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Hintergrund der Erfindung
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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Ermittlung systematischer geometrischer Abweichungen in einem technischen Mehrkörpersystem sowie ein technisches Mehrkörpersystem.
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Zahlreiche Verfahren zur Bestimmung systematischer Abweichungen von technischen Mehrkörpersystemen sind bekannt. Diese umfassen photogrammetrische Messverfahren, Inertial-Messverfahren und andere Verfahren. Die wesentlichen Kriterien für die Qualität eines solchen Verfahrens sind erreichbare Genauigkeit, Wirtschaftlichkeit und Praktikabilität, insbesondere im industriellen Umfeld.
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Weiterhin sind, beispielsweise aus
WO 2005/019769 A1 , sogenannte Laser-Multilaterationsverfahren bekannt, mit denen systematische geometrische Abweichungen in einem drei Translationsfreiheitsgrade aufweisenden technischen Mehrkörpersystem bestimmt werden können. Dabei werden mehrere schwenkbare Interferometer einem gemeinsamen Retroreflektor automatisch nachgeführt. Durch gleichzeitige Auswertung der Längenmessungen aller Interferometer oder alternativ eines einzelnen Interferometers, das nacheinander in mehrere Stellungen im Mehrkörpersystem gebracht wird, lässt sich dann die Position des Reflektors im Raum bestimmen. Dieses Verfahren kann auch zur Bestimmung von Abweichungen von Koordinatenmessgeräten oder Industrierobotern verwendet werden. Die vorbekannten Laser-Multilaterationsverfahren lassen sich allerdings nicht ohne weiteres auf Systeme erweitern, welche zusätzlich zu den Translationsfreiheitsgraden auch Rotationsfreiheitsgrade aufweisen.
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Zugrunde liegende Aufgabe
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Es ist eine Aufgabe der Erfindung, ein Verfahren zur Ermittlung von geometrischen Abweichungen von technischen Mehrkörpersystemen, insbesondere von technischen Mehrkörpersystemen mit mindestens einem Rotationsfreiheitsgrad, bereitzustellen, das schneller und einfacher durchzuführen ist und dabei zuverlässige Ergebnisse liefert.
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Erfindungsgemäße Lösung
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Die vorgenannte Aufgabe wird erfindungsgemäß gelöst mit einem Verfahren zur Ermittlung systematischer geometrischer Abweichungen in einem technischen Mehrkörpersystem. Das technische Mehrkörpersystem weist einen Endeffektor sowie eine Basis auf. Diese werden nacheinander relativ zueinander in unterschiedliche Messstellungen gebracht. Die unterschiedlichen Messstellungen werden abhängig von den Freiheitsgraden des Mehrkörpersystems durch Translation und/oder Rotation des Endeffektors und der Basis zueinander eingestellt. Bei dem Verfahren wird in jeder Messstellung der Abstand zwischen einem der Basis zugeordneten Basisreferenzpunkt und einem dem Endeffektor zugeordneten Endeffektorreferenzpunkt durch ein schwenkbares Längenmesssystem gemessen und die systematischen geometrischen Abweichungen werden aus den gemessenen Abständen mittels eines mathematischen Modells berechnet. Die Messstellungen werden durch eine Messpunkteliste definiert. Die Messpunkteliste wird erfindungsgemäß bestimmt durch: zufälliges Auswählen einer Teilmenge an Stellungen aus der Menge aller möglicher Stellungen des Endeffektors relativ zur Basis. Alle möglichen Stellungen sind durch die Freiheitsgrade des Mehrkörpersystems sowie die für den jeweiligen Freiheitsgrad zulässigen Auslenkungen definiert. Weiterhin werden diejenigen Stellungen aus der Teilmenge, bei denen das Längenmesssystem nutzbar ist, bestimmt sowie die nutzbaren Stellungen in eine Messpunkteliste aufgenommen. Weiterhin umfasst das Bestimmen der Messpunkteliste die Schritte eines Verwendens eines Navigationsalgorithmusses zum Auffinden jeweils der kürzesten Wegverbindung zwischen jeweils zwei bei der Durchführung der Abstandsmessung einzustellenden nutzbaren Stellungen im durch die Freiheitsgrade des Mehrkörpersystems aufgespannten Raum unter der Randbedingung, dass die Wegverbindung lediglich über Zwischenstellungen führt, bei denen das Längenmesssystem nutzbar ist, sowie eines Aufnehmens der Zwischenstellungen in die Messpunkteliste. Weiterhin wird ein Brauchbarkeitsindex für das mathematische Modell zu jedem der einzelnen Stellungen der Messpunkteliste bestimmt und Stellungen mit vergleichsweise geringem Brauchbarkeitsindex werden aus der Messpunkteliste gestrichen.
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Das erfindungsgemäße Verfahren stellt im Kern eine statistisch algorithmische Messfahrtgenerierung dar. Durch das zufällige Auswählen einer Teilmenge an Stellungen aus der Menge aller möglicher Stellungen wird die Anzahl der in Frage kommenden möglichen Messpfade von vorne herein stark reduziert. Durch die erfindungsgemäßen weiteren Verfahrensschritte einschließlich der Bestimmung der nutzbaren Stellungen, dem Auffinden der kürzesten Wegverbindung mittels eines Navigationsalgorithmusses sowie das Streichen der Stellungen mit geringer Brauchbarkeit lassen sich auf effiziente Weise nutzbare Messpfade für die Bestimmung der geometrischen Abweichungen ermitteln. Damit wird auch die Vermessung von technischen Mehrkörpersystemen mit mindestens einem Rotationsfreiheitsgrad, insbesondere mit drei Rotationsfreiheitsgraden, handhabbar. Gemäß einer Ausführungsform sind die mittels des erfindungsgemäßen Verfahrens ermittelten systematischen geometrischen Abweichungen Führungsfehler in allen Freiheitsgraden des Mehrkörpersystems sowie globale Lage- und Orientierungsabweichungen der Komponenten des Mehrkörpersystems gegenüber ihrer durch das Design vorgegebenen Solllagen, wie nachfolgend im Detail beschrieben.
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Eine Messvorrichtung, welche mittels der erfindungsgemäß ermittelten geometrischen Abweichungen korrigiert ist, ermöglicht insbesondere die Prüfung von Oberflächenpassen von EUV-Spiegeln für Projektionsbelichtungsgeräte für die Mikrolithographie. EUV-Spiegel sind zur Reflexion von Licht im EUV-Wellenlängenbereich konfiguriert (extrem ultravioletter Wellenlängenbereich mit einer Wellenlänge von kleiner als 100 nm, z. B. etwa 13,5 nm).
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In einer weiteren Ausführungsform nach der Erfindung sind dem Endeffektor mehrere Endeffektorreferenzpunkte und der Basis mehrere Basisreferenzpunkte zugeordnet und das Mehrkörpersystem wird in unterschiedlichen Konfigurationen betrieben, wobei in den einzelnen Konfigurationen die Abstandsmessungen jeweils bezüglich einer anderen Kombination aus einem der Endeffektorreferenzpunkte und einem der Basisreferenzpunkte erfolgen und für jede der unterschiedlichen Konfigurationen eine eigene Messfahrt durchgeführt wird, welche eine Teilmenge der in der Messpunkteliste enthaltenen Messstellungen abfährt. Das heißt, für jede der unterschiedlichen Konfigurationen wird eine andere Kombination aus Endeffektorreferenzpunkt und Basisreferenzpunkt ausgewählt und in den für die jeweilige Konfiguration vorgesehenen Messstellungen jeweils der Abstand zwischen dem ausgewählten Basisreferenzpunkt und dem ausgewählten Endeffektorreferenzpunkt gemessen.
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In einer weiteren Ausführungsform nach der Erfindung sind dem Endeffektor mindestens vier Endeffektorreferenzpunkte und der Basis mindestens vier Basisreferenzpunkte zugeordnet, wobei die Endeffektorreferenzpunkte und die Basisreferenzpunkte jeweils ein räumliches Gebilde, bevorzugt einen Tetraeder als Minimalgebilde aufspannen. Bevorzugt werden Messfahrten in mindestens sieben unterschiedlichen Konfigurationen durchgeführt. Damit wird im Endeffektorzweig ein räumliches Gebilde von den Endeffektorreferenzpunkten und im Basiszweig ein räumliches Gebilde von den Basisreferenzpunkten aufgespannt. Dies ermöglicht es, sämtliche rotatorische Fehlerfreiheitsgrade aufzulösen. Beschränkt man sich auf eine Teilmenge dieser Fehler, so kann auch mit einer geringeren Zahl an Konfigurationen zumindest in einem der beiden Zweige gearbeitet werden. Ein Tetraeder wird deshalb bevorzugt, da dieser in drei Dimensionen das räumliche Minimalgebilde im Sinne der geringsten Anzahl an Eckpunkten aufspannt. Verallgemeinert ist es erfindungsgemäß vorteilhaft für die Konfigurationswahl, dass das durch die Konfigurationspositionen aufgespannte Gebilde eine Räumlichkeit aufweist.
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In einer weiteren Ausführungsform nach der Erfindung wird vor dem Auffinden der günstigsten Wegverbindung mittels des Navigationsalgorithmusses die Messpunkteliste derart ausgedünnt, dass die verbleibenden Stellungen alle zulässigen Auslenkungen in allen Freiheitsgrade des Mehrkörpersystems jeweils mindestens einmal für jede der einzelnen Messfahrten umfassen. Die Auslenkungen werden im Rahmen dieser Anmeldung auch als Stützpunkte bezeichnet und definieren die für den jeweiligen Freiheitsgrad zulässigen Stellungen zwischen Endeffektor und Basis.
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In einer weiteren Ausführungsform nach der Erfindung wird vor dem Auffinden der günstigsten Wegverbindung mittels des Navigationsalgorithmusses die Reihenfolge, mit der die nutzbaren Stellungen nacheinander einzustellen sind, in der Messpunkteliste mittels eines Optimierungsalgorithmusses derart bestimmt, dass der gesamte Verfahrweg zur sukzessiven Einstellung aller Stellungen der Messpunkteliste minimiert wird. Dies erfolgt insbesondere durch eine numerische Lösung des bekannten Problems des Handlungsreisenden.
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In einer weiteren Ausführungsform nach der Erfindung werden nach dem Streichen der Stellungen mit vergleichsweise geringer Brauchbarkeit aus der Messpunkteliste die kürzesten Sekantenverbindungen zwischen den verbleibenden Messstellungen über von dem Längenmesssystem nutzbare Zwischenstellungen bestimmt und bei Ausführung der entsprechenden Messfahrt werden die Messstellungen über die derart bestimmten Zwischenstellungen angefahren.
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In einer weiteren Ausführungsform nach der Erfindung umfassen die Freiheitsgrade des technischen Mehrkörpersystems sowohl mindestens einen Translationsfreiheitsgrad als auch mindestens einen Rotationsfreiheitsgrad für Relativbewegungen zwischen dem Endeffektor und der Basis. In einer Variante nach der Erfindung umfassen die Freiheitsgrade des technischen Mehrkörpersystems drei Translationsfreiheitsgrade sowie drei Rotationsfreiheitsgrade für Relativbewegungen zwischen dem Endeffektor und der Basis.
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Weiterhin wird erfindungsgemäß ein technisches Mehrkörpersystem mit einem Endeffektor, einer Basis sowie einer Messeinrichtung zur Ermittlung systematischer geometrischer Abweichungen des Mehrkörpersystems bereitgestellt. Das technische Mehrkörpersystem weist mehrere Freiheitsgrade auf, gemäß denen durch Translation und/oder Rotation des Endeffektors und der Basis zueinander unterschiedliche Messstellungen einstellbar sind und die Messeinrichtung ist dazu konfiguriert, mittels des erfindungsgemäßen Verfahrens in einem der vorstehend beschriebenen Ausführungsformen systematische geometrische Abweichungen in dem technischen Mehrkörpersystem zu ermitteln.
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Die bezüglich der vorstehend aufgeführten Ausführungsformen des erfindungsgemäßen Verfahrens angegebenen Merkmale können entsprechend auf das erfindungsgemäße Mehrkörpersystem übertragen werden. Umgekehrt können die bezüglich der vorstehend ausgeführten Ausführungsformen des erfindungsgemäßen Mehrkorpersystems angegebenen Merkmale entsprechend auf das erfindungsgemäße Verfahren übertragen werden.
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Kurzbeschreibung der Zeichnungen
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Die vorstehenden sowie weitere vorteilhafte Merkmale der Erfindung werden in der nachfolgenden detaillierten Beschreibung beispielhafter erfindungsgemäßer Ausführungsformen unter Bezugnahme auf die beigefügten schematischen Zeichnungen veranschaulicht. Es zeigt:
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1 eine perspektivische Darstellung eines technischen Mehrkörpersystems in Gestalt einer optischen Messvorrichtung mit einem Endeffektor sowie einer Basis, die in sechs Freiheitsgraden bewegbar sind;
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2 eine exemplarische Darstellung einer Kinematikkette eines technischen Mehrkörpersystems mit sechs Freiheitsgraden analog zum Mehrkörpersystem aus 1;
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3 eine generische Form einer Kinematikkette;
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4 eine Veranschaulichung der Parasitärbewegungen des technischen Mehrkörpersystems aus 1 gemäß dem Modell starrer Achsschlitten bei Annahme von Führungsfehlern in allen sechs Freiheitsgraden;
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5 ein synthetisches Fehlerparameterfeld der Kinematikkette aus 2 für eine Abstützung mit 21 äquidistanten Rasterpunkten pro Freiheitsgrad;
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6 den Bezug der Koordinatensysteme in der exemplarischen Kinematikkette gemäß 2;
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7 eine Veranschaulichung einer beispielhaften Anordnung von verschiedenen Messkonfigurationen zugeordneten Endeffektorreferenzpunkten des Mehrkörpersystems aus 1; sowie
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8 eine Veranschaulichung einer beispielhaften Anordnung von verschiedenen Messkonfigurationen zugeordneten Basisreferenzpunkten des Mehrkörpersystems aus 1.
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Detaillierte Beschreibung erfindungsgemäßer Ausführungsbeispiele
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In den nachstehend beschriebenen Ausführungsbeispielen sind funktionell oder strukturell einander ähnliche Elemente soweit wie möglich mit den gleichen oder ähnlichen Bezugszeichen versehen. Daher sollte zum Verständnis der Merkmale der einzelnen Elemente eines bestimmten Ausführungsbeispiels auf die Beschreibung anderer Ausführungsbeispiele oder die allgemeine Beschreibung der Erfindung Bezug genommen werden.
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In 1 ist ein technisches Mehrkörpersystem 10 in Portalbauweise gezeigt, das einen Endeffektor 12 sowie eine Basis 14 umfasst. Das technische Mehrkörpersystem 10 ist im gezeigten Beispiel als optische Messvorrichtung zum Vermessen der Gestalt eines optischen Elements aufgeführt. Alternativ kann das technische Mehrkörpersystem auch in Gestalt eines Koordinatenmessgeräts, einer Werkzeugmaschine oder eines Roboters vorliegen.
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Dem Endeffektor 12 sind Endeffektorreferenzpunkte 16 zugeordnet. Dazu ist am Endeffektor 12 mindestens ein einen Endeffektorreferenzpunkt 16 definierender Retrofreflektor 17 ortsfest angeordnet. Der Retroreflektor 17 ist als Katzenauge konfiguriert. Insgesamt werden beim erfindungsgemäßen Messverfahren vier einen Tetraeder aufspannende Endeffektorreferenzpunkte 16 am Endeffektor 12 benötigt. Dazu können entweder, wie in 1 dargestellt, vier Retroreflektoren 17 an den entsprechenden Tetraederpositionen am Endeffektor 12 angeordnet sein. Alternativ kann aber auch lediglich ein Retroreflektor 17 verwendet werden, welcher für die einzelnen Messabschnitte zwischen den einzelnen Tetraederpositionen ummontiert wird. 7 veranschaulicht eine weitere beispielhafte Anordnung der Endeffektorreferenzpunkte, hier mit 16-1, 16-2, 16-3 und 16-4 bezeichnet, an den Eckpunkten eines Tetraeders.
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Der Basis 14 des Mehrkörpersystems 10 sind Basisreferenzpunkte 18 zugeordnet. Dazu ist an der Basis 14 des Mehrkörpersystems 10 gemäß 1 mindestens ein einen Basisreferenzpunkt 18 definierendes schwenkbares Längenmesssystem 20 in Gestalt eines Laserinterferometers ortsfest angeordnet. Dabei kann es sich um einen handelsüblichen zielverfolgenden Abstandssensor, auch als „Lasertracker” oder „Lasertracer” bekannt, oder um eine speziell zu diesem Zweck entwickelte Vorrichtung handeln. Insgesamt werden beim erfindungsgemäßen Messverfahren vier einen Tetraeder aufspannende Basisreferenzpunkte 18 an der Basis 14 benötigt. Dazu können entweder, wie in 1 dargestellt, vier Längenmesssysteme 20 an den entsprechenden Tetraederpositionen an der Basis 14 angeordnet sein. Alternativ kann aber auch lediglich ein Längenmesssystem 20 verwendet werden, welches für einzelne Messabschnitte zwischen den einzelnen Tetraederpositionen ummontiert wird. 8 veranschaulicht eine weitere beispielhafte Anordnung der Basisreferenzpunkte 18, hier mit 18-1, 18-2, 18-3 und 18-4 bezeichnet, an den Eckpunkten eines Tetraeders.
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Das technische Mehrkörpersystem 10 ist in der in 1 gezeigten Ausführungsform als 6-Achs-Kinematik konfiguriert. Das heißt, das Mehrkörpersystem 10 weist sechs Freiheitsgrade, drei Translations- und drei Rotationsfreiheitsgrade auf, gemäß denen der Endeffektor 12 und die Basis 14 relativ zueinander bewegbar sind. Dabei ist die Basis 14 gemäß dem in 1 eingezeichneten Koordinatensystem in X- und in Y-Richtung verschiebbar gelagert. Der Endeffektor 12 kann in Z-Richtung verschoben werden. Weiterhin ist die Basis 14 um die Z-Achse drehbar und der Endeffektor 12 sowohl um die X-Achse als auch um die Y-Achse drehbar gelagert. Die Bezeichnung der Drehachsen in der Zeichnung entspricht der im Maschinenbau üblichen Konvention (A: Rotation um die X-Achse, B: Rotation um die Y-Achse, C: Rotation um die Z-Achse).
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Zur Veranschaulichung der durch das in 1 dargestellte Mehrkörpersystem 10 verwirklichten 6-Achs-Kinematik ist die kinematische Kette exemplarisch in 2 illustriert. Der Endeffektor-Zweig wird in der Zeichnung mit dem Buchstaben „T und der Basis-Zweig mit dem Buchstaben „S” bezeichnet. Der Buchstabe „G” bezeichnet das globale Koordinatensystem. Die kinematische Kette gemäß 2 unterscheidet sich von dem Mehrkörpersystem 10 gemäß 1 lediglich darin, dass es sich beim Dreh-Schwenk-Gelenk im Endeffektorzweig von 1 um ein CA-Gelenk (d. h. erst Drehung um die Z-Achse anschließend Schwenk um die X-Achse) handelt, während die Kinematikkette in 2 ein AB-Gelenk beschreibt. Ein derartiges AB-Gelenk wird auch als Kardangelenk bezeichnet, bei dem zuerst eine Drehung um die X-Achse und anschließend eine Drehung um die Y-Achse erfolgt.
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Für das gewählte Schichtschema „S-CYX-G-ZAB-T” ist die Basis 14 auf einem Rotationstisch (C) gelagert, der auf dem Verfahrschlitten der Y-Achse befestigt ist, welche wiederum auf dem Verfahrschlitten der X-Achse angebracht ist und mit diesem verfährt. Im Endeffektor-Zweig wird der Sensor von einem AB-Kardangelenk geschwenkt, welches seinerseits am Achsschlitten der Z-Achse befestigt ist und sich mit diesem in der Höhe (Z) gegenüber der Basis 14 bewegt.
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Wie man in 2 erkennt, ist jeder Achsschlitten durch ein eigenes Koordinatensystem repräsentiert. Jedes Koordinatensystem bildet ein Glied in der kinematischen Kette und wird durch seinen Lagevektor gegenüber dem vorausgehenden sowie eine Drehmatrix charakterisiert.
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Wie bereits erwähnt, werden entsprechend der hier gewählten Nomenklatur Vektoren im Endeffektor-Zweig mit einem „T” und Vektoren im Basis-Zweig mit einem „S” gekennzeichnet. Der erste Buchstabe im tiefgestellten Index bezeichnet das Referenz-Koordinatensystem und der zweite das Auf-Koordinatensystem.
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Zur mathematischen Beschreibung ist es günstig, die Indizes durch Nummern zu ersetzen, entsprechend der Zählung vom globalen Bezugs-KS (G) aus. Dies ist in
3 für einen der beiden Zweige skizziert. Die Lage eines im letzten Koordinatensystem der Kette bekannten Ortsvektors ist über die Verkettung bezüglich des Global-Koordinatensystems durch
r ρ(G) = t ρ1 + D ιG,1t ρ2 + D ιG,2t ρ3 + ... + D ιG,J-1t ρJ + D ιG,Jr ρ(J) (G1) gegeben. Die Verkettung der den Kettengliedern zugeordneten Drehmatrizen erfolgt über die Vorschrift
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Für Richtungsvektoren mit Einheitslänge entfallen die Translationen und es gilt die vereinfachte Transformation ν ^(G) = D ιG,Jν ^(J). (G3)
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Gleichung G1 lässt sich in eine kompakte Matrixform umstellen gemäß
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Hierin sind sämtliche J + 1 3×3-Drehmatrizen zu einer 3×(J + 1)-Gesamtkettendrehmatrix D T/S und alle J + 1 Positionsvektoren zu einem (J + 1)×1 Gesamtkettenpositionsvektor R T/S zusammengefasst. Entsprechend dem Schichtschema der Achsen hängt sowohl die Gesamtkettendrehmatrix als auch der Gesamtkettenpositionsvektor parametrisch von den Achsaussteuerungen X, Y, Z, K ab, die ihrerseits in einem Vektor A zusammengefasst sind.
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Bei der Umsetzung von Kinematiken in Mess- und Werkzeugmaschinen sind die Achslagen sowie die Offsetvektoren (wie. z. B. der Gelenkabstand) fertigungsbedingt stets mit Toleranzen behaftet. Weiterhin weisen die Achsen in der Regel Parasitärbewegungen auf, welche häufig sehr reproduzierbar sind. Derartige Maschinenfehler hängen im Gegensatz zu den globalen Offsets von den Achsaussteuerungen ab. Solche Fehler können beispielsweise im Rahmen des Modells starrer Achsschlitten mit Führungsfehlern in allen 6 Starrkörperfreiheitsgraden modelliert und durch ein entsprechendes Fehlermodell mathematisch abgebildet werden. Die Maschinenkonstanten wie auch die Parameter des Fehlermodells werden im Rahmen dieser Anmeldung auch als systematische geometrische Abweichungen bezeichnet und werden in der Regel durch Vermessung bestimmt und zu Korrekturzwecken in der Maschinenansteuerung entsprechend verrechnet.
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Im Regime kleiner Korrekturen erhält man durch Linearisierung der Gleichung G4 für die Ablagen der Positionsvektoren gegenüber der Idealposition den Ausdruck δr ρ (G) / T/S = D T/SδR T/S + δD T/S R T/S. (G5)
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Der erste Term auf der rechten Seite beschreibt die Auswirkung der Fehler in den Translationsvektoren der Kette. Abstrahiert werden diese Fehler im Rahmen des Achsfehlermodells durch eine von den Aussteuerungen abhängige Transfermatrix M (trans) / T/S(A) beschrieben, welche gemäß D T/SδR T/S = M (trans) / T/S(A)α (trans) / T/S (G6) die konstanten Fehlerparameter α (trans) / T/S entsprechend der linearen Näherung in Positionsablagen übersetzt. Der zweite Term beschreibt die Auswirkung der rotatorischen Fehler. Ihre Darstellung im Rahmen eines linearen Achsfehlermodells lautet δD T/S R T/S = M (rot) / T/S(R T/S(A), A)α (rot) / T/S, (G7) mit M (rot) / T/S(R T/S(A), A) als der entsprechenden Transfermatrix und α (rot) / T/S als dem zugehörigen Fehlerparametersatz.
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Aus Gründen der Übersichtlichkeit werden die translatorischen Achsfehler gemäß der Auftrennung
in 3 Kategorien unterteilt. In der ersten Fehlerkategorie „Einrichtung” werden die Offsetabweichungen des Endeffektor- bzw. Basis-Vektors in Bezug zum letzten Glied des jeweiligen Kettenzweiges zu einem Vektor
α (Einrichtung) / T/S zusammengefasst. Dieser Anteil betrifft die in der Regel variablen Teile einer Mess- oder Werkzeugmaschine, den Sensor (Werkzeug, hier: Endeffektor) bzw. den Prüfling (Werkstück, hier: Basis). Die Kategorie „Trans-Offsets” fasst die in der Regel unveränderlichen translatorischen Offsetfehler im Rest der jeweiligen Kette zu einem Vektor
α (Trans-Offsets) / T/S zusammen. Die sich translatorisch auswirkenden Unzulänglichkeiten der Führungen sind die eigentlichen Maschinenfehler und werden im Folgenden als translatorische Fehler bezeichnet. Sie werden in der Kategorie „Trans-Fehler” zu dem Parametervektor
α (Trans-Fehler) / T/S zusammengefasst.
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M (Einrichtung) / T/S, M (Trans-Offsets) / T/S und M (Trans-Fehler) / T/S bezeichnen die entsprechenden implizit von den Achsaussteuerungen abhängigen Transfermatrizen.
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Die rotatorischen Achsfehler werden gemäß
unterteilt. Die Kategorie „Rot-Offsets” fasst die globalen Orientierungsabweichungen
α (Rot-Offsets) / T/S der den Achsen zugeordneten Koordinatensysteme zusammen. Die Orthogonalitätsfehler
α (Rot-Ortho) / T/S betreffen ausschließlich die Linearachsen (X, Y, Z) und bilden die zweite Kategorie rotatorischer Offsets „Rot-Ortho”. Die sich als Rotationen (Rollen, Nicken, Gieren) auswirkenden Unzulänglichkeiten der Achsführungen bilden die Kategorie „Rot-Fehler” und werden durch den Parametersatz
α (Rot-Fehler) / T/S repräsentiert.
M (Rot-Offsets) / T/S, M (Rot-Ortho) / T/S und
M (Rot-Fehler) / T/S bezeichnen wiederum die zugehörigen Transfermatrizen.
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Für die exemplarische 6-Achs-Kinematik aus
2 lautet der ausschließlich die Kinematik betreffende Parametersatz für die Offset-Fehler: Translatorische Offsets:
Gelenklage: | A-T-X, A-T-Y |
Lotverbindung: | B-T-VAB |
Rotatorische Offsets:
Rechtwinkligkeiten: | Y-O-X, Z-O-X, Z-O-Y |
Drehachskippungen: | A-R-P, A-R-Q |
| B-R-P, B-R-Q |
| C-R-P, C-R-Q |
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Die Bezeichnung der 12 Fehler erfolgt nach der bestehenden Konvention und einer entsprechenden Erweiterung für die Rotationsachsen. Die Lesart der Fehlertypen lautet „Achse-Gruppe-Richtung”. Demnach bezeichnet der erste Buchstabe die fehlerbehaftete Achse, der zweite Buchstabe die Fehlergruppe (T = translatorisch, R = rotatorisch, O = Orthogonalität). Der dritte Bezeichner steht für die Wirkrichtung. Bei den Translationsachsen stimmen die Wirkrichtungen im Regelfall mit den globalen Achsrichtungen X, Y und Z überein. Bei Rotationsachsen hingegen werden die Wirkrichtungen als N, P und Q bezeichnet. N steht dabei für die Drehachsrichtung, wobei P und Q die auf ihr senkrechte Drehebene aufspannen. Als Spezialfall treten bei mehrachsigen Dreh-Schwenk-Gelenken noch die Achsabstände entlang der paarweisen gemeinsamen Lotverbindung zwischen benachbarten Achsen auf. Der Bezeichner für solche Lotverbindungen lautet V gefolgt von den Bezeichnern der betroffenen Achsen (VAB = Lotverbindung zwischen den Achsen A und B). Bei den Rechtwinkligkeiten ist die Achshierarchie zu beachten. In dem hier gewählten Schema bildet die X-Achse die Referenzrichtung und die XY-Ebene die Referenzebene für das Maschinen-Koordinatensystem.
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Die eigentlichen Maschinenfehler nach dem Modell starrer Achsschlitten mit Führungsfehlern in allen sechs Starrkörperfreiheitsgraden sind in 4 illustriert, im oberen Teil bezüglich der Linierachsen, im unteren Teil bezüglich der Drehachsen. Im oberen Teil bezeichnet δx den Servofehler entlang der X-Achse, δy den vertikalen Geradlinigkeitsfehler, sowie δz den horizontalen Geradlinigkeitsfehler. εx bezeichnet den durch „Rollen” verursachten Fehler, εy den durch „Gieren” verursachten Fehler und εz den durch „Nicken” verursachten Fehler. Im unteren Teil der 4 bezeichnet ZR die Referenzachse und Zn die Rotationsachse. Radiale Auslenkungsmessungen erfolgen parallel zur X-Achse.
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Der Parametersatz für die exemplarische Kinematik aus
2 lautet: Translatorische Fehler:
X-T-X(X), | X-T-Y(X), | X-T-Z(X) |
Y-T-X(Y), | Y-T-Y(Y), | Y-T-Z(Y) |
Z-T-X(Z), | Z-T-Y(Z), | Z-T-Z(Z) |
A-T-N(A), | A-T-P(A), | A-T-Q(A) |
B-T-N(B), | B-T-P(B), | B-T-Q(B) |
C-T-N(C), | C-T-P(C), | C-T-Q(C) |
Rotatorische Fehler:
X-R-X(X), | X-R-Y(X), | X-R-Z(X) |
Y-R-X(Y), | Y-R-Y(Y), | Y-R-Z(Y) |
Z-R-X(Z), | Z-R-Y(Z), | Z-R-Z(Z) |
A-R-N(A), | A-R-P(A), | A-R-Q(A) |
B-R-N(B), | B-R-P(B), | B-R-Q(B) |
C-R-N(C), | C-R-P(C), | C-R-Q(C). |
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Es gilt auch hier die im Rahmen der Offsets eingeführte Nomenklatur, wobei die Fehler allerdings lokaler Natur sind und von der Aussteuerung der betroffenen Achse abhängen. Das synthetische Fehler-Feld der exemplarischen Kinematik mit beispielhaften Werten ist in 5 dargestellt. Hierin ist für jede der sechs Achsen (bzw. Freiheitsgrade) eine Abstützung mit NS = 21 Stützstellen gewählt. Das heißt für jeden der sechs Freiheitsgrade sind 21 Auslenkungen möglich bzw. zulässig. Insgesamt hat das dargestellte Fehler-Feld einen Umfang von 6 × NAchsen × NS = 6 × 6 × 21 = 756Parametern.
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Zur Vermessung des Fehlerparametersatzes einer Mehrachskinematik wird das Prinzip des an der PTB-Braunschweig entwickelten und in
WO 2005/019769 A1 beschriebenen Verfahrens mit zielverfolgendem Abstandssensor in Anknüpfung an die Ausführungen zu
1 verwendet. Das Verfahren gehört zur Klasse der Laser-Laterationsverfahren. Es bezieht die zur Rekonstruktion der Maschinenparameter benötigte Messinformation alleinig aus der Abstandsmessung zwischen zwei Punkten, nämlich einem Endeffektorreferenzpunkt
16, der durch einen Retroreflektor (Katzenauge) verkörpert wird, und einem Basisreferenzpunkt
18, der durch eine Referenzkugel im Abstandssensor verkörpert wird. Damit die Projektionen aller 3 Raumrichtungen auf den Abstandsvektor getrennt werden können, sind Messungen mehrerer Konfigurationen von zielverfolgendem Abstandssensor und Katzenauge simultan zu verrechnen. Bei diesem Messverfahren handelt es sich demnach um ein serielles Laser-Multilaterationsverfahren, das dem bekannten und zur Lagenbestimmung auf der Erdoberfläche eingesetzten GPS-System in seiner Funktionsweise ähnlich ist.
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Für die Kinematik aus 2 ist in 6 ein exemplarischer Bezug der Koordinatensysteme in den kinematischen Ketten aufgezeigt. Der für die Vermessung mit dem Längenmesssystem 20 in Gestalt eines zielverfolgenden Abstandssensors relevante Abstandsvektor ist mit d ρTS = r ρ (G) / T – r ρ (G) / S bezeichnet.
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Unter Berücksichtigung der Kinematikfehler gilt unter Verwendung der Gleichungen G4 bis G9
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Zur weiteren Kompaktierung der Gleichung werden die beiden Kinematikzweige (Endeffektor T und Basis S) zu einem Relativbezug mit jeweils einem Vektor
R TS bzw.
α TS und jeweils einer Transfermatrix
D TS,
M TS zusammengefasst. Das Betragsquadrat des Abstandsvektors lautet in dieser Notation
wobei der letzte Term im Falle kleiner Fehler oder im Rahmen eines iterativen Lösungsschemas vernachlässigt wird. Der vom Längenmesssystem
20 gelieferte Messwert h entspricht dem Abstand d
TS zuzüglich eines nicht näher bekannten Interferometer-Offsets c:
h = dTS + c. (G12)
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Nach Umstellung und Quadrieren gilt: (h – c)2 = d 2 / TS. (G13)
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Durch Zusammenführung der Gleichungen G11 und G13 und geeigneter Umstellung bekommt man schließlich auf die Grundgleichung der Laser-Lateration:
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Hierin wurde der Interferometer-Offset c in zwei unabhängige Offsets c1(= c) und c2(= 2c2) aufgetrennt.
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Zur Rekonstruktion des Fehlerparametersatzes α TS und der unbekannten Interferometer-Offsets sind mit der Kinematik die gemessenen Interferometerlängen für Trajektorien bei verschiedenen Konfigurationen von Längenmesssystem 20 und Retroreflektor 17 aufzuzeichnen. Die Konfigurationen werden im weiteren durch einen Index ν unterschieden und die Maschinenpositionen mit einem Index k. Trennt man weiterhin die Fehler in maschinenspezifische und konfigurationsspezifische („Einrichtungs-”)Anteile auf, so erhält man schließlich als Grundgleichung der Maschinenvermessung mit dem Multilaterationsverfahren g (ν) / k = [R T / TSD T / TSM (machine) / TS] (ν) / kα (machine) / TS + ... (G15a)
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Die Größe g ergibt sich durch Verrechnung der gemessenen Interferometerwerte und der Abstände nach dem idealen fehlerfreien Kinematik-Modell entsprechend der Vorschrift
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Während der maschinenspezifische Parametersatz α (Maschine) / TS unabhängig von der Längenmesssystem-Retroreflektor-Konfiguration ist, hängen sowohl die Einrichtungs-Fehlerparameter α (Setup,ν) / TS als auch die Interferometer-Offsets c (ν) / 1, c (ν) / 2 explizit von dieser ab.
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Fasst man die Messwerte und Zeilenvektoren konfigurationsweise zu Spaltenvektoren bzw. Matrizen zusammen, so ergibt sich nach Einführung der Matrizen
A (ν),
B (ν) entsprechend den Vorschriften
(A (ν))Reihe k Spalten(ν) = [R T / TSD T / TSM (Maschine) / TS] (ν) / k (G17) (B (ν))Reihe k Spalten(ν) = [R T / TSD T / TSM (Setup) / TS] (ν) / k (G18) sowie der Substitution
c (ν) / 1h (ν) / k – c (ν) / 2 → (C (ν))Reihe k Spalten(ν) α (IF,ν) / TS (G19) und anschließender Zusammenfassung der Setup- und Interferometerparameter sämtlicher Konfigurationen ν = 1, ..., V zu jeweils kompletten Parametersätzen
schließlich die kompakte Multilaterationsgleichung
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Diese lässt sich schließlich nochmals zur finalen linearen Form g = Qα (G22) verdichten. Die Berechnung der gesuchten Fehlerparameter erfolgt durch Invertierung der Gleichung G22. Die formale Lösung der (linearisierten) Multilaterationsgleichung erfolgt durch die Gaußsche Ausgleichsrechnung. Das Ergebnis für den die Messdaten am besten beschreibenden Parametersatz α ^ lautet zuletzt: α ^ = (Q T Q)–1 Q T g. (G23)
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Die Hauptschwierigkeit einer Kinematikvermessung mit dem beschriebenen Verfahren besteht in der Entwicklung einer Messstrategie, welche das Multilaterationsproblem in Form von Gleichung G21 optimal unterstützt. Es müssen dabei sämtliche im Modell enthaltenen Fehlerparameter bestimmbar sein, wobei die Anzahl an benötigten Konfigurationen und Messpositionen sowie die zurückgelegten Verfahrwege minimal zu halten sind.
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Um sowohl die translatorischen als auch die rotatorischen Achsfehler auflösen zu können, muss die Rekonstruktion sämtlicher Raumprojektionen sowohl Basis- als auch Endeffektor-seitig auf den Abstandsvektor im Rahmen einer Vermessung mit dem Längenmesssystem 20 möglich sein. Es müssen daher sowohl das Längenmesssystem 20 in Gestalt eines Abstandssensors als auch der Retroreflektor 17 derart in ihrer Position verlagert werden, dass mit den Konfigurationspositionen als Eckpunkte über sämtliche Konfigurationen hinweg betrachtet jeweils ein räumliches Gebilde aufgespannt wird. In drei Dimensionen ist der Tetraeder der Raum-Polyeder mit der minimalen Anzahl an Eckpunkten.
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Es sind daher mehrere Messfahrten, jeweils eine für insgesamt sieben Messkonfigurationen zielführend. Damit ist es möglich, sämtliche rotatorische Fehlerfreiheitsgrade des technischen Mehrkörpersystems 10 aufzulösen. Beschränkt man sich auf eine Teilmenge dieser Fehler, dann kann man auch mit einer geringeren Zahl an Konfigurationen auskommen. Bei diesen Messkonfigurationen spannen sowohl der Abstandssensor, genauer gesagt die durch das mindestens eine Längenmesssystem 20 definierten Basisreferenzpunkte 18, als auch das Katzenauge, genauer gesagt die durch den Retroreflektor 17 definierten Endeffektorreferenzpunkte 16, jeweils einen Tetraeder auf. Beispiele derartiger Tetraeder sind in den bereits vorstehend erläuterten 7 und 8 dargestellt.
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Die Messkonfigurationen können aus unterschiedlichen Kombinationen der Endeffektorreferenzpunkte 16-1 bis 16-4 sowie der Basisreferenzpunkte 18-1 bis 18-4 zusammengestellt werden. Dabei muss allerdings die Bedingung erfüllt sein, dass in allen vermessenen Konfigurationen zusammengenommen alle vier Endeffektorreferenzpunkte 16-1 bis 16-4 sowie alle vier Basisreferenzpunkte 18-1 bis 18-4 enthalten sind. Wie bereits vorstehend erwähnt, ist dazu ein Satz mit mindestens sieben Konfigurationen notwendig. Ein Beispiel für einen derartigen Satz umfasst die folgenden Konfigurationen: (16-1; 18-1), (16-2; 18-1), (16-3; 18-1), (16-4; 18-1); (16-4; 18-2), (16-4; 18-3); (16-4; 18-4).
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Wie bereits in der Erläuterung zu 1 erwähnt, können die unterschiedlichen Konfigurationen durch jeweiliges Ummontieren des Längenmesssystems 20 sowie des Retroreflektors 17 an die unterschiedlichen Punkte 18 bzw. 16 oder durch Vorsehen mehrerer Längenmesssysteme 20 sowie mehrere Retroreflektoren 17, jeweils an den vier Tetraedereckpunkten eingerichtet werden. Zur Ermittlung systematischer geometrischer Abweichungen im technischen Mehrkörpersystem 10 wird in jeder der mindestens sieben Konfigurationen eine Messfahrt entlang eines Messpfades durchgeführt.
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Während der Messfahrt nehmen der Endeffektor 12 und die Basis 14 nacheinander relativ zueinander unterschiedliche Messstellungen ein. Die Messstellungen werden durch eine Messpunkteliste definiert, deren Ermittlung nachstehend erläutert wird. An den Messstellungen hält das technische Mehrkörpersystem 10 jeweils für einen kurzen Moment an und der Abstand zwischen dem Basisrefenzpunkt 18 und dem Endeffektorreferenzpunkt 16 der entsprechenden Konfiguration wird mittels des Längenmesssystems 20 bestimmt. Die Abstandsmessung wird zusammen mit einer Stellungsanzeige des Mehrkörpersystems 10 ausgelesen. Nach Abschluss aller Messfahrten liegen für jede Konfiguration entsprechende Datensätze vor, die mittels des vorstehend beschriebenen mathematischen Modells zur Berechnung der systematischen geometrischen Abweichungen verarbeitet werden.
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Zur Ermittlung der Messpunkteliste gilt es, die Messpfade (Messpositionen) zu den einzelnen Messkonfigurationen derart auszuwählen, dass das Gleichungssystem G21 lösbar wird. Dabei ist zu beachten, dass bei der Messung mit einem Laser-Interferometer niemals der Strahl unterbrochen oder der Nutzbereich des Retroreflektors 17 bzw. des Längenmesssystems 20 verlassen werden darf. Allgemein ausgedrückt, muss sichergestellt sein, dass das Längenmesssystem 20 in jeder der bei der Messung von dem Mehrkörpersystem 10 eingenommenen Stellungen nutzbar ist. Weiterhin dürfen keine Kollisionen zwischen dem Endeffektor 12 und der Basis 14 stattfinden. Stellungen, für die diese Bedingungen gegeben sind, werden im Rahmen dieser Anmeldung auch als „gültige” Stellungen bezeichnet.
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Das Messfahrtdesign stellt sich demnach als Optimierungsproblem mit harten Randbedingungen wie folgt dar: auf möglichst kurzem Wege ist eine minimale Anzahl nur solcher Maschinenstellungen anzufahren, die das Fehlermodell vollständig abstützen und maßgeblich zur Konditionierung des Gleichungssystems G21 beitragen. Um eine maßkettenfreie Vermessung aus einem „Guss” zu bekommen, müssen sämtliche Achsen dabei simultan verfahren werden, ohne dass jemals auf der gesamtem Messfahrt die restriktiven Gültigkeitsrandbedingungen (Strahlverlust, Kollision) verletzt werden.
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Die Anatomie des Optimierungsproblems ist nachfolgend für das vorstehend beschriebene Ausführungsbeispiel eines Mehrkörpersystems 10 mit sechs Freiheitsgraden sowie einundzwanzig zulässigen Auslenkungen bzw. Stützpunkten pro Freiheitsgrad charakterisiert:
- – Es ergeben sich insgesamt 216 = 85 766 121 mögliche Stellungen des Mehrkörpersystems 10; diese möglichen Stellungen können auch als Gitterpositionen im 6-dimensionalen Raum angesehen werden;
- – mit dem mathematischen Modell sind 6 (Freiheitsgrade) × 21 (Stützpunkte) × 6 (Fehlertypen) ≈ 800 Parameter zu bestimmen;
- – um eine gute Konditionszahl zu erhalten sind 4 Messpunkte pro Parameter notwendig;
- – daraus ergibt sich eine Anforderung von ungefähr 3000 Messungen verteilt auf 7 Konfigurationen, d. h. etwa 400 Messungen pro Konfiguration
- – die Anzahl der möglichen Messpfade pro Konfiguration bzw. Messfahrt ergibt sich aus:Nur ein Bruchteil aller möglichen Pfade erfüllt die Randbedingungen hinsichtlich Gültigkeit sowie Brauchbarkeit für das mathematische Modell. Allerdings ist die Zahl der gültigen und brauchbaren Messpfade immer noch quasi -∞.
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Diese Überlegungen zeigen auf, dass es eine unüberschaubare Zahl an gültigen Messpfaden pro Konfiguration gibt. Allerdings ist es beliebig schwierig auch nur einen vernünftigen effizienten Pfad durch Raten oder Nachdenken zu finden. Zur Messpfadgenerierung wurde erfindungsgemäß ein statistisch algorithmischer Lösungsansatz gewählt. Er wird im Folgenden beschrieben.
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Zunächst wird aus der Menge aller möglichen Stellungen des Endeffektors 12 relativ zur Basis 14 eine Teilmenge an Stellungen zufällig ausgewählt. Die Menge aller möglichen Stellungen ist durch die Freiheitsgrade des Mehrkörpersystems 10 sowie die für den jeweiligen Freiheitsgrad zulässigen Auslenkungen definiert. Gemäß der vorstehend beschriebenen Ausführungsform sind dies 216 Stellungen (etwa 86 Millionen Stellungen). Gemäß einer Variante des erfindungsgemäßen Verfahrens werden etwa 0,3% aller möglichen Stellungen per Zufallsgenerator ausgewählt. Bei 86 Millionen Stellungen entspricht dies etwa 20 000 bis 40 000 Stellungen. Mit anderen Worten wird eine sehr große Anzahl von zufällig verteilten Positionen im NAchsen-dimensionalen Gitter sämtlicher äquidistanter Rasterpunkte ausgewählt (gleichmäßig verteilte Zufallspositionen).
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Daraufhin werden aus der ausgewürfelten Teilmenge diejenigen Stellungen bestimmt, bei denen das Längenmesssystem nutzbar ist sowie bei denen der Endeffektor 12 und die Basis 14 keine Kollision erleiden. Wie bereits vorstehend beschrieben, werden diese Bedingungen erfüllende Stellungen im Rahmen dieser Anmeldung auch als „gültige” Stellungen bezeichnet. Die derart bestimmten nutzbaren bzw. gültigen Stellungen werden in eine Messpunkteliste aufgenommen. Mit anderen Worten werden aus der ausgewürfelten Teilmenge die gültigen Positionen herausgefiltert (gültige gleichmäßig verteilte Zufallspositionen). Typischerweise erweisen sich etwa 20% der Stellungen als gültig, also im obigen Zahlenbeispiel etwa 4000 bis 8000.
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Als nächster optionaler Schritt wird die Messpunkteliste derart ausgedünnt, dass die verbleibenden Stellungen alle zulässigen Auslenkungen aller Freiheitsgrade des Mehrkörpersystems 10 jeweils mindestens einmal, vorzugsweise zweimal, für jede einzelne Messfahrt umfassen. Damit wird sichergestellt, dass jeder Stützpunkt jeder Achse mindestens einmal pro Konfiguration vorkommt. Dabei können die Punkte der Messpunkteliste zunächst auf die einzelnen Konfigurationen aufgeteilt werden und daraufhin die den jeweiligen Konfigurationen zugewiesenen Teillisten jeweils derart ausgedünnt werden, dass jeder Stützpunkt jeder Achse pro Konfiguration mindestens einmal vorkommt. Vorzugsweise erfolgt die Ausdünnung etwa um den Faktor 10. Damit verbleiben im obigen Zahlenbeispiel etwa 100 Stellungen pro Konfiguration, d. h. insgesamt etwa 700 Stellungen, in der Messpunkteliste.
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Danach folgt ein weiterer optionaler Schritt, gemäß dem eine Reihenfolge der in der Messpunkteliste verbliebenen Stellungen mittels eines Optimierungsalgorithmusses bestimmt wird. Dieser Optimierungsalgorithmus legt die Reihenfolge für jede Konfiguration so fest, dass der gesamte Verfahrweg zur sukzessiven Einstellung aller Stellungen der Messpunkteliste minimiert wird. Dieser Optimierungsalgorithmus bedient sich eines dem Fachmann bekannten numerischen Optimierungsschemas zur Lösung des Problems des Handlungsreisenden. Mit anderen Worten wird mit dem Optimierungsalgorithmus eine Reihenfolge für die Stellungen der Messpunkteliste gesucht, mit der die, durch die Stellungen definierten, Positionen im 6-dimensioinalen Raum mit der kürzesten Gesamtstreckenlänge oder mit der unter Einbeziehung der Achsverfahrgeschwindigkeiten kürzesten Verfahrzeit angefahren werden können.
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Als Nächstes werden mittels eines Navigationsalgorithmusses die kürzesten Wegverbindungen zwischen jeweils zwei aufgrund der zuvor bestimmten Reihenfolge nacheinander anzufahrenden nutzbaren Stellungen der Messpunkteliste bestimmt. Damit werden die Verbindungspfade zwischen den einzelnen Positionen der Messpunkteliste im 6-dimensionalen Raum bestimmt. Dies erfolgt unter der Randbedingung, dass die jeweilige Wegverbindung lediglich über Zwischenstellungen führt, bei denen das Längenmesssystem 20 nutzbar ist und bei denen keine Kollision zwischen Endeffektor 12 und Basis 14 erfolgt, d. h. über gültige Zwischenstellungen. Daraufhin werden die derart bestimmten Zwischenstellungen in die Messpunkteliste aufgenommen. Damit steht für jede Konfiguration eine Reihenfolge der anzufahrenden Messstellungen mit dazugehörigen Zwischenstellungen zur Verfügung. Für diesen Verfahrensschritt kann ein dem Fachmann bekannter konventioneller Navigationsalgorithmus zum Auffinden der kürzesten Verbindung zwischen zwei Punkten im 6-dimensionalen Raum unter der Randbedingung, dass bestimmte (ungültige) Zwischenpositionen für den Verbindungsweg verboten sind, verwendet werden. Für das obige Zahlenbeispiel wächst die Messpunkteliste damit auf etwa 1000 Stellungen pro Konfiguration, also insgesamt etwa 7000 Stellungen an.
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Danach wird für jede einzelne Stellung der Messpunkteliste, d. h. für jede der zunächst bestimmten gültigen Stellungen sowie der dann aufgefundenen Zwischenstellungen, ein Brauchbarkeitsindex bestimmt. Der Brauchbarkeitsindex bewertet die Brauchbarkeit der entsprechenden Stellung für das mathematische Modell. Dieser Brauchbarkeitsindex ist eine Maßzahl, die das Gewicht (in der Fachwelt auch „Leverage” bezeichnet) der entsprechenden Stellung für das mathematische Modell angibt. Daraufhin werden diejenigen Stellungen aus der Messpunkteliste gestrichen, die einen vergleichsweise geringen Brauchbarkeitsindex aufweisen. Das kann erfolgen, indem alle Stellungen gestrichen werden, deren Brauchbarkeitsindex unterhalb eines bestimmten Grenzwertes liegt. Alternativ können die Stellungen nach ihrem Brauchbarkeitsindex sortiert werden und eine bestimmte Anzahl von Stellungen vom Ende her von der sortierten Liste gestrichen werden. Von Vorteil ist es dabei, iterativ vorzugehen und nach dem Wegstreichen einer nicht allzu großen Anzahl an Stellungen die Brauchbarkeit der verbleibenden Stellungen neu zu bewerten und so lange mit dem Streichen und Neubewerten fortzufahren, bis die gewünschte Stellungszahl erreicht ist.
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Die verbleibenden Stellungen sind Stellungen, die der Konditionierung dienen, d. h. das mathematische Modell ausreichend abstützen. Für das obige Zahlenbeispiel wird die Messpunkteliste damit auf etwa 400 Stellungen pro Konfiguration, also insgesamt etwa 2200 Stellung ausgedünnt.
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Schließlich werden zwischen den in der Messpunkteliste verbleibenden Stellungen Zwischenstellungen bestimmt, die den Gültigkeitsrandbedingungen genügen. Bei Ausführung der entsprechenden Messfahrten werden die Messstellungen über die derart bestimmten Zwischenstellungen angefahren. Mit anderen Worten wird im letzten Verfahrensschritt die kürzeste gültige Sekantenverbindung in der Messpunkteliste aufgefunden.
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Bezugszeichenliste
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- 10
- technisches Mehrkörpersystem
- 12
- Endeffektor
- 14
- Basis
- 16, 16-1, 16-2, 16-3, 16-4
- Endeffektorreferenzpunkt
- 17
- Retroreflektor
- 18, 18-1, 18-2, 18-3, 18-4
- Basisreferenzpunkt
- 20
- Längenmesssystem
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- WO 2005/019769 A1 [0003, 0049]