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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Überwachung einer technischen Großanlage.
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Es ist bekannt, dass technische Anlagen oder Systeme hinsichtlich ihrer Funktionsweise überwacht werden müssen, um ein Fehlverhalten dieser Anlagen oder Systeme erkennen zu können. Nur so kann beispielsweise bei sicherheitskritischen Systemen gewährleistet werden, dass ein Fehlverhalten der technischen Anlagen rechtzeitig erkannt wird und dass eine Havarie vermieden werden kann. Eine solche Überwachung reicht dabei von der Überwachung einzelner atomarer Funktionalitäten der gesamten Anlage über statische Erhebungen der Funktionalitäten bis hin zur Überwachung von Lagerbeständen der Ersatzteile. Denn die Funktionalität einer Anlage bzw. eines technischen Systems ist selbstverständlich auch nur dann zu gewährleisten, wenn für den Fall einer Beschädigung auch genügend Ersatzteile vorhanden sind, um den Schaden schnellstmöglich beheben zu können.
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Hinsichtlich dieses Überwachungserfordernisses wird eine technische Anlage derart überwacht, dass die Korrektheit jeder einzelnen Funktion einzeln und für sich betrachtet überwacht wird. Mit diesen sogenannte ”Insel”-Lösungen lässt sich zwar feststellen, wann eine technische Komponente der gesamten Anlage hinsichtlich ihrer Funktionalität nicht mehr korrekt arbeitet, jedoch lässt sich hieraus nicht ableiten, was das für Auswirkungen auf andere Komponenten bzw. auf die gesamte Anlage hat. Eine über die einzelne Funktionalität hinausgehende Überwachung obliegt dann der kognitiven Fähigkeit des entsprechenden Wartungspersonals.
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Diese Problematik wird darüber hinaus noch verstärkt, je größer und komplexer die Anlage ist, d. h. je mehr einzelne bzw. atomare Funktionalitäten die Anlage zu leisten hat. Mit zunehmender Komplexität einer großtechnischen Anlage wird darüber hinaus auch das Problem potenziert, dass eine einzelne defekte technische Komponente der gesamten Großanlage Seiteneffekte auslösen kann, die von einem Überwachungssystem automatisch nicht detektierbar sind und die das entsprechende Wartungspersonal aufgrund der Komplexität der Anlage nicht erkennen kann, so dass ein sicherer Betrieb der technischen Großanlage nicht mehr hinreichend gewährleistet werden kann.
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Aufgabe
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Im Hinblick hierauf ist es Aufgabe der vorliegenden Erfindung, ein verbessertes Verfahren und ein verbessertes Überwachungssystem anzugeben, mit dem auch eine komplexe, technische Großanlage automatisch hinreichend sicher überwacht werden kann.
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Lösung
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Die Aufgabe wird mit dem Verfahren der eingangs genannten Art erfindungsgemäß gelöst durch die Schritte:
- a) Bestimmen von technischen Komponenten der Großanlage, welche eine oder mehrere Funktionalitäten der Großanlage erfüllen, und Bestimmen von baulichen und/oder funktionalen Zusammenhängen zwischen den einzelnen technischen Komponenten,
- b) Bestimmen von die Großanlage beschreibenden Einflussgrößen und Bestimmen von systembedingten Zusammenhängen zwischen den technischen Einflussgrößen,
- c) Zuordnen der technischen Einflussgrößen zu einer oder mehreren technischen Komponenten, die mit den technischen Einflussgrößen korrelieren,
- d) Ermitteln von Überwachungswerten der technischen Einflussgrößen bezüglich den der jeweiligen Einflussgröße zugeordneten technischen Komponenten, und
- e) Überwachen der technischen Großanlage hinsichtlich einer oder mehrerer Einflussgrößen in Abhängigkeit von den ermittelten Überwachungswerten der Einflussgrößen, deren Zusammenhänge und den baulichen und/oder funktionalen Zusammenhängen der die Überwachungswerte betreffenden technischen Komponenten.
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Demnach wird erfindungsgemäß vorgeschlagen, dass zunächst die einzelnen technischen Komponenten der zu überwachenden technischen Großanlage bestimmt werden und ihre baulichen und/oder funktionalen Zusammenhänge untereinander. Diese einzelnen technischen Komponenten erfüllen dabei zumindest eine oder auch mehrere Funktionalitäten, die von der technischen Großanlage zu erfüllen sind.
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Als nächstes werden die Einflussgrößen, welche die technische Großanlage beschreiben, bestimmt. Diese Einflussgrößen sind Parameter der technischen Großanlage bzw. der einzelnen technischen Komponenten, die überwacht werden sollen. Die Einflussgrößen reichen dabei von technischen Parametern, wie Stromverbrauch oder ähnlichem bis hin zur Überwachung des Lagerbestandes von Ersatzteillagern. Eine Einflussgröße kann dabei auch beispielhaft die Ausfallrate bzw. die Ausfalldauer einer technischen Komponente sein sowie ggf. statistische Parameter.
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Zusätzlich zur Bestimmung der Einflussgrößen werden die systembedingten Zusammenhänge zwischen diesen technischen Einflussgrößen bestimmt, um mögliche Abhängigkeiten der Einflussgrößen untereinander herstellen zu können. Anschließend werden die die technische Großanlage beschreibenden technischen Einzelgrößen den jeweiligen technischen Komponenten zugeordnet, die mit ihnen korrelieren. Dadurch werden die Verbindungen zwischen den technischen Komponenten und ihren Einflussgrößen sowie deren Zusammenhänge hergestellt.
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Um die technische Großanlage entsprechend zu überwachen, werden für eine oder mehrere Einflussgrößen nun kontinuierlich oder auch in diskreten Zeitabschnitten entsprechende Überwachungswerte ermittelt, die sich auf die jeweilige technische Komponente, zu der die Einflussgröße zugeordnet wurde, beziehen. So kann eine Einflussgröße auch mehreren technischen Komponenten zugeordnet werden, sofern die Einflussgröße mit der technischen Komponente entsprechend korreliert. In Abhängigkeit dieser Überwachungswerte der verschiedenen Einflussgrößen und ihren zugeordneten technischen Komponenten sowie abhängig von den Zusammenhängen der einzelnen Einflussgrößen untereinander wird nun die Überwachung der technischen Großanlage durchgeführt. Aufgrund der Zusammenhänge der Einflussgrößen untereinander und der Zuordnung der Einflussgrößen zu den technischen Komponenten sowie der baulichen und/oder funktionalen Zusammenhänge der technischen Komponenten untereinander lassen sich somit für jede technische Komponente Seiteneffekte feststellen, wenn ein kritischer Zustand oder gar ein Defekt einer technischen Komponente vorliegt. So kann ein kritischer Zustand einer technischen Komponente beispielsweise auch die Verfügbarkeit einer weiteren technischen Komponente bedingen, die funktionell oder baulich von dieser Komponente abhängt bzw. mit dieser zusammenhängt, so dass unter Umständen nicht nur diese eine technische Komponente von einem Ausfall betroffen ist, sondern vielleicht auch ein übergeordnetes Gesamtsystem. Mit Hilfe der systembedingten Zusammenhänge der technischen Einflussgrößen lässt sich dabei die Überwachung auf verschiedenen Ebenen durchführen.
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Um die einzelnen technischen Komponenten der technischen Großanlage bestimmen zu können, ist es besonders vorteilhaft, wenn zuvor alle von der technischen Großanlage zu erbringenden Funktionalitäten ermittelt werden. Anschließend werden diese Funktionalitäten einem oder mehreren Funktionsträgern zugeordnet, wobei die Identifizierung der Funktionsträger dann als die technischen Komponenten der technischen Großanlage angesehen werden können. Ggf. sind die technischen Komponenten noch weiter in untergeordnete Baugruppen oder Bauteile zerlegbar.
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Vorteilhafterweise erfolgt die Ermittlung der Überwachungsparameter der technischen Komponenten mit Hilfe von an den technischen Komponenten angeordneten Sensoren, welche die entsprechenden Überwachungswerte der Einflussgrößen detektieren. So lassen sich kontinuierlich die Überwachungswerte bezüglich der technischen Einflussgrößen aufzeichnen.
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Um die Einflussgrößen der technischen Großanlage bestimmen zu können, ist es besonders vorteilhaft, wenn durch Aggregation bereits bekannter Einflussgrößen neue Einflussgrößen gebildet werden, welche dann eine höhere Informationsdichte aufweisen. So lassen sich beispielsweise zwei oder mehrere Einflussgrößen derart zusammenfassen, dass hieraus eine übergeordnete Einflussgröße abgeleitet werden kann. Durch diese Form der Aggregation lassen sich dann weitere Einflussgrößen mit höherer Informationsdichte bilden.
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Besonders vorteilhaft ist es hierbei, wenn die Zusammenhänge der einzelnen Einflussgrößen in Abhängigkeit der Aggregation bestimmt werden. So ist es beispielsweise denkbar, dass die Einflussgrößen, aus der mittels Aggregation eine neue Einflussgröße gebildet wurde, mit dieser einen entsprechenden Zusammenhang aufweisen, der dann dem erfindungsgemäßen Verfahren zugrunde gelegt werden soll. So lässt sich durch den Zusammenhang zweier Einflussgrößen eine Überwachungsabhängigkeit festlegen.
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Vorteilhafterweise werden bezüglich der Einflussgrößen Grenzwerte festgelegt, die dann weiterhin bei der Überwachung der Großanlage Berücksichtigung finden. Die Grenzwerte können dabei für jede Einflussgröße und jede ihr zugeordneten technischen Komponente einzeln Berücksichtigung finden, da für ein- und dieselbe Einflussgröße aber unterschiedlichen technischen Komponenten auch unterschiedliche Grenzwerte festlegbar sind.
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Darüber hinaus wird die vorliegende Aufgabe auch mit einem Überwachungssystem, das zur Durchführung des vorstehenden Verfahrens eingerichtet ist, gelöst.
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Anhand des nachstehenden Ausführungsbeispiels soll die Erfindung beispielhaft näher erläutert werde. Dabei ist das Ausführungsbeispiel nicht einschränkend zu verstehen, sondern lediglich beispielhaft. Es sind darüber hinaus eine Vielzahl von möglichen Einflussgrößen und Zusammenhängen sowie Funktionalitäten und technischen Komponenten in jeglicher Kombination denkbar, die von dem Kern der Erfindung erfasst werden.
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Das nachstehende Ausführungsbeispiel ist auf einige wenige Parameter zu Anschauungszwecken begrenzt. Als technische Großanlage soll ein Streckenabschnitt eines Bahngleises überwacht werden. Hierfür wurden beispielhaft drei Funktionalitäten ermittelt, die auf dem Streckenabschnitt (und seinen Komponenten) erfüllt werden sollen:
F1: Fahrstraße bilden
F2: Fahrstraße verriegeln
F3: Fahrstraße freigeben
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In einem ersten Schritt gilt es nun, die für den zu überwachende Streckenabschnitt notwendigen technischen Komponente zu bestimmen, was anhand der Funktionalitäten F1 bis F3 erfolgen soll. Hinzu werden entsprechende Funktionsträger ermittelt, welche die Funktionalitäten erfüllen können. Daraus lassen sich dann die technischen Komponenten des Streckenabschnittes ableiten. In diesem Falle sind das auszugsweise die
A1: Weichen
A2: Weichenmotor
A3: Lichtsignal
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Mit Hilfe einer Matrixdarstellung lässt sich nun feststellen, welche Funktionalitäten von welchen technischen Komponenten erfüllt werden. Für das Ausführungsbeispiel des oben genannten Streckenabschnittes und den Funktionalitäten F1 bis F3 sowie den technischen Komponenten A1 bis A3 ergibt sich dabei die folgende Funktionalitäten-Komponenten-Darstellung:
| F1 | F2 | F3 |
A1:
Weichen | X | X | |
A2:
Weichenmotor | X | | |
A3:
Lichtsignal | | | X |
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Wie zu erkennen ist, besteht zwischen der technischen Komponente A1 (Weiche) und der technischen Komponente A2 (Weichenmotor) ein funktionaler Zusammenhang, so dass beide Komponenten für die Erfüllung der Funktionalität F1 wesentlich sind. Ungeachtet dessen besteht zwischen den Komponenten A1 und A2 auch eine bauliche Abhängigkeit.
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Des Weiteren müssen die die technische Großanlage beschreibenden Einflussgrößen bestimmt werden. Beispielhaft seien für diesen Fall die Einflussgrößen MTTR (Mean Time To Recover) und die Ausfallrate angegeben. Durch Aggregation dieser beiden Einflussgrößen lässt sich die übergeordnete Einflussgröße Ausfalldauer ermitteln. Auf gleicher Ebene hierzu steht die Einflussgröße Betriebsdauer, die zusammen mit der Einflussgröße Ausfalldauer zusammen die übergeordnete Einflussgröße Verfügbarkeit ergibt.
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Die Einflussgrößen Betriebsdauer und Ausfalldauer lassen sich darüber hinaus auch mit Hilfe von entsprechenden Sensoren ermitteln, die direkt an der technischen Komponente angeordnet sind.
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In einem nächsten Schritt wird nun jede Einflussgröße einer technischen Komponente zugeordnet, die mit dieser entsprechend korreliert. Im vorliegenden Ausführungsbeispiel korrelieren alle Einflussgrößen mit allen technischen Komponenten. Es ist aber auch denkbar, dass nur die technischen Komponenten A1 und A2 den Einflussgrößen MTTR und Ausfallrate zugeordnet werden, während die technische Komponente A3 den Einflussgrößen Ausfalldauer und Betriebsdauer sowie Verfügbarkeit zugeordnet werden. Letztlich hängt dies vom konkreten Überwachungszweck ab.
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So lässt sich mit Hilfe der Ausfallrate als eine Einflussgröße und der MTTR als ein wichtiger Parameter zur Systemverfügbarkeit die Ausfalldauer des Weichenmotors (A2) ermitteln. Aufgrund des funktionalen und baulichen Zusammenhangs zwischen Weichenmotor (A2) und Weiche (A1) lässt sich dann die Ausfalldauer der technischen Komponente A1 bestimmen. Zusammen mit der Betriebsdauer als weitere Einflussgröße lässt sich dann die Verfügbarkeit auf der nächst höheren Ebene für die entsprechenden Komponenten ableiten. Aufgrund des baulichen sowie funktionellen Zusammenhangs der Weiche mit dem gesamten Streckenabschnitt lässt sich somit die Verfügbarkeit des Streckenabschnitts aus der Verfügbarkeit des Weichenmotors A2 ableiten.
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Kern hierbei ist, dass aufgrund der ermittelbaren Ausfalldauer des Weichenmotors auch Rückschlüsse auf damit funktional zusammenhängende Komponenten gezogen werden können, wobei aufgrund der systembedingten Zusammenhänge der einzelnen Einflussgrößen die Überwachung der funktional/baulich zusammenhängenden Komponenten auf verschiedenen Ebenen und somit aus verschiedenen Blickwinkeln erfolgen kann.
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Denkbar sind darüber hinaus eine ganze Reihe weiterer Überwachungen mit Seiteneffekten, wie beispielsweise bei der Lagerhaltung. So lässt sich eine technische Großanlage auch insoweit überwachen, als dass die Lagerstückzahlen in einem Ersatzteillager mit Berücksichtigung finden. Geht ein Ersatzteil dabei zur Neige, so besteht für die Verfügbarkeit der Funktionalität einer technischen Komponente die Gefahr, beim Ausfall nicht rechtzeitig repariert zu werden. Somit hat die Anzahl der im Lager befindlichen Ersatzteile auch Einfluss auf die beispielhaft gewählte Einflussgröße ”Verfügbarkeit”.