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Die
vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zur Herstellung einer
optischen Vorrichtung, insbesondere Brille, zur Behandlung von visuellen
motorischen Wahrnehmungsstörungen
beim Menschen.
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In
Deutschland erleiden jährlich
mehr als 54.000 Menschen einen Schlaganfall oder eine unfallbedingte
Schädelhirnverletzung.
Bei etwa 20% dieser Patienten kommt es zu nachhaltigen Sehstörungen,
die sich unter anderem als Hemianopsien, Quadranten-Anopsien, Skotome
oder Tunnelblick manifestieren. Des Weiteren kommt es sehr häufig zu
räumlich-visuellen
Veränderungen
in der Wahrnehmung der Betroffenen und dadurch oftmals zu einer
Verzögerung
oder auch Stagnation der Reha-therapeutischen Maßnahmen. Solche visuellen motorischen
Störungen
können
sich je nach Patient unterschiedlich auswirken. Häufig beobachtet
man einen räumlichen
Sicht- und Orientierungsverlust, Schwindel oder Übelkeit, Störung der Hell-/Dunkel-Adaption, Störungen des
Gleichgewichts und/oder Fehlhaltung in der Körpergeometrie, versetzte Wahrnehmung
der eigenen Körpermitte,
Wahrnehmen von Doppelbildern, Konzentrationsschwierigkeiten oder
binokulare Fehlfunktionen. Als Folge der zuvor genannten Auswirkungen
erfahren die Betroffenen mehr oder weniger starke Beeinträchtigungen
ihrer motorischen Fähigkeiten.
Sehleistung und motorische Leistung treten gegenseitig in Wechselwirkung.
Durch eine Optimierung der visuellen Prozesse könnte eine erhebliche Verbesserung
und Beschleunigung der motorischen Prozesse erzielt werden.
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Es
ist Aufgabe der vorliegenden Erfindung, ein Verfahren oder eine
optische Vorrichtung anzugeben, mit dem/der visuelle motorische
Störungen
beim Menschen erkannt und verbessert werden können.
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Diese
Aufgabe wird gelöst
durch ein Verfahren mit den Merkmalen des Anspruchs 1 und eine optische
Vorrichtung, insbesondere Brille, mit den Merkmalen des Anspruchs
5.
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Die
Erfindung betrifft ferner die Verwendung einer optischen Vorrichtung
zur Behandlung von visuellen motorischen Wahrnehmungsstörungen bei Patienten
mit Schädelhirntrauma,
Schlaganfall, Gehirntumor, multipler Sklerose oder Meningitis und
einen Therapieplan, der das erfindungsgemäße Verfahren umfasst.
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Mit
dem erfindungsgemäßen Verfahren
ist es möglich,
die Gläser
einer optischen Vorrichtung, insbesondere einer Brille, so zu schleifen,
dass eine optische Spezialanpassung und damit Behebung bzw. Verbesserung
der visuellen motorischen Störungen der
Betroffenen vorgenommen werden kann. Das erfindungsgemäße Verfahren
erlaubt eine spezifische Ermittlung der Fehlanpassung und eine Korrektur
mit Hilfe individueller, gewonnener Daten und Informationen, welche
zur Herstellung und Verarbeitung der Gläser verwertet werden. Durch
die erfindungsgemäße optische
Spezialanpassung wird eine Verbesserung beim Gehen, Lesen, der Naharbeit
sowie der manuellen Feinmotorik erreicht.
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Das
erfindungsgemäße Verfahren
umfasst folgende Schritte:
- – Bestimmung des visuellen
und körperlichen Ist-Zustandes,
vorzugsweise durch Gespräche, Anamnese, Übungen,
Analyse der Motorik/Körperhaltung
mit dem Betroffenen,
- – Durchführung einer
objektiven Refraktion,
- – Durchführung einer
Refraktion nach der MKH-Methode,
- – Bestimmung
der Höhe
und der Basislage von Yoged-Prismen nach der Ausschluss-Test(ATV)-Methode,
- – Beobachten
und Vergleichen der Ausgangssituation mit der Ist-Situation nach
Einsetzen der Korrektionswerte in eine Testbrille und Durchführen von
motorischen Tests mit/ohne Testbrille,
- – Bestimmung
der Korrektionswerte für
Ferne und Nähe
einschließlich
der resultierenden Prismen durch geometrisch-mathematische Auswertung und
Auswahl der passenden Glasart und des Glastyps,
- – ggf.
Auswahl passender Korrektionswerte und Glasart/Glastyp für Ferne/Nähe.
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In
einem ersten Schritt erfolgt ein Gespräch mit dem Betroffenen, wodurch
ein erster Eindruck, das persönliche
Empfinden zum Krankheitsbild sowie Erwartungen und Bereitschaft
des Betroffenen abgeklärt
werden. Ferner erfolgt mit Hilfe der Anamnese die Ermittlung von
Krankheitsbildern, Symptomen, Krankheiten und Pupillenreaktion.
Auch werden Informationen und Daten zur Motorik/Körperhaltung ermittelt,
welche Problemstellen, Körperhaltung, Hüftstellung,
Punkt-Fixation und Gehschwierigkeiten aufzeigen sollen. Mit Hilfe
von Übungen
wird die ”persönliche Mitte”, Raumempfindung,
Fixation von bewegten Objekten, kognitive/visuelle Probleme bestimmt.
Anhand dieser Funktionstests ist es möglich, einen möglichen
Neglect, Hemianopsie oder Phorien festzustellen.
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In
einem weiteren Schritt erfolgt eine objektive Refraktion. Objektive
Refraktion bedeutet, dass der Brechungszustand des Auges unabhängig von subjektiven
Angaben des Kunden gemessen wird. Das Messergebnis ist nur von den
Eigenschaften der Messinstrumente und vom Untersucher abhängig. Hier
kommen die Keratometrie oder Opthalmologie, die Refraktionomie (automatisch
oder visuell-manuell) und die Skiaskopie zum Einsatz. Durch Einsatz der objektiven
Refraktion lässt
sich die subjektive Refraktion erheblich verkürzen. Eine zeitlich optimierte Refraktion
ist nicht nur aus ökonomischen
Gründen sinnvoll.
Bei vielen Kunden führt
eine langwierige subjektive Refraktion wegen Überforderung und Ermüdung zu
schlechten Ergebnissen.
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Der
Vorteil liegt in einer geringeren Belastung des Betroffenen während der
subjektiven Refraktion sowie einer genauen Refraktion bei Nystagmus.
Die Methode ermöglicht
eine genauere Messung bei Konzentrationsschwierigkeiten des Betroffenen,
und es sind keine verbalen Äußerungen
nötig. Eine
Messung erfolgt auch bei Fixationsproblemen.
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In
einem weiteren Schritt erfolgt eine Refraktion nach der sogenannten
Mess- und Korrektionsmethode (MKH). Diese beruht auf einem von H.
J. Haase entwickelten sogenannten Pola-Test, der von der Firma Zeiss
hergestellt wird. Dabei werden den beiden Augen unterschiedlich
polarisierte Bilder angeboten mit einem je nach Testteil unterschiedlichen zusätzlichen
Reizmuster, z. B. zentraler oder peripherer binocularer ”Verriegelung”. H. J.
Haase nahm an, dass die Bildruhelage im Zentrum, also in der Fovea,
nicht immer zentral, sondern unterschiedlich verschoben sein kann
und nannte das Winkelfehlsichtigkeit oder Fixationsdisparation,
umgangssprachlich ”verstecktes
Schielen” genannt.
Die Behandlung besteht in der Gabe von Prismen ins Brillenglas,
um die Ruhelage zu verschieben. Die Stärke der Prismen wird durch
eine spezielle Reihenfolge von Testbildern ermittelt, die sich dann
mit den Prismen in der Mitte befinden müssen.
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Die
Methode erlaubt eine sehr genaue subjektive Refraktion, das Erkennen
und Korrigieren von Phorien in der Ferne, eine Korrektion einer
abweichenden Phorie für
die Nähe,
Beseitigung von Doppelbildern sowie eine Überprüfung des binokularen Status.
Mit der MKH-Methode wird physikalisch der exakte Winkel einer Abweichung
von der Orthostellung gemessen.
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In
einem weiteren Schritt werden optische Spezialprismen angewendet.
Hierbei erfolgt die Bestimmung der Höhe und der Basislage von sogenannten
Yoged-Prismen nach der Ausschluss-Test-(ATV)-Methode. Die persönliche Mitte wird
an die tatsächliche
Mitte durch eine optische Raumverschiebung in der Horizontalen und
Vertikalen (Neglect) angepasst. Ferner erfolgt eine Veränderung
der Kopfhaltung und/oder der Hüftstellung
durch optische Raumverschiebung. Auf diese Weise kann die ”optisch
unterdrückte
Seite” (Neglect,
Hemianopsie) sichtbar gemacht werden. Überprüft werden die Änderungen
und Einstellung durch Tests. Die Auswahl der richtigen Prismen führt zu einer
verbesserten Motorik.
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In
einem weiteren Schritt erfolgt die Beobachtung sowie Vergleichsübungen und
ein Motorikvergleich. Hierzu wird die Ausgangssituation mit der Ist-Situation
nach Einsetzen der Korrektionswerte in eine Testbrille beobachtet
und verglichen. Es erfolgt ein Testlauf des Betroffenen mit/ohne
Testbrille und die Durchführung
verschiedener Tests, beispielsweise das Zeichnen/Vervollständigen von
Zeichnungen mit/ohne Testbrille, der Vergleich der manuellen Feinmotorik
mit/ohne Testbrille und ein subjektiver Vergleich des Betroffenen
mit/ohne Testbrille.
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In
einem weiteren Schritt erfolgt die Auswahl passender Korrektionswerte
und der Glasart/des Glastyps für
die Ferne/Nähe.
Die Bestimmung der Korrektionswerte für Ferne und Nähe einschließlich der
resultierenden Prismen erfolgt durch eine geometrisch-mathematische
Auswertung, welche dem Fachmann auf dem Gebiet bekannt ist.
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Anhand
der gewonnenen Informationen und Daten erfolgt eine Auswahl der
Glasart und des Glastyps. Hierbei können weitere beeinflussende
Eigenschaften wie Kontraststeigerung, UV-Kantenschutz, Tönung, Brechung, Entspiegelung
etc. berücksichtigt
werden.
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In
einem weiteren Schritt erfolgt eine mögliche Nachkorrektur und Auswahl
passender Korrektionswerte und Glasart für Ferne/Nähe. Hierbei findet eine mögliche Akkomodation,
Lystagmus, Fixation, zentrales/peripheres Sehen, Hell-Dunkel-Adaption, Farbensehen
und binokulares Sehen statt.
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Das
Verfahren kann auch computerisiert durchgeführt werden.
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Mit
der so erhaltenen Brille werden die visuellen motorischen Störungen des
Betroffenen behoben, wodurch folgende Vorteile festzustellen sind:
- • Verbesserung
des Visus (Sehschärfe)
- • optischer
Ausgleich von Doppelbildern bei Phorien (Fehlstellungen)
- • mehr
Sicherung durch Anpassung der tatsächlichen an die gefühlte Körpermitte
- • stärkere geistige
Forderung und Förderung
- • Verbesserung
der Körperhaltung
- • Verbesserung
der Grob- und Feinmotorik
- • Aktivere
Teilnahme am Alltag
- • besserer
und schnellerer Reha-Erfolg
- • höhere Eigenständigkeit,
unabhängig
von Fremdhilfe
- • positiveres
Lebensgefühl
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Die
Erfindung wird anhand eines Beispiels in der Figur erläutert.
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Beispiel
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In
der nachfolgenden Figur erkennt man eine Gegenüberstellung bei einem Betroffenen
mit versetzter Wahrnehmung mit einer gewöhnlichen (links) und einer
mit Hilfe des erfindungsgemäßen Verfahrens
hergestellten Brille (rechts). Deutlich ist zu erkennen, dass die
Linienführung
mit der herkömmlichen
Brille versetzt ist, während
die Linienführung
mit der erfindungsgemäß hergestellten
Brille nahezu perfekt ist. Mit Hilfe des erfindungsgemäßen Verfahrens
ist eine deutliche Verbesserung visueller motorischer Störungen bei
Patienten, welche ein Schädel-Hirn-Trauma,
Schlaganfall, Gehirntumor, multiple Sklerose oder Meningitis erlitten
haben, festzustellen.