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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Bestimmung des Betriebsbereichs eines wiederaufladbaren elektrischen Energiespeichers. Unter Betriebsbereich ist im Folgenden einerseits der nutzbare Bereich der momentanen Kapazität zu verstehen. Andrerseits ist darunter auch der Bereich zu verstehen, der durch die Kapazitätsgrenzen des Energiespeichers bestimmt ist. Die zugehörige Ober-/Untergrenze ist bestimmt durch die maximal einstellbare bzw. die minimal verbleibende Kapazität. Da Kapazitätsänderungen bei Vernachlässigung des Temperatureinflusses durch Lade-/Entladevorgänge verursacht werden, bestimmen die Kapazitätsgrenzen unmittelbar die Grenzen, innerhalb der Energiespeicher geladen / entladen werden darf, ohne Schaden zu nehmen.
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Bekannte Verfahren zur Bestimmung des Betriebsbereichs bzw. der aktuellen Kapazität von Batterien ermöglichen die Erkennung und Quantifizierung alterungsbedingter Kapazitätsverringerungen. Unter der aktuellen Kapazität versteht man dabei die maximale Ah-Menge (Ampere-Stunden-Menge), die man einer vollständig entladenen Batterie in ihrem aktuellen Alterungszustand zuführen kann. Anhand der Ruhespannungscharakteristiken der ursprünglichen neuen und der momentan betrachteten, gealterten Batterie kann die aktuelle Kapazität anhand einer einfachen Beziehung bestimmt werden, welche im Wesentlichen die Änderung der Ruhespannung der neuen und der gealterten Batterie über einen bestimmten Ladezustandsbereich zueinander ins Verhältnis setzt (vgl.
EP 1 962 099 A2 ).
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Das bekannte Verfahren lässt sich auf die gegenwärtig weit verbreiteten Typen von Energiespeichern wie Blei-Akkus, Nickel-Cadmium-Akkus und Natrium- Schwefel-Akkus anwenden, bei welchen sich die Ruhespannungscharakteristik alterungsbedingt über den gesamten Ladezustandsbereich verändert. In diesem Fall ergibt sich ein aussagekräftiges Ergebnis.
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Bei anderen, insbesondere modernen Li-Ionen Batterien (z.B. Lithium-Eisen-Phosphat-Akkus, Lithium-Titanat-Akkus, Lithium-Cobalt-Phosphat-Akkus, Lithium-Nickel-Phosphat-Akkus, Lithium-Mangan-Phosphat-Akkus) sind die Ruhespannungskurven über weite Bereiche sehr flach (quasi-horizontal) und zeigen über weite Teile ihres Ladezustandsbereichs keine Änderung ihrer Ruhespannungskennlinien, auch nicht in einem Vergleich der Kennlinien eines neuen und eines gealterten Energiespeichers. Das eingangs genannte Verfahren führt deshalb bei solchen Batterietypen prinzipbedingt zu keinem hinreichend aussagekräftigen Ergebnis.
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Ein weiterer Nachteil des bekannten Verfahrens besteht in der dabei vorgenommenen direkten Auswertung der Ruhespannungscharakteristik. Da sich eine Ruhespannung prinzipbedingt erst nach einer verhältnismäßig langen Wartezeit am unbelasteten Energiespeicher einstellt, ist dieses Verfahren äußerst zeitaufwändig und nur mit hohem Aufwand, beispielsweise im Service durchführbar.
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Aufgabe der Erfindung ist es, ein Verfahren zur Bestimmung des Betriebsbereichs eines wiederaufladbaren elektrischen Energiespeichers zu schaffen, das auch bei den o.g. Energiespeichertypen (Li-Ionen Energiespeicher) mit geringem Aufwand eine genaue und zuverlässige Bestimmung der aktuellen Kapazität ermöglicht.
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Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß durch das Verfahren nach Anspruch 1 gelöst. Vorteilhafte Ausgestaltungen des Verfahrens sind in den Unteransprüchen aufgezeigt.
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Ein im Rahmen der Erfindung einsetzbares Modell, das die zu bestimmenden physikalischen Größen und ihre physikalischen Beziehungen zueinander in Form nicht-linearer mehrparametriger Funktionen repräsentiert, ist in der
EP 1 231 475 B1 beschrieben. Wesentlich im Rahmen der Erfindung ist, dass die Modellparameter des Modells, d.h. die Sollkurve für den Ruhespannungsverlauf über den Betriebsbereich hinweg, für einen neuen Energiespeicher vorgegeben sind. Die während des Prüfzeitraums, eintretende Änderung der aktuellen Kapazität wird an Hand der Istkurve bestimmt und mit der Sollkurve verglichen.
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Die Istkurve wird punktuell in der Regel erst zu einem späteren Zeitpunkt im Rahmen einer Prüfung des Energiespeichers bestimmt. Diese Prüfung kann beispielsweise zeitlich regelmäßig, z.B. im Betriebsfall im Bereich von Sekundenbruchteilen, oder aber in größeren zeitlichen Abständen, z. B. einmal monatlich oder auch bedarfsweise, z. B. nach einem definierten Umfang von Lastspielen vorgenommen werden.
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Die Prüfung kann über den gesamten Betriebsbereich oder vorteilhafter Weise nur in den Grenzbereichen, d.h. im vollgeladenen oder entleerten Zustand vorgenommen werden. Letzteres bietet den Vorteil einer besonders zuverlässigen Prüfung, da für die bevorzugt betrachteten Typen von Energiespeicher im Mittelbereich des Betriebsbereichs keine Änderung der Ruhespannung beim Vergleich des neuen mit dem gealterten Energiespeicher bemerkbar ist. Im Gegensatz dazu werden bei der
EP 1 231 475 B die Zustandsgrößen ausdrücklich gerade nicht in den Grenzbereichen bestimmt.
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Ergibt sich eine Abweichung zwischen Soll- und Istkurve um ein vorgegebenes Maß, wird der Lade-Betriebsbereich entsprechend beschränkt. Gleichzeitig lassen sich mittels der Abweichungen das Alter und der Wirkungsgrad des Energiespeichers bestimmen.
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Die Erfindung ist anhand eines in der Zeichnung dargestellten Ausführungsbeispiels näher erläutert. Es ist gezeigt in
- 1 der grundsätzliche Aufbau des erfindungsgemäßen Algorithmus zur aktuellen Kapazitätsbestimmung eines elektrischen Energiespeichers und
- 2 der Verlauf von Kenngrößen (2a und 2 b) sowie der Betriebsbereich ( 2c) dieses Energiespeichers.
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Das in 1 gezeigte Modell ist einem konkreten Energiespeicher 1 zugeordnet und besteht aus einer modellbasierten Ladezustands-Schätzeinheit 2, einer Residuen-Auswerteeinheit 3 sowie einer Kapazitäts-Berechnungseinheit 4. Die Teile 2 bis 4 bilden gemeinsam eine Kapazitäts-Schätzeinheit 5 für den Energiespeicher 1.
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Die Kapazitäts-Schätzeinheit 5 ermöglicht es, aus den am Energiespeicher 1 erfassten Messgrößen des Laststroms IBatt und der Batteriespannung UBatt die momentane Kapazität der Batterie und den nutzbaren Ladezustandsbereich zu bestimmen. Da sich die Kapazität der Batterie mit zunehmendem Alter verringert, ist außerdem eine Bestimmung des Alterungsgrads des Energiespeichers 1 möglich. Zugleich werden damit wichtige Informationen für eventuelle Alterungsadaptionen anderer Batteriefunktionen bereitgestellt.
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Die modellbasierte Ladezustands-Schätzeinheit 2 berechnet anhand eines internen, mathematischen Batteriemodells, der Messgrößen Batteriestrom IBatt und -spannung UBatt sowie anhand der gemessenen Batterietemperatur TBatt einen Schätzwert des Ladezustands (SOC= state of Charge) der Batterie. Die Ladezustands-Schätzeinheit 2 arbeitet dabei im Wesentlichen nach dem Prinzip eines Zustandsbeobachters bzw. eines Kalman-Filters, dessen Residuum r neben dem SOC-Schätzwert „SOC“ ebenfalls eine Ausgangsgröße darstellt. Die Messgrößen IBatt, UBatt, TBatt sind am jeweiligen Energiespeicher 1 bestimmt. Das Residuum r wird von der Ladezustands-Schätzeinheit 2 an die Residuen-Auswerteeinheit 3 weitergegeben. Der Schätzwert SOC steht am Ausgang der Ladezustands-Schätzeinheit 2 an.
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Zu jeder Zeit des betrachteten Prüfzeitraums wird das in der Ladezustands-Schätzeinheit 2 hinterlegte Batteriemodell mit den an der konkreten Batterie bestimmten Messgrößen IBatt, UBatt, TBatt verglichen und in den Modellparametern und Zustandsgrößen so abgeglichen, dass der Ausgang UBatt des Modells mit der tatsächlich gemessenen Messgrößen UBatt übereinstimmt.
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Sofern die Sollkurve, das ist die in dem (in der Ladezustands-Schätzeinheit 2) intern verwendeten Modell hinterlegte Ruhespannungskennlinie, mit der momentanen Ruhespannungscharakteristik der konkreten Batterie übereinstimmt, gelingt dieser Adaptionsvorgang vollständig, weshalb sich ein Residuum r von ungefähr 0 einstellt.
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Hat sich jedoch die Ruhespannungscharakteristik der konkreten Batterie alterungsbedingt gegenüber der Sollkurve geändert, entsteht ein Modellfehler, welcher nicht adaptiert werden kann und somit in einem bleibenden Residuum ungleich 0 resultiert.
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In der Residuen-Auswerteeinheit 3 wird dabei der Betrag des Residuums r mit einem Schwellwert rmax verglichen, der sowohl zeitvariant als auch zeitinvariant sein kann. Mit dem Schwellwert rmax wird ein Abfragekriterium für das Residuum r gebildet, welches als Qualifier Q für den von der Ladezustands-Schätzeinheit 2 berechneten Schätzwert SOC herangezogen wird. Dies ist in 1 durch Rückführung des von der Residuen-Auswerteeinheit 3 ausgegebenen Qualifier Q zur Ladezustands-Schätzeinheit 2 dargestellt. In der Kapazitäts-Berechnungseinheit 4 wird mit Hilfe des Qualifiers Q der aktuell nutzbare Lade-Betriebsbereich des Energiespeichers 1 bestimmt.
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Insbesondere bei Li-Ionen-Energiespeicher zeigen sich alterungsbedingte Kapazitätsverringerungen in einem früheren Abfall/Anstieg der Ruhespannungscharakteristik. Eine dafür typische OCV-Kennlinie ist im oberen Bereich von 2 strichliert dargestellt. Die Abweichung der beiden Kennlinien zeigt sich insbesondere in den Randbereichen des nutzbaren Lade-Betriebsbereichs, der für einen neuwertigen Energiespeicher als „Betriebsbereich neuwertige Zelle“ in dem Diagramm gezeigt ist. Deutlich ist zu erkennen, dass innerhalb des Betriebsbereichs die Kennlinie flach verläuft und auch bei einem gealterten Energiespeicher gegenüber dem neuwertigen Energiespeicher nahezu unverändert bleibt (siehe 2a, gestrichelte Linie).
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Wird ein gealterter Energiespeicher betrachtet, so weicht dessen tatsächliche OCV-Charakteristik (veranschaulicht durch die gestrichelte Linie) von der in der Schätzeinheit 2 implementierten Charakteristik der neuen Zelle (solide Linie) ab. Als Folge hierzu stellt sich während der Ladezustandsschätzung ein bleibendes Residuum ein, welches im Betrag proportional zu der Abweichung zwischen den beiden Kennlinien ist.
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In dem erfindungsgemäßen Verfahren zur Kapazitätsbestimmung des Energiespeichers 1 wird das Residuum r auch als Indikator für alterungsbedingte Abweichungen zwischen dem in der Ladezustands-Schätzeinheit 2 berechneten Energiespeicher-Modell und dem realen Energiespeicher 1 herangezogen.
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Einen wesentlichen Bestandteil des in der Schätzeinheit 2 enthaltenen Modells stellt dabei die Ruhespannungscharakteristik des neuwertigen Energiespeichers 1 dar. Diese OCV (= open circuit voltage) Charakteristik ist in 2a als solide Linie in einem OCV über SOC-Diagramm dargestellt.
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Das Residuum r stellt somit einen indikator bereit, der nicht nur eingetretene Alterungseffekte erkennen lässt sondern auch eine Berechnung der aktuellen Batteriekapazität ermöglicht. Dies erfolgt durch einen Vergleich des berechneten Residuums r mit einem Schwellwert r
max und der entsprechenden Ableitung eines geeigneten Qualifier-Signals
Q (siehe
2b und
2c). Eine beispielhafte Beziehung für die Berechnung von
Q (die auch in
2c veranschaulicht ist) ist anhand der folgenden Formel gegeben:
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Neben der digitalen „true/false“-Formulierung des Qualifiers Q gemäß der Beziehung (1.1) sind beispielsweise auch unscharfe Formulierungen von Q möglich.
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In der Kapazitäts-Berechnungseinheit 4 wird anhand des Signals Q und des SOC-Schätzwerts der nutzbare Betriebsbereich und somit die Kapazität des Energiespeichers bestimmt. Die Berechnung der Batteriekapazität erfolgt dabei in zwei Schritten:
- 1. Extremwertsuche: Suche des minimalen und des maximalen SOC-Schätzwerts innerhalb des Betriebsbereichs des neuwertigen Energiespeichers mit der Nebenbedingung dass der Qualifier Q dem logischen Wert „true“ gleicht (siehe 2), d.h. sein Betragswert kleiner gleich dem Schwellwert rmax ist.
- 2. Die Batteriekapazität berechnet sich dann als Betrag der Differenz aus den so gefundenen Extremwerten. Die beiden Extremwerte markieren den Lade-Betriebsbereich. Sie sind dadurch bestimmt, dass r betragsmäßig gleich rmax ist. In 2c ist dieser Bereich als „Betriebsbereich gealterte Zelle“ markiert.
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Die in dem ersten Berechnungsschritt ausgeführte Extremwertsuche erfordert, dass der Energiespeicher jeweils in den unteren und oberen SOC-Randbereichen betrieben wird. Hierzu kann der Energiespeicher sowohl innerhalb des normalen Fahrzeugbetriebs als auch innerhalb von Werkstatttests gezielt belastet (be-/entladen) werden, so dass sich ein SOC im entsprechenden Randbereich einstellt Die Bestimmung des SOC erfolgt wie beschrieben anhand eines modellbasierten Zustandsschätzansatzes.
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Das vorgeschlagene Verfahren ermöglicht die Erkennung von alterungsbedingten Kapazitätsverringerungen sowie eine Kapazitätsbestimmung von Energiespeichern sowohl während des normalen Betriebs im Fahrzeug als auch im Rahmen von Diagnosetests im Service. Besonders geeignet ist dieses Verfahren zu einer Kapazitätsbestimmung von modernen Li-Ionen Energiespeicher, deren Ruhespannungscharakteristik verhältnismäßig flach ausgebildet ist. Die Ruhespannungscharakteristik wird bei dem erfindungsgemäßen Verfahren nur implizit ausgewertet, womit keine zusätzlichen Wartezeiten entstehen und eine Kapazitätsbestimmung sehr schnell durchgeführt werden kann.