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Die Erfindung betrifft eine Dichtungsanordnung zur Abdichtung eines ersten Raums gegenüber einem zweiten Raum, wobei die Dichtungsanordnung einen an einem ersten Bauteil angeordneten Dichtungsgrundkörper mit mindestens einer Dichtlippe aufweist, wobei die Dichtlippe zum direkten oder indirekten radialen Anlauf an einem zweiten Bauteil ausgebildet ist und wobei das erste oder zweite Bauteil eine Drehachse aufweist.
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Eine Dichtungsanordnung dieser Art ist im Stand der Technik hinlänglich bekannt. Sie stellt eine Radialwellendichtung dar, wobei die Dichtlippe reibend an einer Welle anliegt. Der Dichtungsgrundkörper ist mit einem Gehäuseabschnitt verbunden. Demgemäß wird im Gehäuseinneren ein abgedichteter Raum definiert, der gegenüber der Umgebung abgedichtet ist. Dieser Raum, in dem beispielsweise ein Wälzlager angeordnet sein kann, wird mit Schmiermittel, beispielsweise mit Schmierfett, gefüllt.
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Dichtungsanordnungen dieser Art werden beispielsweise in Radsatzlagern von Eisenbahnen oder Kraftfahrzeugen benötigt. Sie können als berührungslose (Spaltbzw. Labyrinthdichtungen) oder berührende Dichtungen ausgebildet sein. Dabei kann die Dichtung direkt in ein (Wälz) Lager integriert sein oder als separate, externe Einheit eingesetzt werden. Dabei haben die beiden genannten Dichtungskonzepte – d. h. die berührungslosen bzw. berührenden Dichtungen – jeweilige Vor- und Nachteile.
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Berührende Dichtungen haben eine gewisse definierte Überdeckung zwischen der reibend anliegenden Dichtlippe und der Gegenlauffläche (z. B. Lagerinnenring oder externe Lauffläche auf einer Welle). Diese Überdeckung ist für eine hohe Dichtwirkung nötig, führt aber zu Reibung und damit zu einer Wärmeentwicklung. Also kommt es zu einer Erwärmung, gegebenenfalls zu einer erhöhten Reibung und schließlich zu Verschleiß zwischen den reibend aneinander liegenden Kontaktpartnern (d. h. zwischen der Dichtlippe und der Gegenlauffläche). Das Dichtlippenmaterial besteht vorzugsweise aus einem Elastomermaterial.
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Durch Fertigungstoleranzen des Dichtlippendurchmessers und des Wellendurchmessers variiert die Überdeckung. Diese Varianz ist üblicherweise größer als 0,1 mm. Dies führt nachteilig zu einem unterschiedlichen (Reib) Verhalten der eingebauten Dichtungen aufgrund der Überdeckungsschwankung. Im Allgemeinen eigenen sich diese Dichtungen aber vorteilhafter Weise gut gegen externe Lagerverschmutzung. Weiterhin halten diese Dichtungen in effizienter Weise Schmiermittel zurück, d. h. ein für die Lagerschmierung zum Einsatz kommendes Wälzlagerfett wird gut im Lager zurückhalten; der Austritt von Schmiermittel (Fett) wird minimiert.
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Berührungslose Dichtungen (d. h. Spaltdichtungen) dichten indes nicht so gut wie berührende Dichtungen und wirken weniger gut gegen eine mögliche Lagerverschmutzung von außen. Für eine Minimierung des Eintrittes von Verschmutzung in die abgedichtete Stelle muss der Dichtspalt zwischen Dichtungsinnendurchmesser und der Gegenfläche (wie z. B. Lagerinnenring oder Wellenzapfen) möglichst klein gehalten. Dies erfordert nachteilig einen hohen fertigungstechnischen Aufwand bei der Herstellung der genannten Durchmesser, wodurch entsprechend hohe Kosten verursacht werden. Ebenso kann es zum Austritt von Schmierfett aus dem Lager kommen. Dies gilt insbesondere beim Einsatz von niedrigviskosen Wälzlagerfetten.
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Aufgrund des möglichen Fettaustrittes werden dann derartige und an sich günstige niedrigviskosen Lagerfette (insbesondere in Eisenbahnlagersätzen) teilweise nicht eingesetzt, obwohl sie eigentlich hinsichtlich der Schmierfunktion und somit mit Blick auf die Lagergebrauchsdauer und Temperaturentwicklung optimal sind.
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Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, eine Dichtungsanordnung der eingangs genannten Art so auszubilden, dass in allen Betriebszuständen eine optimale Überdeckung bzw. Vorspannung der Dichtlippe an einem abzudichtenden Bauteil, insbesondere an einer Welle, gegeben ist. Demgemäß soll einerseits eine effiziente Dichtung sichergestellt werden, andererseits soll auch bei sich erhöhender Temperatur in der abzudichtenden Anordnung keine übermäßige Reibung zwischen Dichtlippe und abzudichtender Welle entstehen. Somit sollen bei Sicherstellung einer guten Abdichtung minimale Verluste und damit eine Energieeinsparung sowie eine CO2-Reduzierung erreicht werden. Ferner soll hiermit eine maximale Gebrauchsdauer einer Lagerung erreicht werden.
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Die Lösung dieser Aufgabe durch die Erfindung ist dadurch gekennzeichnet, dass die mindestens eine Dichtlippe am Ende eines Abschnitts des Dichtungsgrundkörpers angeordnet ist, wobei der Abschnitt zwei im Radialschnitt in einem Winkel zueinander angeordnete Schenkel aufweist und wobei ein temperatursensibles Stellelement so an oder im Abschnitt angeordnet ist, dass sich bei Temperaturerhöhung der die Dichtlippe tragende Schenkel mit seinem Ende radial vom zweiten Bauteil weg bewegt.
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Das temperatursensible Stellelement ist dabei bevorzugt ein Bimetallelement bzw. es umfasst ein solches.
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Das temperatursensible Stellelement ist dabei vorzugsweise ringförmig ausgebildet. Es kann mit einem ersten radialen Abschnitt mit dem einen Schenkel des Abschnitts und mit einem zweiten radialen Abschnitt mit dem zweiten Schenkel des Abschnitts verbunden sein. Das ringförmig ausgebildete temperatursensible Stellelement kann dabei weiterhin in seinem zweiten radialen Abschnitt mit einer Anzahl radial verlaufender Schlitze versehen sein, die sich bis zum radialen Ende des Abschnitts erstrecken. Hiermit wird die Bewegungsmöglichkeit der beiden genannten Schenkel erleichtert, da die Steifigkeit des Stellelements in diesem Bereich reduziert wird.
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Der Winkel zwischen den beiden Schenkeln des Abschnitts beträgt bevorzugt zwischen 10° und 90°, besonders bevorzugt zwischen 30° und 70°.
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Die Schenkel des Dichtungsgrundkörpers samt einem am ersten Bauteil befestigten Dichtungsträger können einstückig aus Elastomermaterial bestehen. Die mindestens eine Dichtlippe kann ebenfalls aus Elastomermaterial bestehen und am einen Schenkel des Dichtungsgrundkörpers einstückig mit diesem ausgebildet angeformt sein. Im Dichtungsträger und/oder in einem der Schenkel des Dichtungsgrundkörpers kann ein metallisches Verstärkungselement angeordnet sein.
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Hierbei kann vorgesehen sein, dass das temperatursensible Stellelement als Verstärkungselement fungiert. In diesem Falle sieht eine mögliche Ausführungsform vor, dass sich das temperatursensible Stellelement bis in den radial äußeren Endbereich des Dichtungsgrundkörpers erstreckt, wo es im Radialschnitt L-förmig ausgebildet sein kann. Das temperatursensible Stellelement kann hier vom Material des Dichtungsgrundkörpers ummantelt sein.
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Das erste Bauteil ist gemäß einer bevorzugten Anwendung ein Gehäuse und das zweite Bauteil eine rotierende Welle.
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Der radiale Anlauf der Dichtlippe am zweiten Bauteil kann, wie eingangs erwähnt, direkt oder indirekt sein. Beim direkten Anlauf liegt die Dichtlippe unmittelbar an einer zylindrischen Fläche des zweiten Bauteils (Welle) an. Beim indirekten Anlauf ist auf dem zweiten Bauteil beispielsweise eine Anlaufhülse montiert, an der die Dichtlippe anläuft.
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Ein bevorzugt zum Einsatz kommendes Bimetallelement (auch Thermobimetall genannt) ist ein metallisches Element, bestehend aus zwei Schichten unterschiedlicher Metalle, die miteinander stoffschlüssig oder formschlüssig verbunden sind. Charakteristisch ist die Veränderung der Form bei Temperaturänderung. Diese äußert sich als Verformung (Verbiegung). Die Ursache hierfür ist der unterschiedliche Wärmeausdehnungskoeffizient der verwendeten Metalle. Diese Metalle können zum Beispiel Zink und Stahl oder Stahl und Messing sein. Die beiden Metalle mit unterschiedlichem Längenausdehnungskoeffizienten verlängern sich bei Erwärmung um unterschiedliche Strecken. Verbindet man die beiden Enden der beiden Metallelemente (beispielsweises durch Nieten oder Walzen), führt die unterschiedliche Längenänderung zu einer Verbiegung des Bimetallelements.
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Bimetalle werden üblicherweise in Blech- oder Bandform hergestellt. Die blanken, von Oxidschichten freien Metallbleche werden dabei unter Druck aufeinandergewalzt. In der Kontaktzone entsteht durch Kalt- oder Warmverschweißung eine unlösbare Verbindung. Bei einer anderen Ausführung werden die Metallenden deckungsgleich mit Durchgangsbohrungen versehen und miteinander vernietet oder verschraubt.
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Es ergibt sich somit erfindungsgemäß eine selbsteinstellende Überdeckung bzw. Vorspannung der an der Welle radial anliegenden Dichtlippe, wobei sich die Überdeckung bzw. Vorspannung mit der Temperatur verändert.
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Die erfindungsgemäße Lösung stellt also auf ein berührendes Dichtungskonzept ab, das als passiv geregeltes Dichtungssystem ausgestaltet ist. Die Regelung der radialen Anlagekraft der Dichtlippe an der Welle ergibt sich durch die in der Dichtungsanordnung herrschenden Temperatur. Hierzu ist ein temperatursensibles Stellelement, insbesondere ein Bimetallelement, vorgesehen, das die Überdeckung bzw. die radiale Vorspannung der Dichtlippe an der Welle regelt.
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Dabei kann eine Hybridbauweise ermöglicht werden, bei der das Bimetallelement in das Elastomermaterial der Dichtung integriert ist. Das Bimetallelement kann dabei aber auch auf das Elastomermaterial der Dichtung aufgesetzt, z. B. aufgeklebt, sein.
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Obwohl das Bimetall als temperatursensibles Stellelement bevorzugt ist, kann generell jedes thermoempfindliche Material eingesetzt werden, das bei Temperatureinwirkung seine Form ändert. Im einfachsten Falle kann ein Ring aus einem Material auf die genannten Schenkel des Abschnitts aufgebracht werden, das einen stark unterschiedlichen Wärmeausdehnungskoeffizienten – verglichen mit dem Elastomermaterial der Dichtung – aufweist. Hierdurch kommt bereits bei Temperaturerhöhung der Effekt zustande, dass die Dichtlippe radial von ihrer Gegenlauffläche des abzudichtenden Teils etwas abhebt und so die Überdeckung bzw. die Andruckkraft an der Gegenlauffläche vermindert.
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Mit der vorgeschlagenen Lösung wird es möglich, bei Temperaturerhöhung die Überdeckung bzw. den Anpressdruck der Dichtlippe auf der abzudichtenden Gegenfläche zurückzunehmen, so dass die Reibung vermindert werden kann. Hierdurch sind eine Energieeinsparung sowie eine Reduzierung der CO2-Emission möglich. Des weiteren wird es im gegebenen Falle eine Drehzahlerhöhung möglich, da die Reibung herabgesetzt ist.
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In der Folge ergeben sich geringere Kosten über die Gebrauchsdauer der Dichtungsanordnung.
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Weiterhin können die Wartungsintervalle verlängert werden, da geringerer Verschleiß zu erwarten ist. Die Dichtungs- und Lagergebrauchsdauer werden somit in vorteilhafter Weise verlängert.
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Schließlich ist eine Reduzierung des benötigten Schmierstoffs möglich.
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Besonders bevorzugt kommt die vorgeschlagene Dichtungsanordnung für Radlagerungen zum Einsatz, insbesondere in Eisenbahnen und Kraftfahrzeugen.
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In der Zeichnung ist ein Ausführungsbeispiel der Erfindung dargestellt. Die einzige Figur zeigt einen Radialschnitt durch eine Dichtungsanordnung, mit der ein Wälzlager eines Eisenbahn-Radlagers abgedichtet wird.
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In der Figur ist ein erstes Bauteil 2 in Form eines Gehäuses sowie ein zweites Bauteil 5 in Form einer rotierenden Welle dargestellt. Zwischen dem ersten und zweiten Bauteil ist eine Dichtungsanordnung 1 angeordnet, mit der ein erster Raum A, der beispielsweise mit Schmiermittel gefüllt ist, von einem zweiten Raum B, der die Umgebung sein kann, abgedichtet wird.
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Die Dichtungsanordnung 1 weist einen Dichtungsträger 9 aus elastomerem Material auf, der an einer zylindrischen Sitzfläche 11 des Gehäuses befestigt ist. Vom Dichtungsträger 9 erstreckt sich ein Abschnitt 7 radial nach innen, wobei dieser Abschnitt 7 zwei Schenkel hat. Der radial weiter außen liegende ringförmige Schenkel 7‘ ist unmittelbar am Dichtungsträger 9 angeformt und ist radial ausgerichtet. Der radial weiter innen liegende ringförmige Schenkel 7‘‘ grenzt an den ersten Schenkel 7‘ an, und zwar unter einem Winkel α, der im Ausführungsbeispiel ca. 60° beträgt.
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Am Ende 6 des Abschnitt 7, d. h. am Schenkel 7‘‘, ist eine Dichtlippe 4 angeordnet, die auf dem zylindrischen Außenumfang der Welle 5 reibend anläuft.
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Wesentlich ist, dass am Abschnitt 7 ein temperatursensibles Stellelement 8 angeordnet ist, das vorliegend als Bimetallelement ausgebildet ist. Das Stellelement 8 liegt mit einem äußeren radialen Ringabschnitt am Schenkel 7‘ an. Mit einem inneren radialen Ringabschnitt liegt es am Schenkel 7‘‘ an, wobei in diesem Bereich über den Umfang des Stellelements 8 eine Anzahl sich radial erstreckender Schlitze 10 angeordnet sind, um es mit geringem Kraftaufwand zu ermöglichen, dass bei einer Temperaturänderung die beiden Schenkel 7‘, 7‘‘ relativ zueinander bewegt werden können.
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Konkret ist vorgesehen, dass das Stellelement 8 so ausgebildet ist, dass bei einer Temperaturerhöhung der Schenkel 7‘‘ relativ zum (ortsfesten) Schenkel 7‘ in Richtung des Pfeils P bewegt wird.
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Somit wird erreicht, dass das temperatursensibles Stellelement 8 dafür Sorge trägt, dass bei einer Temperaturerhöhung der die Dichtlippe 4 tragende Schenkel 7‘‘ mit seinem Ende 6 radial von der Welle 5 weg bewegt wird. Damit wird die Überdeckung bzw. Vorspannung reduziert, mit der die Dichtlippe 4 an der Welle 5 anliegt.
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Ein vollständiges Abheben der Dichtlippe 4 von der Welle 5 ist dabei nicht unbedingt angestrebt, um die Dichtwirkung aufrecht zu erhalten; allerdings ist eine solche Lösung dennoch denkbar, um dann quasi Reibungsfreiheit zu haben.
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Die vorgeschlagene Dichtungsanordnung kann als separate Einheit zwischen Gehäuse und Welle montiert werden. Es ist aber auch möglich, dass sie in ein Wälzlager integriert wird; dann läuft die Dichtlippe 4 an einem der Lagerringe an.
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Bezugszeichenliste
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- 1
- Dichtungsanordnung
- 2
- erstes Bauteil (Gehäuse)
- 3
- Dichtungsgrundkörper
- 4
- Dichtlippe
- 5
- zweites Bauteil (Welle)
- 6
- Ende des Abschnitts
- 7
- Abschnitt
- 7‘
- Schenkel
- 7‘‘
- Schenkel
- 8
- temperatursensibles Stellelement (Bimetallelement)
- 9
- Dichtungsträger
- 10
- Schlitz
- 11
- zylindrische Sitzfläche
- A
- Raum
- B
- Raum
- P
- Pfeil
- α
- Winkel