Derartige "dickwandige Formteile" sind beispielsweise Bril
lengläser, die zum einen aus Glas, andererseits zunehmend auch
aus Kunststoff gefertigt werden. Dabei kommen beispielsweise
duroplastische Gußmassen (CR39) und Thermoplaste zur Anwendung,
wobei je nach Einsatz Polystyrol (PS), Polymethylmethacrylat
(PMMA) oder Polycarbonat (PC) verwendet werden; aufgrund der
hohen Schlagfähigkeit wird verstärkt PC eingesetzt.
Bei bekannten Verfahren werden Linsenrohlinge gleichmäßiger
Wandstärke (1,5-3 mm) in Zykluszeiten von unter 30 s herge
stellt, und im Normalfall wird dabei der Standard-Spritzgieß
prozeß verwendet. Die Kunststoffmasse wird in der Füllphase
über kleindimensionierte Kanäle in die Linsenkavität einge
bracht. Weil amorphe Kunststoffe in der Abkühlphase eine hohe
Dichtereduktion (10-20%) erfahren, wird diese Material
schwindung in einer folgenden Nachdruckphase durch Nachfüttern
von plastischer Schmelze vom Spritzkolben der Spritzgießmaschi
ne ausgeglichen.
Bei einem Standard-Spritzprägeprozeß wird im Unterschied zum
Standard-Spritzgießprozeß die Kunststoffmasse in einer ersten
Füllphase in eine vorvergrößerte Kavität eingebracht, und diese
Kunststoffmasse wird folgend mittels einer axialen Werkzeugprä
gung verprägt. Das Massegewicht, das in der ersten Füllphase in
die vorvergrößerte Kavität eingebracht wird, entspricht dabei
dem Massegewicht der später entnommenen Teile. Mit der axialen
Werkzeugbewegung, diese kann sowohl durch Werkzeugtechnik als
auch mit Maschinentechnik eingeleitet werden, wird die vorver
größerte Kavität verkleinert und die Restfüllung der Kavität
wird vorgenommen. Das Standard-Spritzprägeverfahren wird einge
setzt für einfache optische Teile wie Linsen, um Einfallstellen
als Folge von Materialschwindung zu vermeiden.
Um bei Linsen mit negativem Brechungsindex (innen dünn, außen
dick) Bindenähte zu vermeiden, wird gemäß der EP 0 144 622 und
der US 4,540,534 in einer ersten Füllphase die Kunststoffmasse
in eine vorvergrößerte Kavitiät eingebracht, bis diese voll
ständig gefüllt ist. Dann wird folgend eine axiale Werkzeugbe
wegung eingeleitet, und die vorvergrößerte Kavität wird ver
kleinert. Eine definierbare Menge Kunststoffmasse wird dabei
aus der Kavität verdrängt. Ansonsten entspricht die Vorgehens
weise dem Standard-Spritzprägeverfahren.
Eine entsprechende Vorgehensweise wird durch die US-A-4,828,769
vorgeschlagen, wobei hier die Prägephase beginnt, bevor die er
ste Einspritzphase abgeschlossen wurde. Auch dieses Verfahren
kann für optische Teile verwendet werden; eine bekannte Anwen
dung ist die Herstellung von DVD.
Obwohl die oben erwähnten Verfahren befriedigende Ergebnisse
bei der Herstellung dünnwandinger Kunststoff-Formteile, bei
spielsweise dünner Linsen, liefern, ergeben sich erhebliche
Probleme bei der Ausbildung von dickwandingen Formteilungen
bzw. Linsen.
So können Einfallstellen aufgrund von Materialschwindung auf
treten, es können sich Oberflächenmarkierungen ergeben, weil
die Kunststoffmasse nicht in einem optimalen Quellfluß in die
Kavität einfließen kann. Es können sich kalte Randschichten in
der Füllphase verschieben. Durch Erhöhung der Werkzeugtempera
tur bis nahe der Glastemperatur (TG = ca. 140°C bei PC) wird
die Entstehung von kalten Randschichten unterdrückt. Daraus er
gibt sich eine verlängerte Zykluszeit.
Um einen nahezu optimalen Quellfluß sicherzustellen, werden
große Teilanschnitte benötigt, die anschließend staubfrei abge
schnitten werden müssen und in der Regel nicht mehr für die
Herstellung von optischen Teilen verwendet werden können und
als Abfall entsorgt werden.
Um eine gute Abformung der Werkzeugkavitätenoberfläche zu er
zielen, muß eine hohe Werkzeugtemperatur für die Füllphase ge
wählt werden. Diese liegt nahe der Glastemperatur des Kunst
stoffes, so daß damit ein hoher Energieverbrauch verbunden ist.
Der Erfindung liegt somit die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren
zum Herstellen von dickwandingen Kunststoff-Formteilen, insbe
sondere optischen Linsen, anzugeben, das sich durch eine wirt
schaftliche und einfache Verfahrensführung auszeichnet und mit
dem Kunststoff-Formteile mit optimaler Oberflächenbeschaffen
heit herstellbar sind.
Diese Aufgabe wird durch ein Verfahren gemäß Anspruch 1 gelöst;
die abhängigen Ansprüche betreffen Weiterentwicklungen der Er
findung. Eine Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens ist
in Patentanspruch 6 angegeben.
Das erfindungsgemäße Verfahren macht sich die Erkenntnis zunut
ze, daß die Herstellung von relativ dünnwandingen Kunststoff-
Formteilen mit guter Oberflächenbeschaffenheit relativ unpro
blematisch erfolgen kann. Dementsprechend wird diese Erkenntnis
auf dickwandige Formteile umgesetzt, und das erfindungsgemäße
Verfahren gliedert sich in zwei Phasen. In der ersten Phase
wird ein relativ dünnes Teil mit optimaler Oberflächenqualität
erzeugt, und in einer zweiten Phase wird das Kunststoff-Form
teil auf eine Endwandstärke durch Zufuhr von Kunststoffmaterial
"aufgeblasen".
Nach der ersten Phase oder auch nach der zweiten Phase kann ei
ne Kompressionsphase durchgeführt werden, um Materialschwindung
und somit Einfallstellen zu vermeiden.
Zum Vergrößern der Kavität in der zweiten Phase wird erfin
dungsgemäß ein Prägestempel eingesetzt, der linear verschieb
lich ist und einen Teil der Kavität definiert. Dabei ist vor
zugsweise der Prägestempel im Bereich seines Formendes, paral
lel zu seinem Verschiebeweg von der Wandung eines Formwerkzeugs
durch eingespritztes Kunststoffmaterial isoliert. Es ist deshalb
nicht erforderlich, das Formwerkzeug in dieser Phase auf
einer erhöhten Temperatur zu halten.
Andererseits können jedoch Abkühleffekte in der Kavität nicht
vollständig vermieden werden, so daß bei Verwendung eines
schneckenwegabhängigen oder schließwegabhängigen Schließkraft
profils der resultierende Innendruck abnehmen würde. Dement
sprechend wird erfindungsgemäß vorgeschlagen, ein innendruckge
regeltes Schließkraftprofil zu verwenden.
Bei der erfindungsgemäßen Vorrichtung ist zumindest das kavi
tätseitige Ende des Prägestempels von einem Hohlraum umgeben,
der mit der Kavität kommuniziert und in den eingespritztes
Kunststoffmaterial eindringt. Dieser Hohlraum erstreckt sich
zumindest über den Hub des verschiebbaren Prägestempels, so daß
der Prägestempel von dem Werkzeug zumindest in dem Bereich
durch eingedrungenes Kunststoffmaterial isoliert wird.
Ausführungsformen der Erfindung werden anhand der beigefügten
Zeichnungen erläutert. Es zeigen:
Fig. 1 eine schematische Darstellung im Querschnitt der
Formvorrichtung,
Fig. 2A, 2B entsprechende Querschnittsdarstellungen wie die
Fig. 1, wobei das Formwerkzeug in zwei verschiede
nen Positionen ist,
Fig. 3 ein Prozeßablaufdiagramm.
Gemäß Fig. 1 umfaßt die Vorrichtung zur Durchführung des erfin
dungsgemäßen Verfahrens eine erste Formplatte 1, in die ein
Linseneinsatz 5 eingesetzt ist. Die erste Formplatte 1 stützt
sich an einer Stützplatte 17 ab. Eine zweite Formplatte 3 wirkt
mit der ersten Formplatte 1 zusammen und trägt einen Prägestem
pel 6, der in Axialrichtung (vertikal Richtung der Fig. 1) über
eine Antriebsplatte 15 bewegbar ist. Der Linseneinsatz 5, die
zweite Formplatte 3 und der Prägestempel 6 bilden eine Kavität
7, die über einen Anguß 13 mit flüssigem Kunststoffmaterial be
schickt werden kann. Dabei dringt insbesondere auch Kunststoff
material in den seitlichen Bereich 11 zwischen der Formplatte 3
und dem Prägestempel 6 ein und isoliert das entsprechende Ende
des Prägestempels 6 vom temperierten Werkzeug. Das Material in
diesem Bereich bildet also gewissermaßen einen "Isolierrand".
Während des Füllens der Kavität wird die Formplatte 3 durch ei
ne Hydraulikvorrichtung 21, 19 an der Formplatte 1 vorgehalten,
um während des Befüllens ein Öffnen der Form zu verhindern.
Fig. 2 zeigt eine der Fig. 1 entsprechenden Darstellung in
zwei unterschiedlichen Positionen des Prägestempels. In der
Stellung A ist der Prägestempel so eingestellt, daß eine mini
male Kavität 7a vorhanden ist, und die Stellung B zeigt das
Werkzeug mit maximaler Kavität 7b.
Zur Erläuterung des Prozeßablaufs wird auf die Fig. 3 Bezug ge
nommen. Zunächst wird das Werkzeug vollständig geschlossen, und
in die minimale Kavität 7b wird plastisches Kunststoffmaterial
durch einen Spritzzylinder oder die Schnecke einer Spritzgieß
maschine eingebracht, bis die minimale Kavität vollständig ge
füllt ist. Daran schließt sich eine kurze Kompressionsphase an
(optional), um die Oberfläche bei hohem Forminnendruck optimal
abzuformen.
Anschließend wird die Kunststoffmasse von Spritzzylinder der
Spritzgießmaschine bis zum Erreichen einer definierten Teil
wandstärke "aufgeblasen", und zwar optional schneckenwegabhän
gig oder schließenwegabhängig. Daran schließt sich eine Präge
phase an, in der zur Vermeidung von Einfallstellen infolge von
Materialschwindung eine Massenkompression durchgeführt wird.
Nach dem Ausformen des Kunststoff-Formteils kann die Form ge
öffnet und das Kunststoff-Formteil entnommen werden, woran sich
ein weiterer Zyklus anschließt.
Durch den erfindungsgemäßen "Isolierrand" wird der Prägestempel
vom temperierten Werkzeug isoliert, so daß er lange Zeit axial
beweglich sein kann. Die Dicke des Isolierrandes ist abhängig
von der Teildicke und der daraus resultierenden Zykluszeit (oft
6 Min. und länger). Ohne Isolierrand oder zu dünnem Isolierrand
wird der Prägestempel durch die sich bildende kalte Randschicht
am Linsenaußenrand gebremst und wäre dann nicht mehr axial prä
gefähig. Die Folge wären Einfallstellen infolge Materialschwin
dung.
Um weiterhin Einfallstellen zu vermeiden, ist es wichtig, daß
der Innendruck der Kavität möglichst konstant ist. Aus diesem
Grund ist vorzugsweise ein Innendruckgeber 9 vorhanden (vgl.
Fig. 1), so daß der Prozeß innendruckabhängig geregelt werden
kann.
Bei dem erfindungsgemäßen Verfahren ergeben sich diverse Vor
teile im Vergleich mit dem Stand der Technik. So gibt es wegen
der abschließenden Prägephase im Ablaufschritt (5) keine Mate
rialschwindung und somit ergeben sich keine Einfallstellen.
Durch die abschließende Prägephase (5) vermeidet der Prägestem
pel vollflächig die Bildung von Einfallstellen und bringt voll
flächig Innendruck auf die Linse. Es reicht somit aus, eine
Linse mit wenig Innendruck und deshalb mit wenig eingefrorenen
Spannungen herzustellen.
Die üblichen Werkzeugtemperaturen bei dünnen Linsen (2-3 mm)
in PC liegen bei 80°C. Die bei dicken Linsen (13 mm) liegen bei
ca. 120°C. Diese hohe Temperatur wird benötigt, damit die re
sultierenden Fehler wie "Verschieben von kalten Randschichten"
und fehlende Oberflächenbrillanz zu vermeiden. Die Werkzeugtem
peratur muß deshalb während der Füllphase so nahe wie möglich
bei der Glastemperatur liegen. Es ergibt sich eine lange Zy
kluszeit von oft mehr als 6 Minuten.
Anders bei dem neuen Verfahren. Hier bildet sich bereits in der
Füllphase ein Innendruck in der Kavität infolge des Füllwider
standes. Bereits mit Werkzeugtemperaturen von ca. 80°C (bei PC)
erfolgt kein Verschieben von kalten Randschichten und es ergibt
sich eine optimale Oberflächenausprägung und damit eine hohe
Oberflächenbrillanz. Eine Reduktion der Zykluszeit um bis zu 50
% ist erreichbar.
Wegen der dünnen Wandstärken der vorverkleinerten Kavität bil
det sich auch bei niederviskosen Kunststoffen ein optimaler
Quellfluß. Es ist deshalb möglich, kleine Anschnitte (Punktan
schnitt, Tunnelanschnitt) zu verwenden. Der Kaltkanal kann des
halb nach der Teilentformung (Punktanschnitt) leicht von der
Linse getrennt werden. Am Beispiel Tunnelanschnitt ist auch ei
ne automatische Trennung des Kaltkanals bei der Werkzeugöffnung
möglich.
Weil auf den Schwindungsausgleich durch den Spritzzylinder der
Spritzgießmaschine vollständig verzichtet werden kann und weil
die Ablaufschritte bis zum abschließenden Prägen innerhalb kur
zer Zeit (7 Sekunden) abgeschlossen sind, können kleine Kaltka
nalquerschnitte verwendet werden. Üblich ist eine Kaltkanaldic
ke, die gleich der Dicke der vorverkleinerten Kavität ist. Die
Linsendicke wird im Ablaufschritt (4), d. h. dem Aufblasen der
dünnen Linse, hergestellt. Die resultierende Linsendicke ergibt
sich durch die Menge des eingespritzten Kunststoffs. Es ist al
so nicht erforderlich, Einsätze im Werkzeug zu wechseln, um
Teilwandstärken zu ändern, so daß in einem Werkzeug eine Viel
zahl von Linsendicken hergestellt werden kann.