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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Betreiben einer Prüfanordnung, vorzugsweise eines Prüfstandes für Fahrzeuge oder deren Teilsysteme, insbesondere Verbrennungsmaschinen, Elektromaschinen, Batterien, Antriebsstrangsysteme oder Teilsystemen davon, bei welchem der Prüfling über eine an koppelbare Antriebs- und/oder Belastungsmaschine beaufschlagt wird, wobei über eine Simulationsplattform der Gesamtanordnung von Prüfstand und Prüfling gemäß einem ersten Simulationsmodell eine Abfolge von Betriebspunktvektoren vorgegeben wird, und wobei von der Gesamtanordnung Rückmeldungen an die Simulationsplattform erfolgen, sowie ein Verfahren zum Betreiben einer Prüfanordnung mit mehreren, allenfalls auch unterschiedlichen Prüfständen, vorzugsweise Prüfständen für Fahrzeuge oder deren Teilsysteme, insbesondere Verbrennungsmaschinen, Elektromaschinen, Batterien, Antriebsstrangsysteme oder Teilsystemen davon, bei welchem jeder Prüfling über eine ankoppelbare Antriebs- und/oder Belastungsmaschine beaufschlagt wird, wobei über eine Simulationsplattform zumindest einer der gesamten Gruppe von Gesamtanordnungen von Prüfstand und Prüfling gemäß einem ersten Simulationsmodell eine Abfolge von Betriebspunktvektoren vorgegeben wird.
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Entsprechend den heutigen Anforderungen in der Entwicklung von Kraftfahrzeugen, unter Berücksichtigung des harten Wettbewerbs, des Kostendrucks und immer kürzerer Entwicklungszyklen, müssen auch die Prüfstandsversuche mit steigender Produktivität, Präzision und Wirtschaftlichkeit durchgeführt werden. Dazu gehört auch die produktive Nutzung der begrenzten Entwicklungsressourcen.
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Ein wesentlicher Aspekt dabei ist die konzentrierte Prüfung von Fahrzeug oder Fahrzeugkomponenten am Prüfstand, bei welcher Prüfung durch Simulation das reale Umfeld und der reale Einsatz möglichst exakt nachgebildet werden sollen. Sowohl sollen alle Fahrzeugsysteme, das Fahrer- und Fahrverhalten, die Straßenverhältnisse einschließlich Topologie, Infrastruktur und Verkehrsaufkommen, etc. das spätere reale Umfeld bereits in der Testphase am Prüfstand bestmöglich nachgebildet werden. Auch eine Verknüpfung von realen Testfahrten mit Prüfstandsversuchen hat sich dabei als zweckmäßig herausgestellt.
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Eine besondere Herausforderung für die Prüfstandsregelung und -automatisierung, aber auch für die Simulation des Umfeldes des Prüflings stellen die heutzutage immer leistungsfähigeren und hochdynamischen Systeme dar, welche in den Fahrzeugen vorhanden sind, vom Motor über den Antriebsstrang einschließlich der Reifen und aller möglichen Neben- und Hilfssysteme. Für ein möglichst realistisches virtuelles 3D-Echtzeit-Mehrkörpersystem-Modell eines Fahrzeuges sind dabei die Anforderungen besonders hoch.
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Das Mehrkörpersystem-Modell basiert auf der d'Alembert-Lagrange-Näherung mit einigen zusätzlichen Optimierungen. Es weist 10–200 voll nichtlineare Freiheitsgrade auf. Die Vorder- und Hinterradaufhängung, das Lenksystem, die Federung, Antriebsstrang, Räder und Reifen sind die hauptsächlichen Untersysteme. Eine inhärente Komplexität der Fahrzeugmodellierung resultiert aus der 3D-Geometrie der Reifen-Fahrbahn-Kontaktfläche, einschließlich der Deformierung der Karkasse, die nicht vernachlässigt werden darf, als auch aus der potentiellen Systeminstabilität bei extremen Fahrmanövern. Zusätzlich ist noch ein intelligentes Fahrermodell, beispielsweise IPG Driver, vorgesehen, mit welchem manöverbasiertes Testen auf komplexen und unebenen 3D Fahrbahnen in Echtzeit möglich ist.
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Die Rechner, auf welchen die Simulatonsmodelle laufen, sind über entsprechende Schnittstellen mit der Prüfstandsautomatisierung bzw. -regelung als auch dem Prüfling, sei es nun ein Motor, ein Antriebsstrang etc. verbunden. Über diese Schnittstellen werden die Geschwindigkeitsanforderungen, die Drehmomentrückantworten und auch die Fahreraktionen zwischen der virtuellen Welt der Simulation und dem Prüfling in der realen Welt ausgetauscht. Die Dynamik liegt dabei bei ca. 1 ms oder schneller.
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Die Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es, im Rahmen des manöver- und ereignisbasierten Testens eine Zeitersparnis bei Vorbereitung, Durchführung und Abschluss der Prüfläufe eine höhere Effizienz und verbesserte Ausnutzung der Prüfstandszeit zu erzielen.
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Zur Lösung dieser Aufgabe ist das eingangs zuerst beschriebene Verfahren erfindungsgemäß dadurch gekennzeichnet, dass auf Anforderung zumindest ein zweites Simulationsmodell, nämlich ein Simulationsmodell für den Prüfling oder die Gesamtanordnung innerhalb der Simulationsplattform abgerufen werden kann, welches zweite Simulationsmodell an das erste Simulationsmodell angedockt wird, wobei der Prüfstand zu jedem Zeitpunkt aktiv bleibt und durchgängig weiterhin mit plausiblen und konsistenten Signalen durch die Simulationsplattform versorgt wird.
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Gemäß einer vorteilhaften Ausführungsvariante des Verfahrens kann vorgesehen sein, dass der Prüfstand unterbrechungsfrei von der Simulationsplattform mit plausiblen und konsistenten Signalen versorgt wird, welche dem zweiten Simulationsmodell entsprechen.
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Das eingangs beschriebene weitere Verfahren ist zur Lösung der Aufgabe dadurch gekennzeichnet, dass wahlweise ein zweites Simulationsmodell oder eine reale Gesamtanordnung an das erste Simulationsmodell angedockt wird.
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Gemäß einer vorteilhaften Ausführungsform kann dabei auf Anforderung ein beliebiges Modell eines Prüflings bzw. einer Gesamtanordnung von Prüfstand und Prüfling aus einer Modellbibliothek abgerufen werden und wird an das erste Simulationsmodell angedockt.
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Um zeitraubendes und aufwendiges Abschalten und Hochfahren der Prüfstände und Prüflinge zu vermeiden, kann vorgesehen sein, dass jeder nicht an der Simulationsplattform angedockte Prüfstand aktiv bleibt und weiterhin von der Simulationsplattform mit plausiblen und konsistenten Signalen versorgt wird.
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Gemäß einer möglichen Alternative wird dabei der Prüfstand von der Simulationsplattform mit plausiblen und konsistenten Signalen versorgt, welche dem zweiten Simulationsmodell entsprechen.
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Um Störungen und Fehler möglichst zu vermeiden ist weiterhin vorgesehen, dass während jedes Wechsels zwischen Simulationsmodell und realem/realen Prüfling/Prüflingen bzw. zwischen unterschiedlichen realen Prüflingen die Kommunikation zwischen Prüfling/Prüflingen, Prüfstand/Prüfständen und Simulationssystem/Simulationssystemen unterbrechungsfrei aufrecht erhalten wird.
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In der nachfolgenden Beschreibung soll die Erfindung anhand von Ausführungsbeispielen näher erläutert werden.
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Die Erfindung bezieht sich auf eine Prüfanordnung, bei welcher der Prüfling über eine ankoppelbare Antriebs- und/oder Belastungsmaschine beaufschlagt wird. Es kann sich dabei um einen beliebige Art von Prüfstand handeln, wie etwa einen Prüfstand für Fahrzeuge oder deren Teilsysteme, insbesondere Verbrennungsmaschinen, Elektromaschinen, Batterien, Antriebsstrangsysteme oder Teilsystemen davon. Der Gesamtanordnung von Prüfstand und Prüfling wird gemäß einem ersten, vorzugsweise dynamischen Simulationsmodell durch eine Simulationsplattform eine Abfolge von Betriebspunktvektoren vorgegeben, wobei von der Gesamtanordnung Rückmeldungen an die Simulationsplattform erfolgen. Die Simulationsplattform und die Gesamtanordnung Prüfsystem, bestehend aus realem Prüfstand und realem Prüfling, kommunizieren miteinander. Für eine besonders effiziente Nutzung aller Ressourcen ist es möglich, reale und virtuelle Prüflinge während des Testlaufes gegeneinander auszutauschen.
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So gibt es ein Simulationsmodell (virtuell) des realen Prüfsystems. Dieses Simulationsmodell kann im Einzelfall auch nur ein Modell des realen Prüflings darstellen. Der Prüfstand ist dann mit der Übertragungsfunktion „1” dargestellt. Das Simulationssystem kann nun entweder an den virtuellen Prüfstand andocken oder an den realen Prüfstand. Durch eine unterbrechungsfreie Versorgung des Prüfstandes mit Signalen erfährt der Prüfstand keine Änderung in seinem prinzipiellen Betriebszustand und läuft weiter, auch wenn gerade der virtuelle Prüfstand an die Simulationsplattform angedockt wurde. Der reale Prüfstand wird dabei entweder mit vorgegebenen Standardwerten versorgt, die überhaupt keinen Zusammenhang mit dem gerade ablaufenden virtuellen Geschehen haben, oder kann auch mit einer Abfolge von Betriebspunktvektoren versorgt werden, welche ein Abbild dessen darstellen, was gerade der virtuelle Prüfstand meldet.
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Die Versorgung des Prüflings bzw. der Gesamtanordnung aus Prüfstand und Prüfling mit plausiblen und mutuell sowie physikalisch konsistenten Signalen im Sinn einer Sensorsimulation sorgt dafür, dass Fehlereinträge in den Steuergeräten des Prüflings vermieden werden können. Damit kann die zum Löschen der Fehlerspeicher nötige Zeit vermieden werden. Darüber hinaus stellen die generierten Signale sicher, dass insbesondere der Prüfling, aber vorzugsweise auch das Gesamtsystem unter Einschluss des Prüfstandes, nur innerhalb der mechanischen Betriebsbereiche bzw. der vorgegebenen Toleranzen belastet werden.
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Eine vorteilhafte Anwendung bezieht sich weiter auf eine Prüfanordnung mit mehreren, allenfalls auch unterschiedlichen Prüfständen, wobei auf jedem Prüfstand ein Prüfling, allenfalls auch Prüflinge unterschiedlicher Art, über eine zumindest eine ankoppelbare Antriebs- und/oder Belastungsmaschine beaufschlagt wird. Über eine Simulationsplattform wird zumindest einer Prüfstands-Prüfling-Gesamtanordnung der gesamten Gruppe von Gesamtanordnungen gemäß einem ersten Simulationsmodell eine Abfolge von Betriebspunktvektoren vorgegeben.
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In einer „Modellbibliothek” der Simulationsplattform können nun unterschiedliche Modelle registriert sein, welche sowohl virtuelle Systeme sein können als auch auf reale Prüfstände „verlinken” können. Zum Beispiel kann an beispielsweise einem Motorprüfstand das Modell 1 ein virtueller Motor sein, Modell 2 stellt eine Verbindung zum realen Prüfstand in einer der Prüfzellen der Prüfanordnung mit einem bestimmten Motor als Prüfling her, und das Modell 3 verlinkt zu einem weiteren realen Prüfstand mit einem anderen Motortyp. Nun kann der Nutzer durch einfache Anforderung eines dieser Modelle in der Simulationsplattform berücksichtigen. Ein weiteres Modell 4 könnte – um ein Beispiel für einen anderen Typ von Prüfstand darzustellen – auf einen realen Antriebsstrang-Prüfstand verlinken. Damit ist es auch möglich, die virtuelle Welt der Simulationsplattform an einen realen Antriebsstrang anzudocken. Der Wechsel kann also auch die Prüfstandstopologie betreffen.
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So sind unterschiedlichste Kombinationen möglich: realer Verbrennungsmotor kombiniert mit realem Battery-Tester, realer Verbrennungsmotor mit virtueller Batterie, reale Batterie mit virtuellem Verbrennungsmotor usw. In jedem Fall erlaubt es die virtuelle Welt, dass man virtuelle durch reale Komponenten auf beliebige Art und Weisen dazu- oder abschalten kann, ohne dass davon die realen Komponenten betroffen sind. Diese laufen weiter durch und werden mit plausiblen Signalen versorgt, so dass keine Fehler produziert werden und der Prüfling nicht unnötig gestresst wird. Die Versorgung des Prüflings mit plausiblen und mutuell sowie physikalisch konsistenten Signalen im Sinn einer Sensorsimulation sorgt dafür, dass Fehlereinträge in den Steuergeräten des Prüflings vermieden werden können. Damit kann die zum Löschen der Fehlerspeicher nötige Zeit vermieden werden.
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Dabei bleibt die Verbindung aller I/O-Kanäle zwischen dem Simulationssystem und dem Prüfstand aufrecht, selbst wenn zwischen dem realen Prüfling und dem virtuellen Prüfling – oder vice-versa – umgeschaltet wird. Beide Systeme laufen unverändert weiter, ohne diesen Wechsel zu bemerken. In jedem Fall generiert das Simulationssystem zu jedem Zeitpunkt realistische und konsistente Signale für den realen Prüfling.
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Sowohl der virtuelle als auch der reale Prüfling sind in einer im Wesentlichen gleichen simulierten Umgebung eingebettet. Die verwendeten Modelle und Manöverbeschreibungen, die graphische Benutzerschnittstelle, etc. bleiben auf beiden Seiten unverändert. Insbesondere bei der Erstellung von neuen Manövern oder Szenarien für die Tests an realen Prüflingen kann durch die Erstellung mit Hilfe der Simulation eine große Zeitersparnis von bis zu 50% erzielt werden.
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Zusätzlich ist eine Abstraktionsschicht der Schnittstellen für die Prüfstandsautomatisierung vorhanden, über welche die physikalischen Variablen auf spezifische I/O-Signale, wie CAN, FlexRay, EtherCAT oder dergleichen abgebildet werden. Damit ist die hohe Flexibilität und Offenheit für verschiedenste Systeme gewährleistet.
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Alle denkbaren Prüflinge und alle möglichen Prüfstandskonfigurationen werden vorzugsweise über Schnittstellen auf Basis der gleichen Software-Prinzipien, mit den gleichen Software-Bibliotheken und so weit als möglich mit den gleichen Funktionen angesprochen. Dabei ist es gleichgültig, ob es sich um Motoren-, Antriebsstrang-, Batterie-, Zweirad- oder Allradprüfstände, Rollenprüfstände handelt. Damit ist aber auch ein beliebiges Umschalten zwischen unterschiedlichen Prüfstandstypen und -konfigurationen möglich, nicht nur zwischen unterschiedlichen Prüflingen.
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Selbstverständlich sind viele andere Funktionen inbegriffen, die bei der Verbindung zwischen Simulationssystemen und Prüfstandsautomatisationssystemen üblich und zweckmäßig sind. Dies umfasst Überwachungsdienste, Setzung von Zeitmarken, Kommunikationsüberwachung, Statusaustausch, Handshake-Mechanismen und vieles mehr. Vorteilhafterweise basieren alle diese Funktionen auf standardisierten Schnittstellen, so dass alle möglichen Prüfstandstypen einfach aufrüstbar sind.