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Die Erfindung betrifft ein Bohrwerkzeug nach dem Oberbegriff des Patentanspruches 1.
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Die Verwendung optimierter und angepasster Bohrwerkzeuge ist Voraussetzung zur Realisierung wirtschaftlicher, effizienter und innovativer mechanischer Zerspanungsprozesse im Automobilbau. So spiegelt sich die Prozess-Stabilität zur mechanischen Zerspanung von zum Beispiel Stahlkurbelwellen in besonderem Maße in hohen Werkzeugstandzeiten und hoher Maschinenverfügbarkeit wieder. Die Spanbildung während der Bearbeitung gibt dabei grundlegende Hinweise auf die Funktionalität des Werkzeugkonzeptes.
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Aus der
DE 10 2010 017 163 A1 ist ein Bohrwerkzeug bekannt. Das Bohrwerkzeug weist einen Spannschaft sowie einen daran anschließenden, zweischneidigen Bohrkörper auf, an dessen Bohrerspitze zwei Hauptschneiden ausgebildet sind. Diese sind mit Bezug auf die Werkzeugachse punktsymmetrisch angeordnet und gehen in ihrem radialen Verlauf nach innen in eine stirnseitig an der Bohrerspitze ausgebildete Querschneide über. An jeder der Hauptschneiden laufen eine, eine Spannut begrenzende Spanfläche und eine stirnseitige Freifläche der Bohrerspitze zusammen. Die beiden, den Hauptschneiden zugeordneten Spannuten sind durch zwei, spiralförmig entlang der Werkzeugachse verlaufende Bohrerstege voneinander getrennt.
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Speziell bei einer Flanschzentralbohrungsbearbeitung kommt es bei einem solchen gängigen Werkzeugkonzept zu einer destabilisierenden Langspanbildung. Ein solcher Langspan kann nicht prozesssicher von der Wirkstelle durch die Spannuten geleitet und vom Bohrwerkzeug entfernt werden. Vielmehr besteht das Risiko, dass sich Langspäne um das Bohrwerkzeug wickeln, sich zwischen dem Bauteil und dem Bohrwerkzeug verklemmen und so ein kontrolliertes Abfließen nachfolgender Späne verhindern. Die Schneidkanten werden durch den steigenden Druck überlastet und brechen im Extremfall aus. Entsprechend kann das Werkzeug während der Bohrbearbeitung brechen und ein Ausschussteil produzieren. Bei ausbleibender Bruchdetektion wird dann der nachfolgende Arbeitstakt beeinträchtigt. Zusätzlich werden Werkzeugmaschinen Stillstandzeiten durch den erforderlichen Werkzeugwechsel generiert.
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Die Aufgabe der Erfindung besteht darin, ein Bohrwerkzeug für die Bearbeitung metallischer Werkstücke bereitzustellen, mit dem eine prozesssichere Zerspanung gewährleistet ist.
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Die Aufgabe ist durch die Merkmale des Patentanspruches 1 gelöst. Bevorzugte Weiterbildungen der Erfindung sind in den Unteransprüchen offenbart.
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Das erfindungsgemäße Bohrwerkzeug weist zumindest eine Spannut auf, die sich bis zu einer, an der Bohrerspitze angeordneten Hauptschneide erstreckt. An der Hauptschneide laufen die, die Spannut begrenzende Spanfläche und die stirnseitige Freifläche der Bohrerspitze zusammen. Gemäß dem kennzeichnenden Teil des Patentanspruches 1 ist ein Werkzeugkonzept mit einer definierten Spanleitstufe bereitgestellt, mit der die Langspanbildung gezielt und prozesssicher bei gleichzeitig hoher Wirtschaftlichkeit vermieden werden kann. Die Spanleitstufe ist in die Spanfläche der Spannut integriert, und zwar unmittelbar am Übergang zur Hauptschneide. Die Spanleitstufe weist eine Formschwelle auf. An der Formschwelle staut sich im Bearbeitungsprozess unmittelbar nach der an der Hauptschneide erfolgten Spanbildung der einfließende Span auf und bricht dieser unter Bildung kurzer Spanbruchstücke auseinander.
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Mit der oben definierten Spannut-Kontur wird ein stabiler Bearbeitungsprozess mit maximaler Wirtschaftlichkeit erreicht. In einer technischen Realisierung wird auf der Spanfläche, einige Zehntel unterhalb der Hauptschneide, die Spanleitstufe eingeschliffen. Der Span fließt in die Spanleitstufe ein und staut sich aufgrund der Spanleitstufen-Geometrie. Dieses frühzeitige Aufstauen des Spans führt zu einem Stauch- und Schereffekt, der den gebildeten Span kontrolliert brechen lässt. Die dadurch entstehenden kurzen Späne können prozesssicher abgeführt werden. Eine in gängiger Praxis in zwei nacheinander folgenden Arbeitsgängen ausgeführte Aufsenk- und Vollbohroperation kann mit der erfindungsgemäßen Bohrergeometrie in einem einzigen Arbeitsgang (1-Schuss) realisiert werden. Das heißt, es sind keine integrierten Vorschubs-änderungen während des Übergangs vom Auf- zum Vollbohren erforderlich. Dies hat einen positiven Einfluss auf die Werkzeugstandmenge und erhöht die Maschinenverfügbarkeit im Serienbetrieb.
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Nachfolgend sind zusätzliche Merkmale der erfindungsgemäßen BohrerGeometrie beschrieben: So kann in einer Ausführungsform die stirnseitig an der Bohrerspitze ausgebildete Hauptschneide mit ihrer Hauptschneidenkante radial, insbesondere geradlinig, sich nach außen erstreckt. Die Spanleitstufe kann bevorzugt parallel zum Schneidenkanten-Verlauf angeordnet sein.
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In einer technischen Realisierung ist die Formschwelle eine zur Span-Fließrichtung im Wesentlichen senkrechte Anschlagwand. Die Spanleitstufe weist eine Spanleitfläche auf, die zusammen mit der obigen Anschlagwand einen Inneneckbereich aufspannt. Der Inneneckbereich definiert eine Spanbildungszone, in der der sich bildende Span prozesssicher gegen die Anschlagwand der Spanleitstufe gedrückt und dort gestaucht wird. Die Anschlagwand der Spanleitstufe kann an einer Übergangskante in die Spanfläche der Spannut übergehen. Die Anschlagwand und die Spanfläche können hierbei keilförmig mit einem Winkel zusammenlaufen, der insbesondere kleiner als 90° ist. Die oben angegebene Spanleitfläche der Spanleitstufe kann demgegenüber an die Hauptschneidenkante angrenzen. Die Spanleitfläche der Spanleitstufe spannt zusammen mit der Freifläche an der Bohrerspitze einen Teilwinkel auf, der bevorzugt kleiner als 90° ist.
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Bei einer solchen Geometrie der Bohrerspitze können die Spanleitfläche der Spanleitstufe oder die Hauptschneidenkanten, in einer Rotationsrichtung des Bohrwerkzeuges betrachtet, um eine Stufenhöhe von der Spanfläche der Spannut zurückgesetzt sein.
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Die Spannut ist in gängiger Praxis in der Bohrer-Umfangsrichtung durch Bohrerstege begrenzt. Die Spannut geht dabei unter Bildung einer längs der Werkzeugachse verlaufenden Nebenschneidenkante in eine radial äußere Führungsfase über. Die Führungsfase ragt in der Radialrichtung nach außen von einer umfangsseitigen Rückenfläche des Bohrerstegs vor und ist im Bearbeitungsprozess in Gleitkontakt mit der Innenwandung des Werkstück-Bohrloches.
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Die am Übergang zwischen der Führungsfase und der Spannut definierte Nebenschneide geht an der Bohrerspitze an einer radial äußeren Schneidenecke in die Hauptschneide über.
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Die erfindungsgemäße Spanleitstufe ist in der Radialrichtung nach außen nicht durch einen Steg oder dergleichen begrenzt, sondern vielmehr radial nach außen offen gestaltet. Die Spanleitstufe weist einen in der Radialrichtung nach außen durchgängig konstanten Querschnittsverlauf auf. In diesem Fall laufen die Spanleitfläche und. die Anschlagwand der Spanleitstufe an Außenkanten mit einer Führungsfläche der Führungsfase zusammen.
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In einer technischen Realisierung kann das Bohrwerkzeug zweischneidig ausgeführt sein, und zwar mit zwei Hauptschneiden an der Bohrerspitze, die mit Bezug auf die Werkzeugachse punktsymmetrisch angeordnet sind. Die beiden Hauptschneiden können im Radialverlauf nach innen in eine stirnseitig an der Bohrerspitze ausgebildete Querschneide übergehen. Zudem können die beiden Hauptschneiden zur Bildung einer Ausspitzung mit einem flachen spitzen Winkel keilförmig zusammenlaufen.
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Wie oben erwähnt, weist das Bohrwerkzeug an seiner Bohrerspitze eine stirnseitige Freifläche auf. Die Freifläche (das heißt Schneiden-Rückseite) spannt mit einer gedachten Kreislinie, entlang der sich die Hauptschneide bewegt, einen Freiwinkel auf. Die Freifläche gehört zur sekundären Scherzone und kommt im Anschluss an die Scherung des Spanes mit der Werkstückoberfläche in Kontakt. Die Auslegung der Freiflächen und - winkellagen muss konkurrierenden Anforderungen nach möglichst geringer Kontaktfläche mit der fertigbearbeiteten Werkstückoberfläche und maximaler Schneidkantenstabilität und Schichthaftung gerecht werden. Denn je größer der Freiwinkel desto „schärfer“ die Hauptschneide (scharfe Kanten verschleißen schneller). Je kleiner der Freiwinkel desto größer die Kontaktfläche und damit die Reibverluste und thermische Beanspruchung der Werkstückoberfläche. Die Freifläche kann unterteilt sein, und zwar in eine, in der Umfangsrichtung unmittelbar an die Hauptschneide anschließende Hauptfreifläche und zumindest einer folgenden Nebenfreifläche, die im weiteren Verlauf in der Umfangsrichtung in die Spanfläche einer Spannut übergeht. Bevorzugt weist die Hauptfreifläche einen geringeren Freiwinkel auf, während die in Umfangsrichtung folgende Nebenfreifläche einen im Vergleich dazu erhöhten Freiwinkel aufweist. In einer besonders bevorzugten Ausführungsform kann die Hauptfreifläche einen Freiwinkel von etwa 9°, eine daran anschließende Nebenfreifläche einen Freiwinkel von 20° sowie eine daran anschließende zweite Nebenfreifläche einen Freiwinkel aufweisen, der wesentlich größer als 20° ist.
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Die vorstehend erläuterten und/oder in den Unteransprüchen wiedergegebenen vorteilhaften Aus- und/oder Weiterbildungen der Erfindung können - außer zum Beispiel in den Fällen eindeutiger Abhängigkeiten oder unvereinbarer Alternativen - einzeln oder aber auch in beliebiger Kombination miteinander zur Anwendung kommen.
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Die Erfindung und ihre vorteilhaften Aus- und Weiterbildungen sowie deren Vorteile werden nachfolgend anhand von Zeichnungen näher erläutert.
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Es zeigen:
- 1 in einer Seitenansicht ein Bohrwerkzeug gemäß einem ersten Ausführungsbeispiel;
- 2 eine vergrößerte Teilseitenansicht des Bohrwerkzeuges im Bereich seiner Bohrerspitze;
- 3 eine Schnittdarstellung entlang der Schnittebene A-A aus der 2;
- 4 eine Ansicht auf die Bohrerspitze eines Bohrwerkzeugs gemäß dem zweiten Ausführungsbeispiel mit einer Blickrichtung längs der Werkzeugachse;
- 5 in eine perspektivischen Teildarstellung die Bohrerspitze des Bohrwerkzeuges gemäß dem zweiten Ausführungsbeispiel;
- 6 eine weitere perspektivische Teilansicht der Bohrerspitze; und
- 7 eine perspektivische Detailansicht einer Schneidenecke des Bohrwerkzeugs, in der eine Nebenschneide und eine Hauptschneide zusammenlaufen.
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In der 1 ist ein zweischneidiges Werkzeug mit einem Spannschaft 1 sowie einem daran anschließenden Bohrkörper 3 gezeigt. Entlang der Werkzeugachse A des Bohrwerkzeuges erstrecken sich zwei spiralförmig verlaufende Spannuten 5, die an der kegelförmigen Bohrerspitze 7 jeweils an Hauptschneiden 9 abschließen. An jeder der beiden Hauptschneiden 9 laufen eine, die Spannut 5 begrenzende Spanfläche 11 und eine stirnseitige Freifläche 13 der Bohrerspitze 7 zusammen.
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Die beiden Spannuten 5 sind in der Bohrer-Umfangsrichtung durch Bohrerstege 15 begrenzt. Jeder der Bohrerstege 15 weist jeweils eine außenumfangsseitige Rückenfläche 17 mit einer davon radial abragenden Führungsfase 19 auf. Die in der 2 gezeigte Spannut 5 geht unter Bildung einer Nebenschneidenkante 21 in die im Querschnitt stegförmige Führungsfase 19 über.
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Die beiden an der Bohrerspitze 7 ausgebildeten Hauptschneiden 9 weisen jeweils radial geradlinig nach außen laufende Schneidenkanten 10 (nur in der 3 und 7 bezeichnet) auf. Zudem spannen die beiden Hauptschneiden 9 einen spitzen Winkel α (2) auf, der kleiner als 180° ist, wodurch die beiden Hauptschneiden 9 in der Seitenansicht der 2 in Längsrichtung nach vorne dreieckförmig zusammenlaufen.
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In ihrem radialen Verlauf nach innen gehen die beiden Hauptschneiden 9 in eine zentral positionierte stirnseitig an der Bohrerspitze 7 ausgebildete Querschneide 25 über.
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Wie aus der 3 weiter hervorgeht, weist die Spanfläche 11 der jeweiligen Spannut 5 am Übergang zur Hauptschneide 9 eine zusätzliche Spanleitstufe 27 auf. An der Spanleitstufe 27 kann sich der an der Wirkstelle im Bearbeitungsprozess gebildete Span aufstauen und unter Bildung kurzer Spanbruchstücke auseinanderbrechen, die im weiteren Verlauf durch die Spannuten 5 von der Bohrerspitze 7 entfernt werden können. Gemäß der 3 ist die Spanleitstufe 27 mit einer Anschlagwand 29 sowie einer Spanleitfläche 31 gebildet. Die Anschlagwand 29 steht in etwa senkrecht zu einer Span- Fließrichtung und geht an einer Übergangskante 33 (6) in die Spanfläche 11 der Spannut 5 über. Dabei spannen die Anschlagwand 29 und die Spanfläche 11 einen keilförmigen Winkel auf, der kleiner als 90° ist.
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Die Spanleitfläche 31 der Spanleitstufe 27 geht unter Bildung der Hauptschneidenkante 10 (3) in die bereits erwähnte Freifläche 13 an der Bohrerspitze 7 über, und zwar unter Bildung eines Keilwinkels β (3) zwischen der Spanleitfläche 31 und der Freifläche 13.
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Gemäß den 1 bis 3 erstreckt sich die Spanleitstufe 27 parallel zur jeweiligen Hauptschneide 9 nach außen, wobei die Spanleitstufe 27 einen in der Radialrichtung durchgängig konstanten Querschnittsverlauf aufweist.
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In den 4 bis 7 ist ein Bohrwerkzeug gemäß einem zweiten Ausführungsbeispiel gezeigt, dessen grundsätzlicher Aufbau identisch mit dem des ersten Ausführungsbeispieles ist. Insoweit wird sich auf die Beschreibung des ersten Ausführungsbeispieles bezogen. Im Unterschied zum ersten Ausführungsbeispiel ist in der 4 die, der jeweiligen Hauptschneide 9 nacheilende Freifläche 13 weiter aufgeteilt, und zwar in eine Hauptfreifläche 35 sowie zwei Nebenfreiflächen 36 und 37. Die Hauptfreifläche 35 schließt in der Umfangsrichtung unmittelbar an die jeweilige Hauptschneide 9 an und wird im weiteren Verlauf in Umfangsrichtung gefolgt von der ersten Nebenfreifläche 36 und der zweiten Nebenfreifläche 37. Die zweite Nebenfreifläche 37 geht gemäß der 5 an einer Abschlusskante 39 in die Spanfläche 11 der jeweiligen Spannut 5 über. Die insgesamt drei Freiflächen 35, 36, 37 weisen unterschiedliche Freiwinkel auf, von denen in der 7 lediglich der Freiwinkel γ1 der Hauptfreifläche 35 gekennzeichnet ist. So ist gemäß der 7 der Freiwinkel γ1 der Hauptfreifläche 35 in einem Bereich von ca. 9°, während der Freiwinkel der ersten Nebenfreifläche 36 bei ca. 20° liegt und der Freiwinkel der dritten Freifläche 37 wesentlich größer als 20° ist. Zudem sind in den Nebenfreiflächen 36, 37 Mündungsöffnungen 41 von, innerhalb des Bohrwerkzeuges verlaufenden Kühlkanälen erkennbar.
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Wie aus den 5 bis 7 hervorgeht, erstreckt sich die Spanleitstufe 27 radial nach außen, und zwar mit einem in der Radialrichtung durchgängig konstanten Querschnittsverlauf. Das heißt, dass die Anschlagwand 29 und die Spanleitfläche 31 der Spanleitstufe 27 an Außenkanten 43, 44 (7) unmittelbar in eine Führungsfläche 45 der Führungsfase 19 übergehen. Die Außenkanten 43, 44 begrenzen in der Führungsfläche 45 der Führungsfase 19 eine radial nach außen offene Aussparung. Diese liegt gemäß der 6 oder 7 im Bereich einer Schneidenecke 20, an der die Nebenschneide 21 und die Hauptschneide 9 zusammenlaufen. Gemäß der 6 ergibt sich also eine Bohrerspitzen-Geometrie, bei der die Spanleitfläche 31 der Spanleitstufe 27 und damit auch die Hauptschneidenkante 10 um eine Stufenhöhe Δh (6) von der Spanfläche 11 der Spannut 5 zurückgesetzt sind, und zwar in der Rotationsrichtung des Bohrwerkzeuges betrachtet.