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Die Erfindung betrifft ein Rückhaltesystem und ein Verfahren zur Ansteuerung eines Rückhaltesystems für Kraftfahrzeuge mit den Merkmalen einer der Oberbegriffe der Ansprüche 1 oder 9.
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Rückhaltesysteme werden in Kraftfahrzeugen dazu genutzt, den Insassen bei einem Unfall zurückzuhalten und dadurch zu verhindern, dass er auf die harten Strukturbauteile des Innenraumes des Kraftfahrzeuges aufschlägt.
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Ein wesentlicher Bestandteil des Rückhaltesystems ist dabei der Sicherheitsgurt, welcher in angelegtem Zustand mit einem die Brust des Insassen kreuzenden Diagonalgurtabschnitt und einem an dem Becken des Insassen anliegenden Beckengurtabschnitt an dem Insassen anliegt. Der Sicherheitsgurt ist mit dem einen Ende fest mit dem Kraftfahrzeug verbunden und mit dem anderen Ende auf einem Sicherheitsgurtaufroller aufgerollt, welcher mit einem Blockiersystem versehen ist, welches bei einem Überschreiten einer vorbestimmten Gurtbandauszugsbeschleunigung und/oder einer vorbestimmten Fahrzeugverzögerung im Unfall aktiviert wird und daraufhin einen weiteren Gurtbandauszug von dem Sicherheitsgurtaufroller verhindert. Ein Nachteil solcher Sicherheitsgurte ist es grundsätzlich, dass in dem Sicherheitsgurt bei der Rückhaltung des Insassen verhältnismäßig hohe Gurtkräfte wirken, welche wiederum zu einer hohen Insassenbelastung führen.
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Zur Reduzierung der Insassenbelastung ist es z. B. aus der
DE 198 04 365 C2 bekannt, den Sicherheitsgurt aus zwei oder mehr Lagen auszuführen und im Unfall unter Vergrößerung der an dem Insassen anliegenden Anlagefläche mit einer Aufblaseinheit zu einer dicken „Wurst” aufzublasen.
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Ferner besteht bei Sicherheitsgurten grundsätzlich die Gefahr, dass der Insasse im Unfall mit dem Becken durch den Beckengurtabschnitt des blockierten Sicherheitsgurtes hindurchtaucht. Dieses Hindurchtauchen wird auch als „Submarining” bezeichnet.
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Zur Vermeidung des „Submarinings” kann in dem vorderen Teil der Sitzfläche, wie z. B. in der
DE 10 2006 011 105 A1 beschrieben, ein Gassack angeordnet werden, der zu einem frühen Zeitpunkt des Unfalles aufgeblasen wird. Durch das Aufblasen des Gassackes werden die Sitzfläche und die darauf anliegenden Oberschenkel des Insassen in diesem Bereich angehoben, und das Becken des Insassen entgegen der Vorwärtsbewegung unterstützt.
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Aufgabe der Erfindung ist es, ein gattungsgemäßes Rückhaltesystem sowie ein Verfahren zur Ansteuerung eines derartigen Rückhaltesystems für Kraftfahrzeuge zu schaffen, mit dem der Insasse im Unfall mit einer geringen Insassenbelastung zurückgehalten werden kann, ohne dass dabei die Gefahr des Hindurchtauchens durch den Sicherheitsgurt besteht.
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Zur Lösung der Aufgabe wird ein Rückhaltesystem vorgeschlagen, welches einen über eine erste Aufblaseinheit aufblasbaren Sicherheitsgurt und einen in Fahrtrichtung des Kraftfahrzeuges in einem vorderen Bereich einer Sitzfläche eines Fahrzeugsitzes angeordneten über eine zweite Aufblaseinheit aufblasbaren Gassack aufweist, wobei das Aufblasen des aufblasbaren Gassackes zeitlich verzögert nach dem Aufblasen des aufblasbaren Sicherheitsgurtes erfolgt. Durch das vorgeschlagene Rückhaltesystem aus einem aufblasbaren Sicherheitsgurt und dem in der Sitzfläche angeordneten Gassack wird sowohl die Insassenbelastung reduziert als auch die Gefahr des Hindurchtauchens verringert. Da der Insasse durch das Aufblasen des Gassackes in der Sitzfläche auch mit dem Becken leicht angehoben wird, bewirkt das Aufblasen des Gassackes einen zusätzlichen Druck des Insassen mit der Brust gegen den Diagonalgurtabschnitt des Sicherheitsgurtes. Dieser erhöhte Druck hat zur Folge, dass das Aufblasen des aufblasbaren Sicherheitsgurtes gestört werden kann. Aufgrund der vorgeschlagenen zeitlichen Verzögerung des Aufblasens des Gassackes zu dem Aufblasen des aufblasbaren Sicherheitsgurtes ist der aufblasbare Sicherheitsgurt zu jedem Zeitpunkt des Aufblasens des Gassackes bereits weiter aufgeblasen, so dass dessen Aufblasvorgang durch die Erhöhung des Druckes in dem Diagonalgurtabschnitt bedingt durch das Aufblasen des Gassackes nicht mehr gestört werden kann. Durch die vorgeschlagene zeitliche Verzögerung stören sich der in der Sitzfläche angeordnete Gassack und der aufblasbare Sicherheitsgurt nicht gegenseitig in ihrer Funktion und ermöglichen dadurch eine verbesserte Rückhaltung des Insassen mit einer reduzierten Insassenbelastung und einer gleichzeitigen reduzierten Gefahr des Hindurchtauchens. Der Begriff des verzögerten Aufblasens bezieht sich dabei auf den Aufblaszustand des Sicherheitsgurtes bzw. des Gassackes in Bezug zu dem vollständig aufgeblasenen Zustand.
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Die zeitliche Verzögerung kann besonders einfach dadurch erzielt werden, indem die erste und die zweite Aufblaseinheit gleichzeitig aktivierbar sind, und die zeitliche Verzögerung durch die Strömungsführung der von der ersten und der zweiten Aufblaseinheit erzeugten Gasströme und/oder durch unterschiedliche von den Aufblaseinheiten erzeugte Gasdrücke verwirklicht ist. Durch die Strömungsführung, wie z. B. Verengungen oder Verzögerungskammern, können die Gasströme bewusst verzögert oder beschleunigt werden, so dass der aufblasbare Sicherheitsgurt trotz der gleichzeitigen Aktivierung der Aufblaseinheiten schneller aufgeblasen wird. Dieser Effekt kann dadurch weiter unterstützt oder alternativ dadurch erzielt werden, indem die Aufblaseinheiten unterschiedliche Gasdrücke erzeugen. Der Aufblasvorgang des aufblasbaren Sicherheitsgurtes verläuft dadurch schneller und ist frühzeitiger abgeschlossen, so dass der Insasse durch das Aufblasen des Gassackes in der Sitzfläche erst dann gegen den Diagonalgurtabschnitt des Sicherheitsgurtes gedrückt wird, wenn der aufblasbare Sicherheitsgurt bereits aufgeblasen ist oder zumindest so weit aufgeblasen ist, dass die Erhöhung der Gurtkraft durch das Anheben des Insassen das Aufblasen des Sicherheitsgurtes nicht mehr stört.
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Alternativ kann das zeitlich verzögerte Aufblasen des Gassackes auch durch eine im Vergleich zu der Aktivierung der zweiten Aufblaseinheit zeitlich frühere Aktivierung der ersten Aufblaseinheit verwirklicht sein. Aus Versuchen hat sich dabei herausgestellt, dass die zweite Aufblaseinheit mit einer zeitlichen Verzögerung von 8–12 ms und vorzugsweise von 10 ms zu der ersten Aufblaseinheit aufgeblasen werden sollte, damit der aufblasbare Sicherheitsgurt optimal aufgeblasen werden kann.
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Weiter wird vorgeschlagen, dass das Aufblasen des aufblasbaren Sicherheitsgurtes und des Gassackes in zeitlicher Überlappung erfolgt. Durch die zeitliche Überlappung kann die Zeitspanne von der Aktivierung der ersten Aufblaseinheit bis zum vollständigen Aufblasen des Gassackes in der Sitzfläche verkürzt werden, wobei die vorgeschlagene zeitliche Verzögerung des Aufblasens bzw. die Reihenfolge der Aktivierung der Aufblaseinheiten selbstverständlich beibehalten werden sollte. Ferner wird der Insasse in der Zeit des gleichzeitigen Aufblasens des aufblasbaren Sicherheitsgurtes und des Gassackes zwischen dem den vorderen Bereich der Sitzfläche anhebenden Gassack und dem den Insassen in den Sitz drückenden aufgeblasenen Sicherheitsgurt praktisch mit dem Becken in den Sitz gedrückt, so dass die Gefahr des „Submarinings” weiter verringert wird.
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Die Ankoppelung des Insassen an die Fahrzeugverzögerung kann weiter dadurch verbessert werden, indem eine Gurtstraffeinrichtung vorgesehen ist, welche den Sicherheitsgurt bei einer Aktivierung von einem oberen Ende eines Diagonalgurtabschnittes strafft, wobei in diesem Fall die Gurtstraffeinrichtung vor der Aktivierung der ersten Aufblaseinheit aktivierbar ist. Durch die vorgeschlagene Reihenfolge der Aktivierung wird der aufblasbare Sicherheitsgurt in gestrafftem Zustand aufgeblasen, so dass die aufzublasende Länge des Sicherheitsgurtes kürzer ist und der Sicherheitsgurt dadurch effektiver und schneller aufgeblasen werden kann bzw. das aufzublasende Volumen des aufblasbaren Sicherheitsgurtes kleiner wird.
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Weiter wird in diesem Fall vorgeschlagen, dass der Zeitpunkt der Aktivierung der Gurtstraffeinrichtung im Verhältnis zu dem Zeitpunkt der Aktivierung der ersten Aufblaseinheit derart gewählt ist, dass die durch die Aktivierung der Gurtstraffeinrichtung bewirkte Straffbewegung des Sicherheitsgurtes zum Zeitpunkt der Aktivierung der ersten Aufblaseinheit beendet ist. Aufgrund der bereits abgeschlossenen Straffbewegung wird der aufblasbare Sicherheitsgurt praktisch im stillstehenden Zustand aufgeblasen. Dies ist insbesondere dann sinnvoll, wenn der Gurt von außen durch eine Gurtbandlage aufgeblasen wird. Außerdem ist die Gurtstraffeinrichtung dadurch insgesamt wirkungsvoller, da der aufblasbare Sicherheitsgurt noch im nicht aufgeblasenen, d. h. flachen bandförmigen Zustand gestrafft wird.
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Alternativ kann eine Gurtstraffeinrichtung vorgesehen sein, welche den Sicherheitsgurt bei einer Aktivierung durch Zurückziehen eines Gurtschlosses oder durch Straffen eines an dem Kraftfahrzeug befestigten Endes eines Beckengurtabschnittes des Sicherheitsgurtes strafft, wobei die Gurtstraffeinrichtung in diesem Fall nach der Aktivierung der zweiten Aufblaseinheit aktivierbar ist. Da durch das Aufblasen des Gassackes zusätzliche Gurtlose in den Beckengurtabschnitt des Sicherheitsgurtes eingebracht werden kann, ist es in diesem Fall sinnvoll, dass die Gurtstraffeinrichtung erst nach der Aktivierung des Gassackes in der Sitzfläche aktiviert wird.
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Nachfolgend wird die Erfindung anhand eines bevorzugten Ausführungsbeispiels näher erläutert. In den Figuren sind im Einzelnen zu erkennen:
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1: Insasse auf einem Fahrzeugsitz eines Kraftfahrzeuges mit einem erfindungsgemäßen Rückhaltesystem in Sicht von vorne;
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2: Insasse auf einem Fahrzeugsitz eines Kraftfahrzeuges mit einem erfindungsgemäßen Rückhaltesystem in Sicht von der Seite.
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In den 1 und 2 ist ein Insasse 9 auf einem Fahrzeugsitz mit einer Sitzfläche 13 und einer Rückenlehne 14 zu erkennen. Der Insasse 9 ist mit einem Sicherheitsgurt 1 angeschnallt, welcher mit einem Ende 15 an dem Kraftfahrzeug befestigt ist und mit dem anderen Ende auf einem fahrzeugfesten Gurtaufroller 5 aufwickelbar ist. Der Gurtaufroller 5 ist mit einer Gurtstraffeinrichtung 6 versehen, welche bei einer Aktivierung die Gurtwelle des Gurtaufrollers 5 schlagartig in Aufwickelrichtung antreibt und dadurch den Sicherheitsgurt 1 strafft.
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Von dem Gurtaufroller 5 erstreckt sich der Sicherheitsgurt 1 nach oben zu einer Umlenkeinrichtung 16, in der er in Richtung des Insassen 9 umgelenkt wird. Im weiteren Verlauf ist der Sicherheitsgurt 1 mit einer Gurtzunge 11 in einem Gurtschloss 10 verriegelt und schließlich mit dem freien Ende 15 an dem Kraftfahrzeug befestigt. Der Sicherheitsgurt 1 kann die Gurtzunge 11 frei durchlaufen und wird durch die Gurtzunge 11 in einen von dem Ende 15 bis zu der Gurtzunge 11 verlaufenden Beckengurtabschnitt 8 und einen von der Umlenkeinrichtung 16 bis zu der Gurtzunge 11 verlaufenden Diagonalgurtabschnitt 7 unterteilt. Der Beckengurtabschnitt 8 dient zur Rückhaltung des Beckens des Insassen 9, während der Diagonalgurtabschnitt 7 die Brust des Insassen 9 kreuzt und zur Rückhaltung des Oberkörpers des Insassen 9 dient. Da die Gurtstraffeinrichtung 6 an dem Gurtaufroller 5 angeordnet ist, wird bei einer Aktivierung der Gurtstraffeinrichtung 6 der an dem Insassen 9 anliegende Sicherheitsgurt 1 von dem oberen Ende des Diagonalgurtabschnittes 7 gestrafft.
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Der Sicherheitsgurt 1 ist als aufblasbarer mehrlagiger Sicherheitsgurt 1 ausgebildet, dessen Lagen vor dem Aufblasen zu einem flachen Gurtband aufeinander gelegt sind. Im Bereich der Umlenkeinrichtung 16 ist eine fahrzeugfeste erste Aufblaseinheit 3 angeordnet, welche mit einer nicht dargestellten Austrittsöffnung direkt auf den aufblasbaren Sicherheitsgurt 1 gerichtet ist. Bei einer Aktivierung der Aufblaseinheit 3 durchdringt der von der Aufblaseinheit 3 erzeugte Gasstrom eine Lage des aufblasbaren Sicherheitsgurtes 1 und tritt dadurch in den Hohlraum zwischen den Lagen des aufblasbaren Sicherheitsgurtes 1 ein.
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Ferner ist in dem in Fahrtrichtung des Kraftfahrzeuges vorderen Bereich der Sitzfläche 13 des Fahrzeugsitzes ein Gassack 2 mit einer zweiten Aufblaseinheit 4 vorgesehen.
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Bei einer Aktivierung der ersten Aufblaseinheit 3 wird der Sicherheitsgut 1 zu einer dicken „Wurst” mit einer vergrößerten Anlagefläche an dem Insassen aufgeblasen (siehe auch die gestrichelte Darstellung in 1). Bei einer Aktivierung der zweiten Aufblaseinheit 4 wird der Gassack 2 in der Sitzfläche 13 aufgeblasen, wodurch die Sitzfläche 13 in dem vorderen Bereich, die Beine des Insassen und auch der Oberkörper des Insassen wenigstens leicht angehoben werden (siehe auch die gestrichelte Darstellung in 2). Da der Gassack 2 erfindungsgemäß mit einer zeitlichen Verzögerung zu dem aufblasbaren Sicherheitsgurt 1 aufgeblasen wird, tritt der in 1 dargestellte Zustand zeitlich vor dem in 2 dargestellten Zustand ein, so dass der Gassack 2 den Insassen 9 zum Zeitpunkt des Aufblasens des aufblasbaren Sicherheitsgurtes 1 zumindest noch nicht so weit angehoben hat, dass die dadurch erhöhte Gurtkraft in dem Diagonalgurtabschnitt 7 das Aufblasen des aufblasbaren Sicherheitsgurtes 1 behindern würde. Da es sich sowohl bei dem Aufblasen des aufblasbaren Sicherheitsgurtes 1 als auch bei dem Aufblasen des Gassacks 2 um kontinuierliche Vorgänge handelt, können beide Vorgänge auch in zeitlicher Überlappung ablaufen.
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Zur Ansteuerung der ersten Aufblaseinheit 3, der zweiten Aufblaseinheit 4 und der Gurtstraffeinrichtung 6 ist eine zentrale Steuereinrichtung 12 vorgesehen, mittels derer die Aufblaseinheiten 3 und 4 und die Gurtstraffeinrichtung 16 in der vorgeschlagenen Reihenfolge aktiviert werden. Soweit die Ansteuerung der Aufblaseinheiten 3 und 4 gleichzeitig erfolgt, kann das erfindungsgemäß verzögerte Aufblasen des Gassackes 2 auch durch eine geeignete Strömungsführung in dem Gassack 2 und/oder dem aufblasbaren Sicherheitsgurt 1 erfolgen.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- DE 19804365 C2 [0004]
- DE 102006011105 A1 [0006]