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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Betreiben eines Kraftfahrzeugs, das ein Sicherheitsbremssystem zur Fahrdynamikregelung mit radindividuell betätigbaren Bremsen sowie ein Antriebssystem zum radindividuellen Antrieb mit jeweils einer elektrischen Maschine für jedes Rad des Kraftfahrzeugs aufweist.
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Ferner betrifft die Erfindung eine Vorrichtung zur Durchführung eines derartigen Verfahrens, die eine mit den Bremsen verbundene zentrale Steuereinheit des Sicherheitsbremssystems und ein mit den elektrischen Maschinen verbundenes Steuergerät des Antriebssystems aufweist.
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Stand der Technik
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Verfahren und Vorrichtungen der eingangs genannten Art sind aus dem Stand der Technik bekannt. Ein inhärenter Nachteil von Klein- und Kleinstwagen, insbesondere von Fahrzeugen mit kurzem Radstand, ist der systembedingt nur mäßig stabile Geradeauslauf, bei welchem eine Ist-Trajektorie des Kraftfahrzeugs, also der tatsächlich gefahrene Weg, häufig von einer gewünschten Soll-Trajektorie, dem gewünschten Weg, abweicht. Dieser führt zum einen zu einer merklichen Komfort-Einbuße auf Langstrecken, insbesondere wenn diese auf Autobahnen zurückgelegt werden, weil der Fahrer dauerhaft korrigierende Lenkmanöver durchführen muss. Infolgedessen ist der Fahrer zu dauerhaft erhöhter Aufmerksamkeit genötigt, was nach längerer Fahrzeit auch zu Anspannung, Ermüdung und Stress führen kann. Der mäßig stabile Geradeauslauf ergibt sich dabei auch durch die erhöhte Seitenwind-Empfindlichkeit von Kraftfahrzeugen mit kurzem Radstand, da mit kürzer werdendem Fahrzeug bei gleichbleibender Bauhöhe das Verhältnis von Fahrzeuglänge zum Nachlauf der Radaufhängung an der gelenkten Achse immer ungünstiger wird. Eine Verringerung der Fahrzeughöhe bei derartigen Kraftfahrzeugen ist jedoch nicht ohne Weiteres möglich, da dies zum einen die Alltagstauglichkeit und zum anderen den Einstiegskomfort unmittelbar schmälern würde.
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Zum Beeinflussen der Fahrdynamik beziehungsweise des Geradeauslaufs ist es bekannt, Sicherheitsbremssysteme wie das sogenannte ESP-System zu verwenden, bei welchem zur Beeinflussung der Ist-Trajektorie des Kraftfahrzeugs die Bremsen des Kraftfahrzeugs radindividuell zum Erzeugen radindividueller Drehmoment-Eingriffe betätigt werden. Durch eine entsprechende Ansteuerung der radindividuellen Bremsen lässt sich eine spurstabilisierende Funktion durch Anpassen einer aktuellen Ist-Gierrate des Kraftfahrzeugs an eine der Soll-Trajektorie entsprechenden Soll-Gierrate gewährleisten. Da jedoch dies stets durch ein negatives Drehmoment, also durch eine Bremswirkung erfolgt, ist der häufig abrupte Eingriff für den Fahrer deutlich spürbar, was zu Komforteinbußen führt. Derartige Sicherheitsbremssysteme sind für die Stabilisierung des Fahrzeugs in kritischen Fahrsituationen konzipiert. Ein Eingriff eines derartigen Systems zur Verbesserung des Geradeauslaufs beziehungsweise des Fahrkomforts würde daher eher als Irritation denn als Steigerung des Fahrkomforts empfunden werden.
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Darüber hinaus sind Kraftfahrzeuge bekannt, die als Antriebssystem für jedes der Räder des Kraftfahrzeugs eine elektrische Maschine zum radindividuellen Antrieb vorsehen. Derartige elektrische Maschinen sind insbesondere als sogenannte Radnabenmotoren bekannt, die ihr Drehmoment direkt an das anzutreibende Rad abgeben.
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Offenbarung der Erfindung
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Das erfindungsgemäße Verfahren mit den Merkmalen des Anspruchs 1 hat den Vorteil, dass im Betrieb des Kraftfahrzeugs der Fahrkomfort durch eine Spurstabilisierung auf einfache Art und Weise erhöht wird, ohne dass bremsende Eingriffe des Sicherheitsbremssystems erfolgen müssen. Erfindungsgemäß ist vorgesehen, das eine Ist-Trajektorie, also eine Ist-Fahrbahn, des Kraftfahrzeugs erfasst und mit einer Soll-Trajektorie verglichen wird, und wobei bei Erfassen einer Abweichung der Ist-Trajektorie von der Soll-Trajektorie die elektrischen Maschinen zur Anpassung der Ist-Trajektorie an die Soll-Trajektorie angesteuert werden. Hierdurch wird erreicht, dass ein radindividueller Drehmomenteingriff nicht durch das Sicherheitsbremssystem, sondern durch die elektrischen Maschinen erfolgt, die weniger abrupt betätigbar sind, sodass der Fahrer den Eingriff in das Fahrverhalten des Kraftfahrzeugs nicht oder weniger stark spürt und dadurch der Komfort erhöht wird. Zweckmäßigerweise werden die elektrischen Maschinen derart angesteuert, dass die erfasste Abweichung kompensiert wird. Insbesondere bei Kraftfahrzeugen mit kurzem Radstand führt das erfindungsgemäße Verfahren zu einer erhöhten Spurstabilität unter Beibehaltung beziehungsweise Gewährleistung hoher Komforteigenschaften für den Fahrer und gegebenenfalls vorhandene Mitfahrer.
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Bevorzugt werden die elektrischen Maschinen zur Anpassung der Ist-Trajektorie radindividuell mit einem positiven oder einem negativen Drehmoment beaufschlagt. Wobei unter dem Drehmoment ein zusätzliches Drehmoment beziehungsweise eine Drehmomentänderung des zum Antreiben des Kraftfahrzeugs geforderten beziehungsweise erzeugten Antriebsdrehmoments zu verstehen ist. Bevorzugt wird das zusätzliche Drehmoment der jeweiligen elektrischen Maschine in Abhängigkeit der aktuellen Fahrgeschwindigkeit und/oder Drehzahl der Räder begrenzt, um zu vermeiden, dass durch Beaufschlagen mit dem zusätzlichen Drehmoment das Kraftfahrzeug unerwünscht beschleunigt oder abbremst. Alternativ oder zusätzlich wird die Zeit, in welcher das zusätzliche Drehmoment erzeugt wird, begrenzt. Bei einer hohen Abweichung der Ist-Trajektorie von der Soll-Trajektorie, also bei einer hohen Gierratenabweichung, werden vorzugsweise die elektrischen Maschinen auf einer Längsseite des Kraftfahrzeugs mit einem positiven Drehmoment beaufschlagt, während auf der anderen Längsseite des Kraftfahrzeugs die elektrischen Maschinen mit keinem oder mit einem negativen Drehmoment beaufschlagt werden. Natürlich ist es aber auch denkbar, Räder der Vorder- und der Hinterachse mit unterschiedlichen Drehmomenten zu beaufschlagen.
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Gemäß einer vorteilhaften Weiterbildung der Erfindung ist vorgesehen, dass zum Bestimmen der Soll-Trajektorie ein Antriebswunschmoment des Fahrers, ein Lenkradwinkel und/oder die Betriebszustände der elektrischen Maschinen erfasst werden. Insbesondere in Abhängigkeit vom Antriebswunschmoment und dem Lenkradwinkel wird die Soll-Trajektorie des Kraftfahrzeugs ermittelt. Werden zusätzlich noch die Soll- und/oder Ist-Betriebszustände der elektrischen Maschinen berücksichtigt, lässt sich die Soll-Trajektorie mit hoher Genauigkeit bestimmen.
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Vorzugsweise werden zur Erfassung der Ist-Trajektorie zumindest eine auf das Kraftfahrzeug wirkende Querkraft und/oder eine Gierrate des Kraftfahrzeugs gemessen. Hierzu können entsprechende Beschleunigungs- und/oder Gierratensensoren verwendet werden, wie sie bereits in bekannten Sicherheitsbremssystemen Anwendung finden. Vorzugsweise wird die gemessene Querkraft und/oder die gemessene Gierrate mit weiteren Parametern des Kraftfahrzeugs, wie insbesondere dem Lenkradwinkel und/oder der Fahrgeschwindigkeit, verglichen. Bei einer einfachen Konfiguration ist es möglich, nur über die gemessene Querkraft und den Lenkradwinkel die Ist-Trajektorie beziehungsweise einen unerwünschten Kurvenradius zu erkennen. Die Berücksichtigung der Gierrate ermöglicht jedoch eine höhere Genauigkeit und erlaubt zum anderen die Nutzung bereits vorhandener Bestandteile des Sicherheitsbremssystems. Dadurch, dass Daten des Sicherheitsbremssystems zur Beurteilung der Ist-Trajektorie benutzt werden, verbleibt vorzugsweise die Entscheidung, ob ein sicherheitsrelevanter Eingriff der Bremsen oder ein komfortrelevanter Eingriff der elektrischen Maschinen erfolgen soll, bei dem für die Sicherheit verantwortlichen Sicherheitsbremssystem. Dadurch wird gewährleistet, dass es keinen Konflikt zwischen sicherheitsrelevanten und komfortrelevanten Einstellungen gibt.
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Besonders bevorzugt werden die elektrischen Maschinen bei einer Abweichung der Ist-Trajektorie von der Soll-Trajektorie nur zum Verbessern des Fahrkomforts und die Bremsen zur Fahrdynamikregelung nur in sicherheitsrelevanten Situationen radindividuell angesteuert. Durch die Beschränkung der Ansteuerung der Bremsen auf sicherheitsrelevante Situationen wird ein hoher Fahrkomfort auch bei hohen Abweichungen gewährleistet.
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Vorzugsweise werden die elektrischen Maschinen zur komfortoptimalen Gierraten-Regelung radindividuell angesteuert. Besonders bevorzugt werden dabei radindividuell Antriebs-Moment-Vektoren berechnet, um die einzelnen vorzugebenden Drehmomente zu bestimmen. Besonders bevorzugt werden die Antriebs-Moment-Vektoren von einer Steuereinheit des Sicherheitsbremssystems bestimmt und, wenn erkannt wird, dass keine sicherheitsrelevante Fahrsituation vorliegt, an ein Steuergerät des Antriebssystems weitergeleitet, welches dann die elektrischen Maschinen entsprechend ansteuert. Entspricht die Ist-Trajektorie der Soll-Trajektorie, so setzt das Steuergerät das Antriebswunschmoment des Fahrers, das beispielsweise durch Erfassen einer Bremspedalstellung und/oder einer Fahrpedalstellung bestimmt wird, in entsprechende Antriebsdrehmomente für die elektrischen Maschinen um.
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Die erfindungsgemäße Vorrichtung mit den Merkmalen des Anspruchs 7 zeichnet sich dadurch aus, dass die Steuereinheit eine Ist-Trajektorie des Kraftfahrzeugs erfasst und mit einer Soll-Trajektorie vergleicht, und wobei bei einer Abweichung der Ist-Trajektorie von der Soll-Trajektorie die Steuereinheit dem Steuergerät Signale zum Anpassen der Ist-Trajektorie an die Soll-Trajektorie durch radindividuelle Ansteuerung der elektrischen Maschinen übermittelt. Die Steuereinheit des Sicherheitsbremssystems erfasst auch bei herkömmlichen Sicherheitsbremssystemen die Ist-Trajektorie des Kraftfahrzeugs, insbesondere unter Berücksichtigung dessen Gierrate. Somit können bekannte Sicherheitsbremssystems zur Durchführung des Verfahrens beziehungsweise zur Verwendung in der Vorrichtung genutzt werden. Erfasst die Steuereinheit eine Abweichung, so unterscheidet die Steuereinheit vorzugsweise zunächst, ob es sich bei der Abweichung um eine sicherheitsrelevante Abweichung oder um eine Abweichung handelt, die lediglich zu Komforteinbußen führt. Ist letzteres der Fall, so übermittelt sie entsprechende Signale an das Steuergerät des Antriebssystems, sodass dieses eine radindividuelle Ansteuerung zur Spurstabilisierung beziehungsweise zum Anpassen der Ist-Trajektorie an die Soll-Trajektorie, insbesondere wie oben beschrieben, durchführt.
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Im Folgenden soll die Erfindung anhand der Zeichnung näher erläutert werden. Dazu zeigen
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1 eine Vorrichtung zum Betreiben eines Kraftfahrzeugs in einer schematischen Darstellung und
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2 eine Komfort-Gierraten-Regelung des Kraftfahrzeugs in einem vereinfachten Blockschaltbild.
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1 zeigt in einer vereinfachten Darstellung eine Vorrichtung 1 zum Betreiben eines Kraftfahrzeugs 2. Die Vorrichtung 1 beziehungsweise das Kraftfahrzeug 2 weist vier Räder 3, 4, 5 und 6 auf, denen jeweils eine elektrische Maschine 7, 8, 9 und 10 zugeordnet ist. Jede der elektrischen Maschinen 7 bis 10 ist über ein Getriebe 11, 12, 13 und 14 mit dem jeweiligen Antriebsrad 3 bis 6 verbunden. Weiterhin weist die Vorrichtung 1 ein Steuergerät 15 auf, das mit den elektrischen Maschinen 7 bis 10 zu deren Ansteuerung verbunden ist. Das Steuergerät 15 bestimmt in Abhängigkeit von einem Fahrerwunschmoment, das insbesondere in Abhängigkeit einer Fahrpedalstellung und/oder einer Bremspedalstellung bestimmt wird, ein Antriebsdrehmoment, das mittels der elektrischen Maschinen 7 bis 10 erzeugt werden soll. Eine Pedalsensorik 16 erfasst hierzu die Stellung des Bremspedals sowie des Fahrpedals des Kraftfahrzeugs 2. Im normalen Fahrbetrieb wird dabei den elektrischen Maschinen 7 bis 10 das gleiche Drehmoment vorgegeben. Weiterhin ist eine Lenkeinrichtung 17 vorgesehen, die ein Lenkrad 18 aufweist, mittels dessen ein Lenkwinkel der Räder 3, 4 der Vorderachse des Kraftfahrzeugs 2 vorgebbar ist. Mittels eines dem Lenkrad 18 zugeordneten Sensors 19 wird der eingestellte Lenkradwinkel erfasst. Die elektrischen Maschinen 7 bis 10 sowie das Steuergerät 15 sind Bestandteil eines Antriebssystems 20 der Vorrichtung 1.
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Ferner umfasst die Vorrichtung 1 ein Sicherheitsbremssystem 21, das eine Steuereinheit 22 aufweist, die mit radindividuell betätigbaren Bremsen 23, 24, 25 und 26 verbunden ist (hier nicht dargestellt), um radindividuelle Bremseingriffe in Gefahrensituationen automatisiert vorzunehmen. Dazu ist die Steuereinheit 22 mit einem Gierratensensor 27 und einem Querkraftsensor 28 sowie mit der Pedalsensorik 16 und dem Sensor 19 verbunden.
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Die Steuereinheit 22 ermittelt anhand der von dem Sensor 19, der Pedalsensorik 16, dem Gierratensensor 27 und dem Querkraftsensor 28 erfassten Daten eine Soll-Trajektorie und eine Ist-Trajektorie des Kraftfahrzeugs 2.
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Das Sicherheitsbremssystem 21 arbeitet grundsätzlich wie ein übliches Sicherheitsbremssystem zur Fahrdynamikregelung des Kraftfahrzeugs 2 im Sinne eines ESP-Systems (ESP = elektronisches Stabilitätsprogramm). Die Steuereinheit 22 ist darüber hinaus mit dem Steuergerät 15 verbunden und erhält entweder über das Steuergerät 15 oder direkt von den elektrischen Maschinen 7 bis 10 Informationen über das radindividuelle Soll-Drehmoment oder über das radindividuelle Ist-Drehmoment und gegebenenfalls auch über den jeweilig anliegenden Bremsdruck.
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Das Steuergerät 15 bildet einen Fahrzeug-Führungsrechner, der aus Fahrerwunsch, Fahrsituation und insbesondere auch in Abhängigkeit des Energiemanagements des Kraftfahrzeugs die entsprechenden Drehmoment-Informationen für das Antriebsdrehmoment erzeugt, welches dann von den Antriebseinheiten beziehungsweise den elektrischen Maschinen 7 bis 10 umzusetzen ist. In ihrer Hauptfunktion sind die elektrischen Maschinen 7 bis 10 als selbstregelnde Drehmoment-Steller ausgebildet.
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Das Kraftfahrzeug 2 beziehungsweise die Vorrichtung 1 weist somit ein Sicherheitsbremssystem 21 sowie ein Antriebssystem 20 auf, die im Wesentlichen nebeneinander arbeiten, aber auch miteinander verknüpft sind. Das Zusammenwirken der beiden Systeme soll nunmehr mit Bezug auf 2 näher erläutert werden.
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2 zeigt in einem vereinfachten Blockschaltbild die Funktionsweise der Vorrichtung 1 zum Betreiben des Kraftfahrzeugs 2. In einem ersten Block 29 werden Messgrößen des Kraftfahrzeugs 2 ermittelt. Bei diesen Messgrößen handelt es sich um den bereits genannten Lenkradwinkel, die mittels des Gierratensensors 27 erfasste Gierrate, die mittels des Querbeschleunigungssensors 28 erfasste Querbeschleunigung sowie mittels Raddrehzahlsensoren 30 erfasste individuelle Raddrehzahlen, die jeweils erbrachten Ist-Drehmomente sowie die Soll-Drehmomente der elektrischen Maschinen 7 bis 10 sowie den gegebenenfalls anliegenden Bremsdruck der Bremsen 23 bis 26. Anhand dieser Größen werden in einem Block 31 fahrdynamische Schätzgrößen wie die Geschwindigkeit, die Beschleunigung, die radindividuellen Bremskräfte, die Haftreibungszahl sowie der radindividuelle Radschlupf geschätzt.
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Die gemessenen und geschätzten Größen werden zusammengeführt, um in einem Block 32 Soll-Werte und in einem Block 33 Ist-Werte zu bestimmen. Als Soll-Werte werden insbesondere ein Soll-Schwimmwinkel und/oder eine Soll-Gierrate insbesondere in Abhängigkeit von dem erfassten Lenkradwinkel und der geschätzten Geschwindigkeit bestimmt. Die Soll-Gierrate entspricht einer Soll-Trajektorie des Kraftfahrzeugs 2. Als Ist-Werte werden der Ist-Schwimmwinkel, der Schräglaufwinkel des Kraftfahrzeugs 2, die Quergeschwindigkeit sowie die radindividuellen Radkräfte bestimmt. Die in Abhängigkeit der in den Blöcken 33 und 32 ermittelten Werte werden im Block 34 zur Ermittlung einer Gierratenkorrektur herangezogen. Hierzu wird üblicherweise ein typischer Fahrdynamik-Regler eines ESP-Systems genutzt, wobei insbesondere der Ist-Schwimmwinkel, der Soll-Schwimmwinkel, die Ist-Gierrate sowie die Soll-Gierrate berücksichtigt werden, um die Gierraten-Korrektur zu bestimmen. Prinzipiell lässt sich die Bestimmung auch allein anhand der Gierratenwerte durchführen. In einem auf den Block 34 folgenden Block 35 werden in Abhängigkeit von der ermittelten Gierraten-Korrektur, dem Schräglaufwinkel und den Radkräften radindividuelle Korrekturwerte berechnet, die zum Anpassen der Ist-Trajektorie beziehungsweise der Ist-Gierrate des Kraftfahrzeugs 2 an die ermittelte Soll-Trajektorie beziehungsweise Soll-Gierrate dienen. In dem letzten Block 36, der auch der Steuereinheit 22 zuzuordnen ist, wird anhand der Korrekturwerte aus Block 35 für jede der elektrischen Maschinen 7 bis 10 ein radindividuelles Drehmoment bestimmt, mit dem die jeweilige elektrische Maschine 7 bis 10 zusätzlich zu dem anliegenden Antriebsmoment beaufschlagt werden soll, um die Ist-Trajektorie an die Soll-Trajektorie anzupassen. Die in Block 36 bestimmten Drehmomente werden an das Steuergerät 15 weitergegeben, welches wiederum die entsprechenden Drehmomente den elektrischen Maschinen 7 bis 10 vorgibt beziehungsweise die gegebenenfalls radindividuellen Antriebsdrehmomente entsprechend beeinflusst.
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Mittels der oben beschriebenen Vorrichtung und des entsprechenden Verfahrens werden also anhand von erfassten Größen die Abweichung von einer Ist-Trajektorie des Kraftfahrzeugs 2 von einer Soll-Trajektorie ermittelt, und zum Anpassen beziehungsweise Ausgleichen/Kompensieren dieser Abweichung den elektrischen Maschinen radindividuelle Drehmomente vorgegeben. Der Kern liegt dabei darin, dass ein übliches Bremssicherheitssystem mit einem elektrischen Antriebssystem, das radindividuell ansteuerbare elektrische Maschinen 7 bis 10 aufweist, verknüpft wird. Während in sicherheitsrelevanten Situationen, beispielsweise bei einem Not-Bremsvorgang, das Sicherheitsbremssystem die radindividuellen Bremsen 23 bis 26 wie bisher betätigt, um beispielsweise ein Schleudern des Kraftfahrzeugs 2 in einer Gefahrensituation zu vermeiden, wird durch das Ansteuern der elektrischen Maschinen 7 bis 10 zur Anpassung der Ist-Trajektorie eine Fahrspurstabilität des Kraftfahrzeugs 2 im Normalbetrieb erhöht, was insbesondere Vorteile bei Kraftfahrzeugen mit kurzem Radstand hat. Es werden somit zwei radindividuell arbeitende Systeme, das Antriebssystem 20 sowie das Sicherheitsbremssystem 21, genutzt, um den Fahrkomfort des Kraftfahrzeugs 2 zu erhöhen und gleichzeitig bekannte Sicherheitsvorteile auch weiterhin zu gewährleisten.
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Ein wesentlicher Unterschied zu bekannten Sicherheitsbremssystemen liegt darin, dass ein sonst verwendeter Brems- und Antriebs-Schlupfregler durch einen Antriebs-Momentenregler ersetzt wird, der in Abhängigkeit von den Mess-, Schätz- und Regelgrößen aus den Blöcken 29 und 31 einen vierkomponentigen radindividuellen Antriebsvektor errechnet wird, der nicht dem Fahrerwunsch entsprechende Gierraten beziehungsweise Giermomente kompensieren soll. Da zum Anpassen der Ist-Trajektorie die elektrischen Maschinen 7 bis 10 und nicht die Bremsen 23 bis 26 betätigt beziehungsweise angesteuert werden, wird ein hoher Fahrkomfort für den Fahrer beibehalten. Zur Bestimmung des Soll-Verhaltens beziehungsweise der Soll-Trajektorie des Kraftfahrzeugs 2 werden insbesondere die Signale der Pedalsensorik 16, insbesondere bezüglich eines Bremspedals, des Sensors 19 und die Betriebszustände der elektrischen Maschinen 7 bis 10 ausgewertet. Das Steuergerät 15 liefert insbesondere die Information über das Antriebswunschmoment des Fahrers des Kraftfahrzeugs 2. Zudem gehen in die Berechnung des Soll-Verhaltens beziehungsweise der Soll-Trajektorie die Haftreibungszahlen und die Fahrzeuggeschwindigkeit ein, die aus den Signalen der Raddrehzahlsensoren 30, des Querbeschleunigungssensors 28 und des Gierratensensors 27 sowie einem eventuellen Bremswunsch des Fahrers geschätzt werden. Vorzugsweise erfolgt eine Soll-Schlupfberechnung, durch welche die Schräglaufwinkel-Einstellungen des Fahrzeugs bestimmt werden, wie bei bekannten Sicherheitsbremssystemen. Durch Einstellen des Schräglaufwinkels werden indirekt Schwimmwinkel und damit die den Komfort beeinträchtigende Seitenkraft eingestellt.
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Gemäß einem weiteren, hier nicht dargestellten Ausführungsbeispiel werden nur über die gemessenen Querkräfte und den Lenkradwinkel ein unerwünschter Kurvenradius ermittelt, dem durch das oben beschriebene radindividuelle Bestimmen von Antriebsvektoren entgegengesteuert wird. Der Vorteil an der Nutzung des ohnehin vorhandenen Sicherheitsbremssystems liegt darin, dass hierdurch das Sicherheitsbremssystem selbst unmittelbar zwischen kritischen und lediglich Komfort-beeinträchtigenden Zuständen unterscheiden kann. Damit ist es unmittelbar möglich, sicherzustellen, dass bei fahrkritischen Eingriffen zur Fahrstabilisierung mittels der ansteuerbaren Bremsen die elektrischen Maschinen nicht entgegenwirken.
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Das Steuergerät 15 setzt lediglich die von der Steuereinheit 22 vorgegebenen Antriebsmoment-Vektoren durch eine entsprechende Ansteuerung der einzelnen elektrischen Maschinen 7 bis 10 um. Durch einen derartigen Aufbau, wie es in 1 dargestellt und mithilfe von 2 erläutert wurde, wird darüber hinaus sichergestellt, dass Komfort-Eingriffe nicht im Widerspruch stehen zu anderen Forderungen, wie sie beispielsweise aus dem Energiemanagement oder einem rekuperativen Bremsvorgang entstehen können.