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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Bestimmung einer Beißkraft, wobei aus einer Kieferbewegung während eines Beißens auf ein deformierbares Material, einer Geometrie von Zähnen eines Unterkiefers und eines Oberkiefers und Materialeigenschaften des deformierbaren Materials eine Kraft an zumindest einem Ort auf einer Oberfläche zumindest eines der Zähne in zumindest einer Lage des Unterkiefers relativ zum Oberkiefer bestimmt wird, durch welche der zumindest eine Zahn an dem entsprechenden Ort auf seiner Oberfläche auf das deformierbare Material einwirkt. Allgemein kann das erfindungsgemäße Verfahren eingesetzt werden zur Bestimmung einer Kraftverteilung auf einander zugewandten Kontaktflächen zweier Schenkel eines Gelenks, wobei ein deformierbares Material zwischen die Kontaktflächen gebracht wird, die Schenkel des Gelenkes aufeinander zubewegt werden, so dass die Kontaktflächen auf das deformierbare Material einwirken und dieses deformieren, eine Bewegung der Schenkel während des Deformierens aufgenommen wird und aus der aufgenommenen Bewegung, einer Geometrie der Kontaktflächen und Materialeigenschaften des deformierbaren Materials eine Kraft an zumindest einem Ort auf zumindest einer der Kontaktflächen in zumindest einer Lage der Schenkel zueinander bestimmt wird, mit welcher die Kontaktfläche an dem Ort auf das deformierbare Material einwirkt.
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In vielen Anwendungsgebieten ist die Kenntnis von Kraftverteilungen auf Kontaktflächen von Schenkeln, zwischen welche Materialien geklemmt werden, von großer Bedeutung. Insbesondere die Kenntnis von Kraftverteilungen auf Zähne beim Beißen auf deformierbare Materialien ist z. B. für die Nahrungsmittelindustrie von großer Bedeutung. Auch in der Dentalindustrie können solche Erkenntnisse wertvoll sein. Durch die Kenntnis der dreidimensionalen Verteilung von Beißkräften können viele existierende Produkte und Verfahren stark verbessert werden und die Entwicklung neuer Produkte wird möglich.
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Aus dem Stand der Technik sind vor allem Vorrichtungen zur Beißkraftbestimmung bekannt. Es wurden Verfahren vorgeschlagen, die auf einer Veränderung von elektrischen Widerständen beruhen. Darüber hinaus wurden deformationssensitive piezoelektrische Filme zur Aufnahme von Kräften eingesetzt. Bekannt ist auch eine Verwendung einer hufeisenförmigen Beißfolie, die einen drucksensitiven Film aufweist. Mittels eines computergesteuerten Scan-Systems kann hier die Belastung analysiert werden.
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Andere Methoden, die versuchen mit Hilfe von Simulationen mechanische Eigenschaften wie beispielsweise Spannungen oder Dehnungen im Unterkiefer, Kontakt zwischen Zähnen oder die Kraft, die auf die Zähne beim Zusammenbeißen wirken, zu berechnen, benötigen als Input Muskelkräfte. Die Muskelkräfte können hier im besten Fall basierend auf anderen physikalischen oder physiologischen Eigenschaften approximiert werden, z. B. bei der Relation von EMG-Messungen der involvierten Muskeln, deren Muskelquerschnitt und Muskelkraft.
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Die
DE 28 40 365 A1 beschreibt ein Verfahren zur Untersuchung und Bestimmen der Bissverhältnisse von Gebissen, bei welchem ein streifenförmiger Abschnitt eines Materials mit mechanischer Doppelbrechung zwischen den zu untersuchenden Zähnen angeordnet wird.
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Röhrle, O., Waddell, J. N., Foster, K. D., Saini, H., Pullan, A. J.: Using a Motion-Capture System to Record Dynamic Articulation for Application in CAD/CAM Software. Journal of Prosthodontics, 2009, 18, (8), S. 703–710, beschreibt ein Verfahren zur Bestimmung von Kau-Trajektorien mit 6 Freiheitsgraden. Es wurde hier ein optoelektronisches Bewegungserfassungssystem verwendet.
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Saini, H., Waddell, J. N., Pullan, A. J., Röhrle, O.: Automatically generating subject-specific functional tooth surfaces using virtual mastication. Ann Biomed Eng. 2009 37(8), S. 1646–1653, beschreibt ein Verfahren zum Erstellen eines personenspezifischen virtuellen Modells des Kauvorgangs. Es wird dabei ein geometrisches Modell der Zähne mit Aufnahmen der natürlichen Kau-Trajektorien kombiniert.
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Röhrle, O., Pullan, A. J.: Three-dimensional finite element modeling of muscle forces during mastrication. Journal of Biomechanics, 2007, 40, S. 3363–3372, ist eine Studie, in welcher die Muskelkräfte während des Kauvorgangs mittels eines dreidimensionalen Finite-Elemente-Modells modelliert werden.
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Die
DE 20 2013 001 910 U1 beschreibt eine Bissgabelanordnung zur Bewegtbild-Darstellung eines Gebisses. Die Bissgabenanordnung weist ein Bissnahmeteil mit ersten Befestigungsmitteln und ein Positionsmarkerteil oder Sensorikteil mit zu den ersten Befestigungsmitteln passenden zweiten Befestigungsmitteln auf. Das System ermöglicht unter anderem eine Bewegtbilddarstellung eines Gebisses, bei dem eine solche Bissgabel zum Einsatz kommt.
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Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es, ein Verfahren zur Bestimmung einer Kraft auf einander zugewandten Kontaktflächen zweier Schenkel eines Gelenkes und insbesondere ein Verfahren zur Bestimmung einer Beißkraft anzugeben, dass eine präzisere Bestimmung der entsprechenden Kraft ermöglicht.
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Diese Aufgabe wird gelöst durch das Verfahren zur Bestimmung einer Beißkraft nach Anspruch 1 und das Verfahren zur Bestimmung einer Kraft aufeinander zugewandten Kontaktflächen zweier Schenkel eines Gelenkes nach Anspruch 14. Die jeweiligen abhängigen Ansprüche geben vorteilhafte Weiterbildungen der erfindungsgemäßen Verfahren nach den unabhängigen Ansprüchen an.
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Im allgemeinsten Fall betrifft die Erfindung ein Verfahren zur Bestimmung einer Kraft auf einander zugewandten Kontaktflächen zweier Schenkel eines Gelenkes. Es wird hier dabei davon ausgegangen, dass Materialien zwischen die Schenkel des Gelenkes einklemmbar sind. Als Kontaktflächen des jeweiligen Schenkels des Gelenkes können hier jene Flächen angesehen werden, die bei einem solchen Einklemmen des gegebenen Materials mit diesem Material in Kontakt kommen. Die Kontaktflächen können von vornherein festgelegt sein, es ist jedoch ausreichend wenn als Kontaktflächen jene Flächen angesehen werden, die bei der Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens tatsächlich mit dem eingeklemmten Material in Kontakt kommen.
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Es wird nun allgemein ein deformierbares Material zwischen die Kontaktflächen der beiden Schenkel gebracht und die Schenkel des Gelenkes aufeinander zubewegt. Die Schenkel, die Kontaktflächen und das deformierbare Material sind dabei also so angeordnet, dass sich die Kontaktflächen aufeinander und auf das deformierbare Material zubewegen. Die Kontaktflächen wirken dann auf das deformierbare Material ein und deformieren dieses.
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Erfindungsgemäß wird nun eine Bewegung zumindest eines Schenkels während des Deformierens aufgenommen. Bevorzugterweise wird die Bewegung in allen Rotations- und Translationsfreiheitsgraden aufgenommen.
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Aus der aufgenommen Bewegung, einer Geometrie der Kontaktflächen und Materialeigenschaften des deformierbaren Materials wird zunächst eine Kraft an zumindest einem Ort auf zumindest einer der Kontaktflächen in zumindest einer Lage der Schenkel zueinander bestimmt. Es wird dabei gerade jene Kraft bestimmt, mit welcher die Kontaktfläche an dem betrachteten Ort auf das deformierbare Material einwirkt. Alternativ zur Bestimmung in einer bestimmten Lage kann die Kraft auch zu zumindest einem bestimmten Zeitpunkt während der Bewegung des Schenkels bestimmt werden.
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Bevorzugterweise ist das Gelenk so beschaffen, dass die Schenkel zueinander um einen oder mehrere Rotationsfreiheitsgrade bewegbar sind und/oder zusätzlich gegeneinander in zumindest einem Translationsfreiheitsgrad verschiebbar sind. Im Falle solcher Gelenke können die Kräfte auf die Kontaktflächen nicht mehr auf einfache Weise aus der Geometrie der Kontaktflächen und den Materialeigenschaften des deformierbaren Materials geschlossen werden.
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Das erfindungsgemäße Verfahren kann insbesondere als Verfahren zur Bestimmung einer Beißkraft ausgestaltet sein. Hierbei wird ausgegangen von einer Kieferbewegung während eines Beißens auf ein deformierbares Material, einer Geometrie von Zähnen eines Unterkiefers und eines Oberkiefers sowie von Materialeigenschaften des deformierbaren Materials.
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Die Kieferbewegung und die Geometrie der Zähne kann vorgegeben sein, beispielsweise aus früheren Messungen und/oder Datenbanken. Die Vermessung der Kieferbewegung und der Geometrie der Zähne kann optional jedoch auch Teil des erfindungsgemäßen Verfahrens sein.
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Die Kieferbewegung wird vorzugsweise in allen Translations- und Rotationsfreiheitsgraden bestimmt bzw. liegt in allein Translations- und Rotationsfreiheitsgraden vor.
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In dieser Ausgestaltung entsprechen der Oberkiefer und der Unterkiefer den Schenkeln des Gelenkes und die Oberflächen der Zähne entsprechend den Kontaktflächen.
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Bevorzugterweise kann die Kraft für eine Vielzahl von Orten auf einer oder mehreren Kontaktflächen bzw. für eine Vielzahl von Orten auf einer Oberfläche eines, mehrerer oder aller Zähne als Kraftverteilung bestimmt werden.
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In einer vorteilhaften Ausgestaltung der Erfindung kann die Bewegung der Schenkel auf das deformierbare Material mehrfach durchgeführt werden bzw. die Kieferbewegung kann für eine Mehrzahl an Beißvorgängen aufgenommen werden oder gegeben sein. Entsprechend wird vorzugsweise die Kraft bzw. Beißkraft mehrfach bestimmt und über die so ermittelte Mehrzahl an Kräften bzw. Beißkräften gemittelt. Vorteilhafterweise erfolgt die Mittelung dabei für jeden Ort auf der entsprechenden Oberfläche oder Kontaktfläche unabhängig. Auf diese Weise kann die Zuverlässigkeit der bestimmten Kraft verbessert werden.
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Das entsprechende Verfahren kann vorteilhafterweise mehrfach mit jeweils unterschiedlichen Materialien durchgeführt werden. Es wird hierdurch eine Mehrzahl an Kräften bestimmt. Auf diese Weise sind weitergehende Schlüsse über die Bandbreite der auftretenden Kräfte möglich.
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In einer besonders vorteilhaften Ausgestaltung der Erfindung kann die entsprechende Kraft für eine Vielzahl von Lagen der Schenkel zueinander bzw. des Unterkiefers relativ zum Oberkiefer bestimmt werden. Es kann hierdurch ein Kraftverlauf in Abhängigkeit von der Lage der Schenkel zueinander bzw. des Unterkiefers zum Oberkiefer bestimmt werden. Zur Aufnahme eines solchen Kraftverlaufes kann das erfindungsgemäße Verfahren jeweils unabhängig für eine bestimmte Lage der Schenkel bzw. Kiefer zueinander durchgeführt werden. Es ergibt sich daher für jede Lage eine Kraft an dem entsprechenden Ort. Durch eine Vielzahl derartiger Messungen bei unterschiedlichen Lagen lässt sich so eine Funktion der Kraft in Abhängigkeit von der Lage ermitteln.
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Im Fall eines Beißvorganges kann das erfindungsgemäße Verfahren vorteilhaft mit einem, mehreren oder allen Zähnen des Unterkiefers und/oder des Oberkiefers durchgeführt werden. Es wird dabei das deformierbare Material so zwischen den Unterkiefer und den Oberkiefer eingebracht, dass nur einer oder mehrere Zähne beim Beißen das Material kontaktieren und deformieren. Dies ist insbesondere mit Platten des elastischen Materials möglich die kleiner sind als die Gesamtausdehnung der Anordnung von Zähnen.
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Vorteilhafterweise kann die Geometrie der Zähne mittels eines Kieferabdrucks, einer Cone Beam Computertomographie und/oder mittels eines Zahnscanverfahrens bestimmt werden.
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Die Kieferbewegung kann vorteilhafterweise mittels eines optischen, magentischen, elektrischen und/oder bildgebenden Verfahrens bestimmt werden. Beispielsweise kann die Bewegung des Unterkiefers mit einer Motion-Capture-Technik bestimmt werden, wie sie beispielsweise in Wes Trager, Advanced Technologies Group: A Practical Approach to Motion Capture Acclaim's optical motion capture system,
http://www.siggraph.org/education/materials/HyperGraph/animation/character_animation/motion_capture/motion_optical.htm#An%20overview%20of%20current%20input%20systems beschrieben ist.
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Vorteilhafterweise kann zur Bestimmung der Kraft die Geometrie der Kontaktflächen oder Zähne sowie das deformierbare Material in zweidimensionale Oberflächenelemente oder dreidimensionale Volumenelemente diskretisiert werden. Es kann dann besonders vorteilhaft die Bestimmung der Kraft mittels einer Finite-Elemente-Methode durchgeführt werden. Die Größe der Elemente, in welche die Geometrie und das Material diskretisiert werden, beeinflusst die Genauigkeit der Kraftberechnung.
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Zur Berechnung der Kraft wird vorzugsweise die Bewegung der Schenkel zueinander bzw. die Kieferbewegung in ein Bezugssystem transformiert, indem nur einer der Schenkel bzw. nur der Unterkiefer bewegt ist. Dieses Bezugsystem ist dann gegenüber dem anderen Schenkel bzw. dem Oberkiefer fixiert. Vorteilhafterweise kann hierbei die Bewegung des in diesem Bezugssystem bewegten Schenkels bzw. des Unterkiefers durch Rotationsmatrizen und einen Translationsvektor dargestellt werden.
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Vorteilhafterweise wird zur numerischen Bestimmung der Kraft die Gelenkbewegung oder Kieferbewegung in eine Vielzahl von Zwischenpositionen zwischen einer Anfangsposition und einer Endposition unterteilt. Die Bewegung wird also diskretisiert. Bevorzugterweise kann diese Diskretisierung durchgeführt werden, bevor die Bewegung in das oben beschriebene Bezugssystem transformiert wird, in welchem nur einer der Schenkel bzw. nur der Unterkiefer bewegt ist.
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Die Zwischenpositionen können vorteilhaft in zumindest einer Koordinate der Translation und/oder der Rotation äquidistant gewählt werden. Es ist auch möglich, die Bewegung in kleine Zeitschritte zu diskretisieren, so dass die Kraft für eine Vielzahl von Zeitpunkten zwischen einer Zeit, zu welcher die Anfangsposition vorliegt und einer Zeit, zu welcher die Endposition vorliegt, bestimmt wird.
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Die Schrittweite der Zwischenpositionen oder Zeitpunkte beeinflusst die Genauigkeit der Beißkraftberechnung bzw. des bestimmten Kraftverlaufs.
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Das deformierbare Material ist vorzugsweise Elastomer (Gummi). Für eine möglichst genaue Bestimmung der Kraft ist es bevorzugt, wenn das elastische Material möglichst homogen ist.
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Als Ausgangsposition zur Kraftbestimmung wird vorzugsweise die Position gewählt, in welcher zumindest eine Kontaktfläche das deformierbare Material berührt, aber auf dieses noch keine Kraft aufbringt. In dieser Position sind die auf die Kontaktflächen wirkenden Kräfte Null Newton. Im Fall eines Beißvorganges ist dies der Stützpunkt (Zeitpunkt), der nach Öffnung des Unterkiefers (wobei der Oberkiefer als fest angenommen wird) zeitlich am nächsten zum Kontakt zwischen Unterkieferzähnen, Elastomer und Oberkieferzähnen befindet. Im allgemeinen Fall wäre dies also der Zeitpunkt, der am nächsten zum Kontakt der Kontaktflächen mit dem deformierbaren Material liegt.
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Die mechanischen Eigenschaften des homogenen Materials können vorzugsweise bekannt sein oder zuvor durch mechanische Kompressionsversuche bestimmt werden.
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Die Zähne werden vorzugsweise als nicht-deformierbar angenommen.
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Vorteilhafterweise können nun für jeden Zeitpunkt oder für jede Zwischenposition mithilfe der für diesen Zeitpunkt bzw. diese Zwischenposition berechneten Rotationsmatrix und/oder Translationsvektor die entsprechende Kraft bestimmt werden.
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Mit Hilfe der Rotations- und/oder Translationsmatrizen kann die Position für Unter- und/oder Oberkiefer berechnet werden. Der Unterschied zwischen der Ausgangsposition und der aktuellen Position ist dann die Verschiebung, die man auf die Zähne zu einem Zeitpunkt t aufbringt, um dann die Kontaktkräfte so zu brechnen, dass in dieser Zahnposition die Gummi- und Zahngeometrie nicht penetrieren. Es kann also die benötigte Verschiebung (z. B. als Dirichlet-Randbedingung) vorgegeben werden.
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Mithilfe der Kontaktmechanik können nun die wirkenden Kräfte und/oder Drücke so bestimmt werden, dass die Kontaktflächen sich nicht gegenseitig penetrieren. Die Kräfte und/oder Drücke werden also so bestimmt, dass die Zähne des Unterkiefers und Oberkiefers und das deformierbare Material sich nicht penetrieren.
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Vorteilhafterweise kann außerdem ein Reibungskoeffizient zwischen den Körpern berücksichtigt werden.
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Es können dann jene Kräfte und/oder Drücke, die bei nicht-deformierbaren Zähnen benötigt werden, so dass sich die Zähne und das deformierbare Material nicht überschneiden, als die Kontaktkräfte bzw. Kontaktdrücke angesehen werden. Aus der numerisch bestimmten Kraftverteilung oder Druckverteilung lassen sich dann vorteilhaft die jeweils benötigten Kräfte bestimmen, die erforderlich sind, das deformierbare Material so wie beobachtet zu deformieren.
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Die berechneten Kräfte können vorteilhaft als Normalkräfte auf der Zahnoberfläche visualisiert werden oder als physikalische Eingabegröße für ein volumetrisches und/oder elastisches Modell der Kontaktflächen bzw. Zähne (real, virtuell, rekonstruiert) verwendet werden, um dadurch die entscheidende und unbekannte Eingangsgröße für das entsprechende Anwendungsgebiet zu bestimmen.
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Vorteilhafterweise umfasst das erfindungsgemäße Verfahren außerdem eine Fehleranalyse, wobei besonders bevorzugt die Fehleranalyse des mathematischen Modells es erlaubt, ein einzelnes Fehlermaß für die Kraftbestimmung zu ermitteln. Dieses Fehlermaß kann beispielsweise als einfacher Indikator, z. B. als Farbe, angezeigt werden.
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Folgende Aspekte haben Einfluss auf die Genauigkeit des erfindungsgemäßen Verfahrens.
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Die Gittergröße, mit welcher das deformierbare Material und die Zähne oder Kontaktflächen vernetzt werden, hat Auswirkungen auf die benötigte Zeit zur Berechnung der Kräfte sowie auf die Genauigkeit der berechneten Kräfte.
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Die Genauigkeit der Parameter und das Materialmodell, das die elastischen und homogenen Eigenschaften des deformierbaren Materials beschreibt, auf das gebissen wird, hat Einfluss auf die Genauigkeit der bestimmten Kräfte. Die numerische Bestimmung der Gap-Funktion innerhalb des Kontaktalgorithmus kann als Fehlermaß bezüglich der nummerisch bestimmten Kräfte dienen.
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Die Penetration von Zähnen des Unter- und Oberkiefers während der Kaubewegung (ohne dass auf ein deformierbares Material gebissen wird), kann als Fehlerindikator für die Registrierung der Zähne, des Messsystems zur Bestimmung der Kieferbewegungen und der Genauigkeit der Zahngeometrien bestimmt werden.
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Wenn keine Penetration der Zähne des Unter- und Oberkiefers bestimmt werden kann, dann ist die Berechnung des minimalen Abstands der Zähne des Unter- und Oberkiefers während der Kaubewegung, ohne dass auf ein deformierbares Material gebissen wird, ein Fehlermaß für die Registrierung der Zähne, für das Messsystem zur Bestimmung der Kieferbewegung und die Genauigkeit der Zahngeometrien.
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Vorteilhafterweise kann ein gewichtetes Mittel aus den oben genannten Fehlern bestimmt werden um so ein gesamtheitliches Fehlermaß zu erhalten.
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Das erfindungsgemäße Verfahren kann für eine Vielzahl verschiedener Anwendungsgebiete eingesetzt werden. Beispielsweise kann das Verfahren in der Nahrungsmittelindustrie verwendet werden um die Eigenschaften der Nahrungsmittel an die Beißkräfte der Zielgruppen anzupassen. Dies ist insbesondere von Bedeutung bei Nahrungsmitteln für Kinder und ältere Personen, aber auch beispielsweise bei der Entwicklung von Kaugummi und dergleichen.
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Weitere Anwendungsmöglichkeiten sind Implantologie (Zahnimplantologie), Implantatenentwicklung, Zahnersatz, Zahnbrücken, OP-Planung, Materialwahl, Materialkombination und Materialersparnis, elastische Optimierung, Krafteinleitungsbestimmung, Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgie, u. a. Kieferchirurgische Verplattung, Kieferschrauben, Auslegung von Kieferindividualimplantaten in Metall, Kunststoff, Keramik oder bioresorbierbaren Materialien, Scaffolds – Gewebsersatzverfahren mit biologischem Gewebe/Gewebeersatzstrukturen, Beißschienen – Bruxismus, virtuelle und physikalische Artiuklatoren.
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Im Folgenden soll die Erfindung beispielhaft näher erläutert werden. Es wird dabei auf die folgenden Figuren Bezug genommen, wobei gleiche Bezugszeichen gleiche oder entsprechende Merkmale kennzeichnen. Die in den Beispielen beschriebenen Merkmale können auch unter den Beispielen kombiniert werden und unabhängig vom konkreten Beispiel realisiert sein.
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1 zeigt die Platzierung eines deformierbaren Objektes zwischen Zähnen einer Person.
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2 zeigt eine Finite-Elemente-Analyse eines Beißvorganges auf ein deformierbares Material.
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3 zeigt eine Kontaktsituation in einem Beißvorgang.
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4 zeigt die Erhöhung einer Kontaktkraft in Abhängigkeit von dem Wert einer Gap-Funktion.
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Im Folgenden soll zunächst beispielhaft beschrieben werden, wie das erfindungsgemäße Verfahren durchgeführt werden kann um Beißkräfte einer Person zu bestimmen. Es wird beschrieben, wie die mechanischen Eigenschaften des Kauapparates eine Person, z. B. individuelle Beißkräfte, bestimmt werden können.
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Es werden hierzu zunächst mittels bildgebender Verfahren die Zähne der Person vermessen. Dies kann beispielsweise mittels Cone Beam Computertomographie (CBCT) Aufnahmen geschehen. Es wird dann die Bewegung des Unterkiefers der Person vermessen, während sie auf ein deformierbares, beispielsweise elastisches, Gummistück beißt. Die Bewegung des Unterkiefers kann beispielsweise mit einer Motion-Capture-Technik bestimmt werden, wie sie in Wes Trager, Advanced Technologies Group: A Practical Approach to Motion Capture: Acclaim's optical motion capture system,
http://www.siggraph.org/education/materials/HyperGraph/animation/character_animation/motion_capture/motion_optical.htm#An%20overview%20of%20current%20input%20systems beschrieben wird.
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Aus dem Bereich der Zahnmedizin ist beispielsweise auch das JMA-System der Firma Zebris bekannt, wie es beispielsweise unter
http://www.zebris.de/deutsch/zahnmedizin/zahnmedizinkiefergelenkanalyse.php beschrieben wird. Das JMA-System ist ein Kieferregistriersystem, bei welchem mit nur wenigen Handgriffen ein Gesichtsbogen zusammen mit einem integrierten Empfängermodul angelegt werden kann. Es weist einen leichten Unterkiefersensor auf und kann mittels Magnethalterung an einer paraokklusaren Bissgabel befestigt werden.
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Nachdem das Kieferregistrierungssystem, mit welchem die Bewegung vermessen werden kann, angebracht wurde, wird ein elastisch deformierbares Objekt mit bekannten mechanischen Eigenschaften zwischen den Zähnen der Person platziert und die Bewegungsaufnahmen gestartet. Die Person beißt, vorzugsweise mehrmals, auf das elastische Objekt. Vorteilhafterweise werden mehrere Beißvorgänge aufgenommen, besonders bevorzugt auch mit verschiedenen Objekten, die sich in den mechanischen Eigenschaften und/oder in der Dicke unterscheiden.
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Die deformierbaren Objekte können beispielsweise mit verschiedenen Elastizitäten und/oder Passformen fertig gekauft werden. Die Auswahl des Beißobjektes erfolgt vorteilhafterweise anhand der zu erwartenden maximalen Beißkraft des Patienten und der Zahl der zu untersuchenden Zähne. Das erfindungsgemäße Verfahren erlaubt die Untersuchung einzelner Zähne, weniger Zähne oder des gesamten Gebisses. Für Patienten mit niedrigen Beißkräften können weichere Materialien verwendet werden, während für Patienten mit hohen Beißkräften festere Materialien verwendet werden können, wodurch die Kompression des Materials nicht zu groß wird.
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Die mechanischen Eigenschaften der deformierbaren Objekte sind bekannt, da sie einheitlich produziert wurden und, beispielsweise bei der Produktion, auf die mechanischen Eigenschaften getestet werden, beispielsweise mithilfe einer Instron-Maschine.
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Nach dem Aufnehmen der Kieferbewegungen und noch vor dem Abnehmen des Kieferregistrierungsprozesses kann mithilfe eines intraoralen Scanners die Zahnmorphologie sowie die Platzierung des für das Motion-Capture-System verwendeten Befestigungsobjektes bestimmt werden.
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Die Daten der Bewegungsanalyse, die Informationen über die Art und mechanischen Eigenschaften des Materials, auf das gebissen wurde, die Daten des intraoralen Scanners, sowie die CBCT-Daten werden an einen Computer übertragen. Die Daten werden dann digital verarbeitet und mithilfe eines mathematischen Modells virtuell dargestellt. Wie mit einem Artikulator können so die individuell gemessenen Beißvorgänge virtuell nachgestellt werden.
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Die Bewegungen der Zahnoberflächen dienen als Eingabe für ein mathematisches Modell, welches die dreidimensionale Geometrie der Zähne, die Geometrie und die mechanischen Eigenschaften des Objekts, auf das gebissen wurde, nachbildet.
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Es ist optional möglich, beispielsweise verschiedene Modelle auszuwählen, je nachdem wie schnell und mit welcher Genauigkeit die Beißkräfte berechnet werden sollen. Es kann beispielsweise von dem Computer eine stark vereinfachte Analyse durchgeführt werden, sodass die Ergebnisse schnell verfügbar sind, oder es kann ein detailliertes und mechanisch exaktes Model ausgewertet werden, was jedoch mit einem größeren Zeitaufwand verbunden sein kann. Das mechanisch exaktere Modell kann mithilfe eines vordefinierten Workflows an eine Workstation geschickt werden. Mit dem vereinfachten Modell stehen die Ergebnisse in kürzerer Zeit zur Verfügung und können weiterverarbeitet werden.
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Das Ergebnis der Berechnungen ist in diesem Beispiel eine Kraftverteilung, die nötig ist um das Material so zu deformieren, dass die gemessene Kieferbewegung entsteht. Mit der Berechnung kann auch ein Fehlermaß angezeigt werden um die Qualität des Registrierungsprozesses, der Bewegungsaufnahme und der berechneten Kraft anzuzeigen. Der zur Berechnung verwendete Algorithmus basiert auf der Theorie der Kontaktmechanik für den Fall, dass ein deformierbares Objekt von zwei Seiten mit festen/deformierbaren Objekten zusammengedrückt wird. Eine detaillierte Beschreibung findet sich beispielsweise in dem Lehrbuch P. Wriggers „Computational Contact Mechanics”. Die Details des Algorithmus werden weiter unten noch ausgeführt.
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Die berechneten Ergebnisse können beispielsweise zusammen mit den Zähnen oder mit dem durch CBCT-Daten rekonstruierten Unterkiefer als Overlay auf einem Bildschirm angezeigt werden. Es kann hierzu außerdem auch das berechnete Fehlermaß angezeigt werden.
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Vorteilhafterweise kann eine Vielzahl von Daten verschiedenster Patienten einer Datenbank gesammelt werden. Deren statistische Auswertung kann in einer Vielzahl von Anwendungsmöglichkeiten eingesetzt werden. So können beispielsweise optimierte Materialien für den Zahnersatz entwickelt werden und es können neue, Beißkraft-optimierte, altersgruppenspezifische Nahrungsmittel entwickelt werden.
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Im Folgen soll beispielhaft ausgeführt werden, wie mittels Kontaktmechanik die Beißkräfte berechnet werden können.
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Wie in etlichen Lehrbüchern beschrieben (z. B. P. Wriggers, Computational Contact Mechanics, 2006), führt der Kontakt zwischen zwei Körpern zu neuen Bedingungen. Die zentrale Bedingung hierbei ist, dass sich zwei Körper nicht penetrieren dürfen (ein materieller Punkt muss immer einem Körper zugeordnet bleiben). Weiterhin nimmt man an, dass jede Kraft, die aus Kontakt zwischen 2 Körpern entsteht, eine Kompressionskraft ist, die in die Normalenrichtung des Körpers, der die Kraft aufbringt, wirkt (siehe auch 3).
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Um die Kontaktbedingungen zu formulieren, werden Punkte auf einer Oberfläche (Slave Surface) bezüglich der 2. Oberfläche (Master Surface) betrachtet. Die Master Surface ist die rigide Zahnoberfläche, die Slave Surface das elastische Objekt, auf das gebissen wird und das sich deformiert. Materielle Punkte auf der Slave Surface haben folgende Beziehungen zu der Master Surface. Für alle Kontaktpunkte x auf der Slave Surface wird auf der Master Surface ein Punkt mit folgenden Eigenschaften gesucht:
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Dabei bezeichnet Γ (i) / c die Menge aller Punkte der i-ten Oberfläche.
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Wenn man am Punkt y den nach außen gerichteten Normalenvektor auf der Master Surface mit ϑ bezeichnet, dann kann man durch g(X, t) = –ϑ·(x – y) eine sogenannte Gap-Funktion definieren. Dabei ist x die Koordinate in der aktuellen Konfiguration (zum Zeitpunkt t) des materiellen Punktes X in der Referenzkonfiguration. Mit g(X, t) ≥ 0 bedeutet, dass die zwei Körper sich penetrieren. Um dies zu verhindern, muss sich die Krafteinleitung an der Stelle erhöhen. Der Kraft an der Kontaktoberfläche kann in einen normalen und einen tangentialen Anteil aufgeteilt werden, T(X, t) = tN(X, t)ϑ + t α / T(X, t)τα wobei tN die unter Kompression positive Kontaktkraft ist und t α / T die tangentiale Kraftkomponenten oder die Reibkräfte beschreibt. Die Normalenrichtung und die zwei Oberflächen-Tangentialrichtung (α = 1,2) sind durch ϑ und τα gegeben. Aus diesen Bedingungen lassen sich dann die sogenannten Kuhn-Tucker Optimalitätsbedingungen definieren: tN ≥ 0, g ≤ 0, tNg = 0.
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Die Kontaktbedingungen werden dann in die schwache Formulierung des Randwertproblems als zusätzliche Randbedingung integriert. Dabei stellt die 1. Bedingung sicher, dass nur Kompressionskräfte existieren, die 2. Bedingung, dass keine Penetrierung der Körper stattfindet, und die 3. Bedingung, dass die Kontaktkräfte gleich Null sein müssen, wenn die Körper nicht in Kontakt sind.
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Zur numerischen Lösung gibt es mehrere Ansätze z. B. die Langrange-Multiplier-Methode, die Penelty-Methode oder die Augmented Lagrange Methode, die allgemein bekannt sind. Eine exakte Einhaltung der Kuhn-Tucker-Bedingungen entspricht der dicken gestrichelten Kurve in der 4. Falls numerisch sinnvoll/notwendig, kann diese harte Bedingung auch durch eine weiche Bedingung (gepunktete Kurve in ) ersetzt werden. Dadurch können sich 2 Körper bis zu einem gewissen Maß zwar penetrieren, aber der Fehler wird trotzdem gering gehalten. Die gepunktete Kurve in ist eine glatte Approximation der harten Bedingung (fett gestrichelten Kurve).
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Die Diskretisierung der schwachen Form des Kontaktproblems mit Finiten Elementen liefert folgende Residuums-Gleichung:
wobei
die internen Kräfte und
die Kontaktkräfte bei einer bestimmten Verformung D sind.
sind die existierenden externen Kräfte. Die Lösung des Kontaktproblems ist die Verformung, für die das Residuum
verschwindet (gleich Null ist). Die Residualgleichung wird mit Hilfe der Newton-Raphson Formel gelöst.
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Die so berechneten Kontaktkräfte
entsprechen den zu berechnenden Beißkräften.
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1 zeigt die Platzierung eines deformierbaren Materials 1 zwischen Zähnen 2a eines Oberkiefers und Zähnen 2b eines Unterkiefers einer Person. In der in 1 gezeigten Position berühren die Zähne 2a und 2b das deformierebare Material 1 gerade, deformieren es jedoch noch nicht. Die hier gezeigte Situation kann daher als Ausgangsposition definiert werden. Die Zähne 2a und 2b können alle Zähne der Person sein oder nur ein Teil der Zähne. Entsprechend kann das deformierbare Material zwischen allen Zähnen oder nur einem Teil der Zähne angeordnet sein.
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2 zeigt vergrößert das deformierbare Material 1 zwischen zwei Zähnen 2a des Oberkiefers und zwei Zähnen 2b des Unterkiefers. Sowohl die Zähne 2a und 2b als auch das elastische Material 1 wurden hier in Volumenelemente unterteilt, sodass das System der Zähne 2a, 2b und des elastischen Materials 1 in einer Finite-Elemente-Rechnung untersuchbar ist. In einer solchen können dann mit vorstehend beschriebenem Algorithmus auf die Oberfläche der Zähne wirkenden Beißkräfte bestimmt werden.