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Die Erfindung bezieht sich auf Dentalmaterialien enthaltend einen molekulardispers verteilten Octenidinwirkstoff.
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Hintergrund:
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Polymere Dentalmaterialien, insbesondere auf Acrylat-/Methacrylat-Basis, welche zum dauerhaften Verbleib in die Mundhöhle eingebracht werden, neigen bei mangelnder Oralhygiene zur Plaquebesiedelung an der Werkstoffoberfläche.
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Plaque setzt sich aus verschiedenen Bakterien zusammen, welche sich durch Proteine und Kohlenhydrate fest auf Oberflächen wie z. B. Zähnen oder dentalen Werkstoffen verankern. Auf dieser ersten Bakterienschicht können sich dann weitere Bakterien festsetzen und damit eine dreidimensionale Kolonie bilden. Durch bestimmte Substanzen, welche von den Bakterien abgegeben werden, ist dieser „Biofilm” nahezu unangreifbar für Antibiotika.
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Neben dem hygienischen Aspekt führt Plaque im fortgeschrittenen Stadium auch zu einer starken Verfärbung, so dass es zu ästhetischen Beeinträchtigungen kommt.
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Stand der Technik:
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Eine Verminderung der Plaque-Besiedlung kann entweder durch Biozide oder durch eine hydrophobe Beschichtung der Dentalwerkstoffe, welche die Anhaftung der Bakterien auf dem Werkstoff verhindert, erfolgen.
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Die Verwendung von quaternären Ammoniumsalzen als antimikrobielle Additive ist seit langem bekannt. So wird z. B. Silan mit quaternären Ammoniumgruppen als funktionelle Gruppe von Fa. Microbeshield hergestellt und zur antibakteriellen Ausrüstung von Filtern, Textilien und Wundauflagen vermarktet. Ferner sind Additive auf der Basis von kationischen Oligomeren bekannt (Akacid, Fa. PoC) sowie silberhaltige Additive (silberhaltige Gläser, Salze, Zeolithe).
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In
DE 10 2008 021 473 A1 werden Dentalmaterialien mit molekulardispers verteilten Octenidinsalzen beschrieben, die polymerisierbare oder nichtpolymerisierbare Anionen enthalten, nämlich aus der Gruppe bestehend aus Fettsäureanionen, Carbonsäureanionen, Alkyl- und Arylsulfonsäuren, Alkyl- und Arylsulfaten, wie z. B Hexanoate, Dodecylate, Stearate und Dodecylsulfate. Diese Anionen sollen für größere Mobilität des Wirkstoffs in der Kunststoffmatrix sorgen. Chloride werden nicht in Betracht gezogen.
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In
DE 10 2009 004 368 A1 wird der Ansatz vorgestellt, Wirkstoffe wie Octenidinsalze in löslichkeitsvermittelnden Monomeren zu verkapseln und so in Dentalmaterial einzubringen, dass die Verkapselung während der Zubereitung nicht beschädigt wird. Bei Abrasionsbeanspruchung soll dann der Wirkstoff freigesetzt werden.
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In
WO 2007039156 A1 werden Kunststoffmassen mit Octenidindihydrochlorid beschrieben. Der Wirkstoff wird dem Granulat zugesetzt und dieses geschmolzen. Die Massen sind vor allem zur Herstellung von Kathetern vorgesehen.
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Aufgabenstellung:
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Ziel der vorliegenden Erfindung ist es, ein Mittel bereitzustellen, mit dem sich die Besiedelung von Plaque auf dentalen Werkstoffen dauerhaft verhindern bzw. verzögern lässt, ohne die Produkteigenschaften des Dentalmaterials negativ zu beeinflussen.
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Hierbei sind folgende Kernanforderungen wichtig:
- – Homogene Verteilung des Wirkstoffes im Bulk-Material und auf der Materialoberfläche, keine punktuelle Verteilung.
- – Der Werkstoff darf nach der Wirkstoff-Freisetzung keine Mikro- und Makroporen aufweisen (Ästhetik, Rissbildung, Ausgangspunkt von Neubesiedlung).
- – Eine Inaktivierung des Wirkstoffs auf der Oberfläche soll erschwert sein durch Nachdiffusion aus dem Bulk.
- – Breites Wirkungsspektrum gegen typische Oralkeime.
- – Der Wirkstoff soll retardierend freigesetzt werden.
- – Der Wirkstoff soll eine so hohe Freisetzungsrate haben, dass eine antimikrobielle Wirksamkeit gegeben ist, jedoch keine toxischen oder irritierenden/sensibilisierenden Effekte auftreten.
- – Der Wirkstoff darf die Polymerisation des Produktes nicht stören und die Werkstoffeigenschaften negativ beeinflussen, es darf keine Phasenseparation (Weichmachereffekt) auftreten.
- – Der Wirkstoff darf nur eine geringwahrscheinliche Resistenzbildung gegenüber den typischen Oralkeimen aufweisen.
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Detaillierte Beschreibung der Erfindung:
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Die Aufgabe wird durch ein Dentalmaterial gelöst, das Octenidin-Dihydrochlorid in molekulardisperser Verteilung enthält und dem Material in mindestens einem löslichkeitsvermittelnden hydroxy-funktionalisierten Dentalmonomeren zugesetzt wurde.
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Dabei ist in der Regel ein Konzentrationsbereich einzuhalten, bei dem die Verbindung nicht toxisch ist oder irritierend/sensibilisierend wirkt, aber antimikrobielle Wirkung entfaltet, wobei die Zusammensetzung geruchs- und geschmacksneutral bleibt. Überraschenderweise ist die Migrationsfähigkeit des Octenidinhydrochlorids im polymerisierten Dentalmaterial groß genug, um eine verzögerte Freisetzung des Wirkstoffs zu ermöglichen.
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Bei den löslichkeitsvermittelnden Monomeren handelt es sich bevorzugt um hydroxyfunktionalisierte Dentalmonomere wie z. B. Bis-GMA1
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- 2,2-Bis-[p-(2'-hydroxy-3'-methacryloyloxypropoxy)-phenyl]-propan (Bis-GMA)
, HEMA (Hydroxyethylmethacrylat), HEA (Hydroxyethylacrylat), Glycidyldimethacrylat, Glycidylmonomethacrylat.
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Es können zusätzlich weitere Dentalmonomere auf (Meth)-acrylatbasis anwesend sein.
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Derartige Monomere sind beispielsweise die Acrylsäure- und Methacrylsäureester mono-, di- oder höherfunktioneller Alkohole. Exemplarisch seien genannt: Methyl-(meth)acrylat (MMA), Butyl(meth)acrylat, 2-Ethylhexyl(meth)acrylat, Lauryl(meth)acrylat, 2-Hydroxyethyl(meth)acrylat, 2-Hydroxypropyl(meth)acrylat, Glycerin-1,3-di(meth)-acrylat (GDMA), Glycerin-1,2-di(meth)acrylat, Cyclohexyl(meth)acrylat, Phenyl-(meth)acrylat, Isobornyl(meth)acrylat, Ethylenglykoldi(meth)acrylat, 1,4-Butandioldi(meth)acrylat, Triethylenglykoldi(meth)acrylat (TEGDMA), 1,6-Hexandioldi(meth)acrylat, 1,12-Dodecandioldi(meth)acrylat, Trimethylolpropantri(meth)acrylat, Pentaerythrittetra(meth)acrylat und Dipentaerythrithexa(meth)acrylat.
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Vorteilhaft einsetzbar sind weiterhin Bisphenol-A-di(meth)acrylat sowie die davon abgeleiteten ethoxy- bzw. propoxylierten Di(meth)acrylate. Auch die in der
US 3,066,112 A beschriebenen Monomere auf Basis von Bisphenol-A und Glycidyl-(meth)acrylat oder deren durch Addition von Isocyanaten entstandenen Derivate sind geeignet.
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In Frage kommen auch die in der
DE 28 168 23 C genannten Diacryl- und Dimethacrylsäureester des Bis(hydroxymethyl)-tricyclo[5.2.1.02,6]-decans und die Diacryl- und Dimethacrylsäureester der mit 1 bis 3 Ethylenoxid- und/oder Propylenoxideinheiten verlängerten Verbindungen des Bis(hydroxymethyl)-tricyclo[5.2.1.02,6]-decans.
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Auch Urethan(meth)acrylate wie 7,7,9-Trimethyl-4,13-dioxo-5,12-diazahexadecan-1,16-dioxydi(meth)acrylat (UDMA, Plex 6661) sind geeignet.
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Bevorzugt weisen die genannten Verbindungen und deren Derivate ein Molekulargewicht im Bereich von 70 bis 5000, vorzugsweise im Bereich von 90 bis 2500, besonders bevorzugt im Bereich von 100 bis 1000 g/mol auf.
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Vorteilhafterweise ist das erfindungsgemäß molekulardispers verteilte Octenidin-Dihydrochlorid in einem Temperaturbereich von 15–40°C im Dentalmaterial migrationsfähig. Die Konzentration des Octenidin-Dihydrochlorids im Dentalmaterial beträgt zweckmäßig < 10 Gew.-%, bevorzugt < 5 Gew.-% beträgt und besonders bevorzugt < 3 Gew.-%.
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Es versteht sich, dass die Antiplaque-Wirkung eine wirksame Untergrenze der Wirkstoffkonzentration bzw. der Freisetzung des Wirkstoffs erfordert.
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Geeignete Dentalmaterialien können folgende weitere Komponenten enthalten:
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Füllstoffe/Dentalgläser:
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Als Dentalgläser eignen sich besonders Bariumglaspulver und/oder Strontiumglaspulver. Die mittlere Partikelgröße der grobteiligen Dentalgläser beträgt vorzugsweise 5–10 μm, insbesondere um 7 μm und die der feinteiligen 0,5 bis 2 μm, insbesondere 1 μm. Optional vorhandene weitere Dentalgläser haben z. B. mittlere Korngrößen von 2–5 oder 10–50 μm.
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Die Füllstoffkomponente kann demnach Dentalgläser mit insgesamt drei oder mehr Kornfraktionen aufweisen.
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Weitere, herkömmliche, auf dem Dentalgebiet übliche Füllstoffe, wie etwa Quarz-, Glaskeramik- oder Mischungen davon. Darüber hinaus können die Komposite Füllstoffe zur Erzielung einer erhöhten Röntgenopazität enthalten. Die mittlere Partikelgröße des röntgenopaken Füllstoffs liegt vorzugsweise im Bereich von 100 bis 300 nm, insbesondere 180 bis 300 nm. Als röntgenopake Füllstoffe eignen sich z. B. die in der
DE 35 02 594 A1 beschriebenen Fluoride der Seltenen Erdmetalle, d. h. die Trifluoride der Elemente 57 bis 71. Ein besonders bevorzugt verwendeter Füllstoff ist Ytterbiumfluorid, insbesondere Ytterbiumtrifluorid mit einer mittleren Partikelgröße von etwa 300 nm. Die Menge des röntgenopaken Füllstoffs beträgt vorzugsweise 10 bis 50 Gew.-%, besonders bevorzugt 20 bis 30 Gew.-%, bezogen auf den Gesamtfüllstoffgehalt.
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Außerdem können gefällte Mischoxide, wie beispielsweise ZrO2/SiO2, als Füllstoffe eingesetzt werden. Bevorzugt sind Mischoxide mit einer Partikelgröße von 200 bis 300 nm und insbesondere etwa 200 nm. Die Mischoxidpartikel sind vorzugsweise kugelförmig und weisen eine einheitliche Größe auf. Die Mischoxide haben vorzugsweise einen Brechungsindex von 1,52 bis 1,55. Gefällte Mischoxide werden vorzugsweise in Mengen 25 bis 75 Gew.-% und besonders 40 bis 75 Gew.-% verwendet.
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Die Füllstoffe sind zur Verbesserung der Haftung zwischen Füllstoff und organischer Matrix bevorzugt silanisiert. Als Haftvermittler eignet sich besonders alpha-Methacryloxypropyltrimethoxysilan. Die Menge des eingesetzten Haftvermittlers richtet sich nach der Art und BET-Oberfläche des Füllstoffs.
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Initiatoren:
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Zur Initiierung der Polymerisation enthalten die Dentalmaterialien gewöhnlich mindestens einen Polymerisationsinitiator, beispielsweise einen Initiator für die radikalische Polymerisation. Je nach Art des verwendeten Initiators können die Mischungen kalt, durch Licht oder heiß polymerisierbar sein.
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Als Initiatoren für die Heißpolymerisation können die bekannten Peroxide wie Dibenzoylperoxid, Dilauroylperoxid, tert.-Butylperoctoat oder tert.-Butylperbenzoat eingesetzt werden, aber auch alpha,alpha'-Azo-bis(isobutyroethylester), Benzpinakol und 2,2'-Dimethylbenzpinakol sind geeignet.
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Als Photoinitatoren kommen z. B. Benzoinalkylether oder -ester, Benzilmonoketale, Acylphosphinoxide oder aliphatische und aromatische 1.2-Diketoverbindungen, wie beispielsweise 2,2-Diethoxyacetophenon 9,10-Phenanthrenchinon, Diacetyl, Furil, Anisil, 4,4'-Dichlorbenzil und 4,4'-Dialkoxybenzil oder Campherchinon, in Frage. Photoinitiatoren werden vorzugsweise zusammen mit einem Reduktionsmittel verwendet. Beispiele für Reduktionsmittel sind Amine wie aliphatische oder aromatische tertiäre Amine, beispielsweise N,N-Dimethyl-p-toluidin oder Triethanolamin, Cyanethylmethylanilin, Triethylamin, N,N-Dimethylanilin, N-Methyldiphenylamin, N,N-Dimethyl-sym.-xylidin, N,N-3,5-Tetramethyanilin und 4-Dimethylaminobenzoesäureethylester oder organische Phosphite. Gängige Photoinitiatorsysteme sind z. B. Campherchinon plus Ethyl-4-(N,N-dimethylamino)benzoat, 2-(Ethylhexyl)-4-(N,N-dimethylamino)benzoat oder N,N-Dimethylaminoethylmethacrylat.
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Als Initiator für die durch UV-Licht initiierte Polymerisation eignet sich besonders 2,4,6-Trimethylbenzoyldiphenylphosphinoxid. UV-Photoinitiatoren können allein, in Kombination mit einem Initiator für sichtbares Licht, einem Initiator für die Kalthärtung und/oder einem Initiator für die Heißhärtung eingesetzt werden.
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Als Initiatoren für die Kaltpolymerisation werden Radikale liefernde Systeme, z. B. Benzoyl- bzw. Lauroylperoxid zusammen mit Aminen wie N,N-Dimethyl-sym.-xylidin oder N,N-Dimethyl-p-toluidin verwendet.
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Es können auch dual härtende Systeme verwendet werden, z. B. Photoinitiatoren mit Aminen und Peroxiden.
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Die Initiatoren werden vorzugsweise in Mengen von 0,01 bis 1 Gew.-% bezogen auf die Gesamtmasse der Mischung verwendet.
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Bei der Kaltpolymerisation kann es zweckmäßig sein, wenn das Kompositmaterial aufgeteilt in zwei Komponenten vorliegt, die zur Aushärtung durch Vermischen vorgesehen sind. Es ist auch möglich, das Material so bereitzustellen, dass es sowohl durch Licht als auch durch Vermischen zweier Komponenten zu härten ist.
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Pigmente:
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Üblicherweise werden Dentalfüllungskomposite in verschiedenen Zahnfarben eingefärbt. Die dafür üblichen Pigmente sind dem Fachmann geläufig.
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Hilfsstoffe:
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Hier kommen neben Kieselsäuren, die als Thixotropie und Strukturverbesserer dienen, in Frage: Stabilisatoren, UV-Absorber, Farbstoffe und/oder Gleitmittel. Die Hilfsstoffe werden ggf. in einer Menge von jeweils bis zu etwa 0,5 Gew.-% eingesetzt.
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Geeignete Stabilisatoren sind zum Beispiel Hydrochinonmonomethylether oder 2,6-Di-tert.-butyl-4-methylphenol (BHT).
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Die folgenden Beispiele illustrieren die Erfindung. Teile- und Prozentangaben sind auf das Gewicht bezogen, sofern nicht anders angegeben.
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Beispiel 1 Dental-Komposit:
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15 g Bis-GMA (Bisphenol A-Glycidyl Methacrylat), 6 g TEGDMA (Triethylenglycol-dimethacrylat) und 6 g Octenidin-Hydrochlorid werden bei 70°C homogen miteinander vermischt. Nach Zugabe von Stabilisatoren und Initiatoren [Campherchinon, BEDB (CAS Nummer 67362-76-9) in den erforderlichen Mengen (zusammen 1 g) erfolgt portionsweise die Zugabe von 64 g Dentalglas (Korngröße ~1 μm) sowie 8 g pyrogener Kieselsäure(n) zur Einstellung der rheologischen Eigenschaften.
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Beispiel 2 Dental-Lack:
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3 g Octenidin-Hydrochlorid werden in 15 g Bis-GA (2,2-Bis-[p-(2'-hydroxy-3'-acryloyloxypropoxy)-phenyl]-propan) unter Erwärmen gelöst. Nach der homogenen Vermischung erfolgt die Zugabe weiterer Monomere: MMA (43 g), Sartomer 368 (Tris(2-hydroxyethyl)isocyanurat triacrylat) (28 g) sowie Actilane® OTA 480 (10 g) sowie von Photoinitiatoren BEDB, Campherchinon und Lucirin TPO (2,4,6-Trimethylbenzoyldiphenylphosphine oxid) (zusammen 1 g).
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- DE 102008021473 A1 [0007]
- DE 102009004368 A1 [0008]
- WO 2007039156 A1 [0009]
- US 3066112 A [0017]
- DE 2816823 C [0018]
- DE 3502594 A1 [0025]