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Die Erfindung betrifft ein Spritzgießwerkzeug zur Fertigung von Spritzgussbauteilen aus Kunststoff und ein Verfahren zur Herstellung derartiger Spritzgießwerkzeuge sowie das Spritzgussbauteil selbst.
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Bei herkömmlichen Spritzgießprozessen kann es aufgrund der Einspritzdüsenpositionen sowie der Bauteilgeometrie dazu kommen, dass die Spritzform ungleichmäßig gefüllt wird und es in Zuge dessen beim Abkühlen zum Verzug des Bauteils kommen kann. Sofern die Bauteilgeometrie nicht änderbar ist und die Einspritzpunkte beispielsweise wegen des Designs, der Funktion oder des Werkzeugaufbaus nicht variabel sind, wird der Materialfluss durch Wandstärkenanpassungen gesteuert. Ausgehend von einer konstanten Wandstärke wird für Fließkanäle lokal die Wandstärke erhöht oder, um die Füllung großer Flächen zu verzögern, die Wandstärke großflächig reduziert. Diese großflächige Wandstärkenreduzierung kann zu Festigkeitsproblemen oder zu einer Instabilität führen, die weiter bei luftdurchströmten Bauteilen in ungewollter akustischer Anregung resultiert. Wird, um diesem Effekt entgegenzuwirken, die Bauteilwandstärke insgesamt erhöht, so würde diese zu einem größeren Bauteilvolumen führen, das mit einem größeren Bauteilgewicht, sowie durch den Materialeinsatz mit höheren Kosten und mit längeren Zykluszeiten einherginge.
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Die Problematik geschwächter Wandungen bzw. Einfallstellen eines Kunststoffbauteils mit dickerer Wandung wird auch in der
DE 10 2009 027 646 A1 adressiert: Dort wird die Herstellung durch Spritzgießen oder -prägen mit einem entsprechenden Werkzeug ausgeführt, dessen an die Kavität angrenzender Wandbereich und ein an den kavitätsnahen Wandbereich angrenzender kavitätsfernen Körper unterschiedlich temperierbar sind. Der Körper des Werkzeugs kann auf eine erste Temperatur und der Wandbereich auf eine zu dieser ersten Temperatur unterschiedliche zweite Temperatur temperiert werden. Zur Fertigung wird die Temperatur des kavitätsnahen Wandbereichs des Werkzeugs vor und/oder während des Einspritzvorgangs auf einen Wert gebracht und gehalten, der größer ist als die Vicattemperatur der Kunststoffformmasse und größer als die Temperatur des Werkzeugkörpers. Ferner wird Temperatur des kavitätsnahen Wandbereichs während des Erstarrens der Kunststoffformmasse und vor dem Entformen auf eine Temperatur unterhalb der Vicattemperatur der Kunststoffformmasse gebracht. So werden dickwandige Kunststoffformkörper, dort mit Wandstärken über 3 mm, wie optische Linsen und dergleichen mit verringerten Einfallstellen hergestellt.
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Ausgehend von diesem Stand der Technik ist es erforderlich, ein verbessertes Spritzgießwerkzeug bereitzustellen, das es ermöglicht, auch große Bauteile wie Kraftfahrzeugbauteile mit verbesserter Bauteilqualität ohne unerwünschte flächige Wandstärkenreduktionen spritzgießen zu können.
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Diese Aufgabe wird durch das Spritzgießwerkzeug mit den Merkmalen des Anspruchs 1 gelöst.
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Weiter ergibt sich die Aufgabe, ein Verfahren zur Herstellung solcher Spritzgießwerkzeuge zu schaffen, die die Fertigung größerer Bauteile wie Kraftfahrzeugbauteile ohne unerwünschte Schwankungen der Bauteilstärke erlauben.
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Das Verfahren mit den Merkmalen des Anspruchs 7 löst diese Aufgabe.
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Die Aufgabe der Bereitstellung eines Bauteils mit definierter Bauteilqualität schließlich wird durch das Bauteil mit den Merkmalen des Anspruchs 8 gelöst.
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Das erfindungsgemäße Spritzgießwerkzeug dient der Fertigung von Bauteilen komplexer Geometrie. Es weist dazu zwei Werkzeughälften mit je einer Teilform auf, die zusammen auf bekannte Weise eine Kavität für das zu fertigende Bauteil mit zumindest einer oder auch mehreren Einspritzöffnung(en) ausbilden. Derartige Einspritzöffnungen können durch das Design des Bauteils oder werkzeugspezifische Vorgaben hinsichtlich ihrer Position vorgegeben sein. Durch ihre invariable Anordnung kann es sich daher ergeben, dass Materialflussfronten, die sich aus dem durch die Einspritzöffnungen eingespritzten Materialfluss ergeben und die sich von der Quelle bis zum Rand der Bauteilform bewegen, diesen Rand bzw. die Ränder der Form zu unterschiedlichen Zeitpunkten erreicht. Dabei kann es bei Verwendung herkömmlicher Werkzeuge durch die ungleichmäßige Befüllung der Form beim bzw. nach dem Abkühlen des Materials zum Verzug des Bauteils und daher zu einer Qualitätsbeeinträchtigung kommen.
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Um daher eine möglichst gleichmäßige Befüllung der Form und ein gleichmäßiges Erreichen des Randes der Form zu erreichen, wird erfindungsgemäß vorgeschlagen, in zumindest einer der zwei Teilformen einen länglichen Steg anzuordnen, der in Bezug zu der Einspritzöffnung so vorliegt, dass er einen vorbestimmten Durchflusswiderstand für einen Teil eines durch die zumindest eine Einspritzöffnung in das geschlossene Werkzeug injizierten Materialflusses bildet.
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Die Form des Spritzgießwerkzeugs ist so ausgebildet, dass dreidimensionale Bauteile insbesondere für Kraftfahrzeuge aus Kunststoff oder spritzbarem Metall herstellbar sind, und dass die Einspritzöffnungen an der Form so vorliegen, dass der durch die Einspritzöffnungen einspritzbare Materialfluss zumindest zwei Materialfluss-Fronten ausbildet. Der längliche Steg ist erfindungsgemäß so angeordnet, dass er für zumindest eine der Materialfluss-Fronten den vorbestimmten Durchflusswiderstand bildet, so dass der Rand der Form von den zwei oder mehr Materialfluss-Fronten im Wesentlichen zeitgleich erreicht wird.
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Mit anderen Worten: Der Steg wird sinnvoll so in der Form platziert, dass er im Fließpfad derjenigen Materialflussfront liegt, die zum Erreichen des Randes der Form von der oder den Einspritzöffnungen den kürzesten Weg zurückzulegen hat. Durch den entsprechend dimensionierten Steg wird der Materialfluss, der diese Front ausbildet, nun abgebremst und kann daher den Rand der Form in der gleichen Zeit erreichen wie ein weiterer Materialfluss, der sich üblicherweise in entgegen gesetzte Richtung von denselben Einspritzöffnungen ausgehend ausbildet und der auf Grund der Bauteilgeometrie den längeren Weg zurückzulegen hat. So wird vorteilhaft eine gleichmäßige Befüllung der Kavität des Spritzgießwerkzeugs erreicht, das ohne eine großflächige Wandstärkenreduzierung einer Wand des Bauteils einhergeht, die durch die Materialflussfront mit dem (ohne den Steg des erfindungsgemäßen Spritzgießwerkzeugs) kürzeren Fließweg gebildet wird.
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Der Rand der Form, die die Kavität umgibt, kann insbesondere bei Kraftfahrzeugbauteilen so gestaltet sein, dass eine Schweißkontur des Bauteils geschaffen wird, die den Anschluss an ein weiteres Bauteil durch Schweißen ermöglicht.
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Gerade bei größeren Bauteilen, wie sie für den Automobilbau erforderlich sind, wird das Spritzgießwerkzeug für jede zu befüllende Form zumindest zwei, bevorzugt zumindest drei oder mehr Einspritzöffnungen aufweisen. „Für jede zu befüllende Form” meint hierbei, dass es durchaus möglich ist, in einem einzigen Werkzeug, abhängig von der Bauteilgröße, mehrere Formen vorzusehen, die zugleich befüllt werden. In diesem Fall gilt für jede der Formen das erfindungsgemäße Prinzip.
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Jedenfalls wird der längliche Steg so angeordnet sein, dass er im Wesentlichen quer zu einer Fließrichtung der sich ausbildenden Materialflussfront liegt. Bevorzugt kann der längliche Steg zumindest teilweise parallel zu einer virtuellen Linie, die die Einspritzöffnungen verbindet, in der Teilform vorliegen. „Zumindest teilweise” meint hier, dass der Steg länger sein kann als die Linie, die sich durch die zwei oder mehr Einspritzöffnungen denken lässt, und dass die Enden des Steges dann eine der Bauteilgeometrie geeignet angepasste Form haben können.
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Grundsätzlich ist es auch denkbar, den länglichen Steg, oder auch mehrere Stege, die in einer entsprechend großen Form vorliegen und jeweils einer Anzahl an Einspritzöffnungen zugeordnet sein können, auch durch mehrere Stegabschnitte zu bilden.
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Durch den Steg ergibt sich in der Außenwandung des Bauteils eine kleine Schwächung in Form einer Rille oder auch Sicke, die jedoch eine erheblich geringere qualitative Beeinträchtigung des Bauteils darstellt, als eine Schwächung einer gesamten Wand durch Reduktion von deren Dicke. Um diese Rille oder Sicke mit geringstmöglichem negativem Effekt zu gestalten, kann der Steg eine kuppel- oder dachförmige Querschnittsform und/oder einen abgerundeten An- und Auslauf aufweisen. So wird ein harmonisches Umfließen des Durchflusswiderstandes ermöglicht und der Spritzprozess kann störungsfrei ablaufen.
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Ein Verfahren zum Herstellen eines solchen erfindungsgemäßen Spritzgießwerkzeugs umfasst, um den Durchflusswiderstand, der durch den Steg bereitgestellt wird, optimal auszugestalten, das Erstellen der Form und somit des Werkzeugs durch Ausführen eines bauteilspezifischen Spritzsimulationsvorgangs.
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Ein durch das vorstehende Spritzgießwerkzeug hergestelltes Bauteil zeichnet sich dadurch aus, dass es trotz seiner Größe keine unerwünschten geschwächten Wandungsabschnitte aufweist, sondern an einer Bauteilaußenseite lediglich zumindest eine Sicke aufweist, die eine Komplementärform zu der Form des zumindest einen länglichen Steges hat.
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Diese und weitere Vorteile werden durch die nachfolgende Beschreibung unter Bezug auf die begleitenden Figuren dargelegt. Der Bezug auf die Figuren in der Beschreibung dient der Unterstützung der Beschreibung und dem erleichterten Verständnis des Gegenstands. Gegenstände oder Teile von Gegenständen, die im Wesentlichen gleich oder ähnlich sind, können mit denselben Bezugszeichen versehen sein. Die Figuren sind lediglich eine schematische Darstellung einer Ausführungsform der Erfindung.
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Dabei zeigt:
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1 Eine perspektivische Ansicht eines spritzgegossenen Bauteils nach dem Stand der Technik,
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2 eine andere perspektivische Ansicht des spritzgegossenen Bauteils aus 1, mit Anspritzpunkten,
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3 die perspektivische Ansicht des spritzgegossenen Bauteils aus 2, mit skizzierter Materialfront mit kürzerem Fließweg,
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4 die perspektivische Ansicht des spritzgegossenen Bauteils aus 2, mit skizzierter Linie, entlang der in der entsprechenden Form des Spritzgießwerkzeugs der längliche Steg auszubilden ist,
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5a, b die Ansicht aus 4 in Bezug zu einer Schnittansicht (5b) durch das Bauteil, das in einem Spritzgießwerkzeug hergestellt wurde, das den Steg aufweist, der entlang der skizzierten Linie (5a) verläuft, die in der entsprechenden Form des Spritzgießwerkzeugs vorliegt.
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1 zeigt eine perspektivische Ansicht eines spritzgegossenen Bauteils zur Fertigung eines Kraftfahrzeugs nach dem Stand der Technik; es hat am Rand eine Schweißgeometrie 2 zum Verschweißen mit einem Anschlussbauteil. Das Bauteil 1 weist eine komplexe Geometrie auf; seine Herstellung erfolgt mittels eines herkömmlichen Spritzgieß-Werkzeugs, das zwei Werkzeughälften mit je einer Teilform aufweist, die zusammen eine Kavität für das zu fertigende Bauteil 1 mit drei Einspritzöffnung ausbilden. Die Einspritzöffnungen entsprechen den Anspritzpunkten 3, die an dem in 2 gezeigten Bauteil 1 markiert sind.
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Die Positionierung der Einspritzöffnungen am Werkzeug kann durch das Design des Bauteils oder werkzeugspezifische Vorgaben hinsichtlich ihrer Position vorgegeben sein. Beim Spritzgießprozess kann es aufgrund der Einspritzdüsenpositionen sowie der Bauteilgeometrie dazu kommen, dass das Bauteil ungleichmäßig gefüllt wird und es kann daher beim Abkühlen zum Verzug des Bauteils kommen. Durch ihre invariable Anordnung der Einspritzdüsen, von denen aus sich Materialflussfronten beim Einspritzen des Materials bilden, die sich von den Einspritzdüsen bis zum Rand der Bauteilform bewegen, wird der Rand der Form zu unterschiedlichen Zeitpunkten erreicht. Es liegt daher eine ungleichmäßige Befüllung der Form vor, die den obigen Nachteil mit sich bringt.
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Das Bauteil 1, das in den 1 bis 5 gezeigt ist, hat eine solche Geometrie, die die ungünstige Anordnung der Einspritzöffnungen in die Spritzgießform erfordert. Wie 3 verdeutlicht, würde beim herkömmlichen Spritzgießen des Bauteils 1 Wand 4, die durch die Materialflussfront 4 gebildet wird schneller mit Material gefüllt sein als die entsprechende Wand, die sich nach unten von den Einspritzöffnungen, hier repräsentiert durch die Anspritzpunkte 3, erstreckt.
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Um daher eine möglichst gleichmäßige Befüllung der Form zur Herstellung des Bauteils 1 und entsprechender Bauteile zu erreichen, wird erfindungsgemäß vorgeschlagen, in zumindest einer der zwei Teilformen einen länglichen Steg anzuordnen, der in Bezug zu der Einspritzöffnung so vorliegt, dass er einen vorbestimmten Durchflusswiderstand für einen Teil eines durch die zumindest eine Einspritzöffnung in das geschlossene Werkzeug injizierten Materialflusses bildet. Der längliche Steg ist erfindungsgemäß so angeordnet, wie es hier beispielhaft durch die gestrichelte Linie 5 in 4 gezeigt ist: Er erstreckt sich quer zu einer sich nach oben ausbildenden Materialflussfront 4, die in dem Werkzeug, das der Fertigung des Bauteils 1 dient, den kurzen Fließweg zum oberen Abschnitt des Randes der Form, der die Schweißgeometrie 2 bereitstellt hat. Im Weg der zweiten Materialflussfront, die sich nach unten mit langem Fließweg zum unteren Abschnitt des Randes der Form, der die Schweißgeometrie 2 bereitstellt, liegt kein Durchflusswiderstand vor, so dass die obere und die untere Materialflussfront den Rand zugleich erreichen können. Damit wird eine gleichmäßige Befüllung des Werkzeugs erreicht und eine Beeinträchtigung des Bauteils durch Verzug beim Abkühlen wird vermieden.
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Grundsätzlich können die länglichen Stege, die den Durchflusswiderstand bilden, unterschiedlich geformt sein; bevorzugt sind sie an der Innenwandung der Teilform des Werkzeugs jedoch parallel zu einer die Einspritzöffnungen verbindenden virtuellen Linie angeordnet. Durch die linienförmigen Engstellen reduziert sich die Bauteilwandstärke, und damit der Strömungsquerschnitt, allerdings vorteilhaft nicht über einen ganzen Wandabschnitt sondern nur über einen kleinen Teil. Die dahinter liegende Fläche wird, wie oben ausgeführt, somit verzögert gefüllt.
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Auf der äußeren Oberfläche des erfindungsgemäß hergestellten Bauteils 1 ist eine Rille oder auch Sicke 6 zu erkennen; siehe 5b, die das Ergebnis verdeutlicht, das sich ergibt, wenn das Bauteil 1 wie in 5a gezeigt mit einem Wergzeug hergestellt wurde, dass entlang der gestrichelten Linie 5 einen länglichen Steg hat.
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Der Ein- und Auslauf der Sicke 6 ist organisch geformt, entsprechend der Form des Steges, der hier einen dachförmigen Querschnitt aufweist. Er kann alternativ auch kuppel- oder andersförmig sein und sein An- und Auslauf können abgerundet vorliegen.
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Durch diese Erfindung wird es ermöglicht, trotz außermittig liegender Anspritzpunkte eine gleichförmige Füllung der Spritzgießform zu erlauben, bei der die Materialfronten gleichzeitig umlaufend den Formrand erreichen. Dafür ist vorteilhaft keine Änderung an den entwicklungsseitig vorgegebenen Wandstärken notwendig, sondern es ergibt sich nur eine sehr schmale lokale Wandstärkenreduzierung an der oder den Sicke(n).
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Durch die gleichmäßige Füllung wird der Verzug des Fertigbauteils verringert, was die Maßhaltigkeit und damit auch die Weiterverarbeitung des Bauteils erleichtert. Die exakten Positionen und Ausführungen der Engstellen, respektive der länglichen Stege, werden erfindungsgemäß bauteilspezifisch durch Spritzsimulationen iterativ ermittelt.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- DE 102009027646 A1 [0003]