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Die
Erfindung betrifft eine Vorrichtung und ein Verfahren zur Herstellung
dickwandiger Kunststoffformteile mittels Spritzgieß- oder
Spritzprägeverfahren, wobei die resultierenden Kunststoffformteile verglichen
zu herkömmlichen Vorrichtungen und Verfahren über
eine reduzierte Zahl und/oder Ausprägung an so genannten
Einfallstellen verfügen.
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Insbesondere
bezieht sich die Erfindung auf eine Vorrichtung sowie ein Verfahren,
zur Herstellung von Kunststoffformteilen mit Wandstärken
von mehr als 3 mm, zweckmäßig mehr als 5 mm, besonders zweckmäßig
mehr als 8 mm, wobei die Kunststoffformteile aus thermoplastischen
Formmassen, vorzugsweise PMMA, im Spritzgussverfahren erhalten oder
spritzgeprägt werden.
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Derartige
dickwandige Kunststoffformteile sind beispielweise Kunststofflinsen
für Brillen. Dabei kommen im Allgemeinen duroplastische
Gussmassen (CR39) und thermoplastische Formmassen zum Einsatz, wobei
je nach Einsatzweck Polystyrol, Polymethylmethacrylat, Polymethylmethacrylimid,
Cyclo-Olefin-Copolymere, Polycarbonat oder Copolycarbonat verwendet
werden.
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Bei
bekannten Verfahren werden Linsenrohlinge gleichmäßiger
Wandstärke in Zykluszeiten von unter 30 s hergestellt und
im Normalfall wird dabei ein Standard-Spritzgießprozess verwendet.
Die Formmasse wird in der Füllphase über klein
dimensionierte Kanäle in die Kavität des Werkzeugs
eingebracht. Weil amorphe Kunststoffe in der Abkühlphase
eine hohe Dichtereduktion im Bereich bis zu 10 Volumenprozent oder
mehr erfahren, wird diese Materialschwindung in einer folgenden
Nachdruckphase durch Nachfüttern von plastsicher Schmelze
vom Spritzkolben der Spritzgießvorrichtung ausgeglichen.
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Bei
einem Standard-Spritzprägeprozess wird im
Unterschied zum Standard-Spritzgießverfahren die
Kunststoffmasse in einer ersten Füllphase in eine vor-vergrößerte
Kavität eingebracht, und diese Kunststoffformmasse wird
folgend mittels einer axialen Werkzeugprägung verprägt.
Das Massegewicht, das in der ersten Füllphase in die vor-vergrößerte
Kavität eingebracht wird, entspricht dabei dem Massegewicht
der später entnommenen Teile. Mit der axialen Werkzeugbewegung
wird die vor-vergrößerte Kavität verkleinert
und die Restfüllung der Kavität wird vorgenommen.
Das Standard-Spritzprägeverfahren wird
für einfache optische Teile eingesetzt, um Einfallstellen
als Folge von Materialschwindung zu vermeiden.
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Daneben
können sich allerdings auch Oberflächenmarkierungen
ergeben, weil die Kunststoffformmasse nicht in einem optimalen Quellfluss
in die Kavität einfließen kann. Es können
sich kalte Randschichten in der Füllphase verschieben.
Durch Erhöhung der Werkzeugtemperatur bis nahe der Glastemperatur
wird die Entstehung von kalten Randschichten unterdrückt.
Daraus ergibt sich allerdings eine verlängerte Zykluszeit.
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Um
einen nahezu optimalen Quellfluss sicherzustellen werden große
Teilanschnitte benötigt, die anschließend staubfrei
abgeschnitten werden müssen und in der Regel nicht mehr
für die Herstellung von optischen Teilen verwendet werden
können.
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Nichtsdestotrotz
kommt bei der Herstellung dickwandiger Kunststoffformteile, beispielsweise
optischer Linsen aus thermoplastischen Formmassen, mittels Spritzgieß-
oder Spritzprägetechniken, wie etwa dem Schließprägen,
Expansionsprägen oder dem Sequentiellprägen, dem
Problem der Vermeidung so genannter „Einfallstellen” eine
ganz zentrale Bedeutung zu. Dickwandige Formteile sind üblicher Weise
solche Formteile, die an wenigstens einer Stelle über eine
Wandstärke von wenigstens drei Millimetern verfügen.
Insbesondere bei Formteildicken von fünf Millimetern, acht
Millimetern oder dicker erkennt man nach Abkühlung und
Entformen „eingefallene Stellen”. Hierbei handelt
es sich generell um solche Stellen des fertigen Formkörpers,
an welchen die vermehrte freie Schwindung (Volumenminderung) des
Materials zu Fehlern mit zu geringer Materialdicke führt.
Diesem Phänomen kann man zwar theoretisch durch eine Erhöhung
des Schneckennachdrucks entgegenwirken, ein erhöhter Schneckennachdruck
resultiert allerdings in einer zusätzlichen Stressbeanspruchung
des thermoplastischen Materials und kann gegebenenfalls zu einer
Molekülorientierung im Formteil führen. Gerade
bei Formteilen wie Linsen für optische Anwendungen ist
dies jedoch sehr nachteilig, da sich hierdurch die optische Qualität
des Formteils verschlechtert.
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Aus
der
DE 199 13 525
A1 = Dokument 1 oder D1 ist ein Verfahren zur Formgebung
von Kunststoffformteilen mit Ausgleich der Volumenminderung des
Werkstoffs bekannt. Gemäß der D1 wird ein Verfahren
offenbart, bei dem die aushärtungs- oder abkühlungsbedingte
Volumenminderung des unter Druck stehenden Werkstoffs in der Kavität
durch eine vom Druck im Innern der Kavität abhängige
reversible Erweiterung des Formhohlraums ausgeglichen wird. Dies
wird beispielsweise durch Anbringung von Systemen zur Erzeugung
einer kompressionsdruckabhängigen Gegenkraft in Form von
in die Kavität eingebrachten elastischen Elementen erreicht.
Eine solche Vorgehensweise scheint zwar im Einzelfall geeignet,
die Schwindung zu verringern, sie ist jedoch komplex und hat sich
in der Praxis des Spritzgießens oder -prägens
bislang nicht durchgesetzt.
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Einen
weiteren Vorschlag zum Herstellen dickwandiger Formteile kann man
der
DE 100 48 861 A1 =
Dokument 2 oder D2 entnehmen. Die D2 beschreibt ein Verfahren und
eine Vorrichtung zur Herstellung dickwandiger Rohlinge für
optische Linsen, bei dem man zweistufig vorgeht. In einer ersten
Stufe wird zunächst eine dünne Linse durch Spritzgießen hergestellt,
die in der zweiten Herstellungsstufe durch Zufuhr von Kunststoffmaterial
bis auf ihre Enddicke vergrößert, d. h. „aufgeblasen” wird.
Obwohl die Oberflächengüte dickwandiger Formteile
auf diese Art und Weise an die Güte dünnwandiger
Formteile herangeführt werden kann, wird zur Verringerung der
Schwindung und der Reduktion der dadurch bedingten Einfallstellen,
nach der ersten Phase oder auch der zweiten Phase gemäß D2
eine zusätzliche Kompressionsphase benötigt. Damit
besteht das Problem der Molekülorientierung während
der Nachdruckphase weiterhin.
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Aus
der
DE 101 14 228
A1 = Dokument 3 oder D3 ist ein Verfahren zum Vergleichmäßigen
des Schwindungsverhaltens eines Spritzteils sowohl zwischen einzelnen
Kavitäten eines Mehrfachwerkzeugs als auch von Zyklus zu
Zyklus eines Spritzvorgangs bekannt. Dabei werden die Temperatur und/oder
ein Innendruck in der Kavität überwacht und durch
eine Temperierung des Werkzeugs vom Ende der Füllphase
beziehungsweise von einem Druckmaximum in der Kavität bis
zum Ende des Spritzzyklus an einen Referenzverlauf angeglichen.
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Die
WO 2004/058476 A3 =
Dokument 4 oder D4 offenbart ein Verfahren zum Regeln der Herstellung
von Spritzteilen. Gemäß dem Vorschlag der D4 wird
die Temperatur des Werkzeugs geregelt. Ferner werden die Kavität
und/oder der Formkern direkt erwärmt oder gekühlt.
Grundgedanke der D4 ist es, die Temperatur einer Kavität
oder eines Formkerns (= Prägstempel) nicht ausschließlich über
den Kühlkreislauf sondern mit Hilfe von Heizelementen zu
regeln. Wird festgestellt, dass Kavität oder Formkern eine
zu geringe Temperatur aufweisen, so werden die Heizelemente höher
geregelt. Ist die Temperatur in der Kavität oder am Formkern
zu hoch, wird die Zirkulation im Kühlkreislauf erhöht.
Ziel ist es in jedem Fall, Druck- und Temperaturverhältnisse
in der Kavität konstant zu halten.
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Dennoch
ist auch die gemäß der D3 und der D4 vorgeschlagene
Regelung der Werkzeugtemperatur beim Spritzgießvorgang
verbesserungsbedürftig. Gemäß der D3
als auch der D4 scheint die Temperaturregelung relativ träge
zu sein. Darüber hinaus ist immer die komplette Kavität
zu temperieren was neben einer die Zykluszeiten beeinträchtigenden Trägheit
auch zu einem erhöhten energetischen Aufwand führt.
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Angesichts
des hierin genannten und diskutierten Standes der Technik war es
eine Aufgabe der Erfindung, eine Vorrichtung zur Herstellung dickwandiger
Kunststoffformteile mittels Spritzgieß- oder Spritzprägeverfahren,
bereitzustellen, die einfach aufgebaut ist.
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Weiterhin
ist die Schaffung einer Vorrichtung Aufgabe der Erfindung gewesen,
die möglichst mit einfachen Mitteln aber dennoch sehr variabel
die Herstellung von Kunststoffformteilen, vorzugsweise aus thermoplastischen
Kunststoffen, mit relativ hoher optischer Qualität, gestattet.
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Noch
eine Aufgabe der Erfindung bestand darin, eine Vorrichtung zur Herstellung
von dickwandigen Formteilen anzugeben, welche die Verkürzung der
Zykluszeiten beim Spritzgießen oder Spritzprägen
ermöglicht.
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Weiterhin
soll die verkürzte Zykluszeit nicht zu Lasten einer Nachdruckphase
oder einer verlängerten Nachdruckphase gehen.
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Eine
weitere Aufgabe der Erfindung ist darin zu sehen, ein Verfahren
zur Herstellung dickwandiger Kunststoffformteile mittels Spritzgieß-
oder Spritzprägeverfahren anzugeben, wobei das Verfahren
schnell, sicher und kosteneffektiv die Herstellung von Kunststoff-Körpern,
mit einfachen Mitteln ermöglichen soll.
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In
verfahrensmäßiger Hinsicht bestand ebenfalls die
Aufgabe, das Spritzgießen oder Spritzprägen so
zu gestalten, dass die resultierenden Kunststoffformteile verglichen
zu herkömmlichen Vorrichtungen und Verfahren über
eine reduzierte Zahl und/oder Ausprägung an so genannten
Einfallsstellen verfügen Gelöst werden diese Aufgaben
sowie weitere Aufgaben, die zwar nicht im einzelnen wörtlich
genannt werden, die sich jedoch aus der einleitenden Diskussion
des Standes der Technik ohne weiteres erschließen oder
wie selbstverständlich ableiten lassen, durch eine Vorrichtung
mit allen Merkmalen des Anspruches 1.
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Vorteilhafte
Ausgestaltungen der erfindungsgemäßen Vorrichtung
sind Gegenstand der auf den unabhängigen Vorrichtungsanspruch
rückbezogenen Ansprüche.
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In
verfahrensmäßiger Hinsicht geben die Merkmale
des unabhängigen Verfahrensanspruchs eine Lösung
des der Erfindung im Hinblick auf die Verfahrensaspekte zugrundeliegenden
Problems an. Vorteilhafte Verfahrensvarianten werden in den vom unabhängigen
Verfahrensanspruch abhängigen Verfahrensansprüchen
unter Schutz gestellt.
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Schließlich
schützen die Ansprüche der Verwendungskategorie
die Verwendung des Verfahrens der Erfindung.
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Insbesondere
dadurch, dass eine Vorrichtung zur Herstellung dickwandiger Kunststoffformteile
durch Spritzgießen oder -prägen, umfassend ein Werkzeug
zum Spritzgießen oder -prägen mit einer Kavität,
sich
dadurch auszeichnet,
dass das Werkzeug einen an die Kavität
angrenzenden Wandbereich und einen an den kavitätsnahen Wandbereich
angrenzenden kavitätsfernen Körper umfasst,
wobei
der Körper des Werkzeugs auf eine Temperatur T1 und
der Wandbereich auf eine von der Temperatur T1 verschiedene
Temperatur T2 temperierbar ausgebildet sind,
gelingt
es die bekannten Vorrichtungen zu verbessern, die Herstellung von
dickwandigen Kunststoffformteilen zu rationalisieren und alle von
den Norminstituten und den industriellen Verarbeitern bezüglich der
physikalischen und chemischen Eigenschaften der resultierenden Formkörper
aufgestellten Forderungen in herausragender Weise zu erfüllen.
Insbesondere weisen die resultierenden Formkörper im Hinblick
auf die Zahl und/oder die Ausprägung von Einfallstellen
ein deutlich verringertes Niveau auf verglichen mit Formkörpern,
die unter Einsatz bekannter Vorrichtungen erhalten werden können.
Zudem ist es erfindungsgemäß möglich,
eine große Zahl zusätzlicher Vorteile zu realisieren.
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Hierzu
gehören unter anderem:
- – Verkürzte
Zykluszeiten durch optimale Prozesstemperaturen beim Spritzgießen
oder Spritzprägen.
- – Optimale Prozesstemperaturen im Bezug auf die Schwindungsverhältnisse
im Formteil.
- – Bei Formteilen mit Wanddickenunterschieden zeigt
sich die vorteilhafte Wirkung des Verfahrens auf insbesondere die
dickeren Wandbereiche des Formteils.
- – Gleich wirkende Druckverteilung oder Prägedruckverteilung
und dadurch Vermeidung oder Reduktion von Einfallstellen am Formteil.
- – Geringere oder keine Molekülorientierung,
wodurch die optische Qualität von beispielsweise Linsen
verbessert wird.
- – Hervorragende Maßhaltigkeit der Formteile.
- – Längere und effektivere Kompressionsphase, da
keine vorzeitig eingefrorenen Randschichten entstehen.
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Die
Vorrichtung der Erfindung zur Herstellung dickwandiger Kunststoffformteile
durch Spritzgießen oder -prägen umfasst ein Werkzeug
zum Spritzgießen oder -prägen mit einer Kavität.
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Der
Begriff „Werkzeug zum Spritzgießen oder Spritzprägen” ist
synonym zu den Ausdrücken „Spritzgießwerkzeug” beziehungsweise „Spritzprägewerkzeug” zu
verstehen. Sofern nicht besonders gekennzeichnet wird nachfolgend
unter dem Begriff „Werkzeug” immer kumulativ ein
Spritzgießwerkzeug und ein Spritzprägewerkzeug
verstanden. Diese Begriffe sind dem Fachmann weithin bekannt.
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Das
Werkzeug der erfindungsgemäßen Vorrichtung weist
eine Kavität auf. Hierunter wird im Rahmen der Erfindung
ein Hohlraum verstanden, der beim Spritzgieß- oder Spritzprägeprozess
mit thermoplastischem Kunststoff aufgefüllt wird. Es ist
klar, dass die Erfindung nicht auf Werkzeuge mit einer einzigen
Kavität beschränkt ist. Genauso gehören
zur Erfindung Vorrichtungen mit Werkzeugen, die über mehr
als eine Kavität verfügen, sei es in einer oder mehreren
Trennebenen.
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Im
Sinne der Erfindung zeichnet sich ein Werkzeug unter anderem dadurch
aus, dass es einen an die Kavität angrenzenden Wandbereich
und einen an den kavitätsnahen Wandbereich angrenzenden
kavitätsfernen Körper umfasst. Dabei umschließt
das Werkzeug ein oder mehrere Kavitäten und betrachtet
von einer Kavität aus wird der Bereich des Werkzeugs als
kavitätsnaher Bereich des Werkzeugs bezeichnet, welcher
sich an die Kavität anschließt und diese begrenzt.
Weiters ist der aus Richtung der Kavität betrachtet sich
an den kavitätsnahen Wandbereich des Werkzeugs anschließende
kavitätsfernere Bereich des Werkzeugs der so genannte Körper
oder kavitätsferne Körper des Werkzeugs. Die Stärke
oder Dicke des kavitätsnahen Wandbereichs des Werkzeugs
kann über einen weiten Bereich variieren. Ebenso kann die
Dicke oder Stärke des kavitätsfernen Körpers
des Werkzeugs über einen weiten Bereich variieren. Im allgemeinen
liegt das Verhältnis der Dicke des kavitätsnahen
Wandbereichs des Werkzeugs zur Dicke des kavitätsfernen Bereichs
des Werkzeugs im Bereich von 1:100 bis 2:1. Hierbei kann das Verhältnis
für ein Werkzeug konstant sein. Es kann jedoch für
ein Werkzeug betrachtet an mehreren Stellen zu abweichenden Dickenverhältnissen
kommen, je nach speziellem Aufbau des Werkzeugs sowie den besonderen
Prozess-Anforderungen an das Werkzeug.
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Im
Rahmen der Erfindung hat es sich als vorteilhaft erwiesen, wenn
die Dicke des kavitätsnahen Wandbereichs des Werkzeugs
gleich der oder kleiner als die Dicke des kavitätsfernen
Körpers des Werkzeugs ist. Von besonderem Vorteil ist es,
wenn man die Dicke des kavitätsnahen Wandbereichs verglichen
mit dem kavitätsfernen Körper möglichst
gering gestaltet. So haben sich für das Verhältnis
der Dicke des kavitätsnahen Wandbereichs zum kavitätsfernen Körper
des Werkzeugs Werte im Bereich von nicht größer
als 1:2, noch zweckmäßiger nicht größer
als 1:5 und besonders zweckmäßig nicht größer
als 1:10 besonders bewährt. Bei besonders bevorzugten erfindungsgemäßen
Vorrichtungen liegt das genannte Verhältnis im Bereich
von 1:8 bis 1:2, noch mehr bevorzugt im Bereich von 1:10 bis 1:5
und noch zweckmäßiger im Bereich von 1:20 bis
1:10.
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Bezogen
auf die gesamte Dicke oder Stärke des Werkzeugs kann sich
die Dicke des kavitätsnahen Wandbereichs des Werkzeugs
ebenfalls über einen weiten bereich erstrecken.
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In
einer bevorzugten Ausführungsform kennzeichnet sich die
Vorrichtung der Erfindung dadurch, dass die Dicke des Wandbereichs
zwischen etwa 1/20 bis 1/4 der gesamten Dicke des Werkzeugs aus kavitätsfernem
Körper und kavitätsnahem Wandbereich ausmacht.
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Noch
mehr bevorzugt für die Vorrichtung ist es, wenn die Dicke
des Wandbereichs etwa 1/10 bis 1/5 der gesamten Dicke des Werkzeugs
aus kavitätsfernem Körper und kavitätsnahem
Wandbereich beträgt.
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Die
erfindungsgemäße Vorrichtung ist insbesondere
dadurch gekennzeichnet, dass der Körper des Werkzeugs auf
eine Temperatur T1 und der Wandbereich auf
eine von der Temperatur T1 verschiedene
Temperatur T2 temperierbar ausgebildet sind.
Diese Ausgestaltung ermöglicht vorteilhaft die unterschiedliche
Temperierung des Wandbereichs und des Körpers des Werkzeugs
und zwar in sehr kurzer Zeit. Die bislang in der Praxis zu beobachtende
relativ hohe Trägheit des Temperaturverhaltens des gesamten
Werkzeugkörpers lässt sich durch eine im Hinblick
auf die separate Temperierbarkeit durchführte Entkopplung
der kavitätsnahen Wandbereiche des Werkzeugs vom restlichen
Körper des Werkzeugs deutlich reduzieren. Hieraus resultiert insbesondere
vorteilhaft die Möglichkeit der Einstellung höherer
Temperaturen im kavitätsnahen Bereich des Werkzeugs mit
der Folge, dass die letztlich auf das in die Kavität eingebrachte
Kunststoffmaterial eine höhere Temperatur wirkt. Ebenso
besteht durch die hinsichtlich Temperierbarkeit Entkopplung von Wandbereich
und Restkörper des Werkzeugs die Möglichkeit,
dass die kavitätsnahen Randbereiche des Werkzeugs für
eine längere Zeitspanne temperiert werden, als dies bei
herkömmlichen Vorrichtungen der Fall ist, mit dem Ergebnis,
dass die Zahl der Einfallstellen oder die Ausprägung, dass
heißt die Intensität der Einfallstellen, verringert
wird, verglichen mit herkömmlichen Vorrichtungen.
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Der
kavitätsnahe Wandbereich des Werkzeugs sowie der restliche
Körper lassen sich im Hinblick auf die Temperierbarkeit
auf verschiedene Weise voneinander entkoppeln. So kann es möglich
sein, die kavitätsnahen Bereiche des Werkzeugs mit einer speziellen
Beschichtung zu versehen, die beispielsweise über Widerstandsheizungen
oder induktiv angesteuert werden kann. Hierbei können dem
Fachmann an sich bekannte Beschichtungsmaterialien zum Einsatz gelangen,
wie etwa thermokeramische Beschichtungen. Allerdings kann das nachträgliche Beschichten
vorhandener Werkzeuge etwas aufwändig sein.
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Es
ist daher im Sinne der Erfindung bevorzugt, dass der kavitätsnahe
Wandbereich des Werkzeugs und der kavitätsferne Körper
des Werkzeugs voneinander getrennte Temperierkreisläufe
aufweisen. Auf diese Art und Weise lassen sich die Temperaturunterschiede
zwischen Wandbereich des Werkzeugs sowie restlichem Körper
des Werkzeugs auf schnelle, einfache und zweckmäßige
Art und Weise realisieren.
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Die
Ansteuerung der beiden Temperierkreisläufe kann auf verschiedene
Weise erfolgen. Neben der bereits genannten Ansteuerung über
Widerstandsheizungen oder einer induktiven Ansteuerung ist es möglich,
die Temperatur mittels flüssiger Medien, wie beispielsweise
Wasser, Öl oder Dampf zu regeln.
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Im
Rahmen der Erfindung hat es sich insofern als besonders vorteilhaft
herausgestellt, wenn der kavitätsnahe Wandbereich des Werkzeugs
auswechselbar ist. Eine zweckmäßige Vorrichtung
gemäß der Erfindung verfügt daher über
einen auswechselbaren Kavitätsrahmen, der bevorzugt aus Stahl
ist. Hierbei handelt es sich um eine Innenauskleidung des Werkzeughohlraums,
die auswechselbar gestaltet und den Werkzeugkörper und
die Kavität voneinander separiert. Die Vorteile eines auswechselbaren
Kavitätsrahmens bestehen vor allem in der schnellen und
individuellen Anpassbarkeit des Rahmens an neue Kavitätsformen
sowie in der Möglichkeit der schnellen Austauschbarkeit.
Zudem ist es möglich, den Kavitätsrahmen aus solchen
Materialien zu fertigen, die eine äußerst geringe
Trägheit im Hinblick auf das Temperaturverhalten aufweisen.
Der Einsatz solcher vergleichsweise teurer Materialien bleibt dann
auf einen im Vergleich zum gesamten Körper relativ geringen
Masse- oder Volumenanteil beschränkt.
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Wie
bereits ausgeführt eignet sich die Vorrichtung der Erfindung
bevorzugt zum Spritzgießen.
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Ein
weiteres bevorzugtes Anwendungsgebiet der erfindungsgemäßen
Vorrichtung ist auch das Spritzprägen. Im Unterschied zum
Spritzguss weist die Vorrichtung beim Spritzprägen zusätzlich
einen beweglichen Formkern oder Prägestempel auf. Hierbei
ist es im Rahmen der Erfindung von besonderem Interesse und bevorzugt,
dass der Formkern oder Prägestempel separat auf eine Temperatur
T3 temperierbar ausgebildet ist. Diese Variante
kann insbesondere dazu genutzt werden, über den Prägestempel zusätzlich
Energie in das in der Kavität befindliche Material einzubringen,
mit der Folge, dass die Qualität des resultierenden Formteils
weiter gesteigert werden kann. in zweckmäßiger
Ausführungsform wird dieser Gedanke so verwirklicht, dass
der Formkern oder Prägestempel eine Beschichtung aus Thermokeramik
aufweist.
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Gegenstand
der Erfindung ist auch ein Verfahren zur Herstellung von dickwandigen
Kunststoffformteilen mit im Hinblick auf Zahl und/oder Ausprägung
verringerten Einfallstellen durch Spritzgießen oder -prägen,
bei welchem man
- – eine Vorrichtung
wie hierin oben bereitstellt;
- – eine thermoplastische Kunststoffformmasse im fließfähigen
Zustand in das Werkzeug der Vorrichtung einspritzt;
- – die eingespritzte Kunststoffformmasse erstarren lässt;
und
- – die erstarrte Kunststoffformasse entformt;
wobei
man
- – die Temperatur T2 des kavitätsnahen
Wandbereichs des Werkzeugs vor und/oder während des Einspritzvorgangs
auf einen Wert größer als die Vicattemperatur
Tv der Kunststoffformmasse bringt und hält,
wobei die Temperatur T2 größer als
die Temperatur T1 des Werkzeugkörpers
ist;
und
- – die Temperatur T2 des kavitätsnahen
Wandbereichs während des Erstarrens der Kunststoffformasse
und vor dem Entformen auf eine Temperatur unterhalb der Vicattemperatur
Tv der Kunststoffformasse bringt.
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Gemäß dieser
Verfahrensweise kann man den Randbereich des Formteils höher
und gegebenenfalls länger temperieren, mit der Folge, dass
eine Nachdruckwirkung oder Prägekraft länger aufrecht erhalten
werden kann.
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Unter
Vicattemperatur Tv wird dabei die Vicat-Erweichungstemperatur
(VST = Vicat softening temperature) nach DIN EN ISO 306 (Vorläufer: DIN 53460)
verstanden. Die Vicattemperatur wird mit einer Nadel (mit kreisrunder
Fläche von 1 mm2) gemessen. Diese
ist mit einer Prüfkraft von 10 N (Prüfkraft A)
oder 50 N (Prüfkraft B) belastet. Der Probekörper mit
einer zulässigen Dicke von 3 bis 6,4 mm wird einer definierten
Heizrate von 50 bzw. 120 K/h ausgesetzt. Die VST ist erreicht, wenn
der Eindringkörper eine Eindringtiefe von 1 mm erreicht.
Durch Variation der Randbedingungen ergeben sich vier Parameterkombinationen,
nämlich VST/A50, VST/A120, VST/650 und VST/6120, wobei
für die Zwecke der Erfindung, wenn nicht anders angegeben,
die Methode VST/650 angewendet wird.
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Grundsätzlich
wird beim Verfahren der Erfindung der kavitätsnahe Wandbereich,
besonders zweckmäßig der oben beschriebene Kavitätsrahmen,
des Werkzeugs vor und/oder während des Einspritzvorgangs
mittels geeigneter Heizung auf ein höheres Temperaturniveau
temperiert, verglichen mit dem Temperaturniveau des restlichen Körper
des Werkzeugs. Die Temperaturführung des kavitätsnahen
Randbereichs, vorzugsweise des Kavitätsrahmens, erfolgt
dabei zweckmäßig zyklisch zum Spritzguss- oder
Spritzprägezyklus. Während der Einspritzphase
ist es außerdem zweckmäßig, den kavitätsnahen
Randbereich, bevorzugt in Form des auswechselbaren Kavitätsrahmens,
auf ein hohes Temperaturniveau oberhalb der Vicattemperatur des
eingespritzten Kunststoffmaterials zu bringen, um einen langen Nachdruck
oder Prägedruck aufrechtzuerhalten. Nach dem gleichmäßigen
Erstarren der Kunststoffschmelze bringt man den kavitätsnahen
Werkzeugwandbereich mittels geeigneter Kühlung wieder auf
eine Temperatur unterhalb der Vicattemperatur des Kunststoffmaterials,
nämlich die Entformungstemperatur.
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Wie
bereits festgestellt, besteht ein Vorteil des erfindungsgemäßen
Verfahrens darin, dass man die Trägheit des Werkzeugs im
Hinblick auf Temperaturänderungen überwindet und
somit trotz höherer Temperaturen am Formteil und trotz
längerer Nachdruckwirkung oder trotz längerer
Wirkung der Prägekraft schnelle Zykluszeiten realisierbar
macht. In diesem Zusammenhang ist es von Vorteil, wenn auch die
Unterschiede zwischen dem Temperaturniveau T2 des
kavitätsnahen Wandbereichs und dem Temperaturniveau T1 des restlichen Werkzeugkörpers möglichst
groß sind.
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Demnach
zeichnet sich eine besonders zweckmäßige Abwandlung
des erfindungsgemäßen Verfahrens dadurch aus,
dass man eine Differenz ΔT21 zwischen
der Temperatur T2 des kavitätsnahen Wandbereichs
und der Temperatur T1 des kavitätsfernen
Werkzeugkörpers von mehr als 20°C einstellt.
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Eine
noch mehr bevorzugte Variante sieht vor, dass man eine Differenz ΔT21 zwischen der Temperatur T2 des
kavitätsnahen Wandbereichs und der Temperatur T1 des kavitätsfernen Werkzeugkörpers von
mehr als 40°C einstellt.
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Eine
solche Temperaturdifferenz wirkt sich besonders vorteilhaft auf
die Reduktion der Einfallstellen der fertigen Formkörper
aus.
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In
einer weiteren günstigen Abwandlung des Verfahrens ist
vorgesehen, dass man den kavitätsnahen Wandbereich des
Werkzeugs mittels flüssiger Medien, mittels Widerstandsheizung
oder induktiv temperiert, besonders zweckmäßig
mittels flüssiger oder gasförmiger Medien, wie Öl,
Wasser oder beziehungsweise Dampf.
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Das
Prinzip der Erfindung lässt sich auf die bekannten Spritzgieß-
und Spritzprägeverfahren übertragen. Seine besonders
vorteilhaften Effekte treten jedoch bei der Herstellung von dickwandigen Formkörpern
aus Kunststoff zu Tage.
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Zweckmäßig
wird das Verfahren der Erfindung zur Herstellung von dickwandigen
Spritzgieß- oder Spritzprägeteilen mit Wandstärken
von mehr als 5 mm verwendet.
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Eine
weitere vorteilhafte Verwendung umfasst die Herstellung von dickwandigen
Spritzgieß- oder Spritzprägeteilen mit Wandstärken
von mehr als 8 mm.
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Das
Verfahren der Erfindung eignet sich zur Herstellung von Formteilen
aus thermoplastischen Kunststoffen, wie Polystyrol, Polycarbonat,
Copolycarbonat, Cyclo-Olefin-Copolymere, Polymethylmethacrylimid
oder Polyacrylaten und -methacrylaten. Eine besonders zweckmäßige
Verwendung betrifft die Herstellung von PMMA-Formteilen, ganz besonders
bevorzugt sind Linsen für optische Zwecke.
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Im
Folgenden wird die Erfindung anhand von Ausführungsbeispielen
und Vergleichsbeispielen unter Verweis auf die beigefügten
Figuren näher erläutert.
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In
den Figuren zeigen:
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1 einen
Querschnitt durch eine idealisierte und vereinfachte Darstellung
eines Werkzeugs mit einem Kavitätsrahmen;
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2 einen
Querschnitt durch eine Teilansicht einer Ausführungsform
einer erfindungsgemäßen Vorrichtung;
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3 ein
Diagramm der Baudickenverteilung im Bezug auf einen kalten Rahmen;
und
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4 ein
Diagramm der Baudickenverteilung im Bezug auf einen heißen
Rahmen.
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Bezugszeichenliste
für die 1 und 2:
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Bezugszeichenliste
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- 1
- Kavitätsrahmen
- 2
- Kavität
- 3
- Werkzeug
- 3a
- Bewegliche
Werkzeugseite
- 3b
- Feste
Werkzeugseite
- 4
- Prägestempel
- 5
- Werkzeugplatte
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In
der 1 erkennt man eine Querschnittsdarstellung einer
Prinzipskizze eines Werkzeugs. Das Bezugszeichen 3 bezeichnet
ein Werkzeug zum Spritzgießen. Das Werkzeug 3 verfügt
in seinem Inneren über einen Hohlraum 2. Der Hohlraum 2 wird auch
als Kavität 2 bezeichnet. Man erkennt ferner einen
kavitätsnahen Wandbereich 1 sowie einen kavitätsfernen
Körper 5 des Werkzeugs. Der Randbereich 1 grenzt
an den Holraum 2. Vom Hohlraum 2 nach außen
betrachtet schließt sich an den kavitätsnahen
Wandbereich 1 der kavitätsferne Körper 5 des Werkzeugs 3 an.
Kavitätsnaher Wandbreich 1 und kavitätsfernen
Bereich oder kavitätsferner Körper 5 des
Werkzeugs bilden zusammen den gesamten Körper des Werkzeugs 3.
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In
der Figur zwei erkennt man als Werkzeugbestandteile die Platten 3a und 3b.
Bei diesem Zweiplattenwerkzeug ist die Kavität 2 in
die Platte 3a integriert, während die Platte 3b zur
Entformung eines fertigen Spritzgießteils geöffnet
werden kann.
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Man
erkennt sehr gut, dass die Kavität 2 in der Baugruppe 3a von
einer Art Rahmen 1 umgeben ist. Dieser Kavitätsrahmen 1 ist
im gezeigten Beispiel auswechselbar gestaltet und separat temperierbar. Ferner
erkennt man in 2, den Prägestempel 4, welcher
zur Kompaktierung der Formmasse in der Kavität genutzt
werden kann.
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Es
versteht sich, dass die Rückwand der Kavität,
das ist die durch die Baugruppe 3b des Werkzeugs gebildete
Begrenzung der Kavität ebenfalls separat temperierbar ausgebildet
sein kann. Dies ist jedoch nicht erforderlich, um die vorteilhaften
Wirkungen der Erfindung zu erzielen.
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In 3 wird
die Bauteildickenverteilung im Bezug auf den Kalten Rahmen dargestellt.
In 4 wird die Bauteildickenverteilung im Bezug auf
den Heißen Rahmen dargestellt.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- - DE 19913525
A1 [0009]
- - DE 10048861 A1 [0010]
- - DE 10114228 A1 [0011]
- - WO 2004/058476 [0012]
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Zitierte Nicht-Patentliteratur
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- - Standard-Spritzgießprozess [0004]
- - Standard-Spritzprägeprozess [0005]
- - Standard-Spritzgießverfahren [0005]
- - Standard-Spritzprägeverfahren [0005]
- - DIN EN ISO 306 [0042]
- - DIN 53460 [0042]