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Die Erfindung betrifft ein Kraftfahrzeug mit einem Fahrerassistenzsystem. Das Fahrerassistenzsystem umfasst eine Umgebungssensorik zum Beobachten eines Fahrzeugumfelds, eine Steuereinrichtung zum Erkennen eines Kollisionsrisikos anhand eines Umgebungssignals der Umgebungssensorik und eine Assistenzkomponente, die bei erkanntem Kollisionsrisiko eine Assistenzfunktion für eine Längs- und/oder Querführung des Kraftfahrzeugs aktiviert. Zu der Erfindung gehört auch ein entsprechendes Betriebsverfahren für das Fahrerassistenzsystem.
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Durch ein Fahrerassistenzsystem der genannten Art lässt sich beispielsweise eine bevorstehende Frontkollision vorhersagen. Mittels der Assistenzkomponente lässt sich eine drohende Kollision oder ein zu nahes Auffahren mittels einer Gegenmaßnahme in Form der Assistenzfunktion, beispielsweise einer Warnung an den Fahrer oder sogar einer aktiven Einflussnahme auf die Längsbeschleunigung, vornehmen.
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Ein Aktivieren einer solchen Assistenzfunktion wäre aber störend, wenn der Fahrer das Kraftfahrzeug selbst führt und beispielsweise vor einem Spurwechsel auf eine dicht befahrene Nachbarspur bereits vor dem Spurwechsel beschleunigt und sich hierdurch einem unmittelbar vorausfahrendem Fremdfahrzeug derart nähert, dass die Assistenzfunktion ausgelöst wird. Das Fahrerassistenzsystem kann in diesem Fall nicht „wissen“, dass der Fahrer beabsichtigt, gleich auf die Nachbarspur auszuweichen. Durch eine fehlerhaft ausgelöste Assistenzfunktion entsteht eine unerwünschte Ablenkung des Fahrers, die an sich wieder ein Unfallrisiko birgt. Sieht man allerdings bei einem solchen Fahrerassistenzsystem größere Toleranzen vor, um die Fehlauslösung zu vermeiden, vergeudet dies die Möglichkeit einer Warnung des Fahrers oder eines Eingriffs in die Fahrzeugführung in anderen Situationen, in denen das Aktivieren der Assistenzfunktion wünschenswert wäre.
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Aus der
DE 10 2004 048 012 A1 ist ein Spurhalteassistent beschrieben, dessen Warnsignal unterdrückt wird, wenn ein absichtlicher Spurwechsel des Fahrers auf der Grundlage zurückliegender Spurwechsel erkannt worden ist.
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Aus der
DE 10 2006 043 676 A1 ist ein Fahrerassistenzsystem mit einer Warnfunktion bekannt, welches den Fahrer auf gefährliche Verkehrssituation hinweist und hierbei die Gefährlichkeit einer aktuellen Verkehrssituation in Abhängigkeit von einer Fahreraufmerksamkeit bewertet. Die Fahreraufmerksamkeit wird anhand der Fahrdynamik des Kraftfahrzeugs ermittelt.
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Aus der US 2007 / 0 115 105 A1 ist ein Fahrerassistenzsystem bekannt, das mittels eines neuronalen Netzwerks überprüft, ob ein gerade stattfindender Spurwechsel eines Kraftfahrzeugs absichtlich vom Fahrer durchgeführt wird oder ohne die Aufmerksamkeit des Fahrers geschieht.
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Aus der
DE 198 18 236 A1 ist ein Fahrerassistenzsystem beschrieben, welches kontinuierlich mittels eines Bilderfassungssystems eine Blickrichtung eines Kraftfahrzeugführers erfasst und mittels einer Auswerteeinrichtung den Zeitpunkt und die Dauer, die der Kraftfahrzeugführer in einen Rück- und Außenspiegel geblickt hat, ermittelt. Unterschreitet die Dauer einen Referenzwert, wird ein Warnsignal ausgegeben, falls sich das Kraftfahrzeug gerade in einem Überholvorgang befindet.
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Aus der
DE 10 2004 048 011 A1 ist ein Fahrerassistenzsystem beschrieben, das bei einem Spurwechsel ein Warnsignal in Abhängigkeit des Fahrerzustandes und der Spurwechselabsicht ausgibt. Hierbei wird die Vigilanz des Fahrers ermittelt. Ist der Fahrer nicht aufmerksam, so wird bei einem erkannten Spurwechsel davon ausgegangen, dass dieser nicht vom Fahrer beabsichtigt ist.
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Aus der
EP 1 508 476 A2 ist ein Fahrerassistenzsystem bekannt, welches einen Sensor zur Überwachung des seitlichen und/oder rückwärtigen Fahrzeugumfelds aufweist. Im Falle eines erfassten Fahrzeugs wird über ein optisches Anzeigemittel ein Informationssignal und bei einer drohenden gefährlichen Verkehrssituation ein Warnsignal ausgegeben.
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Aus der
EP 1 612 082 A1 ist ein Spurwechselassistent für ein Kraftfahrzeug bekannt, der einen Gefahrenwert in Abhängigkeit von Ortungsdaten betreffend andere Fahrzeuge sowie in Abhängigkeit von Umweltbedingungen berechnet und mittels des Gefahrenwertes das Risikopotential einer Kollision angibt. Falls der Gefahrenwert einen bestimmten Schwellenwert überschreitet, kann ein Warnsignal ausgegeben werden. Die Ausgabe des Warnsignals kann dabei davon abhängig gemacht werden, ob eine Spurwechselabsicht des Fahrers erkannt wurde. Es kann aber auch vorgesehen sein, das Warnsignal unabhängig von einem bevorstehenden Fahrmanöver auszugeben.
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In der
DE 10 2005 014 803 A1 ist ein Kollisionsvermeidungssystem beschrieben, das eine minimale Kollisionsvermeidungszeit ermittelt und ein Warnsignal ausgibt, falls diese Kollisionsvermeidungszeit einen Schwellenwert unterschreitet. Der Schwellenwert wird in Abhängigkeit von einer Reaktionszeit des Fahrers auf eine erste Ausgabe des Warnsignals eingestellt. Hierdurch wird das individuelle Fahrverhalten in dem Kollisionsvermeidungssystem berücksichtigt.
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Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, bei einem Fahrerassistenzsystem eine Fehlauslösung einer kollisionsrisikobedingt auszulösenden Assistenzfunktion zu vermeiden.
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Die Aufgabe wird durch die Gegenstände der unabhängigen Patentansprüche gelöst. Vorteilhafte Weiterbildungen der Erfindung ergeben sich durch die Merkmale der abhängigen Patentansprüche.
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Das erfindungsgemäße Verfahren dient dazu, ein Fahrerassistenzsystem zu betreiben, während das Kraftfahrzeug, in welchem das Fahrerassistenzsystem bereitgestellt ist, von einem Fahrer geführt wird, während also der Fahrer eine Längsführung und/oder eine Querführung des Kraftfahrzeugs selbst durchführt.
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Bei dem Verfahren erfasst eine Umgebungssensorik des Kraftfahrzeugs ein Umgebungssignal aus einem Fahrzeugumfeld. Die Umgebungssensorik kann hierbei in an sich bekannter Weise ausgestaltet sein und beispielsweise ein Kamerasystem, zumindest einen Radarsensor, zumindest einen Lidarsensor, zumindest einen Ultraschallsensor oder eine Kombination dieser Sensoren aufweisen. Eine Steuereinrichtung des Kraftfahrzeugs, beispielsweise ein Steuergerät oder eine andere Prozessoreinrichtung des Kraftfahrzeugs, ermittelt anhand des Umgebungssignals der Umgebungssensorik einen Kollisionsrisikowert. Dieser Kollisionsrisikowert ist von einer Relativbewegung des Kraftfahrzeugs bezüglich eines in dem Fahrzeugumfeld befindlichen Verkehrsobjekts abhängig. Der Kollisionsrisikowert kann hierbei ganz konkret beispielsweise einen Abstand des Kraftfahrzeugs zu einem unmittelbar vorausfahrenden Fremdfahrzeug angeben, welches in diesem Fall dann das Verkehrsobjekt darstellt. Der Kollisionsrisikowert kann aber auch ein abstrakter Wert sein, welcher von dem besagten Abstand und/oder zumindest einem Fahrdynamikwert des Kraftfahrzeugs und/oder des Fremdfahrzeugs abhängig ist. Beispielsweise kann der Kollisionsrisikowert sowohl von dem Abstand als auch von einer Fahrgeschwindigkeit abhängen, mit welcher sich das Kraftfahrzeug dem Fremdfahrzeug nähert. Auch ein Beschleunigungswert des Kraftfahrzeugs und/oder des Fremdfahrzeugs kann berücksichtigt sein. Die Berechnung eines solchen Kollisionsrisikowerts ist an sich aus dem Stand der Technik im Zusammenhang mit Kollisionswarnsystemen bekannt.
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Die Steuereinrichtung überprüft dann, ob der Kollisionsrisikowert in einem vorbestimmten Werteintervall liegt. Dieses Werteintervall gibt all diejenigen möglichen Kollisionsrisikowerte an, die auf eine drohende Kollision des Kraftfahrzeugs mit dem Verkehrsobjekt hinweisen. Liegt also der Kollisionsrisikowert innerhalb des Werteintervalls, so wird durch die Steuereinrichtung ein Auslösesignal erzeugt. Die bereits beschriebene Assistenzkomponente des Kraftfahrzeugs aktiviert ihre Assistenzfunktion in Abhängigkeit von dem Auslösesignal, so dass dann die Assistenzkomponente eine Längs- und/oder Querführung des Kraftfahrzeugs beeinflusst.
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Die Assistenzkomponente kann als Assistenzfunktion insbesondere einen Hinweis an den Fahrer ausgeben, dass er sich in einer kollisionsgefährdeten Situation befindet. Zusätzlich oder alternativ dazu kann die Assistenzkomponente als Assistenzfunktion mittels eines Aktors selbsttätig, also ohne ein Zutun des Fahrers, das Kraftfahrzeug führen. Als Aktor kann hierbei beispielsweise eine Überlagerungslenkung und/oder ein Steuergerät für eine Eigenbremsung des Kraftfahrzeugs bereitgestellt sein.
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Um nun eine Wahrscheinlichkeit für eine Fehlauslösung der Assistenzfunktion zu vermindern, ist erfindungsgemäß vorgesehen, dass die Steuereinrichtung zumindest ein zusätzliches Signal empfängt, dass von einer Beobachtungseinrichtung des Kraftfahrzeugs erzeugt wird. Diese Beobachtungseinrichtung beobachtet ein Führungsverhalten des Fahrers. Entsprechend handelt es sich bei dem zumindest einem zusätzlichen Signal um ein Führungssignal, dass von einem Führungsverhalten des Fahrers abhängig ist. Anhand des zumindest einen Führungssignals ermittelt die Steuereinrichtung ein bevorstehendes Fahrmanöver, also beispielsweise einen bevorstehenden Überholvorgang. Abhängig von dem ermittelten Fahrmanöver stellt die Steuereinrichtung zumindest eine Intervallgrenze des Werteintervalls ein.
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Das erfindungsgemäße Verfahren weist den Vorteil auf, dass die Warn-/Eingriffsschwelle des Fahrerassistenzsystems durch Einstellen der Intervallgrenze verschoben wird. Mit anderen Worten ist das Werteintervall an das bevorstehende Fahrmanöver angepasst, so dass das Fahrerassistenzsystem situationsgerecht reagiert.
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Mittels des erfindungsgemäßen Verfahrens können natürlich auch mehrere Assistenzkomponenten besteuert werden. Des Weiteren können auch mehrere Verkehrsobjekte überwacht werden und zu jedem Verkehrsobjekt ein entsprechender Kollisionsrisikowert ermittelt und mit einem jeweiligen Werteintervall verglichen werden.
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Andere Weiterbildungen der Erfindung ergeben sich durch die Ausgestaltung der Beobachtungseinrichtung.
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Gemäß einer Weiterbildung der Erfindung umfasst das zumindest eine Führungssignal ein von einer Blickrichtung des Fahrers abhängiges Blickrichtungssignal eines Eye-Trackers der Beobachtungseinrichtung. Der Eye-Tracker kann hierbei in an sich bekannter Weise ausgestaltet sein. Das Blickrichtungssignal kann eine momentane Blickrichtung oder eine zu einem vergangenen Zeitpunkt ermittelte Blickrichtung oder ein Mittelwert von zu unterschiedlichen Zeitpunkten ermittelten Blickrichtungen sein.
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Gemäß einer Weiterbildung gibt das Blickrichtungssignal dabei an, ob der Fahrer innerhalb eines vorbestimmten Zeitintervalls eine Einrichtung zum Betrachten eines bezüglich des Kraftfahrzeugs seitlichen und/oder rückwärtigen Verkehrs angeblickt hat. Mit anderen Worten gibt das Blickrichtungssignal insbesondere an, ob der Fahrer in dem Zeitintervall in einen Rückspiegel, einen Seitenspiegel, einen Bildschirm einer Kamera oder durch ein Seitenfenster des Kraftfahrzeugs geblickt hat. Das Zeitintervall kann beispielsweise angeben, dass dieser Blick innerhalb der letzten 15 Sekunden oder der letzten 10 Sekunden oder der letzten 5 Sekunden stattgefunden haben muss.
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Eine andere Weiterbildung sieht vor, dass das Blickrichtungssignal angibt, ob der Fahrer seinen Blick auf das Verkehrsobjekt gerichtet hält und/oder innerhalb eines vorbestimmten weiteren Zeitintervalls auf das Verkehrsobjekt gerichtet hatte. Mit anderen Worten wird überprüft, ob der Fahrer bewusst auf das Verkehrsobjekt blickt, für welches der Kollisionsrisikowert ermittelt wird.
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Gemäß einer anderen Weiterbildung beschreibt das zumindest eine Führungssignal eine relative Lage des Kraftfahrzeugs bezüglich einer Fahrzeuglücke auf einer Nachbarspur. Mit anderen Worten wird überprüft, ob es plausibel ist, dass das bevorstehende Fahrmanöver ein Überhol- oder ein Spurwechselmanöver auf die Nachbarspur darstellt.
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Bei den beschriebenen Situationen, die durch das zumindest eine Führungssignal beschrieben werden, wird durch das Einstellen der Intervallgrenze bewirkt, dass die Warn-/Eingriffsschwelle der Steuereinrichtung dahingehend verschoben wird, dass trotz des bewussten Führungsverhaltens des Fahrers die Assistenzfunktion nicht ausgelöst wird, das heißt inaktiv bleibt. Anders als im Stand der Technik wird hierbei das Auslösesignal nicht unterdrückt, sondern es wird durch Einstellen der Intervallgrenze des Werteintervalls dafür gesorgt, dass das Fahrerassistenzsystem weiterhin situationsgerecht reagiert. Wird das Auslösesignal dennoch durch die Steuereinrichtung erzeugt, so löst es auch die Assistenzfunktion aus. Unterdrückt man dagegen das Auslösesignal, wie im Stand der Technik, so bedeutet dies, dass die Steuereinrichtung anhand des Kollisionsrisikowerts eine bevorstehende Kollision erkennt und dies signalisiert, hiervon aber die Assistenzkomponente durch das Unterdrücken des Auslösesignals abgeschnitten ist und entsprechend kein Schutz für den Fahrer besteht.
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Die Steuereinrichtung kann auch mehrere Führungssignale von unterschiedlichen Komponenten der Beobachtungseinrichtung empfangen.
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Um aus einem oder mehreren Führungssignalen zu erkennen, welches Fahrmanöver bevorsteht, sieht eine Weiterbildung des Verfahrens vor, das mehrere mögliche Fahrmanöver definiert werden, beispielsweise ein Überholvorgang, ein Spurwechsel, ein Abfahren von einer Autobahn, ein Abbiegemanöver, ein Einparkmanöver. Die Steuereinrichtung ordnet dann das zumindest eine Führungssignal mittels einer Klassifikation einem der möglichen Fahrmanöver zu. Durch eine Klassifikation sind für die unterschiedlichen Führungssignale jeweils beispielsweise Werteintervalle definiert, wobei dann ein bestimmtes der Fahrmanöver ausgewählt wird, wenn jedes Führungssignal in einem bestimmten der ihm zugeordneten Werteintervalle liegt. Nach dem Zuordnen des zumindest einen Führungssignals zu dem Fahrmanöver wird dann dieses Fahrmanöver als das bevorstehende Fahrmanöver zugrunde gelegt und signalisiert.
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Wie bereits ausgeführt, gehört zu der Erfindung auch ein Kraftfahrzeug. Dieses weist eine Führungseinrichtung zum Längs- und/oder Querführen des Kraftfahrzeugs durch einen Fahrer auf, also beispielsweise eine Pedalerie und/oder ein Lenkrad. Das erfindungsgemäße Kraftfahrzeug weist auch die beschriebene Umgebungssensorik, die genannte Steuereinrichtung und zumindest eine Assistenzkomponente auf, die mittels eines Auslösesignals durch die Steuereinrichtung aktiviert werden kann. Erfindungsgemäß ist bei dem Kraftfahrzeug auch die beschriebene Beobachtungseinrichtung zum Bereitstellen von zumindest einem von einem Führungsverhalten des Fahrers abhängigen Führungssignals bereitgestellt, wobei die Beobachtungseinrichtung mit der Steuereinrichtung gekoppelt ist. Das erfindungsgemäße Kraftfahrzeug ist dazu ausgelegt, eine Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens durchzuführen.
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Bevorzugt ist das Kraftfahrzeug als Kraftwagen, insbesondere als Personenkraftwagen, ausgestaltet.
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Im Folgenden ist ein Ausführungsbeispiel der Erfindung beschrieben. Hierzu zeigt die einzige Figur (Fig.) eine schematische Darstellung einer Ausführungsform des erfindungsgemäßen Kraftfahrzeugs bei einem bevorstehenden Überholmanöver.
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Bei dem im Folgenden erläuterten Ausführungsbeispiel handelt es sich um eine bevorzugte Ausführungsform der Erfindung. Bei dem Ausführungsbeispiel stellen aber die beschriebenen Komponenten der Ausführungsform jeweils einzelne, unabhängig voneinander zu betrachtende Merkmale der Erfindung dar, welche die Erfindung jeweils auch unabhängig voneinander weiterbilden und damit auch einzeln oder in einer anderen als der gezeigten Kombination als Bestandteil der Erfindung anzusehen sind. Des Weiteren ist die beschriebene Ausführungsform auch durch weitere der bereits beschriebenen Merkmale der Erfindung ergänzbar.
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In der Fig. ist aus einer Vogelperspektive ein Kraftfahrzeug 10 gezeigt, bei dem es sich um eine Ausführungsform des erfindungsgemäßen Kraftfahrzeugs handelt. Das Kraftfahrzeug 10 kann beispielsweise ein Kraftwagen, insbesondere ein Personenkraftwagen, sein. Das Kraftfahrzeug 10 fährt auf einer Straße 12 mit einer rechten Fahrbahnspur 14 und einer linken Nachbarspur 16. Die Fahrbahnspuren sind durch Fahrspurbegrenzungen 17 abgegrenzt. Die Straße 12 stellt ein Fahrzeugumfeld dar.
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Auf der rechten Fahrbahnspur 14 fährt unmittelbar vor dem Kraftfahrzeug 10 ein Fremdfahrzeug 18. Auf der Nachbarspur 16 können weitere Fremdfahrzeuge 20, 22 fahren. Zwischen den Fremdfahrzeugen 20, 22 ist durch deren Abstand 24 eine Fahrzeuglücke 26 gebildet, in welche ein (nicht dargestellter) Fahrer des Kraftfahrzeugs 10 in dem Beispiel zum Überholen des Fremdfahrzeugs 18 einscheren möchte. Das Kraftfahrzeug 10 fährt dabei mit einer Fahrgeschwindigkeit V10, die in der Fig. durch einen Pfeil für die Fahrtrichtung veranschaulicht ist. Die Fremdfahrzeuge 18, 20, 22 fahren mit einer entsprechenden Fahrgeschwindigkeit V18, V20, V22, wobei in der Fig. Fahrtrichtungsvektoren die jeweilige Fahrgeschwindigkeit veranschaulichen.
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Um in die Fahrzeuglücke 26 einscheren zu können, muss der Fahrer des Kraftfahrzeugs 10 seine Fahrgeschwindigkeit V10 erhöhen, weil die Fahrgeschwindigkeit V18 des Fremdfahrzeugs 18 geringer ist als die Fahrgeschwindigkeiten V20, V22 der Fremdfahrzeuge 20, 22.
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Der Fahrer beabsichtigt für den Überholvorgang ein Spurwechselmanöver 28 und möchte hierbei die Fahrgeschwindigkeit V10 derart auf die Fahrgeschwindigkeiten V18, V20, V22 abstimmen, dass er das Spurwechselmanöver 28 durchführt, sobald sich die Fahrzeuglücke 26 neben dem Kraftfahrzeug 10 befindet. Hierzu muss der Fahrer das Kraftfahrzeug 10 beschleunigen und auf einen Abstand 30 an das Fremdfahrzeug 18 annähern.
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Das Kraftfahrzeug 10 kann ein Fahrerassistenzsystem 32 aufweisen, dass den Fahrer des Kraftfahrzeugs 10 warnt und/oder durch einen eigenständigen Eingriff in die Führung des Kraftfahrzeugs 10 davor schützt, dass das Kraftfahrzeug 10 auf einen Abstand kleiner als ein Mindestabstand 34 an ein unmittelbar vorausfahrendes Verkehrsobjekt angenähert wird. Der Mindestabstand 34 ist größer als der Abstand 30. Dennoch reagiert das Fahrerassistenzsystem 32 nicht mit einer Warnung und/oder einem Eingriff während der Fahrer den Spurwechsel 28 vorbereitet.
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Hierfür analysiert eine vorhandene Sensorik des Kraftfahrzeugs 10, ob der Fahrer gegebenenfalls den Spurwechsel plant. Ein wichtiger Indikator hierfür ist beispielsweise, ob kürzlich ein Spiegelblick stattgefunden hat und der Fahrer beim Beschleunigen seinen Blick nach vorn richtet. Dies ist mittels beispielsweise eines Eye-Trackers möglich. Weitere Indikatoren können ein gesetzter Blinker sein und eine Verifizierung, ob in der nebenliegenden Spur 16 überhaupt ein Platz zum Ausscheren wäre, also die Fahrzeuglücke 26. In dem Fall kann durch das Fahrerassistenzsystem 32 von einem bevorstehenden Spurwechsel 28 ausgegangen werden und die Warn-/Eingriffsschwelle bei zu dichtem Auffahren auf den Vordermann entsprechend verschoben werden. Mit anderen Worten wird also der Mindestabstand 34 auf einen kleineren Mindestabstand 34' verringert, sobald durch das Fahrerassistenzsystem erkannt wird, dass der Fahrer des Kraftfahrzeugs 10 offenbar einen Spurwechsel 28 plant. Hierdurch reagiert das Fahrerassistenzsystem 32 dann nicht mehr auf das Auffahren auf das Fremdfahrzeug 18 bis zum Abstand 30.
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Um den beschriebenen Betrieb des Fahrerassistenzsystem 32 zu realisieren, kann das Fahrerassistenzsystem 32 eine Sensoreinrichtung 34, eine Steuereinrichtung 36, eine Beobachtungseinrichtung 38 und eine oder mehrere Assistenzkomponenten 40 aufweisen.
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Die Umgebungssensorik S kann beispielsweise einen Radar- und/oder einen Lidar- und/oder einen Ultraschallsensor und/oder ein Kamerasystem aufweisen. Mittels der Umgebungssensorik S wird ein Umgebungssignal, also beispielsweise ein Radarsignal oder Licht aus der Umgebung des Kraftfahrzeugs 10 erfasst und hierdurch beispielsweise die Fremdfahrzeuge 18, 20, 22 erkannt. Die Umgebungssensorik S übermittelt ihr Umgebungssignal U an die Steuereinrichtung 36.
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Die Steuereinrichtung 36 kann beispielsweise durch ein Steuergerät oder eine andere Prozessoreinrichtung des Kraftfahrzeugs 10 bereitgestellt sein. Die Steuereinrichtung 36 kann dazu ausgelegt sein, anhand des Umgebungssignals U beispielsweise den Abstand 30 zum Fremdfahrzeug 18 zu ermitteln. Des Weiteren kann beispielsweise die Fahrzeuglücke 26 erkannt werden. Die Erkennung einer Fahrzeuglücke ist an sich aus dem Stand der Technik im Zusammenhang mit Spurwechselassistenten bekannt.
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Der Abstand 30 zum Fremdfahrzeug 18 kann einen Kollisionsrisikowert darstellen. Die Steuereinrichtung 36 überprüft, ob der Abstand 30 darauf hinweist, dass sich das vorausfahrende Fremdfahrzeug 18 bereits in einem frontalen Nahbereich 42 befindet. Der Nahbereich 42 kann dabei zunächst durch den Abstand 34 beispielsweise als Kreissegment (siehe Fig.) definiert sein, so dass sich ein Werteintervall von null bis zum Abstand 34 ergibt und alle Abstandswerte in diesem Werteintervall als zum Nahbereich gehörig interpretiert werden. Das entsprechende Kreissegment 44 ist in der Fig. gestrichelt dargestellt. Der Abstand 34 stellte ein Intervallgrenze des Werteintervalls dar.
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Die Steuereinrichtung 36 hat aber den Abstand 34 auf den Abstand 34' verringert, so dass sich der Nahbereich 42 beispielsweise durch das Kreissegment 44' ergibt und damit das Kraftfahrzeug 18 mit dem Abstand 30 als nicht im Nahbereich 42 befindlich erkannt wird.
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Das Anpassen des Nahbereichs 42 durch Verändern des Abstands 34 auf den Abstand 34' kann von der Steuereinrichtung 36 in Abhängigkeit von einem Führungssignal F der Beobachtungseinrichtung 38 durchgeführt worden sein. Anhand des Führungssignals F kann die Steuereinrichtung 36 ermittelt haben, dass offenbar der Fahrer des Kraftfahrzeugs 10 ein Spurwechselmanöver 28 plant und deshalb das Auffahren auf das Fremdfahrzeug 18 bis zum Abstand 30 durch Anpassen der Intervallgrenze toleriert wird.
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Die Beobachtungseinrichtung 38 kann hierzu in der bereits beschriebenen Weise die Blickrichtung des Fahrers erfasst haben oder auf eine Aktivität von Fahrtrichtungsanzeigern 46.
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Falls das Fremdfahrzeug 18 sich innerhalb des momentan gültigen Nahbereichs 42 befindet, steuert die Steuereinrichtung 36 durch ein Auslösesignal A die Assistenzkomponenten 40 an. Dem Fahrer wird dann durch die Assistenzkomponenten als eine Assistenzfunktion beispielsweise eine Warnung betreffend das zu nahe Auffahren an das Fremdfahrzeug 18 ausgegeben. Zusätzlich oder alternativ dazu kann auch durch die Assistenzkomponente beispielsweise eine Eigenbremsung des Kraftfahrzeugs 10 oder eine selbsttätige Querführung des Kraftfahrzeugs 10 durchgeführt werden.
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Die Steuereinrichtung 36 kann beispielsweise auch einen Abstand 48 zu dem im Totwinkelbereich des Kraftfahrzeugs 10 befindlichen Fremdfahrzeug 22 durchführen. Die Steuereinrichtung kann dazu ausgelegt sein in Abhängigkeit von dem Führungssignal F ein Abstandsintervall 50 auf ein Abstandsintervall 50' zu verkleinern, falls beispielsweise einer Relativgeschwindigkeit zwischen dem Kraftfahrzeug 10 und dem Kraftfahrzeug 22 betragsmäßig kleiner als ein vorbestimmter kritischer Geschwindigkeitswert ist.
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Durch das Abstandsintervall 50, 50' ist eine Menge von Abstandswerten für den Abstand 48 definiert, innerhalb welchem die Steuereinrichtung 36 das Auslösesignal A erzeugt, falls der Fahrer mit dem Kraftfahrzeug 10 auf die Nachbarspur 16 ausschert, während sich das Fremdfahrzeug 22 derart nahe an dem Kraftfahrzeug 10 befindet, dass der Abstandswert 48 in dem Intervall 50, 50' liegt. Durch Verändern der Intervallgrenze 50 auf das Werteintervall 50' verschiebt sich eine äußere oder entfernte Grenze 52 eines weiteren Nahbereichs 54 auf eine Grenze 52'. Der weitere Nahbereich 54 kann beispielsweise ebenfalls als ein Kreissegment geformt sein. Durch Verringern des Intervalls auf das Werteintervall 50' kann der Fahrer nun also in die Fahrzeuglücke 26 einscheren, ohne dass hierdurch ein Auslösesignal A erzeugt wird. Die Steuereinrichtung 36 verringert das Werteintervall 50 auf das Werteintervall 50', was anhand des Führungssignals F das bevorstehende, vom Fahrer willentlich geplante Spurwechselmanöver 28 erkannt wurde.
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Durch das Beispiel ist gezeigt, wie durch eine Beobachtungseinrichtung, beispielsweise ein Eye-Tracking, eine Kollisionswarnschwelle 34, 50 bei Identifikation eines bevorstehenden Überholvorgangs 28 herabgesetzt werden kann. Es ergibt sich hierdurch eine adaptive Reaktionsschwelle des Fahrerassistenzsystems.