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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Betrieb einer Dampfturbine mit wenigstens einem Hochdruckteil und wenigstens einem Niederdruckteil, eine solche Dampfturbine sowie eine Steuer- oder Regeleinrichtung zur Durchführung eines solchen Verfahrens.
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Dampfturbinen werden unter anderem zur Energieumwandlung in Verbrennungskraftwerken eingesetzt, insbesondere bei Biomasse-, Reststoff- und Müllverbrennung. Die bei solchen Anwendungen erzielbaren hohen Vergütungen haben zu einer deutlichen Steigerung der Effizienz der eingesetzten Maschinen geführt, die jedoch nachteilig empfindlichere, weniger robuste Konstruktionen bedingt. So werden beispielsweise häufig deutlich längere Endstufenschaufeln eingesetzt, die Spaltabdichtungen sind optimiert, und es werden vollast-optimierte Profile eingesetzt.
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Als Folge ergibt sich ein deutlich eingeschränkter Betriebsbereich der Dampfturbine, diese kann in der Regel nur noch bei Dampfzuständen, gekennzeichnet durch Frischdampftemperatur, -druck und Abdampffeuchte, betrieben werden, die relativ nahe am Auslegungspunkt sind.
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Gerade bei den vorstehend genannten Einsatzbereichen unterliegt der Dampfzustand jedoch starken Schwankungen. Dabei ergeben sich insbesondere aufgrund des mit sinkender Frischdampftemperatur steigenden Nässe-Anteils im Abdampf Probleme.
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Auch wird bei hocheffizienten Dampfturbinen mit hohem inneren Wirkungsgrad bereits bei normaler Auslegung von hohen Dampfnässen, i. e. hohem Nässe-Anteil bzw. hoher Feuchte ausgegangen. Damit führt jedoch bereits eine geringfügige Unterschreitung der Frischdampftemperatur, wie sie bei den starken Schwankungen des Dampfzustandes auftreten kann, zu kritischen Zuständen in den Niederdruckteilen, insbesondere der Endstufenbeschaufelung der Dampfturbine. Hier kann es bei Überschreiten eines kritischen Wertes der Feuchte, Dampfnässe bzw. des Nässeanteils des Abdampfes zu Erosion, insbesondere sogenannter Tropfenschlagerosion kommen.
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Die
DD 264 731 A1 schlägt vor, für eine in Prozessen mit sehr kontinuierlichen Frischdampfparametern eingesetzte Dampfturbine, die mit einer Zwischenüberhitzung mittels abgezweigtem Frischdampf ausgerüstet ist, durch Regelung der Zwischenüberhitzungsmenge in Abhängigkeit von der gemessenen Endfeuchte Leistungsreserven ohne unkontrollierten Verschleiß zu mobilisieren.
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Dies ist insbesondere für industrielle Anwendungen apparativ und messtechnisch sehr aufwändig.
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Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es daher, auch bei schwankenden Frischdampfzuständen eine Dampfturbine, insbesondere eine hocheffiziente Dampfturbine, sicher betreiben zu können.
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Diese Aufgabe wird durch ein Verfahren mit den Merkmalen des Anspruchs 1 und einer Dampfturbine mit den Merkmalen des Anspruchs 4 gelöst. Die Unteransprüche betreffen vorteilhafte Weiterbildungen.
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Eine Dampfturbine weist allgemein wenigstens einen Hochdruckteil und wenigstens einen Niederdruckteil auf, in den der Dampf mit niedrigerem Druck eintritt als in den Hochdruckteil. Ein Niederdruckteil kann insbesondere eine Endstufe der Dampfturbine bilden, in dessen Ausgang die niedrigsten Drücke auftreten, ein Hochdruckteil insbesondere eine erste Stufe der Dampfturbine, in die der Frischdampf mit höchstem Druck eintritt. Gleichwohl ist die vorliegende Erfindung nicht hierauf beschränkt, sondern bezieht sich allgemein auf einen stromaufwärtigen Hochdruckteil, in den der Dampf mit höherem Druck eintritt, und einen stromabwärtigen Niederdruckteil, in den der Dampf mit niedrigerem Druck entweder aus dem Hochdruckteil oder einem zwischen Hoch- und Niederdruckteil angeordneten weiteren Turbinenteil eintritt. Insofern bezieht sich auch der Begriff „Frischdampf” allgemein auf den Dampf, der in diesen Hochdruckteil eintritt, „Abdampf” auf den Teil, der aus diesem Niederdruckteil austritt. Dabei kann es sich also um den der Dampfturbine als Ganzes zugeführten bzw. aus dieser abgeführten Frisch- bzw. Abdampf handeln, aber auch um Frisch- bzw. Abdampf, wie er in einzelnen Turbinenstufen anfällt.
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Erfindungsgemäß wird nun vor oder in dem Hochdruckteil der Dampfturbine eine Teildampfmenge entnommen und nach einer im Wesentlichen isenthalpen Entspannung dem Niederdruckteil zugeführt.
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Durch die Wiedereinspeisung der Teildampfmenge, die außerhalb des Turbinenteils im Wesentlichen isenthalp entspannt wurde, vor dem Niederdruckteil kann das Enthalpieniveau des dem Niederdruckteil insgesamt zugeführten Dampfes so weit erhöht werden, dass auch im Niederdruckteil selber keine unzulässig hohen Nässe-Anteile im Dampf auftreten. Vorteilhafterweise kann die Turbine so auch bei Schwankungen in der Dampfqualität weiterhin mit der vollen zur Verfügung stehenden Dampfmenge beaufschlagt werden. Dieses Verfahren eignet sich insbesondere zum temporären Durchfahren ungünstiger Dampfzustände.
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In einer bevorzugten Ausführung wird die entnommene Teildampfmenge durch eine Drosseleinrichtung geleitet und dadurch im Wesentlichen isenthalp entspannt. Als im Wesentlichen isenthalpe Entspannung wird dabei vorliegend insbesondere, jedoch nicht ausschließlich, eine Entspannung bezeichnet, bei der sich die absolute oder spezifische Enthalpie um höchstens 20%, vorzugsweise um höchstens 15% und insbesondere um höchstens 10% verringert.
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Die entnommene Teildampfmenge, insbesondere der Massen- oder Volumenstrom der Teildampfmenge kann vorzugsweise auf Basis einer Dampfnässe im Niederdruckteil, einer Turbinenleistung, einem Frischdampfzustand, einem Abdampfdruck und/oder einem Dampfverbrauch gesteuert bzw. geregelt werden. Es ist dazu nicht notwendig, die tatsächliche Abdampfnässe messtechnisch zu erfassen.
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Im Allgemeinen ist der Entspannungsverlauf des Dampfes in der Dampfturbine in Abhängigkeit von der Turbinenleistung bekannt. Aus diesem kann daher der Entspannungsendpunkt am Ende des Niederdruckteils bzw. hinter dem Niederdruckteil und somit die Nässe in diesem Bereich ermittelt werden. Überschreitet diese einen kritischen Wert, wird in einer bevorzugten Ausführung der Massen- oder Volumenstrom der entnommenen Teildampfmenge geregelt, i. e. unter Rückführung eines Ist-Wertes und Vergleich mit einem Soll-Wert, oder ungeregelt, beispielsweise auf Basis eines empirisch ermittelten Kennfeldes, entsprechend erhöht.
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Dies kann beispielsweise über ein einstellbares Drosselventil oder ein mit einer Drossel in Reihe geschaltetes Absperrventil erfolgen.
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Zusätzlich oder alternativ kann auch aus dem Dampfverbrauch der Turbinenteile, insbesondere bei bekanntem Frischdampfzustand und Abdampfdruck, die aktuelle Abdampfnässe abgeschätzt werden, so dass auch auf Basis eines oder mehrerer dieser Parameter der Massen- oder Volumenstrom der entnommenen Teildampfmenge gesteuert bzw. geregelt werden kann. Denn durch die erfindungsgemäße Umfahrung eines Turbinenteils mit einer Teildampfmenge erhöht sich der spezifische Dampfverbrauch des Turbosatzes. So wird in einer bevorzugten Ausführung bei abgesenkter Frischdampftemperatur der spezifische Dampfverbrauch entsprechend derart erhöht, dass in möglichst allen Lastzuständen ein Soll-Wert erreicht oder angestrebt wird, bei dem die Turbine die ohne Gefährdung des Niederdruckteils maximal mögliche Leistung erbringt.
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Um diese Regelung bzw. Steuerung durchzuführen, sind in einer Dampfturbine nach einem Ausführung der vorliegenden Erfindung ein oder mehrere Temperatur- und/oder Drucksensoren im Hochdruck- und/oder Niederdruckteil mit einer Steuer- bzw. Regeleinrichtung verbunden, die den Massen- oder Volumenstrom der entnommenen Teildampfmenge steuert bzw. regelt.
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Weitere Vorteile und Merkmale ergeben sich aus den Unteransprüchen und dem Ausführungsbeispiel. Hierzu zeigt, teilweise schematisiert:
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1 eine Dampfturbine nach einer Ausführung der vorliegenden Erfindung;
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2 ein Enthalpie-Entropie-Diagramm; und
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3 einen vergrößerten Ausschnitt der 2.
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1 zeigt eine hocheffiziente, mehrstufige Dampfturbine nach einer Ausführung der vorliegenden Erfindung mit einem Hochdruckteil H und einem Niederdruckteil N. Obwohl nicht dargestellt, können stromaufwärts vor dem Hochdruckteil H, stromabwärts nach dem Niederdruckteil N und/oder zwischen dem Hoch- und dem Niederdruckteil H, N weitere Turbinenteile angeordnet sein.
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Der Dampf wird, wie in 1 durch Pfeile angedeutet, mit höherem Druck dem Hochdruckteil H zugeführt, dort unter Abgabe mechanischer Arbeit an die Welle des Hochdruckteils H entspannt, und anschließend dem Niederdruckteil N zugeführt, wo er unter weiterer Entspannung auf einen niedrigeren Druck ebenfalls mechanische Arbeit verrichtet.
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In einer Umwegleitung, die sich zwischen einem Abzweigpunkt stromaufwärts des Hochdruckteils H und einem weiteren Abzweigpunkt zwischen dem Hoch- und dem Niederdruckteil H, N erstreckt, ist ein einstellbares Drosselventil D angeordnet, durch dass (bei wenigstens teilweise geöffnetem Drosselventil) vor dem Hochdruckteil H eine einstellbare Teildampfmenge entnommen und nach einer im Wesentlichen isenthalpen Entspannung in dem Drosselventil D dem Niederdruckteil N zugeführt werden kann.
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In dem Enthalpie(„h”)-Entropie(„s”)-Diagramm der 2 sind verschiedene Entspannungsverläufe in der Dampfturbine nach 1 eingezeichnet.
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Mit „I” ist ein Auslegungszustand bezeichnet, bei dem der Frischdampf mit einer Temperatur von 477°C dem Hochdruckteil H zu- und der Abdampf mit einer Feuchte von x_A = 0,888 aus dem Niederdruckteil N abströmt.
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Mit „III” ist zum Vergleich ein Entspannungsverlauf dargestellt, wie er ohne die vorliegende Erfindung in herkömmlichen Dampfturbinen nachteilig auftreten kann. Aufgrund von Schwankungen in der Brennstoffqualität des Brennstoffes (beispielsweise Müll, Reststoff oder Biomasse), mit dem der der Dampfturbine zugeführte Dampf erzeugt bzw. erhitzt wird, sinkt die Frischdampftemperatur auf 430°C. Dies führt bei ansonsten unverändertem Betrieb zu einem Abdampf, der mit einer Feuchte von x_A = 0,8665 aus dem Niederdruckteil N abströmt. Hierbei kommt es nachteilig zu Tropfenschlagerosion in dem Niederdruckteil N.
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Bei Betrieb der Dampfturbine gemäß einem Verfahren nach einer Ausführung der vorliegenden Erfindung ergibt sich hingegen bei der Frischdampftemperatur von 430°C der mit „II” bezeichnete Entspannungsverlauf, dessen Detail in 3 vergrößert dargestellt ist.
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Wie dort zu sehen, wird, sobald anhand der Turbinenleistung erfasst wird, dass ein kritischer Wasser-Anteil im Abdampf einen kritischen Wert überschreitet, durch teilweises Öffnen des einstellbaren Drosselventils D eine Teildampfmenge vor dem Hochdruckteil H entnommen und in dem Drosselventil D im Wesentlichen isenthalp entspannt (3 „3”). Die restliche, dem Hochdruckteil H zugeführte Dampfmenge wird hingegen in diesem entsprechend dem Turbinenwirkungsgrad adiabat entspannt (3 „1”). Anschließend werden am stromabwärtigen weiteren Abzweigpunkt beide Dampfmengen wieder gemischt (3 „2” bzw. „4”) und gemeinsam dem Niederdruckteil N zugeführt, in dem die gesamte Dampfmenge weiter entspannt wird. Wie dabei aus 2 erkennbar, führt dies zu einem Abdampf mit einer Feuchte von x_A = 0,88, bei der keine unter Beachtung der übrigen Randbedingungen der Turbine unzulässige Erosion im Niederdruckteil N auftritt. Die Zahlenwerte stellen nur Beispiele dar, entsprechend der konstruktiven Ausführung der Turbine und der zugesicherten Lebensdauer der Endstufen können andere Grenzwerte gelten.
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Die Erfassung der Turbinenleistung über in 1 als Kasten dargestellte Sensoren, die Bestimmung, ob ein kritischer Wert überschritten wurde, und die entsprechende Ansteuerung des einstellbaren Drosselventils D, welche ebenso wie die Signalübertragung von den Sensoren in 1 strichpunktiert angedeutet ist, erfolgt in einer Steuer- bzw. Regeleinrichtung S, welche beispielsweise in der Steuerung bzw. Regelung der Dampfturbine integriert, oder auch separat vorgesehen sein kann.
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Bezugszeichenliste
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- 1
- adiabte Entspannung im Hochdruckteil H
- 2
- Mischung der restlichen Dampfmenge
- 3
- isenthalpe Entspannung der Teildampfmenge
- 4
- Mischung der Teildampfmenge
- H
- Hochdruckteil
- N
- Niederdruckteil
- D
- einstellbares Drosselventil
- S
- Steuer- bzw. Regeleinrichtung