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Die Erfindung betrifft einen rotierenden Bohrer zum Herstellen von Bohrungen mit scharfkantigen Ein- und Ausgangsrändern und zusätzlich das zugehörige Bearbeitungsverfahren, das mittelbar radial automatisch zu- und rückstellende Werkzeughalterungen oder unmittelbar mit der Bearbeitungsmaschine durch Interpolationsdrehen realisierbare Kinematik voraussetzt, womit zuerst das Durchbohren und anschließendes Aufbohren im Konteraufbohrverfahren mit zuerst vorwärts und anschließend rückwärts gerichtetem Vorschub ermöglicht wird. Das Aufbohren beginnt in zwei Längsabschnitten vom vorderen und dann vom hinteren Bohrungsrand aus jeweils in die Bohrung längs hinein gerichtet mit separaten Schneiden.
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Derartige Bohrungen mit scharfkantigen unbeschädigten Bohrungseingangs- und - ausgangskanten werden häufig für Leichtbauwerkstoffe gefordert, um sichere Nietverbindungen oder Schraubverbindungen zu erzeugen. Den Leichtbauwerkstoffen sind auszugsweise faserverstärkte Kunststoffe, Schichtverbundwerkstoffe wie Metalle mit faserverstärktem Kunststoff in dickeren Schichten (sogenannte Stacks), dünne Schichten viellagiger glasfaserverstärkter Kunststoff mit Aluminiumdünnblechen (sogenanntes GLARE), Werkstoffe auf Holzbasis, Sandwich-Materialien mit poröser Zwischenlage und festen zugeordneten Decklagen. (Schneider, Marco; Christoph Birenbaum; Alistar Forbes; Jochen Burkhardt, Spanende Bearbeitung von Leichtbauwerkstoffen, Redaktion Fraunhofer-Institut (IPA); Herausgeber: e-mobil BW GmbH - Landesagentur für Elektromobilität und Brennstoffzellentechnologie Baden-Württemberg u.a., 2012)
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Stand der Technik
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Das delaminationsfreie oder auch gratfreie Herstellen von zylindrischen Bohrungen mit scharfkantigen Bohrungsrändern wird mittels verschiedenartigen Methoden und Werkzeugausgestaltungen auszuführen versucht. Allerdings sind die Bearbeitungsergebnisse mehr oder weniger vom Idealzustand entfernt.
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Der Schneidkeil erzeugt bei Eingriff Druck auf den Werkstückstoff. Die Spanfläche bewirkt den Druck auf den Werkstückstoff, wodurch sich im Werkstückstoff ein räumliches inhomogenes Druckfeld bezüglich der Druckverteilung und Druckrichtung sowohl in Schnittrichtung als auch Vorschubrichtung bildet. Dieses Druckfeld begleitet die rotierenden Bohrschneiden des Bohrers mit der Schnittgeschwindigkeit. Das Druckfeld erstreckt sich in Schnittrichtung über die Spanbildungszone hinaus bis in den Bereich rein elastischer Verformung. In Vorschubrichtung wirkt das Druckfeld tiefer als die Eingriffstiefe der Bohrschneiden und weist an der Grenze des Druckfelds nur noch rein elastische Verformung auf. In diesem Bereich wird der größten Wirkungstiefe des Druckfelds die Fachbezeichnung „Verformungstiefe“ zugeordnet. Schließlich unerwartet wirkt die Druckzone auch ein Stück weit dort unterhalb der Freifläche, wo kein Kontakt mit dem Werkstückstoff mehr besteht. Auch hier herrscht am Rande des Druckfelds nur rein elastische Verformung. Die Fachbezeichnung „Verformungsvorlaufzone“ ist im Grunde nicht völlig zutreffend, da unterhalb der Freifläche eine - wenn auch deutlich kürzere - Nachlaufzone vorhanden ist. Am Ende der Bohrschneiden wirkt das Druckfeld verlängert noch etwas weiter reichend in den Werkstückstoff hinein. Das in den Werkstückstoff hinein wirkende Druckfeld ist eine dominante Ursache für die Gratbildung oder die Delamination oder Absplitterung am Bohrungsrand auf der Bohreraustrittsseite, wo der Werkstückstoff nicht mehr in sich gestützt wird.
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Der Stand der Technik zeigt zahlreiche Verbesserungen auf, mit denen das Druckfeld verkleinert und in seiner Wirkrichtung geändert, manchmal auch unterbrochen wurde:
DE 20211589 U1 ;
DE 102009049087 B4 ;
JP 2009039811 A ;
DE 102010012963A1 ;
DE 102010027203A1 ;
DE 102009033942 A1 ;
DE 102013210112 A1 ;
US 2014/0348605 A1 ;
DE 20209768 U1 ;
EP 1753574 B1 ;
FR 725363A ;
EP 0045726 A1 ;
DE 20304580 U1 ;
CN 101524768 B ;
EP 2799171 A1 . Bewirkt wird dies durch scharfkantige Schneiden, reibungsmindernde Beschichtungen, verkleinerte Spitzenwinkel, radial abgesetzte Hauptschneiden mit nachgesetzten Aufbohr- oder Reibschneiden, angefaste oder gerundete Schneideneckenform, positive Span- und teilweise Freiwinkel der Nebenschneide, Variation des Vorschubs innerhalb eines Bohrzykluses. Damit werden die Ränder der Bohrungen auf der Bohreraustrittsseite und auf der geringer gefährdeten Bohrereintrittsseite deutlich weniger geschädigt als mit herkömmlichen Bohrern. Kleine Grate oder geringe Absplitterungen im Bereich von radial 0,05 mm bis 2 mm lassen sich aber bei den schwieriger bearbeitbaren Werkstückstoffen nicht völlig ausschließen. Selbst solche geringen Schädigungen sind bei bestimmten Anwendungen unzulässig.
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Zum Stand der Technik gehören auch zur Erzeugung zylindrischer Bohrungen in Leichtbauwerkstoffen geeignete Fräswerkzeuge und Fräsverfahren, deren Gemeinsamkeit das Fräsen mit wendelförmiger Vorschubbewegung umfasst:
US 7431538 B1 ;
DE 112011102803 T5 ;
DE 102012009328 B3 . Die Fräserschäfte sind im Verhältnis zum Bohrungsdurchmesser prozessbedingt dünn ausgeführt, was die Leistungsfähigkeit herabsetzt. Die Späne bestehen im Vergleich zum Bohren aus einem hohen Anteil Feinstaub, was große technische Anforderungen an die Staubbindung stellt. Die Fräsbearbeitung gehört einer anderen Gattung an, wenngleich das Arbeitsergebnis verglichen mit den bekannten Bohrbearbeitungen qualitativ ähnlich oder sogar besser ist.
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DE 19735024 A1 proklamiert einen Bohrer für zusätzliche Rückseitenbearbeitung. Der Bohrer wird in einem aktorischen Halter aufgenommen, mit dem auf der rotierenden Maschinenspindel der Bohrer radial in zwei Positionen ausgelenkt werden kann. Damit kann nach dem Durchbohren auf der Bohrungsausgangsseite eine Anfasung hergestellt werden. Das gebohrte Loch kann damit aber auch im Rückzug auf einen größeren Durchmesser ausgespindelt werden. Wenn mit diesem Bohrer im Rückzug aufgebohrt wird, eilt der Rückwärts-Aufbohrschneide auch das Druckspannungsfeld in Richtung Bohrungseingang voraus und deshalb drückt die Rückwärts-Aufbohrschneide vor ihrem Durchtreten auch Werkstückstofffasern oder metallischen Grat nach außen, welche oder welcher dann am Rand des Bohrungseingangs anhängen oder anhängt. Es wurde dort auch vorgeschlagen, zusätzliche Schneiden am Schaft nach Art eines Stufenbohrers anzubringen, womit Ansenkungen oder Anspiegelungen am Bohrungseingang erzeugt werden können. Dieser Bohrer ist das Nächstliegende zur vorliegenden Erfindung. Es war damit ursprünglich nicht vorgesehen und nicht offenbart, ein rein zylindrisches Loch zu bohren und im Konterverfahren aufzubohren. Es war auch nicht vorgesehen, die zusätzlichen Schneiden am Schaft zum Erzeugen der eigentlichen zylindrischen Bohrung einzusetzen, sondern zur erweiterten Bohrungsrandbearbeitung, insbesondere für Ansenkungen.
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Aufgabe der Erfindung
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Die Aufgabe der Erfindung umfasst das Entwickeln eines Bohrwerkzeugs und eines Verfahrens zu dessen Verwendung, das Abplatzungen oder Gratbildung des Werkstückstoffs am Eingang und am Ausgang der Bohrung vermeidet.
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Lösung der Aufgabe
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Die Lösung der Aufgabe gründet primär auf der Erkenntnis, dass beim Einbohren Abplatzungen oder Gratbildung geringere Ausmaße annehmen, beim Bohrerdurchtritt sich dagegen stärkere Abplatzungen und Grate bilden.
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Eine weitere, sekundäre Erkenntnis ist, dass sogenannte „ziehende Schneiden“ mit positivem Drallwinkel der Nebenschneiden oder gleichbedeutend mit den angrenzenden Führungsfasen die Delaminaton und Gratbildung beim Bohrerdurchtritt auf der Werkstückrückseite reduzieren. Beim Einbohren wirken jedoch ziehende Schneiden die Delamination und die Gratbildung fördernd, weil an den Schneiden mitsamt Nebenschneiden eine größere Druckfeldkomponente von der Werkstückoberfläche weg ins Freie wirkt, was dort die Delamination oder Gratbildung fördert. Deshalb sind für den Bereich des Bohrungseingangs an leicht absplitternden oder gratbildenden Werkstückstoffen Spannuten mit nicht zu kleiner Steigung günstig, was Absplittern oder Gratbildung weniger begünstigt. Die Ausgestaltung des Spitzenbereichs des Bohrers muss unter Berücksichtigung des zu bohrenden Werkstückstoffs ein Kompromiss des Einbohr- und Ausbohrverhaltens hinsichtlich ähnlich geringer Schädigung beider Bohrungskanten sein. Unter dieser Prämisse wird für die Erfindung ein geeigneter Spitzenbereich des Bohrers aus dem Bestand des Standes der Technik ausgewählt, um damit in den Werkstückstoff eine Vorbohrung einzubringen, deren Durchmesser zwischen 0,1 mm und 5 mm kleiner als der Fertigdurchmesser gewählt ist. Der Bohrer kann in Sonderfällen einschneidig mit nur einer Spannut erfindungsgemäß ausgestaltet sein. Außer den zweischneidigen Bohrern sind solche mit mehr Schneiden erfindungsgemäß realisierbar.
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Unter den vorhergehend genannten Vorbedingungen wird erfindungsgemäß dem Bohrer zwischen Spannschaft und Bohrwendel eine Aufbohrstufe zugeordnet, deren Aufbohrdurchmesser dem endgültig herzustellenden Fertigdurchmesser der Bohrung entspricht und die nur einen ersten vom Bohrungseingang bis ins Werkstück vorbestimmt hineinreichenden Teilabschnitt aufbohrt. Die Aufbohrschneiden sind den Erfordernissen des grat- oder splitterfreien Einbohrens in den Außenbereich des häufig mehrlagigen Werkstückaufbaus angepasst gestaltet. Im einfachsten Fall sind die Aufbohrschneiden mit einer im wesentlichen geradlinigen Schneidkante ausgestattet, die in Umfangsrichtung neutral oder nach vorne oder aber nach hinten geneigt sein kann. Die Neigung bestimmt, ob ein nach außen ziehender Schnitt oder ein nach innen gerichteter schiebender Schnitt (Schälschnitt) vorliegt. Der Einstellwinkel der Aufbohrschneiden zur Bohrermittelachse ist ebenfalls wählbar. Die äußeren Ecken der Aufbohrschneiden können auch mit einer sehr kleinen Eckenverrundung ausgestattet sein, um dem Verschleiß entgegenzuwirken. Die aufwendigere Gestaltung der Aufbohrschneiden wird mit einer zumindest teilweise dreidimensional konkav gekrümmten Schneidkante erreicht. Der entlang der Schneidkante realisierte örtliche Einstellwinkel ist nicht konstant und in Umfangsrichtung des Bohrers lässt sich die Schneidkante frei vorwählbar gestalten, indem in Umfangsrichtung eine weitere, bevorzugt konkave Krümmung überlagert wird. Damit lassen sich Aufbohrschneiden mit einer C-Form schräg im Raum stehend erzeugen, deren Druckfeld größtenteils in die Bohrung hinein gerichtet ist und deshalb keine Absplitterungen oder Eingangsgrate verursacht. Die Herstellung der Aufbohrschneiden lässt sich kombinieren mit gleichzeitiger Herstellung von Spanleitstufen.
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Desweiteren ist unter den vorhergehend genannten Vorbedingungen erfindungsgemäß in geringem Abstand zum Bohrerspitzenbereich eine Rückwärts-Aufbohrschneide am Bohrerrücken durch exzentrisches Rundschleifen eines Stücks der Bohrwendel freigestellt und angeschliffen, die nach dem Durchbohren radial seitlich durch außermittiges Auslenken des kompletten Bohrers auf den Bohrungsdurchmesser der zuvor teilweise aufgebohrten Bohrung gebracht wird und linksdrehend im Rückzug den restlichen Teilabschnitt aufbohrt. Auch die Rückwärts-Aufbohrschneide ist den Erfordernissen des grat- und splitterfreien rückwärts Aufbohrens in den rückseitigen Außenbereich des häufig mehrlagigen Werkstückaufbaus angepasst gestaltet. Nur bei gleichartigem Werkstückstoff auf beiden Seiten des Werkstücks ist die Rückwärts-Aufbohrschneide identisch mit den Aufbohrschneiden für den Bohrungseingangsbereich ausgestaltet. Ansonsten gilt die für die Aufbohrschneiden dargelegte Ausgestaltung auch sinngemäß für die Rückwärts-Aufbohrschneide.
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Bei kleinen Bohrdurchmessern wird der Bohrer aufgrund des seitlichen exzentrischen Rundschleifens der radialen sichelförmigen Aussparung in der Bohrwendel bezüglich Biegesteifigkeit und Bruchsicherheit deutlich geschwächt. Abmildernde Abhilfe bringt eine Aufteilung der Arbeitsweise der Bohrungsherstellung auf zwei getrennte Bearbeitungszyklen, indem die Vorbohrung mit einem separaten geeigneten Bohrer erzeugt wird. Dieser ist - an sich betrachtet - durch keine radial sichelförmige Aussparung geschwächt und somit resistenter gegen Bruch. Den zweiten Bohrzyklus führt ein erfindungsgemäßer Bohrer ohne Bohrerspitzenbereich in der vorgebohrten Bohrung aus, der wegen Wegfalls der Vorbohrfunktion mit deutlich verkleinerten Spannuten ausgeführt ist und hierdurch signifikant biegesteifer und bruchresistenter wird. Die Aufbohrspäne sind kleiner als die Vollbohrspäne, wodurch die Spannuten geringere Querschnitte erfordern.
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Die vorteilhaften Wirkungen der Erfindung gründen auf der Erkenntnis, dass von außen ins Werkstück eindringende Aufbohrschneiden aufgrund der ins Werkstück hinein gerichteten Druckkräfte der Verformungsvorlaufzone an den Bohrungsrändern keine Grate aufwerfen und Absplitterungen verhindert werden. Durch die besondere Maßnahme, diesen Effekt auch auf der rückseitigen Werkstückseite mittels Rückwärts-Aufbohrens zu verwirklichen, ist gegenüber dem Stand der Technik mit seiner Problematik hinsichtlich Gratbildung oder Absplitterung beim Bohreraustritt eine erfinderische Lösung aufgezeigt, die diesen Nachteil nicht mehr aufweist, weil das Druckfeld der Verformungsvorlaufzone auf beiden Werkstückseiten ins Werkstück hinein gerichtet sind.
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Zur Komplettbearbeitung der Bohrung ist am Ende der Aufbohrstufe zum Spannschaft hin erforderlichenfalls eine zusätzliche Profilansenkstufe angeordnet, die den erfindungsgemäßen Bohrer und das zugehörige Verfahren der Bohrungsherstellung additional ergänzt, jedoch für den erfindungsgemäßen Bohrer nicht obligat ist. In vielen Anwendungen wird die Profilansenkstufe für eine Kegelsenkung oder Planeinsenkung ausgestaltet sein.
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Das Verfahren der Bohrungsherstellung mit dem erfindungsgemäßen Bohrer erfolgt unter Zuhilfenahme einer radial zur Mittelachse einer Maschinenspindel automatisch auslenkbaren und zurückstellbaren Werkzeughalterung oder einer mittels der CNC-Maschine direkt über deren kinematischen Steuerung zum so genannten Interpolationsdrehen. Zuerst wird die Maschinenspindel mit dem Bohrwerkzeug zentrisch zur erstellenden Bohrung positioniert und dann wird komplett durchgebohrt. Die Vorschübe können beim Anbohr- und Ausbohrvorgang anders als beim Bohren gewählt sein. Beim Bohren von Fließspäne bildendem Werkstückstoff ist das Unterbrechen des Vorschubs zwecks Spanbruchs optional möglich. Nach dem Durchbohren wird noch ein Stück weiter in die Bohrung hinein gefahren, bis sich die Rückwärts-Aufbohrschneide geringfügig hinter der rückseitigen Werkstoffoberfläche und die Aufbohrschneiden kurz vor der Werkstückoberfläche beim Bohrungseingang befinden. Sodann wird die vorgebohrte Bohrung auf einer Teillänge ins Werkstück hinein gerichtet aufgebohrt und dann das Werkzeug so weit zurückgezogen, bis die Rückwärts-Aufbohrschneide wieder geringfügig hinter der rückseitigen Werkstückoberfläche steht und sich die Aufbohrschneiden etwas außerhalb der aufgebohrten Bohrung befinden. Nun wird die Drehrichtung der Hauptspindel auf Linkslauf geschaltet und das Bohrwerkzeug radial ausgelenkt, so dass die Rückwärts-Aufbohrschneide auf dem Durchmesser der fertigzustellenden Bohrung kreisförmig umläuft. Unter zurückziehendem Vorschub wird der verbliebene restliche Teilabschnitt der vorgebohrten Bohrung damit aufs Fertigmaß aufgebohrt bis zum Übergang der bereits von der Eingangsseite der Bohrung her zuvor schon aufgebohrten Bohrung. Anschließend wird der Bohrer wieder koaxial zur Hauptspindelachse zurückgestellt und ohne Rotation berührungsfrei aus der nun fertigen Bohrung herausgezogen.
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In der Zeichnung sind das Bohrwerkzeug und der Verfahrensablauf als grundsätzliche Ausführungen dargestellt. Außerdem werden Details der weiteren Ausgestaltung der Aufbohrschneiden und Rückwärts-Aufbohrschneide aufgezeigt. Zum Sichtbarmachen ist das Bohrwerkzeug in Details teilweise sehr übersteigert dargestellt. Es zeigen
- 1 eine Seitenansicht des Bohrers,
- 2 einen Querschnitt X-X des Bohrers mitsamt Aufbohrschneiden unter Blickrichtung zum Spannschaft hin,
- 3 einen Querschnitt Y-Y des Bohrers mitsamt Rückwärts-Aufbohrschneide unter Blickrichtung zum Bohrteil hin,
- 4 eine stark vergrößerte Draufsicht auf eine Aufbohrschneide oder eine dazu identische Rückwärts-Aufbohrschneide mit Blickrichtung auf die Spanfläche und die Schneidkante, einschließlich einer Schar von Orthogonalschnitten P1 bis P8 der Aufbohrschneide / Rückwärts-Aufbohrschneide entlang der Aufbohr-Schneidkante / Rückwärts-Aufbohr-Schneidkante und deren schematische Höhenanordnung entlang einer virtuellen radialen Ebene, in der auch die Bohrermittelachse liegt. Zuzüglich Spanungsquerschnitt, den die Aufbohrschneide / Rückwärts Aufbohrschneide abspant,
- 5 einen schematischen Bearbeitungsablauf in den markanten Einzelschritten der Bohrungsherstellung in einem Verbund-Werkstückstoff.
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Ausführungsbeispiel
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Anhand 1 bis 4 wird eine Ausführungsform des Bohrers erläutert. In seiner Längserstreckung besteht der Bohrer im Wesentlichen aus dem Bohrteil 1, der daran anschließend angeordneten radial sichelförmigen Aussparung 2 in der Bohrwendel 16, der daran fortlaufend angeordneten Aufbohrstufe 3 und dem abschließend angeordneten Spannschaft 4.
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Der Bohrteil 1 hat stirnseitig zwei zum Einbohren genutzte Bohrschneiden 5 bekannter Art, die zum Bohren in Leichtbauwerkstoffen 6 werkstoffabhängig als geeignet ausgewählt werden. Die Bohrschneiden 5 gehen hier in einen konvex gekrümmten Schneideneckenbereich 7 über, der somit keine geometrische Ecke mehr darstellt. Die Kavität 8 ist in die Spannut 9 eingearbeitet und kann den Spanwinkel der Bohrschneiden 5 und den Verlauf der Bohrschneidkante 10 beeinflussen und auch als den Span formende und brechende Stufe fungieren. Die Innenkühlkanäle 11 sind zur Durchleitung eines Fluids realisierbar, wobei deren Querschnittsform auch von der Kreisform abweichend sein kann. Von den Innenkühlkanälen 11 ausgehend sind auch seitlich austretende Kapillaren mit auf alle aufbohrenden Schneiden gerichteten Strahlaustritten vorteilhaft, was der Übersichtlichkeit halber nicht zeichnerisch dargestellt ist. Damit ist der nach dem Stand der Technik ausgestaltete Bohrerspitzenbereich 12 erläutert. Der Bohrteil 1 weist im Anschluss an den Bohrerspitzenbereich 12 Führungsfasen 13 und Rückenführungsfasen 14 auf, wobei letztere im Durchmesser geringfügig kleiner als die Führungsfasen 13 hergestellt werden können, um die Reibung zu vermeiden, aber bei Radialschwingungen zu stützen. Am Übergang des Bohrteils 1 zur radialen sichelförmigen Aussparung 2 ist am Bohrerrücken 15 am Übergang zur Spannut 9 eine Rückwärts-Aufbohrschneide 17 platziert. Sie ist linksdrehend schneidend in die als Spanbrust dienende Spannut 9 eingearbeitet und mit einer räumlichen Kavität gebildet, die auch als Rückwärts-Aufbohr-Spanfläche 18 den Span formende Aufgaben erfüllen kann. Weil die räumliche Kavität zwar auch durch Schleifbearbeitung, aber nunmehr mit fortschrittlichen Abtragsverfahren wie Laserabtragen freiformend gebildet werden kann, ist der örtliche Spanwinkel y an jedem Punkt der Rückwärts-Aufbohr-Schneidkante 19 unter der Prämisse frei wählbar, dass die Änderung des örtlichen Spanwinkels y zu den benachbarten Punkten im mathematischen Sinne stetig erfolgt. Sprunghafte Änderungen des Spanwinkels y entlang der Rückwärts-Aufbohr-Schneidkante 19 sollen damit nicht ausgeschlossen sein, werden aber auch wegen der Kerbwirkung eher vermieden.
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Die radial sichelförmige Aussparung 2 ist in radialer Richtung durch einen Kreisabschnitt 20 mit dem Radius r begrenzt, dessen Zentrum die gegenüber der Bohrermittelachse 21 seitlich parallel um den Exzenterabstand e versetzte Exzenterachse 22 bildet. Der Radius r ist höchstens halb so groß wie der Vorbohrdurchmesser d. Der größte Abstand des Kreisabschnitts 20 zum Vorbohrdurchmesser d ist gleich dem Exzenterabstand e.
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Die Aufbohrstufe 3 trägt stirnseitig die rechtsdrehend schneidenden in die als Schneidenbrust dienenden Spannuten 9 eingearbeiteten und mit jeweils einer räumlichen Kavität als Aufbohr-Spanfläche 23 gebildeten Aufbohrschneiden 24. Der örtliche Spanwinkel y an jedem Punkt der Aufbohr-Schneidkante 25 ist wählbar unter der Prämisse, dass die Änderung des örtlichen Spanwinkels y in Bezug zu den benachbarten Punkten stetig erfolgt. Sprunghafte Änderungen des Spanwinkels y entlang der Aufbohr-Schneidkante rufen Kerbwirkung hervor und werden nur in Sonderfällen nützen. Die Aufbohrstufe 3 ist im axialen Anschluss an die Aufbohrschneiden 24 mit Führungsfasen 13 und mindestens einer Rückenführungsfase 14 ausgestattet, wobei letztere vorteilhaft mit geringfügig kleinerem Umlaufdurchmesser ausgeführt sein können. Die Aufbohrschneiden 24 sind somit prinzipiell gleich wie die Rückwärts-Aufbohrschneide 17 gestaltet, was zur gemeinsamen Visualisierung in 4 führte. Dort ist auch der von diesen Aufbohrschneiden 24 oder der Rückwärts-Aufbohrschneide 17 abgetragene Spanungsquerschnitt Q dargestellt, der am äußersten Durchmesser noch einen Feinschlichtabtrag q aufzeigt. Zur Bearbeitung von Verbundwerkstoffen lassen sie sich aber auch spezifisch zum vorderseitig und rückseitig andersartigen Werkstückstoff unterschiedlich konzipieren, so dass beide Werkstückstoffarten mit optimaler Schneidengestalt vorwärts und rückwärts aufgebohrt werden können. Die Richtung des Vorschubs f ist mit Pfeil angezeigt.
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Der anschließende Spannschaft 4 ist zum Werkzeughalter winkelorientiert fixierbar, damit die Auslenkrichtung z der Rückwärts-Aufbohrschneide 17 definiert ist.
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Das anhand 5 erläuterte Konteraufbohrverfahren in Verfahrensschritten A bis H mit auf rotierenden Maschinenspindeln aussteuerbaren Werkzeughaltern wird mit dem vorhergehend erläuterten erfindungsgemäßen Bohrer ermöglicht. Der Bohrer wird im nicht ausgelenkten Zustand mit seiner Bohrermittelachse 21 mit der Bohrlochmittelachse der zu bohrenden Bohrung gemäß A fluchtend positioniert. Sodann wird entsprechend B mit einer ersten Drehzahl und einem ersten Vorschub die erstliegende Werkstückstoffart mit dem Bohrteil 1 an der Bohrwendel 16 vorgebohrt, um beim Eindringen in die zweitliegende Werkstückstoffart mit angepasster sachgerechter Drehzahl und Vorschub weiter durchzubohren, bis die Bohrschneiden 5 insgesamt ins Freie gelangen. Es wird danach noch ein Stück weiter unter großem Vorschub oder Eilgang gefahren, bis die Aufbohrschneiden 24 mit dem Anlaufabstand vor dem Werkstück stehen. Entsprechend C wird der erstliegende Werkstückstoff mit angepasster Drehzahl und Vorschub aufgebohrt, jedoch dann der Vorschub angehalten.
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Im Folgenden wird der Bohrer gemäß D unter großem Vorschub oder im Eilgang so weit zurück gezogen, dass sich die Aufbohrschneiden 24 in geringem Abstand vor und die Rückwärts-Aufbohrschneide 17 hinter dem Werkstück aus zweischichtigem Leichtbauwerkstoff 6 befinden. In E ist das radiale Zustellen des Bohrers um den Exzenterabstand e dargestellt, wodurch die Bohrermittelachse 21 nicht mehr mit der Spindelachse fluchtet, sondern exzentrisch steht oder umläuft. Der Schneideneckenbereich 7 der Rückwärts-Aufbohr-Schneidkante 19 nimmt dann bei Werkstoffeingriff den Umlaufdurchmesser D des von den Aufbohrschneiden 24 erzeugten fertigen erstliegenden Bereichs des Werkstücks ein, wie F aufzeigt. Aus dem gegenläufigen Aufbohren ist der Begriff Konteraufbohrverfahren hergeleitet. Das Rückwärts-Aufbohren läuft mit linksdrehender Spindel und mit dem örtlichen Werkstückstoff angepasstem Vorschub und Drehzahl ab. Bei Verwendung empfindlicher Schneidstoffe und Werkzeugbeschichtungen wird ein Sicherheitsabstand zu derjenigen Werkstückstoffschicht eingehalten, für die die betreffende Aufbohrschneide 24 oder Rückwärts-Aufbohrschneide 17 ungeeignet ist. Ersichtlich ist, dass der noch nicht zerspante Steg gut mit dem Werkstückstoff verankert ist und bis zum letzten abzunehmenden Spanungsquerschnitt kein instabiler Reststeg entsteht. Das glattflächige Rückwärts-Aufbohren ist nach G beendet und die Bohrung ohne Grate oder Absplitterungen fertiggestellt. Der Bohrer wird gemäß H wieder zentrisch zur Bohrung und Spindel zurückgestellt und berührungsfrei aus der Bohrung zurückgezogen.