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Die Erfindung betrifft eine Bremsanlage für Kraftfahrzeuge mit einer elektrisch steuerbaren Druckbereitstellungseinrichtung, welche insbesondere durch eine Zylinder-Kolben-Anordnung gebildet wird, deren Kolben durch eine elektromechanische Antriebseinrichtung betätigbar ist.
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Eine steuerbare Druckbereitstellungseinrichtung kann in einer oben genannten Bremsanlage beispielsweise in einer „By-Wire”-Betriebsart zur Fremdbetätigung eines Hauptbremszylinders verwendet werden, wobei der Fahrer bei Betätigung des Bremspedals selbst keinen Bremsdruck aufbaut. Sie kann auch zur Unterstützung des Fahrers eingesetzt werden und auf diese Weise als Bremskraftverstärker dienen.
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Aus der
DE 10 2009 003 499 A1 ist eine derartige Bremsanlage mit einem Hauptbremszylinder und einer Pedalentkopplungseinheit mit einem Rückhaltekolben bekannt, dessen erste Ringfläche zusammen mit einem ersten Hauptbremszylinderkolben eine hydraulische Kammer begrenzt, die mit hydraulischem Druck einer Druckbereitstellungseinrichtung beaufschlagbar ist. Nachteilig wird bei dieser Bremsanlage der aufwändige integrierte Aufbau empfunden.
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Der vorliegenden Erfindung liegt die Aufgabe zu Grunde, eine derartige Bremsanlage von geringer Baulänge und einfachem Aufbau bereitzustellen, welche ein günstiges Verhalten bei Blockade oder Ausfall der Antriebseinrichtung aufweist.
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Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß durch eine Bremsanlage gemäß Anspruch 1 gelöst. Dabei ist eine erste Zylinder-Kolben-Anordnung vorgesehen, deren Kolben mit einem Bremspedal gekoppelt ist und deren hydraulischer Raum mit einer hydraulischen Simulationseinrichtung bzw. Volumenaufnahme zur Simulation des Pedalgefühls verbunden ist, und ein Hauptbremszylinder, welcher mindestens einen Druckraum und einen Hauptbremszylinderkolben aufweist und an welchen Radbremskreise angeschlossen sind, wobei der Hauptbremszylinderkolben eine hydraulische Kammer begrenzt, die von dem von der Druckbereitstellungseinrichtung abgegebenen Druck beaufschlagbar ist, wobei eine Druckbeaufschlagung der Kammer eine Kraftwirkung auf den Hauptbremszylinderkolben in der Betätigungsrichtung bewirkt.
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Vorteilhafte Ausgestaltungen der Erfindung sind Gegenstand der Unteransprüche.
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Die Erfindung geht von der Überlegung aus, dass eine Bremsanlage mit einer Druckbereitstellungsvorrichtung, welche eine Normalbetriebsart in der Art einer „Brake-by-Wire”-Funktionsweise sowie einen Betrieb in einer Rückfallebene ermöglicht, einen möglichst robusten und fehlerunempfindlichen Aufbau aufweisen sollte. Zudem sollte die Baulänge aufgrund des Raumangebotes in modernen Kraftfahrzeugen möglichst gering ausfallen. Eine zu lange Ausdehnung einer Komponentengruppe birgt auch Sicherheitsrisiken für die Passagiere im Falle eines Crashs, bei dem sich diese Baueinheit in den Fahrerraum schieben kann und zu schweren Verletzungen der Passagiere führen kann.
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Wie nunmehr erkannt wurde, kann eine geringe Baulänge erreicht werden, wenn die Einrichtung zur Erzeugung des Pedalgefühls und die Einrichtung zur Druckbereitstellung räumlich getrennt von dem Hauptbremszylinder verbaut werden. Dazu wird der hydraulische Raum der ersten Zylinder-Kolben-Anordnung hydraulisch mit der hydraulischen Simulationseinrichtung verbunden. Aufgrund dieser hydraulischen Verbindung kann die Simulationseinrichtung in lateraler Richtung zum Hauptbremszylinder verbaut werden und muss nicht in axialer Richtung mit dem (Tandem-)Hauptbremszylinder und/oder mit der ersten Zylinder-Kolben-Anordnung angeordnet werden. Auch der Fremdkraftaktuator bzw. die Druckbereitstellungseinrichtung kann aufgrund der hydraulischen Betriebsweise der Bremsanlage in lateraler Richtung zum Hauptbremszylinder angeordnet werden. Dadurch ergeben sich ein kompaktes Design der Bremsanlage und flexible Anordnungsmöglichkeiten für ihre Komponenten.
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Zum bedarfsweisen Druckmittelausgleich bzw. bedarfsweiser Zuführung oder Abführung von Druckmittel steht der hydraulische Raum der ersten Zylinder-Kolben-Anordnung vorteilhafterweise über eine absperrbare hydraulische Verbindung, bevorzugt absperrbar mit einem stromlos offenen bzw. NO-Ventil, mit einem Druckmittelbehälter, insbesondere einem unter Atmosphärendruck stehenden Druckmittelvorratsbehälter, in Verbindung.
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In vorteilhafter Ausgestaltung der Erfindung sind die Radbremskreise über eine mittels eines elektrisch steuerbaren Ventils, bevorzugt mittels eines stromlos geschlossenen (SG) bzw. NC-Ventils, freigebbare hydraulische Verbindung mit zumindest einem niedrigeren Druckniveau, welches durch einen Druckmittelspeicher, insbesondere Niederdruckspeicher, oder jeweils einem Druckmittelspeicher oder einem unter Atmosphärendruck stehenden Druckmittelvorratsbehälter realisierbar ist, verbindbar. Dadurch kann bedarfsweise Bremsmittel aus den Radbremskreisen abgeleitet und dadurch Radbremsdruck abgebaut werden. Es kann auch vorgesehen sein, dass jeweils zwei Bremsen, also gewissermaßen jeder Bremskreis, mittels eines derartigen Ventils mit je einem Druckmittelspeicher oder Druckmittelvorratsbehälter verbindbar sind.
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Um dem Fahrer die Möglichkeit zu geben, bei Ausfall der Druckbereitstellungseinrichtung (beispielsweise bei Ausfall der Stromversorgung bzw. des Bordnetzes) durch Muskelkraft Bremskraft aufzubauen, haben vorteilhafterweise der Hauptbremszylinderkolben und der Kolben der ersten Zylinder-Kolben-Anordnung die gleiche Betätigungsrichtung, und es ist eine Mitnahmevorrichtung vorgesehen, durch die der Hauptbremszylinderkolben durch den Kolben der ersten Zylinder-Kolben-Anordnung in Betätigungsrichtung mechanisch betätigt werden kann.
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Die Mitnahmevorrichtung ist vorteilhafterweise als ein axialer Fortsatz des Hauptbremszylinderkolbens ausgebildet, der hydraulisch abgedichtet in den hydraulischen Raum der ersten Zylinder-Kolben-Anordnung ragt, wobei der Kolben der ersten Zylinder-Kolben-Anordnung in eine kraftübertragende Verbindung mit dem Fortsatz bringbar ist. Bei Betätigung des Bremspedals wird in diesem Fall der Hauptbremszylinderkolben von der ausgefallenen Druckbereitstellungseinrichtung nicht hydraulisch betätigt und bewegt sich nicht. Sobald der Kolben der ersten Zylinder-Kolben-Anordnung in Berührung mit dem Fortsatz kommt, kann durch weitere Betätigung des Bremspedals nun durch mechanische Betätigung der Kolben verschoben und dadurch Radbremsdruck aufgebaut werden. In alternativer Ausgestaltung ist ein axialer Fortsatz an dem Kolben der Zylinder-Kolben-Anordnung angebracht, durch den der Hauptbremszylinderkolben in der gemeinsamen Betätigungsrichtung mechanisch betätigbar bzw. verschiebbar ist.
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Vorteilhafterweise ist die Druckbereitstellungseinrichtung über eine absperrbare hydraulische Verbindung, bevorzugt mit einem stromlos offenen bzw. NO-Ventil oder einem stromlos geschlossenen bzw. NC-Ventil mit der hydraulischen Verbindung zwischen der ersten Zylinder-Kolben-Anordnung und der Simulationseinrichtung verbunden oder verbindbar. Vorteilhafterweise ist die hydraulische Verbindung zwischen der ersten Zylinder-Kolben-Anordnung und der Simulationseinrichtung über eine absperrbare hydraulische Verbindung, bevorzugt durch ein stromlos offenes Ventil, mit einem Druckmittelvorratsbehälter verbunden.
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Zur Bestimmung des Druckes im Simulatorkreis bzw. in der Simulationseinrichtung ist vorteilhafterweise in der hydraulischen Verbindung zwischen der ersten Zylinder-Kolben-Anordnung und der Simulationseinrichtung ein Drucksensor angeordnet.
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In einer vorteilhaften Ausgestaltung der Bremsanlage sind je Bremskreis Radbremsen über eine Druckmodulationsanordnung zur Durchführung von Regelungsvorgängen wie ABS, ASR etc. mit dem Hauptbremszylinder verbunden.
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Zur bedarfsweisen hydraulischen Abtrennung der jeweiligen Radbremse vom entsprechenden Bremskreis, beispielsweise während eines Multiplexprozesses, ist vorteilhafterweise jede Radbremse über ein elektrisch steuerbares, stromlos offenes Ventil mit dem Hauptbremszylinder verbunden.
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Vorteilhafterweise steht die Druckbereitstellungseinrichtung über eine absperrbare hydraulische Verbindung (bevorzugt mit einem stromlos offenen bzw. NO-Ventil) mit einem Druckmittelbehälter, insbesondere einem unter Atmosphärendruck stehenden Druckmittelvorratsbehälter, in Verbindung.
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Zum bedarfsweisen Einsatz als Füllraum steht der hydraulische Raum der ersten Zylinder-Kolben-Anordnung vorteilhafterweise über eine hydraulische Verbindung mit zumindest einem der Bremskreise in Verbindung, wobei insbesondere ein Rückschlagventil in dieser Verbindung angeordnet ist, welches den Rücklauf von Druckmittel aus dem entsprechenden Bremskreis in den Füllraum verhindert. Dadurch kann in einer dringenden Situation – im Wesentlichen nach Ausfall der Druckbereitstellungseinrichtung oder auch beim Auftreten von starkem Fading – zusätzlich Druckmittel in dem entsprechenden Bremskreis bereitgestellt werden.
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Ein wesentlicher Vorteil der erfindungsgemäßen Bremsanlage ist der einfache Aufbau der einzelnen Komponenten bei gleichzeitig kompakter Bauweise (kurze Baulänge) und hoher Systemverfügbarkeit. Durch eine hydraulische Betätigung des Hauptbremszylinders kann in der Bremsanlage bei Verklemmen des Fremdaktuators in seiner äußersten Stellung Druck sowohl ab- als auch aufgebaut werden.
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Mehrere Ausführungsbeispiele der Erfindung werden anhand einer Zeichnung näher erläutert. Darin zeigen in stark schematisierter Darstellung:
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1 ein erstes bevorzugtes Ausführungsbeispiel einer Bremsanlage,
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2 ein zweites bevorzugtes Ausführungsbeispiel einer Bremsanlage, und
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3 ein drittes bevorzugtes Ausführungsbeispiel einer Bremsanlage.
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Gleiche Teile sind in allen Figuren mit denselben Bezugszeichen versehen.
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In 1 ist ein erstes Ausführungsbeispiel einer erfindungsgemäßen Bremsanlage schematisch dargestellt. Die Bremsanlage umfasst einen Hauptbremszylinder 10, beispielsgemäß einen Tandemhauptbremszylinder, mit einem verlagerbar geführten Primärkolben bzw. Hauptbremszylinderkolben 6. An die beiden Druckräume 13 des (Tandem-)Hauptbremszylinders 10 ist jeweils ein Radbremskreis I, II angeschlossen, wobei jedem der Radbremskreise I, II jeweils zwei Radbremsen 30 zugeordnet sind. In einer alternativen Ausgestaltung ist an den Hauptbremszylinder nur ein Radbremskreis angeschlossen oder es sind mehr als zwei Radbremskreise angeschlossen.
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Der Primärkolben 6 begrenzt mit dem Hauptbremszylinder 10 auf der dem Druckraum 13 gegenüberliegenden Seite eine hydraulische Kammer 12. Die hydraulische Kammer 12 ist über eine hydraulische Verbindungsleitung 31 mit einer elektrisch steuerbaren Druckbereitstellungseinrichtung 9 verbunden. Bei einer Beaufschlagung von Kammer 12 mit einem Druck durch die Druckbereitstellungseinrichtung 9 wird der Primärkolben betätigt und in Verschieberichtung 32 verschoben, wodurch Bremsdruck in den Radbremskreisen I, II aufgebaut wird.
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In den hydraulischen Verbindungen zwischen den Radbremsen 30 und dem Hauptbremszylinder 10 sind elektrisch steuerbare, stromlos offene (SO) Ventile 3 angeordnet. Durch eine geeignete Schaltung der Ventile 3 kann eine Bremsdruckregelung der einzelnen Radbremsen 30 im Multiplexverfahren durchgeführt werden.
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Die elektrisch steuerbare Druckbereitstellungseinrichtung 9 ist beispielsgemäß als eine Zylinder-Kolben-Anordnung ausgebildet, deren Kolben 33 durch einen elektromechanischen Aktuator betätigt wird. Der Aktuator ist z. B. nach Maßgabe einer Bremspedalbetätigung oder durch ein Fahrerassistenzsystem ansteuerbar. Der Aktuator kann z. B. einen Elektromotor mit einem Getriebe umfassen und gewährleistet eine translatorische Bewegung des Kolbens 33 der hydraulischen Zylinder-Kolben-Anordnung.
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In der Normalbetriebsart der Bremsanlage, der „Brake-by-Wire”-Betriebsart, führt eine vom Aktuator aufgebrachte Fremdkraft Fact zu einem Druckaufbau in einem Druckraum 11, was über die Kammer 12 zu einer hydraulischen Betätigung des Hauptbremszylinders 10 führt.
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Es existieren auch Bremsanlagen, bei denen der Primärkolben mechanisch unter Verwendung eines, insbesondere axial zwischen Bremspedal bzw. Bremsbetätigungseinrichtung und Hauptbremszylinder angeordneten, Fremdkraftaktuators angetrieben wird. Wenn nun dieser elektromechanische Aktuator direkt mechanisch den Primärkolben bzw. Hauptbremszylinderkolben 6 antreibt, käme es bei einem Blockieren des Aktuators in seiner linken Endposition (also unter Voll-Last) zu einem Vollausfall der Bremsanlage, da dann zwar der Radbremsdruck eventuell noch über Ventile abgebaut werden kann, aber der Radbremsdruck nicht wieder aufgebaut werden kann. Demgegenüber bietet die hier dargestellte Bremsanlage aufgrund der hydraulischen Betätigung des Primärkolbens des Hauptbremszylinders 10 den Vorteil, dass das Bremssystem bei Blockieren des elektromechanischen Aktuators bzw. der Druckbereitstellungseinrichtung 9 nicht vollständig ausfällt. Das heißt, sowohl Druckabbau als auch Druckaufbau sind weiterhin möglich.
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Die vom Fahrzeugführer, z. B. über ein nicht dargestelltes Bremspedal, ausgeübte Kraft FDriver wird auf den Kolben einer Zylinder-Kolben-Anordnung 5 übertragen. Der hydraulische Raum 14 der Zylinder-Kolben-Anordnung 5 ist mit einer Simulationseinrichtung 8 verbunden. Der Pedalgefühlsimulator bzw. die Simulationseinrichtung 8 ist hydraulisch ausgeführt und umfasst eine Zylinder-Kolben-Anordnung, welche einen hydraulischen Raum begrenzt. Die Simulationseinrichtung 8 umfasst ein elastisches Element und soll dem Fahrer ein angenehmes Bremspedalgefühl vermitteln. Der hydraulische Raum der Zylinder-Kolben-Anordnung 8 ist über ein stromlos offenes Ventil 1 mit einem Druckmittelbehälter verbunden. Beispielsgemäß ist der Druckmittelbehälter derselbe Druckmittelbehälter, mit welchem der Hauptbremszylinder 10 verbindbar ist. Es kann sich jedoch auch um verschiedene Druckmittelbehälter handeln.
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Bevorzugt umfasst die Bremsanlage einen, z. B. redundant ausgeführten, Wegsensor 40 zur Erfassung des Fahrerbremswunsches. Zusätzlich kann die Bremsanlage einen, z. B. redundant ausgeführten, Drucksensor 22 zur Erfassung des Fahrerbremswunsches umfassen (siehe 2).
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Zur Erfassung des erreichten Druckes umfasst die Bremsanlage vorteilhafterweise einen weiteren, z. B. redundanten, Drucksensor 41, welcher in einem Bremskreis oder in beiden Bremskreisen, z. B. in den hydraulischen Verbindungen zu den Radbremsen 30, angeordnet ist. Alternativ oder zusätzlich umfasst die Bremsanlage bevorzugt einen, z. B. redundanten, Wegsensor 42, welcher die Position des Kolbens 33 der Druckbereitstellungseinrichtung 9 erfasst, oder einen Winkelsensor bzw. Sensor für die Winkellage des Motors, der die Druckbereitstellungseinrichtung antreibt. Anhand des Wegsensorsignals (das gegebenenfalls aus dem Winkelsignal berechnet wurde) kann mittels einer vorgegebenen Volumenaufnahmekennlinie der erreichte Druck bestimmt werden. In allen dargestellten Ausführungsformen kann statt oder zusätzlich zu einem Wegsensor auch ein (gegebenenfalls redundant ausgeführter) Winkelsensor verwendet werden.
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Der Aktuator bzw. die Druckbereitstellungseinrichtung 9 wird bevorzugt über eine elektronische Steuer- und Regeleinheit ECU (nicht dargestellt) angesteuert.
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In der Normalbetriebsart „Brake by Wire” wird der Fahrerbremswunsch durch wenigstens einen der genannten Sensoren 40, 22 (in Fehlerfällen gegebenenfalls auch durch die Sensoren 41, 42) erfasst. Die Steuer- und Regeleinheit ist signaleingangsseitig mit dem Sensor 22, 40, 41, 42 verbunden und bestimmt mit Hilfe dieses Signal/dieser Signale den Bremswunsch des Fahrers, woraus sie wiederum den dazu nötigen Radbremsdruck in den einzelnen Radbremsen 30 berechnet. Zum Druckaufbau steuert sie dann die Druckbereitstellungseinrichtung 9 an, welche den Primärkolben 6 hydraulisch betätigt, indem sie durch den Kolben 9 aus dem Druckraum 11 Bremsflüssigkeit in den hydraulischen Raum 12 verschiebt. Die Bremsanlage ist dabei derart ausgelegt, dass während eines Bremsvorganges in der Normalbetriebsart der Weg des Hauptbremszylinderkolbens 6 in Verschieberichtung 32 wenigstens so groß ist wie der Weg des Kolbens der Zylinder-Kolben-Anordnung 5. Dadurch wird verhindert, dass dieser Kolben einen Fortsatz 15, welcher im Wesentlichen starr mit dem Hauptbremszylinderkolben 6 verbunden ist, berührt und der Fahrer dadurch einen plötzlichen Widerstand verspürt. Der Fortsatz 15 ist für einen Bremsdruckaufbau in einer Rückfallebene ausgelegt, welche weiter unten beschrieben wird.
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Der hydraulische Raum 14 der Zylinder-Kolben-Anordnung 5 ist zum bedarfsweisen Druckmittelausgleich über eine hydraulische Verbindung 34 mit einem elektrisch steuerbaren Ventil 1, z. B. einem stromlos offenen Ventil (NO-Ventil) mit einem Druckmittelbehälter verbunden. Bei dem Druckmittelbehälter kann es sich z. B. um einen unter Atmosphärendruck stehenden Druckmittelvorratsbehälter der Bremsanlage handeln. Weiterhin ist der hydraulische Raum 14 der Zylinder-Kolben-Anordnung 5 über eine hydraulische Verbindung 35 mit der Kammer 12 bzw. mit der hydraulischen Verbindung 31 zwischen Druckbereitstellungseinrichtung 9 und Kammer 12 verbunden.
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Gemäß dem ersten, in 1 dargestellten Ausführungsbeispiel sind die Radbremsen 30 der Bremsanlage jeweils über ein stromlos offenes Ventil 3 (NO-Ventil) an den Hauptbremszylinder 10 angeschlossen. Eine Bremsdruckmodulation (Druckaufbau und Druckabbau) erfolgt bevorzugt mittels der Ventile 3 und des schnell reversierenden Aktuators bzw. der Druckmittelbereitstellungseinrichtung 9 im so genannten Multiplexverfahren. Alternativ kann die Bremsanlage auch zusätzlich Auslassventile je Radbremse 30 umfassen.
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Im Normalbetrieb („Brake-by-Wire”-Betriebsart) werden die stromlos offenen Ventile 1 und 2 zu Beginn der Betätigung geschaltet. Die Pedalcharakteristik wird durch den Simulator 8 erzeugt. Der Bremsdruck wird durch den Fremdantrieb am Primärkolben bereitgestellt.
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Bevorzugt wird das NO-Ventil bzw. stromlos offene Ventil 1 verspätet geschaltet, d. h., erst nachdem ein vorgegebener Pedalweg zurückgelegt wurde, um den Springer in der Pedalcharakteristik zu erzeugen. Dadurch erfährt der Fahrer während dieses vorgegebenen Pedalweges nur einen sehr geringen und im Wesentlichen gleich bleibenden Widerstand, wodurch das Pedalgefühl einer hydraulischen Bremsanlage mit Unterdruck-Bremskraftverstärker nachgebildet werden kann und dem Fahrer ein sehr komfortables Pedalgefühl vermittelt werden kann.
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Um die Pedalrückwirkung gering zu halten, sind der der Hauptbremszylinder 10 und die Zylinder-Kolben-Anordnung 5 derart ausgeführt, dass der Weg des Primärkolbens 6 mindestens so groß wie der Weg des Fahrerkolbens 5 ist.
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Wenn das vom Hauptbremszylinder 10 verschobene Bremsflüssigkeitsvolumen nicht zum Druckaufbau an den Radbremsen verwendet werden soll (etwa auf Niedrigreibwert oder bei Rekuperation), wird das Bremsflüssigkeitsvolumen durch die beiden stromlos geschlossenen Ventile 4 abgelassen. In 1 ist das Ablassen in einen Vorratsbehälter dargestellt. Stattdessen können auch zwei hydraulische Speicher oder auch nur ein hydraulische Speicher verwendet werden.
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Zur Realisierung einer hydraulischen Rückfallebene mit mechanischer Betätigung des Hauptbremszylinders 10, z. B. bei gestörter elektrischer Versorgung der Druckbereitstellungseinrichtung 9, ist der Primärkolben bzw. Hauptbremszylinderkolben 6 mit dem axialen Fortsatz 15 verbunden, welcher sich durch die Kammer 12 und das Gehäuse 27 in den hydraulischen Raum 14 der Zylinder-Kolben-Anordnung 5 erstreckt. In dem Gehäuse 27 ist zwischen der Kammer 12 und dem Raum 14 eine doppelt ausgeführte Dichtung 50 angeordnet. Der Kolben der Zylinder-Kolben-Anordnung 5 ist im unbetätigten Zustand der Bremsanlage von dem Fortsatz 15 beabstandet. Bei Betätigung des Kolbens durch den Fahrer ist dieser in eine kraftübertragende Verbindung mit dem Fortsatz 15 bringbar, so dass der Primärkolben 6 mechanisch betätigt wird.
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In der Rückfallebene bei Ausfall des Systems (z. B. durch Ausfall der Stromversorgung oder durch einen internen Fehler) treibt der Fahrer den Hauptbremszylinderkolben 6 über die dargestellte Druckstange bzw. den Fortsatz 15 somit mechanisch an. Ein Blockieren des Fremdantriebs (elektromechanischer Aktuator) wird von der Bremsanlage über den Wegsensor 42 am Fremdkraftkolben erkannt. Trifft diese Situation ein, werden die Ventile 1 und 2 geöffnet, so dass der Fahrer einen mechanischen Durchgriff auf den Hauptbremszylinderkolben 6 erhält. Die Radmodulationsventile 3 können (beispielsweise für eine elektronische Bremskraftverteilungs-Funktion) weiter verwendet werden.
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Die Bremsanlage ist für eine umfangreiche Selbstdiagnose ertüchtigt, welche etwa während einer Beschleunigungsphase des Fahrzeuges, in das die Bremsanlage eingebaut ist, durchgeführt werden kann. Dazu werden bevorzugt die Radventile 3 geschlossen und eine Fremdkraft Fact wird am Kolben 33 der Druckbereitstellungseinrichtung 9 eingeleitet. Wenn der Kolben 33 sich bewegt, sind die Ventile 1 und 2 durchgängig. Danach wird bevorzugt das Ventil 1 bestromt, d. h. geschlossen. Wenn es tatsächlich schließt, steigen der Druck und damit der Motorstrom am elektromechanischen Aktuator der Druckbereitstellungseinrichtung 9 an. Wenn deren Kolben 9 sich weiterhin bewegt, ist der Simulator 8 nicht verklemmt, da nun Druckmittel in den Simulator 8 abgeführt wird. Nun wird bevorzugt das Ventil 2 geschlossen. Wenn es tatsächlich schließt, steigt der Druck und damit der Motorstrom stark an, wobei der Aktuatorkolben der Druckbereitstellungseinrichtung 9 sich nur entsprechend der Schließwege bzw. Schnüffelloch-Leerwege im Hauptbremszylinder bewegt.
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In 2 ist ein zweites Ausführungsbeispiel einer erfindungsgemäßen Bremsanlage schematisch dargestellt. Das zweite Ausführungsbeispiel entspricht im Wesentlichen dem ersten, in 1 dargestellten Ausführungsbeispiel. Zur Sensierung des Simulatordrucks im Simulator 8 ist ein Drucksensor 22 vorgesehen. Weiterhin ist beim zweiten Ausführungsbeispiel keine Verbindung zu einem Druckmittelbehälter über Ventil 1 vorgesehen, so dass der Simulatordruck zu jedem gewünschten Zeitpunkt gemessen werden kann. Eine Messung des Simulatordrucks wird vorteilhafterweise kontinuierlich ausgeführt.
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In 3 ist ein drittes Ausführungsbeispiel einer erfindungsgemäßen Bremsanlage schematisch dargestellt, welches es ermöglicht, den Fahrerkolben der Zylinder-Kolben-Anordnung 5 im stromlosen und damit unverstärkten Betrieb als Füllstufe zu verwenden. Das heißt, aus dem hydraulischen Raum 14 wird bei Betätigung des Fahrerkolbens Druckmittel in den ersten Bremskreis I gefördert. Dies ist vorteilhaft, da die Anforderungen von starkem Druckaufbau im unverstärkten Betrieb der Bremsanlage Auslegungskriterien für den als Tandemhauptbremszylinder ausgestalteten Hauptbremszylinder 10 definieren. Der Hauptbremszylinder 10 sollte dazu Kammern mit möglichst geringem Querschnitt aufweisen, so dass im unverstärkten Zustand bei Verschiebung des Primärkolbens möglichst hoher Druck in den Bremskreisen I, II aufgebaut werden kann.
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Aufgrund des begrenzten Hauptzylinderhubs führt ein möglichst geringer Querschnitt aber dazu, dass nur ein deutlich begrenztes Druckmittelvolumen zur Verfügung steht. Dieses Volumen kann durch den Einsatz der Füllstufe im Sinne einer im Wesentlichen zusatzkraftfreien Zusatzfunktion gewissermaßen erweitert werden. Hierzu ist der hydraulische Raum 14 der Zylinder-Kolben-Anordnung 5 über eine hydraulische Verbindung 26 mit dem Bremskreise I verbunden. In der Verbindung 26 ist ein in Richtung zum Raum 14 schließendes Rückschlagventil 25 angeordnet. Weiterhin ist diese Verbindung durch das Ventil 1 absperrbar. Durch diese Ausgestaltung der Bremsanlage kann im Bedarfsfall Bremsmittel aus dem hydraulischen Raum 14 zum Druckaufbau in einen (wie dargestellt) oder beide Bremskreise I, II gefördert werden. Ein federndes Rückschlagventil 36 ist zwischen der Verbindung 26 und einem niedrigeren Druckniveau (beispielweise einem Druckmittelvorratsbehälter) angeordnet, wobei das Rückschlagventil 26 so eingestellt ist, dass es bei einem Überschreiten eines vorgegebenen Druckes die Verbindung zu dem niedrigeren Druckniveau freigibt.
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Ein stromlos geschlossenes bzw. NC Ventil 21 stellt bedarfsweise eine hydraulische Verbindung zwischen der hydraulischen Verbindung von Simulationseinrichtung 8 und hydraulischem Raum 14 und der hydraulischen Verbindung zwischen hydraulischer Kammer 12 und Druckraum 11 her. Dieses Ventil wird während der im Zusammenhang mit 1 beschriebenen Selbstdiagnose- bzw. Selbstüberprüfungsroutinen, die auch bei der in 3 dargestellten Bremsanlage möglich sind, geschaltet bzw. geöffnet. Dieses Ventil ist optional, wird es nicht verwendet, so sind die hydraulische Verbindung von Simulationseinrichtung 8 und hydraulischem Raum 14 und die hydraulische Verbindung zwischen hydraulischer Kammer 12 und Druckraum 11 voneinander hydraulisch getrennt. Ein stromlos offenes Ventil 20, welches bedarfsweise die hydraulische Verbindung zwischen der Druckbereitstellungseinrichtung 9 und der hydraulischen Kammer 12 mit einem niedrigeren Druckniveau (beispielsweise ein Druckmittelvorratsbehälter) verbindet, wird zur (Druck-)Entlastung der Bremsanlage im Falle einer Verklemmung der Druckbereitstellungseinrichtung 9 stromlos und damit offen geschaltet.
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Die Dichtungen 50 der hydraulischen Kammer 12, der Druckräume 13, – des Hauptbremszylinders und des hydraulischen Raums 14 sind vorteilhafterweise durch jeweils zwei Dichtelemente gebildet, welche einen Raum, z. B. Ringraum, begrenzen, der über einen hydraulischen Anschluss an einen Druckmittelvorratsbehälter angeschlossen ist (siehe 1 bis 3).
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Bezugszeichenliste
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- 1
- stromlos offenes Ventil
- 3
- stromlos offenes Ventil
- 4
- stromlos geschlossenes Ventil
- 5
- Zylinder-Kolben-Anordnung
- 6
- Primärkolben
- 8
- Simulationseinrichtung
- 9
- Druckbereitstellungseinrichtung
- 10
- Hauptbremszylinder
- 11
- Druckraum
- 12
- hydraulische Kammer
- 13
- Druckraum
- 14
- hydraulischer Raum
- 15
- Fortsatz
- 20
- stromlos offenes Ventil
- 21
- stromlos geschlossenes Ventil
- 22
- Drucksensor
- 26
- hydraulische Verbindung
- 27
- Gehäuse
- 30
- Radbremse
- 31
- hydraulische Verbindungsleitung
- 32
- Verschieberichtung
- 33
- Kolben
- 34
- hydraulische Verbindung
- 35
- hydraulische Verbindung
- 36
- federndes Rückschlagventil
- 40
- Wegsensor
- 41
- Drucksensor
- 42
- Wegsensor
- 50
- Dichtung
- 51
- Hub
- 52
- halber Hub
- I, II
- Radbremskreis
- Fact
- Fremdkraft
- FDriver
- Kraft
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- DE 102009003499 A1 [0003]