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Die
Erfindung betrifft ein Lenksystem, durch welches mittels eines Betätigungsgliedes über
eine Hilfskrafteinrichtung der Lenkwinkel der lenkenden Räder
eines Fahrzeugs verstellbar ist, sowie ein Verfahren zum Betreiben
eines solchen Lenksystems.
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Derartige
Lenksysteme umfassen gewöhnlich einen Regelkreis, dessen
Regelgröße zumindest von dem Lenkradmoment abhängig
ist. Die in einem Steuergerät gespeicherten Vorgabefunktionen
dienen dem Berechnen des Sollwerts des unterstützenden
Moments in Abhängigkeit von Eingangsgrößen des
Steuergerätes, insbesondere des Lenkradmomentes.
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In 1 ist
der übliche Aufbau eines elektromechanisch arbeitenden
Servo-Lenksystems eines Kraftfahrzeugs dargestellt, welches ein
Lenkrad 1 (Betätigungsglied) aufweist, das über
einen ersten Abschnitt 2 einer Lenkstange 13 mittels
eines oder mehrerer Kreuzgelenke 7 fest mit einem zweiten
Abschnitt 3 der Lenkstange verbunden ist. Die Lenkstange 13 überträgt
das von dem Fahrer des Kraftwagens auf das Lenkrad 2 aufgebrachte
Moment auf ein Ritzel 6, das in eine Zahnstange 8 eingreift,
die horizontal zur Achse des Fahrzeuges zwischen zwei gelenkten
Rädern 11 angeordnet ist. Das Ritzel 6 kann auch
durch ein beliebiges anderes Übertragungsmittel gebildet
sein, zum Beispiel eine Schneckenwelle. Jedes gelenkte Rad 11 ist
in der Lage, sich bei einer linearen Bewegung der Zahnstange 8 um
eine vertikale Drehachse A zu drehen, wobei das gelenkte Rad 11 über
die Zahnstange 8 von einem Gestänge 10 durch
einen Servomotor 9 (Hilfskrafteinrichtung) angetrieben
wird.
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Das
Servo-Lenksystem besitzt ferner eine Servo-Steuerung, die dazu dient,
auf die Zahnstange 8 eine Kraft auszuüben, die
in der gleichen Richtung wirkt wie die Kraft des Ritzels 6,
wodurch dem Fahrer des Fahrzeugs das Drehen des Lenkrads 1 erleichtert
wird. Die Servo-Steuerung umfasst einen Servomotor 9, dessen
Ausgangsmoment von einem elektronischen Steuergerät 12 gesteuert
wird, welches ein Sollwertsignal S des Hilfsmomentes an den Servomotor 9 liefert.
Das Ausgangsmoment des Servomotors 9 wird mittels einer
nicht dargestellten Antriebswelle des Servomotors 9 auf
die Zahnstange 8 und damit die Räder 11 übertragen.
Wegen der erheblichen zu übertragenden Kräfte
wirkt die Antriebswelle des Servomotors 9 in der Regel über
ein nicht näher dargestelltes Kugelgetriebe 14 auf
die Zahnstange 8.
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Die
Abtriebswelle des Servomotors 9 ist somit über
das Kugelgetriebe 14, die Zahnstange 8 und das
Ritzel 6 mechanisch mit der Lenkstange 13 verbunden.
Die mechanische Verbindung zwischen der Abtriebswelle und der Lenkstange 13 kann
aber auch direkt erfolgen, indem die Abtriebswelle an der Lenkstange 13 über
ein geeignetes Getriebe direkt angreift. In dem Fall sitzt der Servo-/Unterstützungsmotor
an der Lenkstange. Die Abtriebswelle des Elektromotors unterstützt
dabei den Lenkeinschlag des Lenkrads 1, indem sie mittels
der vorstehend genannten mechanischen Einrichtungen auf die Lenkstange 13 ein
Hilfsmoment ausübt, das direkt von dem Ausgangsmoment des
Servo-Motors 9 und folglich von dem Sollwertsignal S des
Hilfsmoments abhängt.
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Das
Steuergerät 12 ist in der Regel derart aufgebaut,
dass es aufgrund der ankommenden Eingangssignale, z. B. des mit
einem Drehmomentsensor 4 gemessenen Drehmomentes DM und/oder
des mit einem Drehwinkelsensor 5 gemessenen Drehwinkels
DW, die Höhe des durch den Servo-Motor 9 auszuübenden
Hilfsmomentes berechnet und den entsprechenden Sollwert S an den
Servomotor 9 ausgibt. Mit Hilfe geeigneter, in dem Steuergerät 12 abgelegter
Berechnungsalgorithmen wird dabei das Hilfsmoment in der Regel derart
bestimmt, dass in Abhängigkeit von der errechneten Differenz
des Drehwinkels DW und einem von einem Lenkwinkelsensor 15 gemessenen
Lenkwinkel LW der Räder 11 ein von dem Servo-Motor 9 aufzubringendes
Hilfsmoment bestimmt wird. Dieses Hilfsmoment ist derart groß gewählt,
dass hinsichtlich des insgesamt zur Betätigung der Räder
aufzubringenden Momentes am Lenkrad ein Restmoment übrig
bleibt, welches von dem Fahrer gut beherrschbar ist. Damit wird
in der Regel das Hilfsmoment auch von Größen abhängen,
die Einfluss auf das Lenkmoment der Räder besitzen, wie
beispielsweise Drehwinkelgeschwindigkeit, Temperatur, Fahrzustand
des Fahrzeugs, Straßenverhältnisse und so weiter.
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Es
sind weiterhin Sonderformen elektromechanisch arbeitender Servo-Lenksysteme
bekannt geworden, bei denen die mechanische Verbindung zwischen
Lenkrad 1 und Zahnstange 8 aufgetrennt ist. Bei
diesen so genannten steer-by wire-Lenksystemen müssen die
gewöhnlich von dem Lenkrad 1 auf die Zahnstange 8 aufzubringenden
Kräfte und Momente durch entsprechende elektrisch arbeitende Geräte
nachgebildet werden, die weiter oben geschilderten grundsätzlichen
Prinzipien bleiben dabei allerdings erhalten.
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Abhängig
von der Fahrsituation eines Fahrzeugs werden an die Lenkung unterschiedliche
Forderungen gestellt. So ist es beispielsweise erwünscht,
dass bei hohen Fahrgeschwindigkeiten, bei denen in der Regel bei
Betätigung des Lenkrades nur kleine Lenkwinkel gefordert
werden (Autobahnfahrt), das für die exakte Einstellung
des Handwinkels notwendige Handmoment nicht zu gering ist, damit
der Fahrer die Einstellung der Handwinkel besser dosieren kann und
nicht versehentlich das Steuer verreißt. Umgekehrt soll
beispielsweise bei niedrigen Fahrgeschwindigkeiten das Handmoment
zur Einstellung großer Lenkwinkel relativ klein sein (langsame
Fahrt durch enge Kurven, Parken in einer Parklücke). Es sind
daher eine Reihe von Lenksystemen bekannt geworden, bei denen sich
die Höhe der Lenkungsunterstützung mit der Fahrsituation
des Fahrzeugs ändert.
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So
ist es beispielsweise aus der
DE 10244067 A1 bekannt, ein durch einen Servomotor für
die Lenkungsunterstützung aufgebrachtes Unterstützungsmoment
durch einen variablen Software-Endanschlag mit wachsendem Lenkwinkel
zu erhöhen.
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In
der
DE 102005038390
A1 wird vorgeschlagen, den maximal einstellbaren Lenkwinkel
abhängig von der Fahrsituation eines Fahrzeugs zu begrenzen,
indem der maximal einstellbaren Lenkwinkel von der augenblicklichen
Geschwindigkeit des Fahrzeugs abhängig gemacht wird. Dabei
wird von der Überlegung ausgegangen, dass bei schneller Fahrt
in der Regel kleinere Lenkwinkel benötigt werden, so dass
trotz größerer Kräfte an dem Fahrzeug und
damit entsprechender Verformung der Reifen kein größerer
Freiraum für die Räder benötigt wird
als bei langsamer Fahrt.
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Aus
der
DE 10244070 A1 ist
es bekannt, eine so genannte Langzeit-Korrektur des Unterstützungsmomentes
in Abhängigkeit von der aktuellen Fahrsituation vorzunehmen.
Dabei ist der Korrekturwert von dem bei Geradeausfahrt von null
abweichenden Lenkwinkel abhängig. Die Korrektur ist darüber
hinaus noch wahlweise oder in Abhängigkeit von der Fahrzeuggeschwindigkeit
abschaltbar.
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Aus
der
DE 102006030527
A1 ist es darüber hinaus bekannt, unter Verwendung
eines durch Satelliten gestützten Navigationssystems zu
erwartende künftige Fahrsituationen zu bestimmen und danach
die Arbeitsweise elektronischer und/oder mechanischer Fahrzeugsysteme
zu beeinflussen. In dem in dieser Schrift beschriebenen Fall besteht
das Fahrzeugsystem aus einem elektronisch gesteuerten Fahrzeuggetriebe.
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Bei
den genannten bekannt Systemen wird der Fahrzeugzustand in der Regel
immer nur durch eine einzige Eingangsgröße festgelegt.
Eine enge Anpassung der Arbeitsweise des Lenksystems an den aktuellen
Fahrzustand ist damit nur schwer möglich. Es ist Aufgabe
der vorliegenden Erfindung, mit vergleichsweise einfachen Mitteln
eine enge Anpassung der Arbeitsweise eines Lenksystems an den aktuellen
Fahrzustand eines Fahrzeugs zu ermöglichen sowie ein geeignetes
Verfahren zum Betreiben einer Lenkung zur Verfügung zu
stellen.
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Die
Lösung des technischen Problems ergibt sich durch die Gegenstände
mit den Merkmalen der Ansprüche 1 und 12. Weitere vorteilhafte
Ausgestaltungen der Erfindung ergeben sich aus den Unteransprüchen.
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Die
vorliegende Erfindung besteht im Prinzip daher darin, in Abhängigkeit
von vorzugsweise mehreren Eingangsgrößen eines
Fahrsituationserkenners die aktuelle Fahrzeugsituation zu klassifizieren und
entsprechend der gefundenen Fahrsituationsklasse eine dieser zugeordnete
Adaptionsklasse festzulegen, mit der in einer Adaptionseinrichtung das
Steuersignal des Servomotors an die aktuelle Fahrsituation angepasst
wird. Auf diese Weise sind die Eingangssignale des Fahrsituationserkenners von
der abschließenden Adaption des Steuersignals weitgehend
entkoppelt, so dass sich eine recht transparente Zuordnung zwischen
der Fahrsituationsklasse und der Adaptionsklasse ergibt. Das erfindungsgemäße
Lenksystem ist somit leichter an unterschiedliche Lenkungstypen
und Fahrzeugserien anpassbar.
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Vorzugsweise
geschieht die Adaption des Steuersignals im Sinne einer Optimierung
des Lenkverhaltens des Lenksystems an verschiedene Adaptionsklassen,
wobei die Adaptionsklasse insbesondere die Fahrsicherheit, den Lenkkomfort
oder den minimalen Energie- beziehungsweise Stromverbrauch betreffen
oder eine Optimierung all dieser Größen betreffen.
Es ist somit möglich, einer bestimmten erkannten Fahrsituationsklasse
eine geeignete Adaptionsklasse fest zuzuordnen. Wurde beispielsweise
als Fahrsituationsklasse auf einen ESP-Eingriff erkannt, so erscheint
es sinnvoll, dieser eine Adaptionsklasse zuzuordnen, deren Schwerpunkt
bei der Sicherheit liegt. Wurde umgekehrt als Fahrsituation ”Parken” erkannt,
so könnte der Schwerpunkt der zugehörigen Adaptionsklasse
bei dem Lenkkomfort liegen. Demgegenüber kann bei einer
möglichen Fahrsituation ”Geradeausfahrt” die Leistung
des Servomotors durch eine entsprechende Adaptionsklasse zurückgenommen
werden und damit Energie eingespart werden. Entsprechendes gilt für
den Fall, dass das Fahrzeug steht. Es sei angemerkt, dass ESP-Eingriff
und ABS-Eingriff also sowohl Eingangssignale als auch Fahrsituationsklassen
darstellen können.
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Entsprechend
den genannten Beispielen können auch weitere sinnvolle
Fahrsituationsklassen geeigneten Adaptionsklassen zugeordnet werden. Dabei
ist es möglich, dass die Eigenschaften der zugeordneten
Adaptionsklasse einem Optimum aus Fahrsicherheit, Lenkkomfort und Stromverbrauch hinsichtlich
der zugehörigen Fahrsituationsklasse entsprechen. Im einfachsten
Fall wird einer bestimmten Fahrsituationsklasse eine bestimmte Adaptionsklasse
fest zugeordnet. Die gefundene Fahrsituationsklasse bestimmt somit
gleichzeitig die Adaptionsklassen. Noch weiter vereinfacht kann
das eine Fahrsituationsklasse angebende Ausgangssignal des Fahrsituationserkenners
das die Adaptionsklasse bestimmende Signal sein. Wie weiter unten
noch näher beschrieben ist, kann die Adaption in der Gewichtung des
das Soll-Moment des Servomotors bestimmenden Signals bestehen. Mit
dem die Fahrsituationsklasse angebenden Signal kann somit gleichzeitig die
Adaption des Soll-Momentsignals durchgeführt werden.
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In
Weiterbildung der Erfindung empfiehlt es sich, das Steuersignal
des Servomotors entsprechend der gewählten Adaptionsklasse
mit einer geeigneten Gewichtung zu belegen. Soll beispielsweise der
Fahrer das Fahrzeug bei hoher Geschwindigkeit sicher führen
können, so wird man ihm ein hinreichend großes
Handmoment zur Verfügung stellen, damit er seine Lenkbewegungen
besser kontrollieren kann. Im Ergebnis bedeutet dies, dass das unterstützende
Moment eher zurückgenommen als erhöht wird, was
durch eine Verminderung des Steuersignals durch eine entsprechende
Gewichtung geschehen kann. Die Gewichtung des Steuersignals kann daher
sowohl von der Fahrsituationsklasse als auch von der Adaptionsklasse
(Fahrsicherheit, Fahrkomfort, Energieverbrauch) abhängig
sein.
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Unter
dem Gesichtspunkt, dass auch die Fahrer eines Fahrzeugs unterschiedliche
Ansprüche an die Wirkungsweise einer Lenkung stellen, ist
es auch möglich, den jeweiligen Schwerpunkt einer Adaptionsklasse
oder aller Adaptionsklassen in Abhängigkeit von dem Wunsch
des Fahrers veränderbar zu machen. Der Fahrer kann somit
einstellen, ob die Lenkung mehr die Sicherheit, den Komfort oder
die Einsparung an Energie betonen soll.
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Es
ist aber auch möglich, dass durch Wahl einer Adaptionsklasse
nicht nur die Stärke des Steuersignals konstant erhöht
oder erniedrigt wird. Hierzu kann beispielsweise die von der Fahrzeuggeschwindigkeit
und/oder dem Lenkwinkel und/oder dem Handmoment abhängige
Lenkfunktion geändert werden, indem in einem geeigneten
Kennlinienfeld auf eine andere Kennlinie umgeschaltet wird.
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In
Weiterbildung der Erfindung wird vorgeschlagen, in dem Fahrsituationserkenner
die Bestimmung der jeweiligen Fahrsituation von einer Mehrzahl von
Eingangssignalen abhängig zu machen, so dass die Fahrsituation
genauer klassifiziert werden kann. Dabei sollen vorzugsweise Eingangssignale verwendet
werden, die dem Fahrzeug regelmäßig ohne weiteres
zur Verfügung stehen, so dass nicht zusätzliche
Sensoren aufgewendet werden müssen.
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Beispielsweise
sind dies die Temperatur des Lenksystems und/oder der ESP-Lenkwinkel und/oder
die ESP-Lenkwinkelgeschwindigkeit und/oder das Handlenkmoment und/oder
die Winkelgeschwindigkeit des Antriebsmotors und/oder das Soll-Servomoment
und/oder ein ESP-Eingriff und/oder ein ABS-Eingriff und/oder die
Fahrzeuggeschwindigkeit und/oder die Lenkleistung.
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In
einer bevorzugten Ausführungsform sind in dem Fahrsituationserkenner
Bewertungsregeln in Form von Datensätzen gespeichert, auf
deren Gültigkeit hin die Eingangssignale überprüft
werden. Werden die von einer Bewertungsregel vorgegebenen Bedingungen
durch die Eingangssignale erfüllt, so ist die dieser Bewertungsregel
entsprechende Fahrsituationsklasse erkannt. Das der erkannten Fahrsituationsklasse
zugeordnete Ausgangssignal des Fahrsituationserkenners wird vorzugsweise
der Adaptionseinrichtung zugeführt, in der die Lenkfunktion
an die gefundene Fahrsituationsklasse angepasst wird.
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Im
einfachsten Fall sind in dem Fahrsituationserkenner den einzelnen
Fahrsituationsklassen jeweils eigene Ausgänge zugeordnet.
Auf diesen Ausgängen erscheinen dann jeweils die der gefundenen und
gerade geltenden Fahrsituation entsprechenden Signale, beispielsweise
in Form der Angabe der zugehörigen Gewichtung in der Adaptionseinrichtung. Ändert
sich somit die erkannte Fahrsituationsklasse, so wird ein anderer
Ausgang angesprochen, an dem das entsprechende Gewichtungssignal
erscheint. Nachteilig ist dabei allerdings, dass bei einer Änderung
der Fahrsituationsklasse auch eine schlagartige Änderung
der Gewichtung (oder aber auch der oben beschriebenen Lenkfunktion)
auftreten kann, was zu einer Verwirrung des Fahrers führen
kann. Entsprechend wird somit in Weiterbildung der Erfindung vorgeschlagen,
mittels einer geeigneten Einrichtung (Überblender) einen
allmählichen oder schleifenden Übergang von einem
Ausgangssignal zu einem anderen Ausgangssignal des Fahrsituationserkenners durchzuführen.
Im einfachsten Fall geschieht dies dadurch, dass von einem ersten
Gewichtungssignal allmählich auf ein zweites Gewichtungssignal übergegangen
wird.
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Arbeitet
der Fahrsituationserkenner digital, so sind die Bedingungen einer
Bewertungsregel entweder erfüllt oder nicht erfüllt.
In der Praxis bedeutet dies, dass bei einer Einfahrt in einen Autobahn-Parkplatz
möglicherweise schlagartig von der Fahrsituation ”Autobahn-Fahrt” auf
die Fahrsituation ”Parken” umgeschaltet wird mit
den entsprechenden nachteiligen Folgen für das sich plötzlich ändernde
Lenkgefühl. Entsprechend wird daher in Weiterbildung der Erfindung
vorgeschlagen, die Zuordnung des durch die aktuellen Werte an den
Eingängen des Fahrsituationserkenners dargestellten aktuellen
Fahrzustandes zu mindestens einer Fahrsituationsklasse mit Hilfe
einer Fuzzy-Logik durchzuführen.
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Fuzzy-Logik
(englisch: fuzzy logic) ist eine Theorie, welche vor allem für
die Darstellung des menschlichen (und damit unscharfen) Wissens
entwickelt wurde. Sie ist eine Verallgemeinerung der zweiwertigen
Booleschen Logik um einen weiteren unscharfen (englisch: fuzzy)
Wahrheitswert, der zwischen wahr (1) oder falsch (0) liegt. Beispielsweise kann
der Wahrheitswert den Wert 0,5 annehmen, so dass damit auch unscharfe
Angaben wie ”ein bisschen”, ”ziemlich” oder ”stark” mathematisch
behandelt werden können. Damit arbeiten fuzzylogikunterstützte
Programme näher am menschlichen Denken als übliche
Programme.
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Teilt
man beispielsweise Äpfel in ”ungegessene Äpfel” und ”gegessene Äpfel” (Griebsche)
ein, so kann man einen angebissenen Apfel mit digitaler Logik nicht
klassifizieren, denn er ist keins von beiden. Die Fuzzy-Logik behilft
sich damit (”Fuzzyfizierung”), dass sie den angebissenen
Apfel beiden Klassen mit einer entsprechenden Gewichtung zuordnet. Ist
der Apfel nur wenig angebissenen, so ist er 90% ”ungegessener
Apfel” und 10% ”gegessener Apfel”. Ist
der Apfel weitgehend gegessen, so kehren sich die Prozentzahlen
der beiden Apfelklassen um.
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Die
Fuzzyfunktion für das Alter eines Menschen könnte
aus mehreren dachförmigen Dreiecken bestehen, die ihrerseits
für verschiedene Altersbereiche stehen. Jedes Dreieck deckt
einen Bereich von mehreren Jahren des Menschenalters ab, wobei jeweils
die Spitze des Dreiecks anzeigt, dass die so klassifizierte Eigenschaft
an dieser Stelle zu 100% erfüllt ist. Ein Mensch mit 45
Jahren hätte so beispielsweise die Eigenschaften: noch
jung mit der Wertung 0,75 (das ist noch relativ viel), mittleres
Alter mit der Wertung 0,25 (das ist ein bisschen mittelalt) und
von den übrigen (z. B. ”ganz jung” oder ”sehr
alt”) Funktionen nichts. Anders ausgedrückt: mit
45 ist man ziemlich viel noch jung und ein bisschen mittelalt.
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Diese
Dreiecksgestalt, die beispielsweise die prozentuale Zugehörigkeit
eines bestimmten Alters zu einer bestimmten Altersklasse beschreibt,
ist allerdings keineswegs zwingend, generell können Fuzzy-Funktionen
beliebige Gestalt haben, solange die Funktionswerte im Intervall
[0 bis 1] bleiben. In der Praxis werden solche Dreiecksfunktionen
aufgrund ihrer einfachen Berechenbarkeit jedoch gerne verwendet.
Relativ weit verbreitet sind noch Trapeze (nicht notwendigerweise
spiegelsymmetrisch), aber auch Halbkreise finden sich in einigen
Anwendungen. Auch können sich prinzipiell mehr als zwei
Abschnitte einer Fuzzy-Funktion überlappen.
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In
den meisten Fällen werden Fuzzyfunktionen über
Tabellen aus statistischen Erhebungen erzeugt. Praktisch bedeutsam
ist auch, die Erfahrungen und Intuitionen eines Experten auf dem
jeweiligen Gebiet in eine Fuzzyfunktion mit einfließen
zu lassen, insbesondere dann, wenn überhaupt keine statistischen
Aussagen vorhanden sind, beispielsweise dann, wenn es sich um ein
komplett neu zu beschreibendes System handelt.
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Da
durch die Fuzzy-Logik einer Eingangsgröße mehreren
Fahrsituationsklassen mit einem entsprechenden Anteil von 0% und
100% und zugeordnet werden können, ist es bei der Defuzzyfizierung
auch möglich, zwischen zwei Fahrsituationsklassen liegenden
unscharfen Beschreibungen der Fahrsituationsklasse entsprechende
Gewichte zuzuordnen. Es können somit leichter schleifende Übergänge
bei der der Adaptionseinrichtung zugeführten Gewichtung
eines sich ändernden Fahrzustandes geschaffen werden. Bei
der eingangs beschriebenen Einfahrt eines Fahrzeugs auf einen Autobahn-Parkplatz
kann die Fahrsituation beispielsweise mit 75% ”Autobahnfahrt” und
25% ”Parken” beschrieben werden. Ein gesonderter Überblender
ist dann nicht mehr nötig.
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Hinsichtlich
des Verfahrens wird hiermit vollinhaltlich auf die Ausführungen
zum Lenksystem Bezug genommen.
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Die
Erfindung wird nachfolgend anhand eines bevorzugten Ausführungsbeispiels
näher erläutert. Die Figuren zeigen:
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1 den üblichen
Aufbau einer elektromechanischen Servolenkung,
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2 in
Form eines Blockschaltbildes die Prinzipdarstellung der vorliegenden
Erfindung hinsichtlich der Fahrsituationsermittlung und
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3 in
Form eines Blockschaltbildes das Wirkungsprinzip der Erfindung,
die aktuelle Fahrsituation des Fahrzeugs aufgrund von Eingangsgrößen zu
ermitteln.
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Nachdem
Einzelheiten zu 1 schon eingangs erläutert
wurden, zeigen 2 und 3 Ausschnitte
des erfindungsgemäßen Lenksystems.
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In 2 ist
das Prinzip der Erfindung anhand eines Blockschaltbildes dargestellt.
Dabei werden Eingangssignale 55, welche für die
Bestimmung der Fahrsituationsklasse wesentlich sind, über
getrennte Eingänge einem Fahrsituationserkenner 56 zugeführt.
Der Fahrsituationserkenner 56 ist mit einer Fuzzy-Logik 54 versehen,
die in 2 durch einander überdeckende Dreiecke
angedeutet ist. Die in dem Block des Fahrsituationserkenners 56 eingezeichneten
Kurven sollen beispielhaft die Fuzzy-Funktionen von drei Eingangssignalen 55 andeuten.
Die sich aus der Anwendung der Fuzzy-Funktionen ergebenden Vorteile
wurden weiter oben ausführlich beschrieben und sollen daher
an dieser Stelle nicht wiederholt werden. Nach einer Defuzzyfizierung
liegen an einem oder mehreren der Ausgänge 57 des
Fahrsituationserkenners 56 Ausgangssignale an. Die Ausgänge 57 stellen
eine Klassifizierung dar, so dass diese auch als Fahrsituationsklassen 57 bezeichnet
werden können. Diese Ausgangssignale stehen für
die jeweils erkannte Fahrsituation. Soweit der Fahrsituationserkenner 56 nicht mit
Fuzzy-Logik sondern digital arbeitet, wird in der Regel nur an einem
der Ausgänge 57 ein Signal anstehen. Wurde beispielsweise
auf ”Autobahnfahrt” erkannt, so liegt an dem entsprechenden
Ausgang 57 ein Signal an. Die Höhe dieses Signals
kann in der einfachsten Form gleichzeitig die Größe
bedeuten, mit der das Sollmoment SM (also das Soll-Unterstützungsmoment
von den Lenkfunktionen) gewichtet werden soll, also bereits eine
einfache Adaption bildet. Das Ausgangssignal kann aber auch eine
komplexere Lenkfunktion beschreiben, mit der über eine Adaptionseinrichtung 59 das
Sollmoment SM beaufschlagt wird.
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Weiter
oben war schon erläutert worden, dass abhängig
von den erkannten Fahrsituationen die Adaptionseinrichtung 59 mit
entsprechenden Gewichten beaufschlagt wird. Die Gewichte sind dabei derart
gewählt, dass das Sollmoment umso mehr reduziert wird,
je größer das am Lenkrad verbleibende Handmoment
werden soll. Dementsprechend ist das als Faktor wirkende Gewicht
bei einer Autobahnfahrt kleiner als beim Parkieren.
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Bei
einer digitalen Wirkungsweise des Fahrsituationserkenners 56 kann
beim Erkennen einer neuen Fahrsituation das der Adaptionseinrichtung 49 zugeführte
Signal sich schlagartig erheblich ändern, wenn beispielsweise
bei der Einfahrt auf einen Autobahn-Parkplatz zuerst auf eine ”Autobahnfahrt” erkannt
wurde (das heißt kleines Gewicht, kleineres Sollmoment,
größeres Handmoment) und anschließend
auf ”Parkieren” erkannt wurden (das heißt
großes Gewicht, großes Sollmoment, kleines Handmoment).
Diese Änderung des Lenkgefühls kann einen Fahrer
möglicherweise verunsichern und seine Konzentration vom
Fahrgeschehen ablenken.
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Um
hier Abhilfe zu schaffen dient ein Überblender 58,
welcher den schlagartigen Wechsel der Ausgangsgröße
des Fahrsituationserkenners 56 abmildert und einen schleifenden Übergang
zwischen diesen Ausgangssignalen schafft. Verwendet der Fahrsituationserkenner 56 Fuzzy
Logik, so kann unter Umständen auf den Überblender 58 verzichtet werden
und der Fahrsituationserkenner 56 unter Umständen
mit einer einzigen Ausgangsleitung direkt mit der Adaptionseinrichtung 59 verbunden
sein. Diese Möglichkeit besteht deshalb, weil die Fuzzy-Logik auch
in der Lage ist, Bewertungen abzugeben, die gewichtet mehrere Fahrsituationsklassen
(z. B. Autobahnfahrt, Landstraße, Stadtfahrt, Parkieren,
Geländefahrt) berücksichtigt. So kann bei der
Fuzzyfizierung beispielsweise bei der Einfahrt in einen Autobahn-Parkplatz
der Zustand berücksichtigt werden: 75% Autobahnfahrt 25%
Parkieren. Das ergebende Gewicht liegt somit zwischen Autobahnfahrt
und Parkieren und bildet somit einen Übergang zwischen
diesen beiden Fahrsituationsklassen ab.
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Das
adaptierte Sollmoment SMa wird schließlich dem Steuergerät 12 zugeführt,
welches die entsprechende Stellgröße für
den Servomotor zur Verfügung stellt. Dabei sei angemerkt,
dass der Fahrsituationserkenner 56 vorzugsweise ebenfalls
im Steuergerät 12 implementiert ist, so dass mit
Bezugszeichen 12 nur ein Teil des Steuergeräts 12 bezeichnet
ist.
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3 zeigt
die geschilderten Zusammenhänge durch einen entsprechenden
Signal-Ablaufplan, wobei die Baugruppen, in denen die einzelnen Signale
wirksam sind, mit den gleichen Bezugszeichen wie in 2 versehen
wurden. Die im Zusammenhang mit den Eingangssignalen 55 angegebenen
Größen (Lenkradwinkel, Lenkradwinkel Geschwindigkeit
Handmoment und so weiter) sind nicht abschließend angegeben.
Das gilt auch für die in 2 an den
Eingängen anliegenden Eingangssignale 55, die
teilweise von den Eingangssignalen 55 nach 3 abweichen.
Wesentlich ist, dass Eingangssignale den Eingängen des
Fahrsituationserkenners 56 zugeführt werden, aus
welchen sich zweckmäßige Fahrsituationsklassen 57 bestimmen lassen,
wobei die Fahrsituationsklassen sinnvollerweise derart gewählt
sein sollten, dass sie durch eine Änderung der Lenkfunktionen
zu einer Verbesserung des Lenkgefühls beitragen können.
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In 3 ist
beispielhaft eine Bewertungsregel von Eingangssignalen zur Bestimmung
einer Fahrsituationsklasse 57 aufgeführt. Diese
Bewertungsregel setzt nicht notwendigerweise Fuzzy-Logik voraus,
da die angegebene Regel hinsichtlich der einzelnen Parameter eindeutige
Werte vorgibt, die auch digital bearbeitet werden können.
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Zusammenfassend
lässt sich die Erfindung wie folgt beschreiben. Das Spektrum
der möglichen Fahrsituationen ist aus Sicht des elektromechanischen
Lenksystems vielschichtig, denn die Anforderungen an eine Lenkung
bei Autobahnfahrt sind andere als beim Einparken oder der Fahrt
im Gelände. Ziel ist es, die elektromechanische Lenkung
ständig im optimalen Betriebspunkt zu betreiben. Der optimale
Betriebspunkt ist eine mehrdimensionale Zielfunktion aus Lenkkomfort,
-Sicherheit, Stabilität und minimalem Energiebrauch. Die
Generierung eines situationsgerechten Lenkunterstützungsmomentes
soll abhängig sein von diversen Fahrsituationen (z. B. Parkieren,
Autobahnfahrt, Stadtfahrt, Landstraße, etc.). Unter Verwendung
der aktuellen Fahrsituation soll die Lenkung optimal auf die jeweilige
Situation angepasst werden.
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Bei
elektromechanischen Lenksystemen (siehe 1) wird
die Lenkfunktionalität durch softwarebasierte Algorithmen
generiert. Die Algorithmen sind auf dem Steuergerät des
Lenksystems implementiert.
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Die
Generierung des situationsgerechten Lenkunterstutzungsmoments ist
abhängig von diversen Fahrsituationen (z. B. Parkieren,
Autobahnfahrt, Stadtfahrt, Landstrasse, etc.). Alle lenkungsrelevanten
Signale zur Erkennung der aktuellen Fahrsituation stehen dem Lenkungssteuergerät
(Steuergerät 12, siehe Bild 1) zur internen Verarbeitung
zur Verfügung. Diese Eingangssignale werden genutzt, um
die jeweilige Fahrsituation mittels Softwarealgorithmus zu bestimmen.
Die ermittelte Fahrsituation dient dann zur optimalen Adaption der
Lenkung an den jeweiligen Fahrzustand. Hierbei werden folgende Adaptionskategorien
nach ermittelter Fahrsituation berücksichtigt: Lenkkomfort,
Fahrsicherheit, minimaler Energieverbrauch bzw. Stromverbrauch.
Der Übergang von den Fahrszenarien (z. B. Autobahnfahrt
-> Landstraßenfahrt)
erfolgt stetig und wird mit einer so genannten ”Überblendfunktion” harmonisch
durchgeführt, derart, dass keine störenden, abrupten
oder unstetigen Effekte in dem Lenkunterstutzungsmoment entstehen.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- - DE 10244067
A1 [0009]
- - DE 102005038390 A1 [0010]
- - DE 10244070 A1 [0011]
- - DE 102006030527 A1 [0012]