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Stand der Technik
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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Ermitteln einer Bremskraft oder eines Bremsmoments einer elektromotorisch betätigten Bremse, insbesondere einer automatischen Feststellbremse, gemäß dem Oberbegriff des Patentanspruchs 1.
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Automatische Feststellbremsen bzw. Parkbremsen (APB) umfassen üblicherweise ein Bedienelement, wie z.B. einen Taster, mit dem die Feststellbremse verriegelt oder gelöst werden kann. Bei einer Betätigung des Bedienelements erkennt ein damit verbundenes Steuergerät den Feststellbremswunsch des Fahrers und steuert entsprechend ein Stellglied, wie z.B. eine Hydraulikpumpe und/oder einen Elektromotor an, um Bremskraft aufzubauen oder die Bremse zu lösen.
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Um eine teure Sensorik einzusparen, wird die vom Elektromotor erzeugte Bremskraft häufig aus dem Verlauf des Motorstroms und der Motorspannung geschätzt. Durch Auswertung des Motorstroms und der Motorspannung werden verschiedene Motorparameter, insbesondere die Motorkonstante sowie der Motorwiderstand, berechnet und daraus wiederum die von der Feststellbremse ausgeübte Bremskraft geschätzt. Werden bei einem Zuspannvorgang der Bremse allerdings falsche Strom- oder Spannungsmesswerte aufgezeichnet, kann dies dazu führen, dass die Motorkonstante und/oder der Motorwiderstand falsch berechnet und die von der Feststellbremse ausgeübte Bremskraft dann viel zu hoch oder viel zu niedrig geschätzt wird. Insbesondere eine zu niedrige hohe Schätzung der Bremskraft ist kritisch, da sich das Fahrzeug in diesem Fall lösen und plötzlich wegrollen kann.
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Offenbarung der Erfindung
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Es ist somit die Aufgabe der vorliegenden Erfindung, ein Verfahren und eine Vorrichtung zum Ermitteln der Bremskraft oder eines Bremsmoments einer Feststellbremse zu schaffen, das deutlich robuster gegenüber Störungen ist und mittels dessen die von der Feststellbremse ausgeübte Klemmkraft wesentlich zuverlässiger geschätzt werden kann.
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Gelöst wird diese Aufgabe gemäß der Erfindung durch die im Patentanspruch 1 angegebenen Merkmale. Weitere Ausgestaltungen der Erfindung ergeben sich aus den Unteransprüchen.
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Gemäß der Erfindung wird ein Verfahren zum Ermitteln einer Bremskraft oder einer elektromotorisch betätigten Bremse vorgeschlagen, bei dem der bei einem Zuspannvorgang der Bremse fließende Motorstrom (oder ein dazu proportionaler Strom) gemessen und die Strommesswerte in regelmäßigen Abständen aufgezeichnet werden. Darüber hinaus wird eine Fehlererkennung durchgeführt, wobei ein Messwert mit einem aufgezeichneten früheren Messwert, oder einer von einem früheren Messwert abhängigen Funktion, verglichen wird. Wenn anhand des Vergleichs ein fehlerhafter Strommesswert erkannt wurde, wird dieser Messwert durch einen Ersatzwert ersetzt. Mittels des erfindungsgemäßen Verfahrens können somit einzelne „Ausreißer“ erkannt und durch „richtige“ Ersatzwerte ersetzt werden. Die Bestimmung der Bremskraft ist somit deutlich robuster und liefert zuverlässigere Werte.
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Die Strommesswerte können beispielweise in regelmäßigen Abständen von 1 ms, 2 ms oder 5 ms aufgezeichnet werden. Die zeitliche Abstand der Messwerte ist prinzipiell frei definierbar und auf die jeweilige Applikation abzustimmen.
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Der vorstehend genannte Ersatzwert ist vorzugsweise eine Funktion einer Differenz von wenigstens zwei früheren Messwerten. Gemäß einer bevorzugten Ausführungsform der Erfindung kann ein Ersatzwert beispielweise gemäß folgender Beziehung berechnet werden: xne = xn-1 – (xn-2 – xn-1) wobei xn-1 und xn-2 frühere plausible Messwerte sind.
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Bekannte elektromechanische Feststellbremsen umfassen Elektromotoren (mit Getrieben), die sich entweder direkt an der Radbremse (sog. „motor on caliper“) befinden und dort die Bremse direkt spannen bzw. lösen, oder die Radbremsen über den Seilzug betätigen (sog. „cable puller“). Ein Feststellbrems-Vorgang, bei dem der Bremsbelag aus einer gelösten Position der Feststellbremse heraus in Richtung der zugespannten Position bewegt wird, kann prinzipiell in mehrere Phasen unterteilt werden. In einer ersten Phase, die auch als Anlaufphase bezeichnet wird, entsteht zunächst ein Strompeak durch das Einschalten des Elektromotors, der im nachfolgenden Verlauf bis auf den Leerlaufstrom abfällt. In der zweiten Phase des Bremsvorgangs überwindet der Bremsbelag das Lüftspiel der Bremse; der Elektromotor befindet sich dabei im Leerlauf. Zu Beginn der dritten Phase stößt der Bremsbelag dann gegen das zu bremsende Element, wie z.B. eine Bremsscheibe, wobei sich im weiteren Verlauf Bremskraft aufbaut und gleichzeitig der Motorstrom ansteigt.
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In einem ersten Abschnitt der ersten Phase des Motorbetriebs, in dem der Motorstrom stetig bis zum Maximum des Strompeaks steigt, wird im Rahmen der Fehlererkennung vorzugsweise überprüft, ob der jeweils aktuelle Messwert größer oder kleiner ist als ein vorhergehender Messwert. Falls der aktuelle Messwert nicht größer ist als der frühere Messwert, wird ein Fehler erkannt und der aktuelle Messwert auf einen vorgegebenen Ersatzwert gesetzt. Dieser Ersatzwert kann beispielsweise ein fester Wert sein, der für alle überwachten Messwerte gleich ist. Alternativ kann auch ein Erwartungswert herangezogen werden, der beispielsweise aus einem oder mehreren früheren Werten gebildet ist, wie z. B. ein extrapolierter Wert.
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In einem zweiten Abschnitt der ersten Phase des Motorbetriebs, in dem der Motorstrom ausgehend von dem Maximum stetig fällt, bis ein Leerlaufstrom erreicht ist, wird im Rahmen der Fehlererkennung vorzugsweise überwacht, ob der Strommesswert von einem Erwartungswert stärker oder weniger stark abweicht als ein vorgegebener Schwellenwert. Falls der aktuelle Strommesswert stärker abweicht als die durch den Schwellenwert vorgegebene Toleranzbreite, wird ein Fehler erkannt und der aktuelle Messwert durch einen Ersatzwert ersetzt. Der Ersatzwert kann beispielsweise aus einer Differenz vergangener Messwerte, z. B. gemäß folgender Beziehung gebildet sein: xne = xn-1 – (xn-2 – xn-1) wobei xne der Ersatzwert und
xn-1, xn-2 frühere plausible Messwerte sind.
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Der Erwartungswert kann z. B. ebenfalls nach obiger Formel berechnet werden. Alternativ kann aber auch ein anderer, z. B. empirisch ermittelter Wert herangezogen werden.
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Gemäß einer speziellen Ausführungsform der Erfindung wird nur eine bestimmte Zahl aufeinander folgender, fehlerhafter Messwerte durch Ersatzwerte ersetzt. Ist die Anzahl aufeinander folgender fehlerhafter Strommesswerte größer als N, wird vorzugsweise ein Reset durchgeführt und der Bremsvorgang neu gestartet (wobei der Bremsbelag zuvor z. B. in eine maximal zurückgezogene Position zurückgefahren wird, mindestens aber in den Ausgangszustand vor der Ansteuerung) oder vom aktuellen Betriebszustand fortgesetzt. Die Zahl N ist dabei vorzugsweise eine kleine ganze Zahl, wie z.B. 4, 5 oder 6 fehlerhafte Messungen.
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In der zweiten Phase des Motorbetriebs, in der sich der Elektromotor im Leerlauf befindet, wird vorzugsweise im Rahmen der Fehlererkennung überwacht, ob der Messwert von einem Strom-Mittelwert stärker oder weniger stark abweicht als ein vorgegebener Schwellenwert. Wenn der aktuelle Messwert stärker abweicht als die durch den Schwellenwert vorgegebene Toleranzbreite, wird vorzugsweise ein Fehler erkannt und der aktuelle Messwert wird durch einen Ersatzwert ersetzt. Der Ersatzwert ist vorzugsweise gleich einem bisherigen Mittelwert der Strom-Messwerte in der Leerlaufphase.
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In der dritten Phase des Motorbetriebs, in der die Klemmkraft der Bremse und der Motorstrom langsam ansteigen, wird vorzugsweise ebenfalls eine Fehlererkennung durchgeführt. Im Falle eines fehlerhaften Strommesswerts wird vorzugsweise ein Erwartungswert in Abhängigkeit vom hydraulischen Bremsdruck in der Bremsanlage ermittelt und der fehlerhafte Strommesswert durch einen Ersatzwert ersetzt. Der Ersatzwert ist dabei vorzugsweise gleich dem Erwartungswert.
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Die Erfindung betrifft ferner ein Steuergerät, das vorzugsweise mit einem entsprechenden Software-Algorithmus ausgestattet ist, der eine Fehlererkennung durchführt und fehlerhafte Messwerte ersetzt und schließlich wenigstens einen Motorparameter und/oder die Bremskraft bzw. das Bremsmoment der Bremse ermittelt.
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Die Erfindung wird nachstehend anhand der beigefügten Zeichnungen beispielhaft näher erläutert. Es zeigen:
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1 eine schematische Darstellung des Motorstroms Imot und der Motordrehzahl nmot des Elektromotors einer automatischen Parkbremse;
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2 verschiedene Verfahrensschritte eines Verfahrens zum Ermitteln einer Bremskraft oder eines Bremsmoments einer elektromotorisch betätigten Feststellbremse;
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3 verschiedene Verfahrensschritte in einem ersten Abschnitt einer ersten Phase eines Bremsvorgangs einer elektromotorisch betätigen Feststellbremse;
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4 verschiedene Verfahrensschritte in einem zweiten Abschnitt einer ersten Phase eines Bremsvorgangs einer elektromotorisch betätigen Feststellbremse;
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5 verschiedene Verfahrensschritte in einer zweiten Phase eines Bremsvorgangs einer elektromotorisch betätigen Feststellbremse; und
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6 verschiedene Verfahrensschritte in einer dritten Phase eines Bremsvorgangs einer elektromotorisch betätigen Feststellbremse.
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1 zeigt den zeitlichen Verlauf des Motorstroms Imot und der Motordrehzahl nmot eines Elektromotors einer elektromotorisch betätigten Feststellbremse bei einem Feststellbrems-Vorgang.
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Beim Zuspannen wird die Feststellbremse aus einer gelösten Position heraus, in der sich die Bremsbeläge im Abstand zu einer Bremsscheibe befinden, betätigt und die Bremsbeläge mittels des Elektromotors in Richtung der Bremsscheibe angetrieben, bis sich zum Schluss eine vorgegebene Bremskraft eingestellt hat.
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Durch das Einschalten des Elektromotors zeigt sich zu Beginn des Verlaufs ein Strompeak, der anschließend bis auf einen Leerlaufstrom wieder abklingt. In der zweiten Phase Ph2 befindet sich der Elektromotor im Leerlauf, während die Bremsbeläge das Lüftspiel überwinden. Der Motorstrom Imot entspricht dabei dem Leerlaufstrom; die Drehzahl nmot des Elektromotors ist maximal, entsprechend einer Leerlaufdrehzahl. Die Phase Ph3 beginnt, wenn die Bremsbeläge gegen die Bremsscheibe stoßen. Im folgenden Verlauf wird zunehmend Bremskraft aufgebaut, bis eine gewünschte Sollbremskraft erreicht ist. Der Motorstrom Imot steigt daher in der Phase Ph3 leicht an und die Drehzahl nmot fällt entsprechend ab.
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Die Klemmkraft der Feststellbremse wird hier mit Hilfe eines bekannten Algorithmus unter Berücksichtigung des Motorstroms Imot und der Motorspannung (nicht gezeigt) geschätzt. Dabei wird in regelmäßigen Abständen, beispielsweise jede ms, ein entsprechender Messwert aufgezeichnet und entsprechend verarbeitet. Durch verschiedene externe, aber auch interne Einflüsse, wie z.B. EMV-Störungen, kann es zu fehlerhaften Messwerten kommen. Es ist daher vorgesehen, die Messwerte, insbesondere die Strommesswerte zu überwachen und im Falle von nicht plausiblen Messwerten („Ausreißer“) diese fehlerhaften Messwerte durch entsprechende Ersatzwerte zu ersetzen, um die Zuverlässigkeit der Klemmkraftschätzung zu verbessern. Dabei werden für die verschiedenen Phasen Ph1–Ph3 des Zuspannvorgangs verschiedene Maßnahmen sowohl für die Fehlerüberwachung als auch für das Ersetzen der fehlerhaften Messwerte durch Ersatzwerte vorgeschlagen.
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2 zeigt verschiedene Verfahrensschritte eines Verfahrens zum Ermitteln der Zuspannkraft einer elektromotorisch betätigen Feststellbremse, wobei in Schritt S1 zunächst ermittelt wird, in welcher Phase und gegebenenfalls in welchem Phasenabschnitt sich der Zuspannvorgang befindet. Je nach Ergebnis der Phasenerkennung wird dann entweder die Prozedur S2, S3, S4 oder S5 ausgeführt.
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Die Prozedur S2 wird in einem ersten Abschnitt einer ersten Phase eines Zuspannvorgangs ausgeführt, in dem der Motorstrom stetig steigt, bis ein Maximalwert des Strompeaks erreicht ist. Die Prozedur S2 (siehe 3) überprüft in Schritt S7, ob der jeweils aktuelle Messwert xn größer ist als ein vorhergehender Messwert xn-1. Falls dies zutrifft (J), wird der aktuelle Messwert als plausibel betrachtet und in Schritt S8 gespeichert. Die Prozedur S2 kehrt dann wieder zurück zu Schritt S1 von 1. Falls die Abfrage von Schritt S7 dagegen negativ war (N), wird der fehlerhafte Messwert durch einen geeigneten Ersatzwert in Schritt S9 ersetzt. Der Ersatzwert kann dabei für alle fehlerhaften Messwerte ein einheitlicher Wert, z. B. xmax, sein. Nach Schritt S9 kehrt die Prozedur S2 ebenfalls wieder zu Schritt S1 von 1 zurück.
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Die Prozedur S3 wird in einem zweiten Abschnitt einer ersten Phase eines Zuspannvorgangs ausgeführt, in dem der Motorstrom stetig fällt, bis ein Minimalwert des Stroms erreicht ist (Leerlaufstrom). Die Prozedur S3 (siehe 4) überprüft in Schritt S10, ob der jeweils aktuelle Messwert xn einem Erwartungswert Xne = Xn-1 – (Xn-2 – Xn-1)·FK entspricht. FK ist dabei ein vorgegebener Korrekturfaktor, der z. B. zwischen 0.8 und 1 liegen kann, aber auch kleiner oder größer sein kann. Falls dies zutrifft (J), wird der aktuelle Messwert als plausibel betrachtet und in Schritt S11 gespeichert. Die Prozedur S2 kehrt dann wieder zurück zu Schritt S1 von 1. Falls die Abfrage von Schritt S10 dagegen negativ war (N), wird der fehlerhafte Messwert durch einen geeigneten Ersatzwert in Schritt S12 ersetzt. Der Ersatzwert kann dabei z.B. dem Erwartungswert entsprechen oder darauf basierend ermittelt werden. Nach Schritt S12 kehrt die Prozedur S3 ebenfalls wieder zu Schritt S1 von 1 zurück.
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Wenn sich der Zuspannvorgang in der zweiten Phase Ph2 befindet, wird die Prozedur S4 durchgeführt, wie sie beispielhaft in 5 dargestellt ist. Darin wird in Schritt S13 zunächst überprüft, ob der aktuelle Messwert stärker von einem Mittelwert X abweicht als ein vorgegebener Schwellenwert K1. Wenn der aktuelle Messwert innerhalb der durch den Schwellenwert vorgegebenen Bandbreite liegt (J), wird ein plausibler Messwert erkannt, und der aktuelle Messwert in Schritt S14 gespeichert. Falls der aktuelle Messwert xn außerhalb der Toleranzbreite liegt, wird er in Schritt S15 einfach durch den bisherigen Mittelwert ersetzt. Nach den Schritten S14 bzw. S15 geht die Prozedur S4 wieder zurück zu Schritt S1.
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6 zeigt schließlich die in der dritten Phase des Zuspannvorgangs durchgeführte Prozedur S5. Daher wird in Schritt S16 zunächst wiederum eine Plausibilitätsprüfung durchgeführt, hier allerdings unter Berücksichtigung des im Bremssystem herrschenden hydraulischen Bremsdrucks. Wenn kein Fehler vorliegt, wird der aktuelle Messwert xn in Schritt S17 gespeichert. Wird dagegen ein Fehler erkannt, wird der fehlerhafte Messwert in Schritt S18 durch einen Ersatzwert ersetzt. Nach den Schritten S17 bzw. S18 endet das Verfahren.