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Bedingt durch die Verknappung fossiler Rohstoffe, die in den letzten Jahrzehnten für die großtechnische Erzeugung von Wärme und Energie vornehmlich herangezogen wurden, aber auch bedingt durch die damit einhergehende Erwärmung der Erdatmosphäre wird in zunehmendem Masse nach neuen, alternativen und vor allem regenerativen Rohstoffquellen auf Biomassebasis gesucht, die zum Zwecke der energetischen und stofflichen Nutzung verwendet werden können.
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Weltweit gibt es derzeit eine Reihe von Forschungsvorhaben, mit dem Ziel, in sogenannten Bioraffinerien, aus (ligno)cellulosehaltigen Rohstoffen, wie Abfallhölzern, Recyclinghölzern, Altpapier, Grünschnitt, Kompost, frischem Rundholz, Produkten aus Kurzumtriebsplantagen sowie halmartigen Gewächsen, wie beispielsweise Stroh, Produktionsprozesse zu definieren, die es langfristig erlauben, fossile Rohstoffe abzulösen.
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Neben einer Vielzahl an Produkten, die zukünftig in Bioraffinerien aus regenerativen Rohstoffen erzeugt werden könnten, spielt die Herstellung von Bioethanol zum Zwecke der Nutzung als Treibstoff für Kraftfahrzeuge eine bedeutende Rolle. In Brasilien wird aus Zuckerrohr gewonnener Zucker bereits seit vielen Jahrzehnten zu Bioethanol vergoren und dieser in Verbrennungsmotoren eingesetzt. Die oben beschriebene Idee der Bioraffinerie macht es erforderlich, dass diesem Vergärungsschritt ein zusätzlicher Prozessschritt vorgeschaltet wird, um – insbesondere enzymatisch – Cellulose (zum Beispiel aus lignocellulosehaltigen Produkten) in Zucker umzuwandeln.
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Derzeit existieren prinzipiell zwei Ansätze zur Umwandlung von Cellulose zu Ethanol. Wie sehr vereinfacht zeigt, wird der möglichst homogen vermischte und fein aufgemahlenen Rohstoff einem Bioreaktor, der unter Überdruck oder atmosphärisch, sowie bei unterschiedlichen Temperaturen, betrieben werden kann, zugeführt. Dort wird eine, in der Regel wässrige Lösung eines Enzyms – dies ist in den meisten Fällen ein Gemisch aus diversen produktspezifischen Cellulasen – dem Feststoff zugegeben. Im einfachsten Fall handelt es sich bei diesem Bioreaktor um einen Rührwerksbehälter, in dem zur günstigen Beeinflussung der Stoff- und Wärmeübertragungsbedingungen, das – aufgrund des hohen Flüssigkeits-/Feststoffverhältnisses – rührfähige Stoffsystem umgewälzt wird. Dem Reaktor nachgeschaltet ist eine Trennungsstufe, die die nicht umsetzbaren Restfeststoffe abtrennt und den entstehenden Glucose – Sirup von der Enzymlösung, die zur Wiederverwendung in den Reaktor zurückgeführt wird, trennt. Ein derartiges Reaktorsystem kann batchweise oder kontinuierlich betrieben werden.
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Der Glucose-Sirup wird anschließend in der Prozessvariante 1 (siehe ) einem zweiten Bioreaktor (Fermenter) zugeführt, in dem unter Zugabe von Mikroorganismen (Hefen) eine mikrobielle Umwandlung der Zucker in Ethanol erfolgt.
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zeigt sehr vereinfacht die zweite derzeit untersuchte Variante zur Umwandlung der Cellulose bzw. von cellulosehaltigen Rohstoffen. Dort werden die oben beschriebenen Reaktionen – die enzymatische Verzuckerung der Glucose und die mikrobielle Umsetzung der Zucker zu Ethanol – in einem Reaktionsschritt parallel durchgeführt.
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Betrachtet man den Gesamtprozess wie er in den
und
dargestellt ist, so ist verständlich, dass neben der Einhaltung möglichst optimaler Prozessbedingungen in den jeweiligen Bioreaktoren der Vorzerkleinerung und dem Zellaufschluss in den jeweiligen Rohstoffen VOR deren Einsatz in den Bioreaktoren eine erhebliche Bedeutung zukommt. In
US 2010/0287826 A1 beispielsweise wird auf die Bedeutung dieser Prozessstufen hingewiesen und es werden verschiedene technische Lösungen zu ihrer Realisierung vorgestellt.
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Dass die Umsetzung dieser innovativen und zukunftsweisenden Technologien auf großtechnische Anwendungen noch immer mit großen Problemen zu kämpfen hat, liegt vor allem an den langen Reaktionszeiten, mit denen man bei der enzymatischen Hydrolyse von Cellulose zu Glucose beispielsweise zu rechnen hat. Kirsch et al. /1/ z. B. benötigen für eine vollständige Umsetzung von Cellulose in Glucose eine Verweilzeit im Bioreaktor von bis zu 48 Stunden. Um die Produktionsleistungen dieser neuen Verfahrenstechniken und damit ihre Wettbewerbsfähigkeit in die Nähe bestehender Prozesse auf Basis fossiler Rohstoffe zu bringen, sind erhebliche Reduzierungen der Reaktionszeiten nötig.
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Die vorliegende Erfindung dient zur Reduzierung dieser Reaktionszeiten.
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Im Bereich der Lebensmittelverfahrenstechnik hat sich gezeigt /2, 3, 4/, dass durch die Anwendung gepulster elektrischer Hochspannungsfelder tierische und pflanzliche Zellen aufgeschlossen (gecrackt) und bei Anwendung geeigneter elektrischer Parameter, hier insbesondere relativ hoher elektrischer Feldstärken, sogar Mikroorganismen abgetötet werden können. Durch die erfindungsgemäße Anwendung produktspezifisch optimaler Elektroimpulse, die hinsichtlich Feldstärke, Pulsform, Pulsdauer, Pulsanzahl, etc. gezielt eingestellt werden können, gelingt es, die jeweilige vorhandene Biomassestruktur während der Reaktion so aufzuschliessen, dass der Zugang der Reaktanden zueinander, mithin der Stofftransport im System, erheblich verbessert werden kann. Der oben beschriebene Nachteil bisheriger Prozesse wird daher reduziert bzw. kompensiert.
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Grahl /5/ konnte zeigen, dass elektrische Hochspannungsimpulse keinen schädigenden Einfluss auf Enzyme und andere Lebensmittelinhaltsstoffe (wie Vitamine z. B.) ausüben. Bei den bisherigen Anwendungen der Hochspannungsimpulstechnik hat sich gezeigt, dass die Temperaturerhöhungen in den behandelten Produkten bei ausreichender Wirkung nur jeweils im Bereich einiger Kelvin lagen, sodass eine thermische Produktschädigung bei optimaler Verfahrenssteuerung auch bei der erfindungsgemäßen Anwendung zur enzymatischen Hydrolyse von Cellulose nicht zu befürchten ist.
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Gegenstand der Erfindung ist es, Fest-Flüssig-Reaktionen und Flüssig-Flüssig-Reaktionen, wie sie beispielsweise in den oben beschriebenen Bioreaktoren/Fermentern zur enzymatischen und/oder mikrobiellen Umwandlung von Stärke und Glucose im Rahmen der sogenannten Bioraffineriekonzepts beschrieben wurden, hinsichtlich Geschwindigkeit und Selektivität gezielt zu beeinflussen. Dazu wird das zu behandelnde Stoffsystem erfindungsgemäß einer Behandlung mit hochgespannten elektrischen Feldern im Bereich mehrerer kV/cm unterzogen. Durch die Wahl der Feldstärke, der Pulsfrequenz sowie der Ladungsmenge, die jeweils pro Hochspannungspuls auf das jeweilige Stoffgemisch einwirken, lässt sich eine optimale Wirkung der applizierten Hochspannungsfelder gezielt einstellen.
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Apparativ wird die erfindungsgemäße Applikation so umgesetzt, wie dies beispielsweise in /2/ bis /5/ beschrieben ist. Die dort beschriebene sogenannte „Entladestrecke” ist bei der erfindungsgemäßen Applikation durch den „Bioreaktor” bzw. den „Fermenter” zu ersetzen. Das bedeutet, dass bei der erfindungsgemäßen Anwendung des Hochspannungsimpuls-verfahrens mindestens zwei Elektroden im Inneren von Bioreaktor bzw. Fermenter angebracht sind, zwischen denen ein zeitlich abklingendes Hochspannungsfeld aufgebaut wird. Das zu behandelnde Stoffgemisch befindet sich zwischen den Elektroden und wird so der Wirkung des elektrischen Feldes ausgesetzt. Da das Prinzip der Erzeugung und Anwendung elektrischer Hochspannungsimpulse auf elektrisch leitfähige Medien zum Stand der Technik gehört, muss es hier nicht näher beschrieben werden. Es sei auf /2/ bis /5/ verwiesen.
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Ausführungsbeispiel
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Die erfindungsgemäße Umsetzung von Lignocelluose mittels Cellulase und gleichzeitiger Applikation von Hochspannungspulsen im Vergleich zur Umsetzung ohne die Einwirkung elektrischer Hochspannungspulse (Kontrolle) wird im folgenden anhand eines Ausführungsbeispiels beschrieben:
Stand der Technik ist es, beispielsweise aus Holz mittels aufwendiger Verfahren (Heißwasserhydrolyse z. B.) durch Abtrennung von Lignin und Hemicellulose möglichst reine Cellulose zu erzeugen und diese anschliessend mit Hilfe von Cellulasen in einem langwierigen Prozess in Zucker umzuwandeln, aus denen anschliessend Bioethanol erzeugt werde kann.
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Im vorliegenden Beispiel wurde naturbelassenes, auf eine Feuchte von etwa 10 Gew.-% heruntergetrocknetes und mit einer Hammermühle fein vermahlenes Kiefernholz verwendet. Als Enzym wurde eingesetzt: Ctec 2 der F. Novozymes, mit einer Aktivität von 67 FPU/ml und einer Dichte von 1,206 g/ml.
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Die Fermentation wurde in einem 500 ml – Batchgefäß mit und ohne Applikation von elektrischen Hochspannungspulsen (Feldstärken unter 10 kV/cm und Gesamtenergien der Pulse etwa 1 kJ/kg) bei Temperaturen von etwa 50°C und einem pH-Wert von ca. 5 durchgeführt. Das Holzmehl wurde mit Wasser zu einer pumpfähigen, elektrisch leitfähigen Suspension angemaischt.
Zeit, h | Glucose, g/l Kontrolle | Glucose, g/l mit Elektropulsen |
0 | 1,3 | 1,3 |
6 | 1,45 | 1,95 |
7 | 1,45 | 1,9 |
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Wie aus obiger Tabelle zu entnehmen ist, hat die erfindungsgemäße Applikation elektrischer Hochspannungspulse während des Ablaufs des enzymatischen Cellulose-abbaus zu einer unerwartet hohen Steigerung der Glucosebildung um mehr als 35% im Vergleich zum Kontrolltest geführt. Unerwartet insbesondere deshalb, weil die Cellulose in der Holzmatrix eingebunden war und nicht frei vorlag. Der Versuch wurde nach 7 h abgebrochen, da die Wirkungsweise überraschenderweise deutlich selbst bei diesem, für das Enzym schwer zugänglichen Substrat nachgewiesen werden konnte.
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Literatur
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- /1/ Kirsch, Ch., Wörmeyer, K., Zetzl, C., Smirnova, I.: Enzymatische Hydrolyse von Lignocellulose im Festbettreaktor, Chemie-Ingenieur-Technik, 83, 2011, 6, S. 867–873
- /2/ Sitzmann, W., Münch, E.–W.: Das ELCRACK-Verfahren. Ein neues Verfahren zur Verarbeitung tierischer Rohstoffe, Die Fleischmehlindustrie, 40 (1988) 2, S. 22
- /3/ Sitzmann, W., Münch, E.–W.: Elektrische Verfahren zur Keimabtötung, Die Ernährungsindustrie, 6 (1989), S. 54–58
- /4/ Sitzmann, W.: High-Voltage Pulse Techniques in: New methods for food preservation, Hrsg.: Grahame W. Gould, Chapman & Hill – Verlag, 1995
- /5/ Grahl, Th.: Abtöten von Mikroorganismen mit Hilfe elektrischer Hochspannungs-impulse, Dissertation, TU Hamburg-Harburg, 1994
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- US 2010/0287826 A1 [0007]
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Zitierte Nicht-Patentliteratur
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- Kirsch et al. [0008]
- Grahl [0011]