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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Prozessintensivierung einer Biogasanlage, insbesondere zur Erhöhung der Raumbelastung mittels prozessinterner Manipulation der anaeroben Biozönose in anaeroben mikrobiologischen Verfahren der Nass- oder Trockenfermentation zur Erzeugung von Biogas aus biogenen Stoffen beliebiger Provenienz.
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Stand der Technik
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Es ist bekannt, dass organische Stoffe mikrobiologisch unter anaeroben Bedingungen zu hochwertigem und brennbarem Biogas umgewandelt werden können. Dabei erfolgt der Abbau von Kohlenhydraten, Eiweißen und Fetten in folgenden vier primären Abbauschritten:
- 1. Hydrolyse (Aufspaltung polymerer Verbindungen in Monomere mit Hilfe von fermentativen Bakterien bzw. von diesen erzeugten extrazellulären Enzymen; die Hydrolysekinetik wird hauptsächlich, neben der Temperatur sowie dem pH-Wert, durch die Substratzerkleinerung bzw. durch die reaktive Oberfläche bestimmt).
- 2. Versäuerungsphase (Vergärung der Spaltprodukte zu organischen Säuren, Alkohol sowie Wasserstoff und Kohlendioxid; Generationszeiten der versäuernden Bakterien: Kohlenhydrate → 1–24 h; Eiweiße → 12–36 h; Fette → bis 48 h).
- 3. Essigsäurebildung (Umsetzung der Carbonsäuren und Alkohol zu Essigsäure, Wasserstoff und Kohlendioxid; Generationszeiten der Acetogenen Bakterien: Propionsäure → 60–120 h; Buttersäure → 60–80 h; Fettsäuren → 2–10 Tage).
- 4. Methanogenese (Methanerzeugung, acetogenotroph aus Essigsäure sowie hydrogenotroph aus Wasserstoff und Kohlendioxid; Generationszeiten der methanogenen Bakterien: Mischkulturen zum H2-Abbau → 6–18 h; Mischkulturen zum Acetat-Abbau → 48–72 h; Reinkulturen zum Acetat-Abbau → 3–5 Tage).
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Für einen sicheren und störungsfreien Betrieb einer Biogasanlage ist die Prozessstabilität entscheidend. Bei der Betriebsweise ist zwischen stationärem Dauerbetrieb, Anfahrbetrieb und Änderungen in der Betriebsweise zu unterscheiden. Unter Prozessstabilität ist zu verstehen, dass alle einzelnen biologischen Schritte die im Biogasfermenter ablaufen, wie Hydrolyse, Versäuerung, Essigsäurebildung und Methanbildung miteinander im Gleichgewicht stehen. Die Stoffumsatzleistung der Mikroorganismen bestimmt im entscheidenden Maße die Effizienz und Stabilität einer Biogasanlage.
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Es ist bekannt, dass die Gasproduktion durch bestimmte Hemmstoffe gestört wird. Hemmstoffe wirken unter Umständen schon in geringen Konzentrationen toxisch auf die an der Biogasbildung beteiligten Bakterien und verlangsamen oder stoppen so den Abbau des Gärsubstrates. Beispiele für Hemmstoffe sind: Natrium (hemmend ab 6 bis 30 g/l; in adaptierten Kulturen ab 60 g/l); Kalium (hemmend ab 3 g/l); Calcium (hemmend ab 2,8 g/l CaCl2); Magnesium (hemmend ab 2,4 g/l MgCl2); Schwefelwasserstoff in Konzentrationen von ca. 50 mg/1; gelöster Ammoniak (hemmend ab ca. 0,15 g/l); einige Schwermetalle oder auch verzweigte Fettsäuren (z. B. Iso-Buttersäure, hemmend schon ab 50 mg/1).
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Es ist weiterhin bekannt, dass eine ganze Reihe von Bakterien Propionat als Produkt verschiedenster Stoffwechselprozesse erzeugen.
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Herkömmliche Fermenter haben permanent insbesondere mit der Aufkonzentration von Metaboliten wie Propionsäure aber auch weiterer höhermolekularer Carbonsäuren zu kämpfen, die ab einer bestimmten Konzentration bakteriostatische Wirkung haben. Das Verhindern einer Übersäuerung bei der Prozessführung ist deshalb besonders wichtig. Es werden hohe Konzentrationen an organischen Säuren gebildet, welche zu einer Verringerung des pH-Wertes führen bzw. das Dissoziationsgleichgewicht der organischen Säuren verschieben. Es ist demzufolge notwendig, einer Übersäuerung im Bioreaktor frühzeitig entgegen zu wirken.
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Eine strikte Einhaltung des Säurespektrums ist im Ablauf der Versäuerungsstufen bei hoher Raumbelastung bzw. bei inhomogenen Substraten (Zusammensetzung: Kohlehydrate, Proteine, Fett; Korngröße) nicht möglich, ohne Substratverschleppungen hinzunehmen. Ein Anzeichen für eine überlastete Biogasanlage ist neben dem Anstieg von Propionsäure und anderen längerkettigen Carbonsäuren auch der Rückgang der spezifischen Biogasausbeute (sBG in m3 n/kgoTS). Will man eine nahezu vollständige biologische Hydrolyse, erfordert dies eine entsprechend groß dimensionierte Anlage, die auf die langsamsten Stoffwechselreaktionen Rücksicht nimmt und/oder zusätzliche Verfahrenstechnik zur mechanischen/chemischen/physikalischen Substrataufbereitung erfordert. Die höchstmögliche Raumbelastung bleibt somit in vielen Fällen weit hinter ihren theoretischen Möglichkeiten zurück.
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Verfahren, die Stoffwechselvorgänge zu beeinflussen versuchen, sind bekannt, z. B. aus
DD 287 709 A5 . Dort ist eine 2-stufige Anlage beschrieben, wobei mit Hilfe von Lactobacillen Milchsäure erzeugt, die dann fermentativ zu Biogas verarbeitet wird. Gemäß
DE 10 2008 055 490 A1 werden kontinuierlich Bakterien der Gattung Clostridium Sartagoformum einer Biogasanlage zugeführt, die eine Verdopplung der möglichen Faulraumbelastung bewirkt. Bekannt sind auch Verfahren, in denen oberflächenchemisch aktive Substanzen aus dem biologischen Abbau von Fetten/Ölen der Fermentation zugesetzt werden, oder Biokatalysatoren sowie Spurenelementlösungen, um beispielsweise die Abbaugeschwindigkeit zu verbessern.
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Aus dem Stand der Technik bekannte Biogasreaktoren können ein- oder mehrstufig betrieben werden, wobei naturgemäß in einem einstufigen Prozess alle Abbaureaktionen in einem einzigen Reaktorsystem simultan ablaufen. Dabei können die Reaktionsbedingungen nicht an die individuellen biochemischen Milieuansprüche der verschiedenen am Substratabbau beteiligten Mikroorganismen angepasst werden. Ein derart betriebener Fermenter ist deshalb ein verfahrenstechnischer Kompromiss, bei dem die biochemische Optimierung auf die eigentliche Methanbildung ausgerichtet ist. In mehrstufigen Prozessen laufen einzelne der beschriebenen Schritte in getrennten Reaktionsgefäßen ab (Hydrolyse und Methanogenese), was eine Optimierung der einzelnen Reaktionen ermöglicht, wobei die Hydrolyse biologisch und/oder thermisch herbeigeführt werden kann, wie z. B. in
DE 10 2008 030 653 A1 beschrieben. Ein weiterer Schwerpunkt der Verfahrensoptimierung liegt in Verfahren zur mechanisch, chemisch/physikalischen Substratspaltung bzw. -aufbereitung, z. B.
DE 10 2008 024 388 A1 .
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Es ist weiter die Bedeutung des Wasserstoffpartialdrucks bekannt, der nur in Gegenwart von H2-verbrauchenden Methanbakterien auf einem niedrigen Stand gehalten werden kann, so dass die Essigsäure bildenden Bakterien in der Hauptsache die erwünschte Essigsäure und nicht hemmende Carbonsäuren (mit einer Kettenlänge von C3-C6), oder gar Milchsäure, produzieren.
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Es ist außerdem bekannt, dass für kontinuierlich bzw. quasikontinuierlich betriebene Biogasanlagen die pro Zeiteinheit gebildete Biomasse größer sein muss als die Biomasse, die aus dem Reaktor abgeführt wird. Ist dies nicht der Fall, wird die aktive Biomasse ausgeschwemmt. Da das Biomassewachstum ebenfalls bei hohen Substratkonzentrationen stark zurückgeht, führen sowohl kurze Verweilzeiten als auch zu hohe Substratkonzentrationen, besonders Konzentrationen an freien Fettsäuren, bei den bisherigen Verfahren zum Zusammenbrechen der Biozönose.
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Aufgabe der Erfindung
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Die Aufgabe der vorliegenden Erfindung liegt deshalb darin, bestehende Verfahren zur Erzeugung von Biogas zu stabilisieren und derart zu verbessern, dass diese bei signifikant höheren Raumbelastungen als nach dem bisherigen Stand der Technik möglich, betrieben werden können. Insbesondere soll eine Prozessoptimierung der Biogaslage durch Vermeidung einer Übersäuerung erfolgen. Als Folge einer verbesserten Raum-/Zeitausbeute sollen zukünftige Anlagen entsprechend kleiner dimensioniert werden können.
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Beschreibung der Erfindung
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Die Aufgabe wird durch ein Verfahren gemäß Hauptanspruch gelöst. Vorteilhafte Ausgestaltungen sind in den Unteransprüchen dargestellt.
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Das erfindungsgemäße Verfahren zur Prozessintensivierung einer Biogasanlage ist dadurch gekennzeichnet, dass adaptionsauslösende Substrate (a. S.) zur gezielten Vermehrung acetogener Mikroorganismen zudosiert werden, die den Abbau inhibierender, höhermolekularer, aliphatischer Monocarbonsäuren (C3-C6) bewirken und somit eine frühzeitige Adaption der Biozönose einleiten. Das erfindungsgemäße Verfahren führt zu einer wesentlichen Erhöhung der Raumbelastung {BRmax,alt (BR [kgoTS/(m3·d)])}.
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Die Raumbelastung (BR) stellt das Verhältnis von täglich zugeführter organischer Trockensubstanz zum Reaktorvolumen dar und ist ein Maß für die biologische Belastung eines Fermenters. Eine Klärschlammfermentation kann z. B. bis zu einer max. Raumbelastung von 2,5 bis 3 kgoTS/(m3·d)) betrieben werden.
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Das erfindungsgemäße Verfahren gestattet eine Hochlastfermentation bei der Biogaserzeugung, wobei beliebiges organisches Material unter anaeroben Bedingungen vergoren wird. Das erfindungsgemäße Verfahren gestattet, dass die verwendete Biozönose in einem unkritischen Lastbereich auf inhibierende Metabolite bzw. adaptionsauslösende Substrate, insbesondere aliphatische, gesättigte Monocarbonsäuren, adaptiert wird.
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Unter einer „Hochlastfermentation” wird im Sinne der Erfindung eine Vergärung verstanden, die bei einer Biogasanlage dann auftritt, wenn diese mit hohen Faulraumbelastungen betrieben wird, welche nach dem Stand der Technik bisher nur risikobehaftet (oder gar nicht) realisierbar ist. Hochlastsituationen aufgrund von hydraulischen Fermenterverweilzeiten, die kleiner als die Generationszeiten der Biozönose sind, werden hiervon nicht betroffen.
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Unter einer „Biozönose” ist eine Gemeinschaft von Organismen verschiedener Arten zu verstehen, die in einem abgrenzbaren Lebensraum zusammen existieren.
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„Inhibierende Metabolite” sind hier Stoffwechselzwischenprodukte, die eine negative Wirkung auf den fermentativen Abbauprozess haben.
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Unter dem Begriff „adaptionsauslösende Substrate (a. S.) sind all jene Substanzen zusammengefasst, die den erfindungsgemäßen biologischen Adaptionsprozess innerhalb einer Biozönose auslösen. Vorzugsweise handelt es sich um höhermolekulare, aliphatische, gesättigte Monocarbonsäuren (C3-C6).
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Der Erfindung liegt dabei die überraschende eigene Erkenntnis zugrunde, dass die Bildung längerkettiger Carbonsäuren prinzipiell nicht schädlich für den Biogasprozess ist, sofern genügend mikrobielles Leben vorhanden ist, welches einen zeitnahen Abbau dieser Metabolite gewährleistet. Bislang sind im Stand der Technik keine verfahrenstechnischen Lösungen bekannt, die den gezielten Eintrag besagter organischer Säuren oder direkter Stoffwechselvorläufer empfehlen. Vielmehr wird bislang bei allen technologischen Vorgängen streng darauf geachtet, dass es zu keiner Prozessführung kommt, die verstärkt diese Metabolite im Fermenter bilden bzw. anreichern würden. Wie schon im Stand der Technik ausführlich dargestellt, ist bekannt, dass durch eine Hydrolyse oder Versäuerungsphase Carbonsäuren gebildet werden und theoretisch durch die realisierte verfahrenstechnische Trennung der zwei konträren Biozönosen (Hydrolyse: saurer pH-Bereich; Methanogenese: neutraler/basischer pH-Bereich) eine weitgehende Reduktion höhermolekularer Substrate bis zur Essigsäure möglich ist.
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Überraschend finden in einer bevorzugten Ausführungsvariante der Erfindung a. S. zur gezielten Vermehrung der acetogenen Mikroorganismen dieser inhibierenden Substanzen Verwendung, insbesondere Propionsäure (zuzüglich Buttersäure), deren Salze und/oder deren Stoffwechselvorläufersubstanzen, z. B. Milchsäure. Die Zudosierung führt zu einer beschleunigten Adaption.
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Die Zugabe der adaptionsauslösenden Substrate in den entsprechenden Fermenter muss vor dem Einsteuern der erfindungsgemäß erhöhten Raumbelastung (BRmax,neu) zum Zeitpunkt der Reaktion in einem unkritischen Raumbelastungsbereich (bevorzugt BR ≤ ½ BRmax,alt ermittelt nach Stand der Technik; spezifisch für jeden Anwendungsfall) erfolgen. Nach erfolgter Adaption der Biozönose wird im späteren Hochlastbetrieb durch die biologische Eigenversorgung der relevanten höhermolekularen Carbonsäuren diese sichergestellt. Das heißt, die Zudosierung der a. S. muss in einer Ausführungsvariante der Erfindung vor dem Einsteuern der erfindungsgemäßen Hochlastfermentation erfolgen und endet mit dem Anfahrprozess zur selben. Eine prozessbegleitende Dosierung während der etablierten Hochlastfermentation muss nicht, aber kann erfolgen, wobei eine abweichende Dosierung zu beachten ist. Als besonders geeignet hat sich vor dem Einsteuern der erhöhten Raumbelastung (BRmax,neu) bzw. zur Adaption eine Dosierung von BRa.S. = 0,3–0,7 kg/(m3·d) erwiesen. Sofern erforderlich wird während der etablierten Hochlastfermentation eine Zuflusskonzentration von 0,4–3,5 Ia.S./(m3 Substrat·d) bevorzugt gewählt. Die abgeminderte, kontinuierliche Dosierung an adaptionsauslösenden Substraten kann sinnvoll sein, sofern die Säurespektren und das spezifische Biogasbildungspotenzial keine negativen Entwicklungen ausweisen und ein direktes Springen in den finiten Hochlastbereich nicht möglich oder gewünscht ist. Durch die unterstützende Substratbeigabe wird eine Grundversorgung abgesichert, die einem Verdrängungsprozess sowie einem Auswaschverlust der gewünschten Bakterien entgegenwirkt.
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Bevorzug erfolgt der Eintrag der adaptionsauslösenden Substrate (z. B. Propionsäure/Propionate, Buttersäure und/oder Milchsäure) in den methanogenen Reaktorteil einer Biogasanlage, da insbesondere dieser am sensibelsten auf entsprechende Metabolite reagiert. Der Abbau der höhermolekularen C3 bis C6-Carbonsäuren wie auch der Fettsäureabbau ist, was die Wachstumsgeschwindigkeit der entsprechenden Bakterienkulturen betrifft, allen anderen Kulturen unterlegen. Als langsamstes Glied der Verstoffwechselung ist die Fermentation hierauf vorzubereiten. Kommt es innerhalb des 4-stufigen Fermentationsprozesses zu Prozessverschleppungen bzw. zur Ausbildung von Ungleichgewichten, die im Hochlastbetrieb faktisch nicht mehr zu vermeiden sind, kann ein erfindungsgemäß vorbehandelter Reaktor ohne die langwierige und empfindliche, biologische Adaptionen seine Arbeit nahtlos fortsetzen. Die Biozönose ist keinem willkürlichem Kongruenzwettbewerb ausgesetzt. Sie stellt sich von einem Worst-Case-Szenario, für den Abbau hemmender langkettiger Carbonsäuren, selbsttätig auf einen optimalen Arbeitsbereich ein. Der Prozess nähert sich dem Optimum von der sicheren Seite (Überschuss an z. B. propionsäureabbauenden Bakterien).
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Weiterhin erfolgt die Dosierung der an sich inhibierend wirkenden a. S. in das Fermentersystem während einer niedrigen Raumbelastung bevorzugt über eine Verweilzeit von ca. 20 bis 40 Tagen. Das „Springen” in den finiten Hochlastbereich (BR;max;neu: ermittelt in kleintechnischen Versuchen und vernünftigerweise bevorzugt mit einem Sicherheitsbeiwert von ca. 15–20% versehen) kann im Anschluss daran in der Regel ohne die weitere Zugabe von a. S. innerhalb einer Verweilzeit erfolgen, wobei eine gleichmäßige und schrittweise Lasterhöhung verlangt wird.
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Die Raumbelastung (BRmax,neu) kann durch ca. 2 bis 5 belastungssteigernde Schritte im Abstand von ca. je 1 Woche erhöht werden, wobei dieser Anfahrprozess vorzugsweise in einer Verweilzeit abzuschließen ist.
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Wesentlicher Vorteil des erfindungsgemäßen Verfahrens gegenüber dem Stand der Technik ist eine um mindestens den Faktor zwei bis drei höhere Raumbelastung bei konstanter spezifischer Biogasausbeute, was zu einem höheren Substratdurchsatz oder andererseits zu einer entsprechenden Verkleinerung des benötigten Reaktorvolumens um den gleichen Faktor führt. Eine optimale Anlagenwertschöpfung ist somit gewährleistet.
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Das erfindungsgemäße Verfahren kann im Gegensatz zum Stand der Technik unabhängig von den zuvor benannten Unwägbarkeiten betrieben werden. Eine Substrat- bzw. Prozessverschleppung ist unproblematisch, da die Auslösung langsamer Adaptionsprozesse innerhalb der Biozönose an eine „spontan” umschlagende Hochlastsituation durch präventive Zugabe von z. B. Propionsäure (bei bereits niedriger Raumbelastung) vorweggenommen wurde. Es wird eine verfahrenstechnische bzw. chemisch-biologische Impfung durchgeführt, die ähnlich wie medizinische Impfstoffe eine biologische Lebensgemeinschaft auf Gefahrensituationen vorbereitet, bevor diese Situation tatsächlich eintritt. Eine Zugabe extern gewonnener Bakterienkulturen (siehe z. B.
DE 10 2008 055 490 A1 ) ist nicht notwendig.
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Zusammenfassend ist festzustellen.
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Mit dem erfindungsgemäßen Verfahren wird eine allgemeingültige Rezeptur vorgelegt, die jedwede Fermentation zur Biogasbildung positiv beeinflussen kann. Ausgangsmaterialien können landwirtschaftliche Abfallstoffe und/oder Rohstoffe sein (z. B. Gülle, Futterrüben, Silomais, Weidegras), aber auch alle außerlandwirtschaftlichen Abfallstoffe (z. B. Bioabfall, Speiseabfälle, Altfett, Klärschlamm).
- 1. Das Verfahren ist nicht abhängig:
• von der Verfahrenstechnik (einstufige oder mehrstufige Reaktoren; Anlagengröße; Verweilzeiten; Art der Stoffumwälzung; eingestellter Trockensubstanzgehalt usw.)
• vom gewählten Temperaturbereich der Fermentation
• von der Substratart bzw. der Zusammensetzung.
- 2. Die Prozessmanipulation unterstützt diverse Mikroorganismenspezies, die störende Stoffwechselzwischenprodukte (höhermolekulare Carbonsäuren) abbauen, wobei es nicht auf eine bestimmte Reinkultur ankommt.
- 3. Je mehr Ausgangssubstrat, umso mehr hemmende längerkettige Carbonsäuren entstehen in einem herkömmlichen Prozess, da (z. B. propion- und butter-) säureabbauende Bakterien zu langsam wachsen, um den durch säurebildende Bakterien erzeugten Metabolitenüberschuss vor dem Erreichen der toxischen Grenzkonzentration abzubauen. Erfindungsgemäß wird diesem biologischen Engpass präventiv begegnet. Dass heißt, Bakterien, die Stoffwechselzwischenprodukte aus längerkettigen Carbonsäuren abbauen, werden auf Vorrat gezüchtet. Fährt man nun relativ schnell eine Biogasanlage in den zuvor ermittelten Grenzbereich der Raumbelastung, so können die dann „spontan” in Massen gebildeten Stoffwechselzwischenprodukte aus längerkettigen Carbonsäuren sofort abgebaut werden. Es kommt nicht zum Umkippen des Reaktors.
- 4. Die benötigten Bakterienkulturen werden im Vorfeld durch die Zugabe der sogenannten adaptionsauslösenden Substrate (vorzugsweise längerkettige Carbonsäuren wie Propion- und Buttersäure, deren Salze oder auch deren Stoffwechselvorläufersubstanzen wie z. B. Milchsäure) bereitgestellt. Dies geschieht in einem unkritischem Raumbelastungsbereich (ideal: ≤ ½ BRmax.alt ermittelt nach Stand der Technik; spezifisch für jeden Anwendungsfall).
- 5. Ist eine entsprechende Adaption des Fermentationsschlammes durchgeführt (empfohlene minimale Impfzeit ~ 20 d), kann die Beigabe von adaptionsauslösenden Substraten eingestellt und der Reaktor in den neuen Hochlastbetrieb überführt werden (Der Prozess des Hochfahrens sollte möglichst gleichmäßig und schnell erfolgen → ca. eine hydraulische Verweilzeit; Minimum drei Wochen).
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Ausführungsbeispiel
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Zur besseren Veranschaulichung wird das Verfahren an folgendem Beispiel dargelegt:
Das Verfahren ist im Labormaßstab belegt. Es wurden in mehreren Versuchsreihen reproduzierbare Ergebnisse ermittelt, die eine Überführung des Verfahrens in den großtechnischen Maßstab ermöglichen:
- • BR;max.alt einer bestehenden Biogasanlage: 5 kgoTS/(m3·d) ermittelt in kleintechnischen Untersuchungen (Ausgangssubstrat: Mischschlamm einer Kläranlage)
- • Hydraulische Verweilzeit (VWZ): 16 Tage Hauptfermenter; 4 Tage Hydrolyse
- • Mesophiler Prozess bei 37°C
- • Trockensubstanzgehalt im Fermenter ca. 5,5–6,0 Ma.%
- • Co-Substrat: Modellsubstrat aus 2 Teilen Hundetrockenfutter, 2 Teilen Kaffeeweißer und einem 1 Teil Rapsöl
– BR;max;neu der adaptierten Biogasanlage: 12 kgoTS/(m3·d) ermittelt in kleintechnischen Untersuchungen inkl. Sicherheitsbeiwert (abgemindert um 15%)
– Dauer der Impfung/Adaption: 20 Tage; BR;a.S. mit 0,5 kgoTS/(m3·d); a. S. zu je gleichen Volumenanteilen Propion- und Buttersäure
– Dauer des Anfahrprozesses für die Hochlastfermentation: 21 Tage (41 Tage inkl. 20 Tage Adaption)
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Schritte des Anfahrprozesses:
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- 1. Beginn der Adaption bei BR;gewählt ~ 2 kgoTS/(m3·d) mit der Zugabe adaptionsauslösender Substrate (a. S.) BR;a.S. = 0,5 kga.S./(m3·d) → BR;Adaption ~ 2,5 kgoTS/(m3·d); dies entspricht ½ BR;max.alt mit 5 kgoTS/(m3·d)
- 2. Nach einer 20-tägigen Adaption wird das adaptionsauslösende Substrat abgesetzt. Es erfolgt das Hochfahren der Biogasanlage in den neuen Hochlastbereich.
- 3. Die Raumbelastung (BR) beträgt bis zu diesem Zeitpunkt, exklusive der adaptionsauslösenden Substrate, 2 kgoTS/(m3·d) → Lasterhöhung um 2,5 kgoTS/(m3·d) auf 4,5 kgoTS/(m3·d) → nach 7 d erfolgt eine weitere Lasterhöhung auf 7 kgoTS/(m3·d) → nach 7 d (Tag 14) Erhöhung der Last auf 9,5 kgoTS/(m3·d) → nach weiteren 7 d (Tag 21) wird auf 12 kgoTS/(m3·d) erhöht.
- 4. Ein stabiler Hochlastbetrieb ist nach einer weiteren Woche zur Systemberuhigung etabliert.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- DD 287709 A5 [0008]
- DE 102008055490 A1 [0008, 0028]
- DE 102008030653 A1 [0009]
- DE 102008024388 A1 [0009]