bekannt.
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Aus der
DE 197 25 685 A1 ist eine hydraulische Pumpe bekannt. Die hydraulische Pumpe umfasst eine Kammer mit der hydraulischen Flüssigkeit. In der Kammer mit der hydraulischen Flüssigkeit ist ein Verdrängerbauteil angeordnet. Das Verdrängerbauteil kann als ansteuerbarer Balg ausgebildet sein, der in Abhängigkeit von seiner Ansteuerung sein Verdrängungsvolumen verändert. Die Kammer mit der hydraulischen Flüssigkeit ist mit zwei steuerbaren Ventilen verbunden. Über die beiden Ventile wird die Zuführung der Hydraulikflüssigkeit zu der Kammer bzw. die Abführung der Hydraulikflüssigkeit von der Kammer gesteuert. Die Hydraulikflüssigkeit ist eine viskoaktive feldsensitive Flüssigkeit und die Ventile sind als viskoaktive feldsensitive Ventile ausgebildet.
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Die Aufgabe der Erfindung besteht darin, ein hydraulisches Stellsystem so auszubilden, dass der Platzbedarf gering ist, kaum Verschleiß auftritt und die Gefahr einer Leckage reduziert ist.
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Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß durch ein hydraulisches Stellsystem mit den Merkmalen des Anspruches 1 gelöst.
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Die Vorteile der Erfindung liegen darin, dass das Stellsystem eine kompakte Einheit darstellt. Ferner weist das Stellsystem keine gegeneinander reibenden Bauteile auf. Entsprechend erübrigen sich reibende Dichtungen. Der Aufbau ist robust und weitgehend wartungsfrei. Hierauf wird genauer eingegangen:
- • Das Stellsystem umfasst einen Balgaktuator, der von einer Hydraulikflüssigkeit beaufschlagt wird. Balgaktuatoren sind bis auf eine Materialermüdung verschleißfrei und weisen keine Bauteile auf, die sich relativ zueinander bewegen. Eine Erhöhung des Balginnendruckes generiert eine indirekte Kraftwirkung auf die Balgwände. Dabei handelt es sich einerseits um senkrecht auf die Wandflächen stehende Druckkräfte als auch um tangential zu den Wandflächen gerichtete Schubkräfte. Diese bewirken eine Längung oder auch Biegung des Balges.
- • Das Stellsystem umfasst ferner ein Zuführungsventil und/oder ein Abführungsventil, um die Zuführung der Hydraulikflüssigkeit zu dem Balgaktuator bzw. die Abführung der Hydraulikflüssigkeit von dem Balgaktuator zu steuern.
- • Die Hydraulikflüssigkeit ist eine viskoaktive feldsensitive Flüssigkeit. Entsprechend sind das Zuführungsventil und/oder das Abführungsventil jeweils als ein viskoaktives feldsensitives Ventil ausgebildet. Die viskoaktiven feldsensitiven Fluide reagieren reversibel auf angelegte Felder. Durch die Veränderung des beispielsweise elektrischen oder magnetischen Feldes in einem derartigen Ventil wird die Viskosität verändert. Hierdurch verändert sich der Volumenstrom. Dies verändert den Druck im Balgaktuator, der dadurch seine Höhe verändert.
- • Das Zuführungsventil und/oder das Abführungsventil sind jeweils im Balgaktuator integriert und bilden daher eine Einheit. Durch die Integration wird der Platzbedarf deutlich reduziert.
- • Der Balgaktuator weist einen elastischen Balg auf. Das Zuführungsventil und/oder das Abführungsventil sind jeweils mindestens teilweise im Inneren des elastischen Balges angeordnet. Mit diesen Merkmalen wird die Integration der Ventile im Balgaktuator näher definiert. Die Ventile minimieren das Innenvolumen des Balgaktuators.
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Gemäß einer Ausgestaltung der Erfindung weisen das Zuführungsventil und/oder das Abführungsventil jeweils einen kreisringförmigen oder rechteckförmigen Durchflusskanal mit einer Spalthöhe auf, derart, dass die Spalthöhe kleiner gleich 300 μm ist. Mit diesen Merkmalen wird definiert, dass das Stellsystem ein Mikrostellsystem ist. Die niedrige Spalthöhe bedingt niedrige Volumenströme. Die niedrigen Volumenströme führen zu kleinen Balgaktuatoren. Die Balgaktuatoren sind kleiner als ein Zylinder mit einem Durchmesser von 35 mm und einer Höhe im drucklosen Zustand von 60 mm.
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Gemäß einer Ausgestaltung der Erfindung weist der Balgaktuator einen elastischen Balg, insbesondere zylindrischer Form, auf. Der elastische Balg ist stirnseitig mit einem Festlagerdeckel und einem Aktuatordeckel verschlossen, derart, dass das Zuführungsventil und/oder das Abführungsventil jeweils auf dem Festlagerdeckel montiert sind und in das Innere des elastischen Balges hineinragen. Damit ist der bewegliche Aktuatordeckel frei von Versorgungsleitungen.
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Gemäß einer Ausgestaltung der Erfindung sind sowohl ein Zuführungsventil als auch ein Abführungsventil im Balgaktuator integriert. Damit kann der Zufluss und der Abfluss getrennt beeinflusst werden.
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Die Erfindung wird nachfolgend an Hand der Zeichnungen näher erläutert. Dabei zeigen jeweils als eine Prinzipskizze:
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1 eine hydraulische Anordnung mit einer Vielzahl hydraulischer Stellsysteme,
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2 ein viskoaktives feldsensitives Ventil.
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Hydraulische Anordnung
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Die 1 zeigt eine hydraulische Anordnung mit einem ersten hydraulischen Stellsystem 1a, einem zweiten hydraulischen Stellsystem 1b und einem dritten hydraulisches Stellsystem 1c. Die hydraulische Anordnung umfasst einen Motor M, der eine Hydraulikpumpe 5 antreibt. Die Hydraulikpumpe 5 hält mit Hilfe des Druckbegrenzungsventils 3 eine Druckleitung 4 dauerhaft unter Hochdruck. Zwischen dem Druckbegrenzungsventil 3 und einem Auffangbehälter 7 der Hydraulikflüssigkeit befindet sich eine Niederdruckleitung 6. Das erste, zweite und dritte hydraulische Stellsystem 1a, 1b und 1c sind jeweils an die Hochdruckleitung 4 und die Niederdruckleitung 6 angeschlossen.
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Allgemeines zum Stellsystem
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Jedes Stellsystem 1a, 1b und 1c umfasst einen Balgaktuator 10, der von einer Hydraulikflüssigkeit beaufschlagt wird. Jedes Stellsystem 1a, 1b und 1c umfasst ferner ein Zuführungsventil 20 und/oder ein Abführungsventil 30, um die Zuführung der Hydraulikflüssigkeit zu dem Balgaktuator 10 bzw. die Abführung der Hydraulikflüssigkeit von dem Balgaktuator 10 zu steuern. Die Hydraulikflüssigkeit ist eine viskoaktive feldsensitive Flüssigkeit 2, insbesondere eine elektrorheologische Flüssigkeit. Das Zuführungsventil 20 und/oder das Abführungsventil 30 sind jeweils als ein viskoaktives feldsensitives Ventil, insbesondere als ein elektrorheologisches Ventil, ausgebildet. Das Zuführungsventil 20 und/oder das Abführungsventil 30 sind jeweils im Balgaktuator 10 integriert.
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Auf die Funktionsweise eingehend, wird in dem Zuführungsventil 20 und/oder dem Abführungsventil 30 die Viskosität der Hydraulikflüssigkeit verändert. Hierdurch verändert sich der Druck im Balgaktuator 10. Dies führt zu einer Längenänderung des Balgaktuators 10.
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Integration der Ventile
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Wie in 1 illustriert, weist der Balgaktuator 10 einen elastischen Balg 11 auf. Das Zuführungsventil 20 und/oder das Abführungsventil 30 sind mindestens teilweise im Inneren des elastischen Balges 11 angeordnet. Konkreter ausgedrückt, weist der Balgaktuator 10 einen elastischen Balg 11, insbesondere zylindrischer Form, auf. Der Balgaktuator 10 ist stirnseitig mit einem Festlagerdeckel 12 und einem Aktuatordeckel 13 verschlossen. Das Zuführungsventil 20 und/oder das Abführungsventil 30 sind jeweils auf dem Festlagerdeckel 12 montiert und ragen in das Innere des elastischen Balges 11 hinein. Somit ist die sich bewegende Aktuatorplatte 13 komplett frei von Leitungen und Verrohrungen. Dies bietet vielfältige Einsatzmöglichkeiten.
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Das Stellsystem 1a zeigt, das sowohl ein Zuführungsventil 20 als ein Abführungsventil 30 auf dem Festlagerdeckel 12 montiert sind und in das Innere des elastischen Balges 11 hineinragen. Bei einigen Anwendungsgebieten kann abweichend zum dargestellten Stellsystem 1a nur das Zuführungsventil 20 auf dem Festlagerdeckel 12 montiert sein, wohingegen das Abführungsventil 30 am Aktuatordeckel 13 befestigt ist. Diese Variante kann auf dem Gebiet autonomer, hydraulischer Fortbewegungsmittel verwendet werden.
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Zuführungsventil 20 und/oder Abführungsventil 30, Varianten
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Wie zuvor dargelegt, weist jedes Stellsystem 1a, 1b und 1c ein Zuführungsventil 20 und/oder ein Abführungsventil 30 auf. Jedes der Stellsysteme 1a, 1b und 1c stellt eine Variante dar.
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Das Stellsystem 1a ist eine bevorzugte Variante mit sowohl mit einem Zuführungsventil 20 als auch mit einem Abführungsventil 30. Der umlaufende Hydraulikkreislauf hält ständig und unabhängig von der Belastung einen konstanten Überdruck vor. Durch gezieltes Ansteuern des Zuführungsventils 20 gibt man dem unter hohem Druck stehenden Fluid zunächst die Möglichkeit, in das Innere des Balgaktuators 10 einzufließen. Durch das Abführungsventil 30 kann daraufhin der Druck innerhalb des Balgaktuators 10 geregelt werden. Zufluss und Abfluss werden getrennt reguliert. Das Stellsystem 1b zeigt eine Variante mit nur einem Zuflussventil 20. Das Stellsystem 1c betrifft eine Variante mit nur einem Abflussventil 30.
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Geringe Spalthöhe, folglich Mikrosystem
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Wie 2 illustriert, weist das Zuführungsventil 20 und/oder das Abführungsventil 30 jeweils einen rechteckförmigen Durchflusskanal mit einer Spalthöhe h auf. Die Spalthöhe h ist kleiner gleich 300 μm. Folglich liegt aufgrund niedriger Volumenströme ein Mikrostellsystem vor. In Abweichung zum dargestellten Ausführungsbeispiel könnte der Durchflusskanal auch kreisringförmig sein.
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Beispielhafte technische Umsetzung
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Das viskoaktive feldsensitive hydraulische Stellsystem ist als Prototyp realisiert. Der Prototyp ist dem Stellsystem 1a in 1 ähnlich. Als hydraulisches, viskoaktives feldsensitives Medium wird eine elektrorheologische Suspension eingesetzt. Diese Suspension wird von der Fa. FLUDICON GmbH als RHEOIL 4.0® vertrieben. Der Prototyp umfasst einen Balgaktuator 10 mit einem elastischen Balg 11 aus gegossenem Polyurethan. Der elastische Balg 11 weist einen 34 mm starken Außendurchmesser und einen 12 mm dicken Innendurchmesser auf. Die Länge des elastischen Balges beträgt im drucklosen Zustand 20 mm, im Zustand maximaler axialer Auslenkung 40 mm. Der Balgaktuator 10 umfasst sowohl ein elektrorheologisches Einlassventil 20 wie auch ein elektrorheologisches Auslassventil 30. Das Einlassventil 20 und das Auslassventil 30 sind innerhalb des elastischen Balges 11 auf dem Festlagerdeckel 12 des Balgaktuators 10 angeordnet. Das Einlassventil 20 und das Auslassventil 30 sind als Flachspaltventile ausgebildet. Diese bestehen jeweils aus zwei Funktionsplatten mit jeweils einer Flachelektrode sowie einer Spacer-Schicht. Die selbstgefertigten Flachelektroden bestehen aus einer Kupfer-Zinn-Schicht, die galvanisch auf einem glasfaserverstärkten Epoxidharz abgeschieden wurde. Die Elektroden haben eine Abmessung von 2 × 9 mm und eine Schichtdicke von 50 μm. Die Spacer-Schicht besteht aus einem polypropylenähnlichen Rapid-Manufacturing Material und hat eine Schichtdicke von 400 μm. Die Spacer-Schicht hat die Aufgabe, die Spalthöhe zwischen den Elektroden auf 280 μm festzulegen. Bei diesem Wert ist ein temperaturunabhängiger Betrieb des Hydrauliksystems mit der eingesetzten Hydraulikflüssigkeit möglich.
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Bezugszeichenliste
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- 1a, 1b, 1c
- hydraulisches Stellsystem
- 3
- Druckbegrenzungsventil
- 4
- Druckleitung
- 5
- Hydraulikpumpe
- 6
- Niederdruckleitung
- 7
- Auffangbehälter
- M
- Motor
- 10
- Balgaktuator
- 11
- elastischer Balg
- 12
- Festlagerdeckel
- 13
- Aktuatordeckel
- 20
- Zuführungsventil
- 30
- Abführungsventil
- h
- Spalthöhe
- E
- Elektrode