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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Ermitteln eines Reifenrückstellmomentes wenigstens eines gelenkten Rades eines nichtschienengebundenen Fahrzeuges, eine elektronische Fahrwerkssteuerung und ein Fahrzeug mit den in den Oberbegriffen der jeweiligen unabhängigen Ansprüche definierten Merkmalen.
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Das mit einem Reifen versehene Rad eines Fahrzeuges, insbesondere wenn es ein gelenktes Rad ist, ist während der Fahrt dem Einfluss vielfältiger Kräfte ausgesetzt. Diese Kräfte rühren von dem Antrieb, den Bodenunebenheiten, dem Lenkeinschlagwinkel, den Querbeschleunigungen usw. her und bewirken mit den jeweiligen zugehörigen Hebeln entsprechende Drehmomente. Derartige Drehmomente beeinflussen ihrerseits das Fahr- und Lenkverhalten des Fahrzeuges und sind deswegen zum ausgesuchten Entwicklungsziel für Sicherheitssysteme wie dem ESC (Electronic Stability Control) geworden. ESC steuert mittels elektronischer Sensoren durch gezieltes Abbremsen der einzelnen Räder dem Schleudern in Kurven entgegen. Ein ESC beinhaltet stets ein Antiblockiersystem ABS, sowie optional auch eine Antriebsschlupfregelung ASR.
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Es sind beispielsweise Systeme bekannt, die mit Hilfe optischer Sensoren oder anhand von Dehnungsmessstreifen die an den Radlagern auftretenden Kräfte vermessen. Aus den ermittelten Kräftegrößen wird beispielsweise ein dem jeweiligen Rad zugeordnetes Reifenrückstellmoment ermittelt und einer elektronischen Fahrwerkssteuerung zugeführt, wo sie anhand eines Algorithmus berücksichtigt werden. Diese Lösungen erfordern jedoch zusätzliche Sensoren und zusätzliche Signalauswertungselektronik, wodurch Herstellkosten erhöht werden und durch mehr Komplexität die Anfälligkeit der Fahrwerkssteuerung zunimmt.
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Insbesondere ist es zur weiteren Verbesserung der Fahrsicherheit durch eine elektronische Fahrwerkssteuerung wichtig, frühzeitig erkennen zu können, dass beispielsweise Aquaplaning oder Glatteis vorliegt. Diese Erkennung durch ein ABS-System kann erst erfolgen, wenn das ABS bereits ein Gleiten des Reifens feststellt, das heißt in Grenzbereichen, wenn Räder blockieren. Ein feineres Erfassen einer schwächer werdenden Haftung kann dagegen mit dem oben beschriebenen Verfahren zum Ermitteln der Reifenrückstellmomente erreicht werden, welches jedoch eine hohe Komplexität aufweist.
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Die Offenlegungsschrift
DE 100 15 780 A1 offenbart ein Verfahren zur Bestimmung des Radrückstellmomentes bei Lenksystemen. In einer ersten Funktionsschleife des Verfahrens wird aus den gemessenen Größen Motordrehmoment, Fahrgeschwindigkeit und Längsbeschleunigung der Fahrwiderstand bestimmt. Durch einen Vergleich der
ABS-Sensorsignale zwischen angetriebenen und nicht angetriebenen Rädern lässt sich in einer zweiten Funktionsschleife der Reibwert zwischen den Reifen und der Fahrbahn bestimmen. Aus dem ermittelten Motormoment, der Längsbeschleunigung und der Gangwahl wird in einer dritten Funktionsschleife die Fahrzeugmasse ermittelt. Aufgrund von Querbeschleunigung und Fahrzeuggewicht wird mittels einer Funktionsschleife die Seitenkraft berechnet. Zur Ermittlung der Radlast werden in einer Funktionsschleife die Querbeschleunigung und die Fahrzeugmasse verwendet. Durch eine Funktionsschleife erhält man aus Seitenkraft, Reifeninnendruck und Radlast einen dynamischen Nachlauf. Abschließend wird in einer Funktionsschleife das Rückstellmoment aus der Seitenkraft, dem dynamischen Nachlauf und der Fahrgeschwindigkeit mit Hilfe eines Reifenmodells berechnet. Auch wenn das vorgestellte Verfahren sich zum Ziel gesetzt hatte, die Radrückstellmomente möglichst einfach und ausschließlich aus im Fahrzeug vorhandenen Sensorsignalen zu gewinnen, so verwendet es jedoch eine sehr große Anzahl von Schritten und vor allem von Eingangsgrößen, um zu diesem Ziel zu gelangen.
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DE 10 2004 060 030 A1 offenbart ein Verfahren zum Zurückstellen eines Lenkrades aus seiner Ausgangsstellung und zur Bestimmung des Rückstellmomentes. Es wird eine aktiv eingreifende Rückstellkraft oder ein Rückstellmoment zum Zurückstellen des Lenkrades angewendet, um in jeder Fahrsituation das Zurückstellen des Lenkrades zu gewährleisten. Hierzu wird als Eingangsgröße die an zumindest einer der Spurstangen des Lenksystems des Fahrzeuges wirkende Spurstangenkraft bestimmt. Das offenbarte Verfahren beabsichtigt lediglich das Zurückstellen des Lenkrades in seine nicht ausgelenkte, der Geradeausstellung der lenkbaren Fahrzeugräder entsprechende Ausgangsstellung.
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DE 40 26 625 A1 offenbart ein Verfahren zum Erkennen des Reibwertes zwischen Reifen und Fahrbahn. Hierzu wird wenigstens ein Rad eingeschlagen und dabei überwacht, ob das Rückstellmoment sein Maximum erreicht. Bei Erreichen des Maximums des auf die Radaufstandskraft bezogenen Rückstellmomentes wird dieses festgehalten und mittels einer gespeicherten Abhängigkeit der aktuelle Reibwert zwischen Reifen und Fahrbahn ermittelt. Ferner wird vorgeschlagen, die gelenkten Räder gegensinnig auszulenken.
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Die japanische Druckschrift
JP H02 - 117 467 A offenbart einen Sicherheitslenkmechanismus, bei dem Signale eines Geschwindigkeitssensors, eines Lenkwinkelsensors und eines Lenkkraftsensors in einer elektronischen Steuerung verarbeitet werden, um das Aufstellmoment in Abhängigkeit von der Fahrzeuggeschwindigkeit, dem Lenkwinkel und der Lenkkraft zu ermitteln. Ferner wird auf diese Weise eine die manuelle Kraft unterstützende Kraft in Abhängigkeit von der Fahrzeuggeschwindigkeit, dem Lenkwinkel und der Lenkkraft ermittelt, um einen Lenkmotor zu steuern und anzutreiben. Das offenbarte Verfahren und der Mechanismus sind darauf gerichtet, eine seitliche Drift und eine seitliche Drehung eines Fahrzeuges zu verhindern, wenn ein Fahrer das Lenkrad zu scharf betätigt. Hierzu wird die Rotation des Lenkrades in Abhängigkeit von der Fahrzeuggeschwindigkeit, dem Lenkwinkel oder der Lenkkraft eingeschränkt.
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WO 2005/092 690 A1 offenbart ein Verfahren zur Berechnung der Seitenkraft in einem Kraftfahrzeug mit einem elektromechanischen oder elektrohydraulischen Lenksystem. Hierbei wird zunächst eine Lenkstangenkraft erfasst, aus der ein gesamtes Rückstellmoment berechnet wird. Aus diesem Rückstellmoment wird eine Seitenkraft berechnet, die für die Bestimmung eines Reibwertes oder die Schätzung eines Schwimmwinkels verwendet werden kann.
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Der Erfindung liegt daher die Aufgabe zugrunde, die für eine Fahrwerkssteuerung benötigten Reifenrückstellmomente der gelenkten Räder mit weniger Aufwand, vorzugsweise durch die im Fahrzeug bereits vorhandenen Messsysteme und mit hoher Genauigkeit zu ermitteln, um die Fahrwerkssteuerung kostengünstiger herstellen zu können und die Sicherheit eines Fahrzeuges in kritischen Fahrsituationen zu verbessern.
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Die Aufgabe der vorliegenden Erfindung wird mit den Merkmalen der unabhängigen Ansprüche gelöst.
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Nach einem verfahrenstechnischen Aspekt der vorliegenden Erfindung werden die erfindungsgemäßen Aufgaben mit einem Verfahren zum Ermitteln eines Reifenrückstellmomentes wenigstens eines gelenkten Rades eines nichtschienengebundenen Fahrzeuges dadurch gelöst, dass
- - wenigstens eine, vorzugsweise eine Vielzahl, der am Fahrwerk des Fahrzeuges per Sensorelement erfassten Parametergrößen von der Längsbeschleunigung, Querbeschleunigung, Raddrehzahl, dem Lenkwinkel, Zahnstangenposition, Einfederungsposition, Masse, Schwerpunktlage oder den Radkräften oder dergleichen als Eingangsgröße/n für wenigstens eine erste Berechnungsprozedur herangezogen werden,
- - die wenigstens eine erste Berechnungsprozedur als ein Zwischenergebnis wenigstens eine von den Hebelarm-Parametergrößen und/oder von den Radkräften liefert, die einer zweiten Berechnungsprozedur als Eingangsgröße/n zugeführt werden,
- - die zweite Berechnungsprozedur zusätzlich als wenigstens eine weitere Parametergröße eine Spurstangenkraft zugeführt erhält und anhand der zugeführten Eingangsgrößen mithilfe einer Berechnungsregel wenigstens ein Reifenrückstellmoment bereitstellt.
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Die erste Berechnungsprozedur realisiert erfindungsgemäß ein Radführungsmodell, das als seine Eingangsgröße den Lenkwinkel des gelenkten Rades oder eine mit ihm gekoppelte Parametergröße, vorzugsweise eine Zahnstangenposition verwendet und als Eingangsgröße zusätzlich eine Einfederungsposition der Radaufhängung des jeweiligen Rades verwendet wird
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Die erste Berechnungsprozedur umfasst gemäß einer bevorzugten Ausgestaltung des erfindungsgemäßen Verfahrens mehr als ein Radführungsmodell.
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Vorzugsweise wird das Verfahren auf jedes gelenkte Rad des Fahrzeuges periodisch oder permanent angewendet und die jeweiligen ermittelten Reifenrückstellmomente einer elektronischen Fahrwerkssteuerung zeitnah zugeführt. Eine solche elektronische Fahrwerkssteuerung kann beispielsweise wenigstens eines der Systeme von einem Antiblockiersystem, einem ESC (Electronic Stability Control), einer Schlupfregelung oder dem Antrieb oder dergleichen sein, das in Abhängigkeit von wenigstens einem der ermittelten Reifenrückstellmomente beeinflusst wird.
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Die ermittelten oder berechneten Ergebniswerte der wenigstens einen ersten Berechnungsprozedur eines linken und eines rechten Rades oder die jeweiligen durch die zweite Berechnungsprozedur ermittelten Reifenrückstellmomente des linken und rechten Rades werden gemäß einer weiteren bevorzugten Ausgestaltung des erfindungsgemäßen Verfahrens aufsummiert und in aufsummierter Form einer elektronischen Fahrwerkssteuerung zugeführt.
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Besondere Vorteile lassen sich erfindungsgemäß erreichen, wenn die wenigstens eine der Berechnungsprozeduren fahrsituationsbedingte Berechnungsvereinfachungen berücksichtigt, um hierdurch die Anzahl benötigter Eingangsgrößen zu reduzieren. Hierdurch werden weniger Sensorensignale benötigt und folglich ist das erfindungsgemäße Verfahren auch auf Fahrzeuge anwendbar, die mit weniger Sensoriksystemen ausgestattet sind. Das erweitert die Anwendungsbreite des Verfahrens auf preiswertere Fahrzeuge, die hierdurch dennoch von der zusätzlich erreichbaren Sicherheit profitieren können.
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Nach einem gerätetechnischen Aspekt der vorliegenden Erfindung werden die erfindungsgemäßen Aufgaben durch eine elektronische Fahrwerkssteuerung mit Mitteln zum Ausführen des Verfahrens nach wenigstens einer der vorhergehend beschriebenen Ausgestaltungen erreicht.
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Die Mittel zum Ausführen des Verfahrens liegen vorzugsweise wenigstens teilweise in Form von codierten Anweisungen vor, so dass deren Anpassung leicht ausführbar ist.
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Nach einem weiteren Aspekt der vorliegenden Erfindung werden die erfindungsgemäßen Aufgaben durch ein Fahrzeug mit einem von einer elektronischen Steuerung beeinflussbaren Fahrwerk und wenigstens einem Sensorelement erreicht, das zum Erfassen wenigstens einer von den Parametergrößen wie einer Längsbeschleunigung, Querbeschleunigung, Raddrehzahl, Lenkwinkel, Zahnstangenposition, Einfederungsposition, Masse, Schwerpunktlage oder Radkräfte Fz, Fy, Fa, Fb oder dergleichen vorgesehen ist.
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Hierzu berücksichtigt die elektronische Steuerung des Fahrwerks erfindungsgemäß wenigstens für ein gelenktes Rad ein nach dem Verfahren gemäß einer der vorhergehend beschriebenen Ausgestaltungen ermitteltes Reifenrückstellmoment.
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Das Fahrzeug weist vorzugsweise wenigstens ein vorderes und/oder ein hinteres gelenktes Rad auf, zu dem das jeweilige Reifenrückstellmoment ermittelt wird.
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Weitere bevorzugte Ausgestaltungen der Erfindung ergeben sich aus den übrigen, in den Unteransprüchen genannten Merkmalen.
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Die Erfindung wird nachfolgend in Ausführungsbeispielen anhand der zugehörigen Zeichnungen erläutert. Es zeigen:
- 1A, 1B eine schematische Darstellung einer beispielhaften Lenkgestängeanordnung einer Vorderachse eines Fahrzeuges;
- 2 eine idealisierte schematische Darstellung der wesentlichen Kräfte an einer weiteren beispielhaften Lenkgestängeanordnung des Fahrzeuges; und
- 3 eine schematische Darstellung einer bevorzugten Ausgestaltung des erfindungsgemäßen Verfahrens zum Ermitteln eines Reifenrückstellmomentes.
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1A zeigt eine schematische Darstellung einer beispielhaften Lenkgestängeanordnung 1 einer Vorderachse eines Fahrzeuges.
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Abgebildet ist eine klassische Lenkgestängeanordnung 1, die im Prinzip in jedem Kraftfahrzeug in leichter Modifikation vorfindbar ist. Die nicht schienengebundenen Kraftfahrzeuge weisen eine so genannte Achsschenkellenkung auf. Hierbei werden die gelenkten Räder 2.1 und 2.2 mit ihren jeweiligen Achsschenkeln 6.1 und 6.2 um die zugehörigen Achsschenkelbolzen 5.1 und 5.2 geschwenkt. Beim Durchfahren einer Kurve legen die Räder 2.1 und 2.2. eines Fahrzeuges verschieden große Wegstrecken zurück. Die beiden Räder 2.1 und 2.2 rollen nur dann einwandfrei ab, wenn sich die Mittellinien der Achsschenkel 6.1 und 6.2 bei eingeschlagenen Vorderrädern auf der verlängerten Mittellinie der Hinterachse schneiden. Die von den Vorder- und Hinterrädern durchfahrenen Kreisbögen haben dann einen gemeinsamen Mittelpunkt. Dabei muss das in der Kurve innenliegende Rad 2.2 stärker eingeschlagen sein als das außenliegende Rad 2.1. Dies wird im vorliegenden Fall mit Hilfe des so genannten Lenktrapezes erreicht.
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Die Vorderachse 7, die Spurstange 4, bilden zusammen mit dem längsseitigen Spurstangenhebel 3.1 und dem rechtsseitigen Spurstangenhebel 3.2 ein Trapez. Die Achsschenkel 6.1 und 6.2 sind auf den Achsschenkelbolzen 5.1 und 5.2 schwenkbar gelagert. Jeder Spurstangenhebel 3.1 und 3.2 und die Spurstange 4 sind miteinander gelenkig verbunden. Bei einer Geradeausfahrt steht die Spurstange 4 parallel zur Vorderachse 7.
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Beim Befahren einer Kurve, wie in 1B dargestellt, müssen die Achsschenkel 6.1 und 6.2 geschwenkt und somit die Räder 2.1 und 2.2 eingeschlagen werden. Weil der Winkel zwischen Achsschenkel und Spurstangenhebel nicht 90° ist, steht bei eingeschlagenen Rädern die Spurstange 4 nicht mehr parallel zur Vorderachse 7. Die Geometrie des Trapezes ist so gewählt, dass der Ausschlag der Lenkräder einem Optimum nahe kommt. Genau genommen verändert sich dieses Optimum mit der Geschwindigkeit, so dass in der Regel eine Kompromisslösung gesucht werden muss. Da jedoch diese Aspekte bekannt sind und den Rahmen der vorliegenden Erfindung nur flankieren, wird auf deren genaue Beschreibung im Folgenden verzichtet.
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2 zeigt eine idealisierte schematische Darstellung der wesentlichen Kräfte an einer weiteren beispielhaften Lenkgestängeanordnung 1 eines Fahrzeuges. Im Gegensatz zu den Darstellungen in 1A und 1B ist die Abbildung der Achsschenkel stark idealisiert, so dass die Spurstangenhebel 3.1 und 3.2 mit der jeweiligen längssymmetrischen Mittellinie durch die Räder 2.1 und 2.2 zusammenfallen. Ferner weist die Spurstange 4 insgesamt drei Teile auf und besteht aus einer linken Spurstange 4.1, einer rechten Spurstange 4.2 und einer mittleren Spurstange 4.3. Diese drei Teile der Spurstange 4 sind untereinander gelenkig schwenkbar verbunden. Außerdem ist die mittlere Spurstange 4.3 in einer an dem Fahrzeug feststehend angeordneten (nicht dargestellten) Führung gelagert, so dass diese mittlere Spurstange 4.3 nur einen Bewegungsgrad aufweist, der ihr lediglich eine Bewegung in Querrichtung des Fahrzeuges erlaubt. Auch diese Anordnung entspricht einer bekannten Lenkgestängeanordnung einer Vorderachse und bedarf daher keiner weiteren Detailerklärung. Auch wenn in der Abbildung in 2 kein Längstrapez, wie es in den 1A und 1B zu sehen ist, zu erkennen ist, ist auch in diesem Fall die Funktion eines solchen Längstrapezes vorgesehen. Das bedeutet, dass diese Anordnung ebenso für einen unterschiedlich starken Ausschlag der Lenkräder sorgt.
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Die mittlere Spurstange 4.3 ist an eine Lenkgetriebeankopplung neu angekoppelt. Im vorliegenden Beispiel kann dies durch eine an der mittleren Spurstange 4.3 angeordnete Zahnstange ausgeführt sein. Die als ein Vektor dargestellte Kraft Flenkrad ist die auf die mittlere Spurstange 4.3 resultierende Wirkkraft, die infolge einer Lenkradbetätigung und einer eventuell zwischengeschalteten Servolenkung erzeugt wird.
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Auch wenn die im Folgenden adressierten Kräfte die in 2 dargestellte Lenkgestängeanordnung betreffen, gelten die so resultierenden Schlüsse und erfindungsgemäßen Lösungen auch für eine beliebige andere Lenkgestängeanordnung, so auch für die in den 1A und 1B dargestellte Lenkgestängeanordnung.
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Die Besonderheit der vorliegenden Lenkgestängeanordnung 1 gegenüber der in den 1A und 1B dargestellten besteht darin, dass die mittlere Spurstange 4.3 stets parallel zu der Vorderachse 7 ausgerichtet bleibt, ungeachtet des Einschlagwinkels der gelenkten Räder 2.1 und 2.2.
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In einer alternativen Ausgestaltung der vorliegenden Erfindung greift eine weitere Kraft Feps an der mittleren Spurstange 4.3 in ihrer Längsrichtung an. Diese Kraft Feps ist eine Wirkkraft, die von einem aktiv wirkenden beispielsweise elektromechanischen Servolenkungsverstärker herrührt. So kann durch diese Wirkkraft Feps das Fahrverhalten abhängig von erfassten Parametern und nach bestimmten Algorithmen der Fahrsituation angepasst werden, indem beispielsweise die gelenkten Räder 2.1 und 2.2 korrigierende Steuerwirkungen erhalten. In einer weiteren Ausgestaltung (nicht dargestellt) ist die Servolenkung derart angeordnet, dass die Kräfte Flenkrad und Feps zusammenfallen, beziehungsweise gleich sind, weil der Servolenkungsverstärker auf die Lenkradwelle einwirkt.
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Die in vorliegender Ausgestaltung als eine Zahnstange ausgebildete mittlere Spurstange 4.3 kann sich nur in x-Richtung bewegen (Lenkbewegung). Die Spurstangenkraft Fsp hat eine Komponente in x-Richtung der Zahnstange (Fspx) und eine dazu senkrechte Komponente (Fspy) quer zur Zahnstange (in y-Richtung). In den im Folgenden angegebenen Formeln werden Kräfte angegeben, die durch Hinzufügen der Bezeichnung _li für linksseitige und _re für rechtsseitige Größen jeweils bezogen werden können und wenn ohne diese Indexergänzung angegeben, als allgemeine Formeln gelten.
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Ziel des erfindungsgemäßen Verfahrens ist es, die Reifenrückstellmomente (Mr) der gelenkten Räder 2.1 und 2.2 ausgehend von den jeweiligen Spurstangenkräften Fsp zu ermitteln. Zusätzlich werden Informationen über die Kräfte, die an dem jeweiligen Rad angreifen, benötigt (Antriebs-, Brems-, Seiten- und Aufstandskraft). Diese Kräfte können direkt gemessen oder mit Hilfe anderer Algorithmen berechnet werden.
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Im Folgenden werden Vereinfachungen der Berechnungen dargestellt, die erfindungsgemäß zum Ziel haben, die Anzahl der zu erfassenden physikalischen Größen zu reduzieren, um hierdurch den Elektronikaufwand zu reduzieren.
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Es sind zwei Varianten des Verfahrens denkbar:
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Variante 1:
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Ein linksseitiges Reifenrückstellmoment Mr, Mr_li aus linker Spurstangenkraft Fsp_li und rechtsseitiges Mr, Mr_re aus rechter Spurstangenkraft Fsp_re sind zu ermitteln. Bei dieser Variante werden die Spurstangenkräfte direkt ermittelt, zum Beispiel mit Kraftsensoren gemessen.
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Variante 2:
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Die Summe beider Reifenrückstellmomente, Mr_surn = Mr_li + Mr_re wird aus der vorher gebildeten Summe der x-Anteile der Spurstangenkräfte gebildet, Fspx_sum = Fspx_li ± Fspx_re. Bei dieser Variante ist die Messung der beiden einzelnen Spurstangenkräfte folglich nicht nötig.
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Diese Variante ist deshalb von Vorteil, weil die Kraftsumme Fspx_sum auch aus den Signalen der elektrischen Servolenkung direkt gewonnen werden kann. Hierfür wird eine Gleichgewichtsbedingung aller Kräfte der mittleren Spurstange
4.3, der Zahnstange in ihrer Bewegungsrichtung x aufgestellt.
Es gilt die Voraussetzung: | Summe aller Kräfte in x-Richtung = 0; |
| 0 = Feps + Flenkrad - Fspx_li + Fspx_re; | | |
| 0 = Feps + Flenkrad - Fsp li*cos(eps_li) | | + Fsp_re*cos(eps_re) |
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eps_li und eps_re sind die Winkel zwischen der Zahnstange 4.3 und den beiden Spurstangen 4.1 und 4.2.
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Wenn e p s _l i und eps_re gleichen Betrag (bei kleinen Lenkausschlägen) haben, gilt
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eps_li = eps_re = eps,
und man kann die Berechnungen vereinfachen zu:
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Daran kann man Fsp_sum ermitteln durch:
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Wenn esp_li und eps_re klein sind, kann man die cos-Terme angenähert durch eine Eins ersetzen. Daraus folgt:
beziehungsweise
und man kann Fsp_sum berechnen durch:
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Massenträgheitskräfte und Reibungskräfte sind hier zunächst vereinfachenderweise nicht betrachtet worden.
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Zur Ermittlung des Reifenrückstellmoments Mr für ein einzelnes Rad nach Variante 1 geht man erfindungsgemäß folgendermaßen vor.
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Es greifen verschiedene Kräfte an verschiedenen Punkten eines Reifens und der Radführung an, die die Spurstangenkraft beeinflussen und deren folgende Aufzählung nicht als vollständig gelten muss:
- Antriebskraft Fa in Radmitte
- Bremskraft Fb am Reifenlatsch
- Aufstandskraft Fz am Reifenlatsch
- Seitenkraft Fy am Reifenlatsch
- Federkraft Ff an Radführung
- Dämpferkraft Fd an Radführung
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Diese Kräfte können jeweils ein Drehmoment auf die Lenkachse der Radführung mit ihren entsprechenden Hebelarmen
hFz,
hFy,
hFa,
hFb,
hFf und
hFd ausüben. Das Gesamtmoment MI ist dann:
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Der Hebelarm
hFy der Seitenkraft
Fy besteht aus einem konstruktiven Nachlauf
nlk und einem Reifennachlauf
nlr. Das gilt für eine annähernd senkrechte Lenkachse beziehungsweise für kleine Nachlauf- und Spreizungswinkel.
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Dann erhält man:
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Die Spurstangenkraft
Fsp ist dann mit dem Lenkradhebelarm
q
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Das gesuchte Reifenrückstellmoment ist somit:
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Dann erhält man:
und durch Auflösen weiterhin:
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Die Kräfte Fz, Fy, Fa, Fb, Ff, Fd sind durch Messung und/oder rechnerisch, zum Beispiel durch Modellrechnungen zu bestimmen.
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Die zugehörigen jeweiligen Hebelarme q, hFz, hFa, hFb, hFf, hFd sind dann mit Hilfe eines Modells der Radführung zu bestimmen. Sie sind abhängig von dem Einfederungsgrad und dem Lenkwinkel. Mr kann dann nach einer oben angegebenen Formel berechnet werden.
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Bei bestimmten Radaufhängungen haben Feder- und Dämpferkraft keinen Einfluss auf die Spurstangenkraft. Daher gilt vereinfacht folgende Beziehung:
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Die Ermittlung der Summe beider Reifenrückstellmomente nach Variante 2 erfolgt auf folgende Weise.
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Mit den folgenden Annahmen gilt:
- HFz-li und hFz-re haben unterschiedliche Vorzeichen;
- nlk_li und nlk_re haben gleiches Vorzeichen;
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hFa_li und hFa_re (Störkrafthebelarm) haben unterschiedliche Vorzeichen und können aus konstruktiven Gründen meist als gleich angenommen werden,
hFb_li und hFb_re (Lenkrollradius) haben unterschiedliche Vorzeichen.
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Für das aufsummierte Reifenrückstellmoment gilt:
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Wenn die Beziehung
gilt beziehungsweise angenommen werden darf, kann man die Summe der Spurstangenkräfte Fsp_li+Fsp re bilden und erhält dazu:
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Bei nicht allzu großen Lenkwinkeln ist die obige Annahme annehmbar. Durch die Kinematik der Radführung sind q_li und q_re meist jedoch nur bei Lenkwinkel gleich null exakt gleich. In den anderen Fällen wird dadurch ein gewisser Fehler in den davon abhängigen Rechnungen entstehen. Wenn der Lenkwinkel nicht allzu groß ist, ist die obige Annahme jedoch meist gerechtfertigt. Für
q ließe sich zum Beispiel der Mittelwert bilden, um den Fehler klein zu halten:
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Nachfolgend werden mögliche Vereinfachungen für Variante 2 beschrieben.
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Für die Vereinfachungen bezüglich Aufstandskraft Fz gilt:
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Wenn die Annahme
zutrifft, kann die Summe der Reifenrückstellmomente wie folgt vereinfacht werden:
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Und folglich weiterhin:
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Wegen der Aufstandskraftgleichungen
und
(m = Masse, ay = Querbeschleunigung, Fz0 = Aufstandskraft bei ay = 0, CayFz = konstruktiver Faktor) kann man dann weiter vereinfachen und erhält die Gleichung:
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Damit vereinfacht sich diese Gleichung weiter zu:
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Folgende Vereinfachung ist bezüglich der Feder- und Dämpferkräfte durchführbar:
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Bei bestimmten Achsenanordnungen haben Feder- und Dämpferkräfte keinen Einfluss auf die Spurstangenkraft und man kann diese folglich ignorieren:
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Folgende Vereinfachung ist bezüglich des Störkrafthebelarmes hFa durchführbar.
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Der Störkrafthebelarm
hFa ist aus konstruktiven Gründen konstant und links und rechts gleich lang:
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Daraus folgt:
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Und weiterhin:
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Wenn auch die Antriebskräfte gleich sind, wie beispielsweise bei einem offenen Differential, heben sich die Einflüsse der beiden Antriebskräfte auf und man erhält:
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Folgende Vereinfachung ist in Bezug auf den Lenkrollradius hFb ausführbar.
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Der Lenkrollradius ändert sich mit dem Lenkausschlag, jedoch sind die Änderungen meist sehr klein. Da
hFb_li und
hFb_re bei einer geradeaus Bewegung gleich sind und sich kaum ändern, kann man folgende Beziehung
annehmen und erhält daraus:
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Dann wird mit obiger Annahme folgende Vereinfachung erhältlich:
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Wenn die Bremskräfte links und rechts gleich sind (kein
ESP-Eingriff o. ä), kann man den Einfluss der Bremskraft vollständig vernachlässigen:
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Die folgende Vereinfachung ist bezüglich des konstruktiven Nachlaufs nlk ausführbar.
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Wenn der konstruktive Nachlauf links und rechts gleich ist, gilt:
beziehungsweise für die Summe der Reifenrückstellmomente:
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Mit der Seitenkraftsumme der Vorderachse
(wobei m = Masse, ay = Querbeschleunigung, Ih = Abstand Schwerpunkt zur Hinterachse,
II = Radstand).
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Dann erhält man für die Summe der Reifenrückstellmomente:
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Die folgende Vereinfachung ist bezüglich des konstruktiven Nachlaufs nlk ausführbar.
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Wenn der konstruktive Nachlauf links und rechts gleich ist, gilt:
beziehungsweise für die Summe der Reifenrückstellmomente:
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Mit der Seitenkraftsumme der Vorderachse
(wobei m = Masse, ay = Querbeschleunigung, Ih = Abstand Schwerpunkt zur Hinterachse,
II = Radstand).
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Man erhält für die Summe der Reifenrückstellmomente:
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Wenn man alle vorgestellten Vereinfachungen kombiniert, erhält man eine :
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Und daraus:
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Da die Vereinfachung durch Annahme gleicher nlk_li = nlk_re, des konstruktiven Nachlaufs, praktisch unwahrscheinlich ist, kann man in den meisten Fällen nur die anderen Vereinfachungen einführen. In diesem Fall hätte man dann folgende Gleichung für die Summe der Reifenrückstellmomente übrig:
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Hierzu ist der Parameter CayFz sowie ein Modell für die Seitenkräfte Fy_li und Fy_re gesondert zu erarbeiten.
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Hinsichtlich der vorgestellten Vereinfachungen ist zu beachten, dass diese erfindungsgemäß auch fahrsituationsabhängig ausgeführt werden können. Beispielsweise kann ein einseitiger ESP-Bremseingriff oder ABS-Bremseingriff die Annahme, dass linke und rechte Bremskräfte gleich sind, zunichte machen. Die ESP-Eingriffe stellen jedoch keine echte Einschränkung dieses erfindungsgemäßen Verfahrens dar, da man im Wesentlichen vor Erreichen des Grenzbereichs ausschließlich in dem ESP arbeitet.
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Ein Torque-Vectoring-System beispielsweise macht die Annahme, dass die linke gleich der rechten Antriebskraft ist, zunichte.
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Die Annahme, dass Feder- und Dämpferkräfte vernachlässigbar sind, ist bei einer sehr verbreitet eingesetzten McPherson-Federbeinachse zulässig. Ob diese Vernachlässigung auch für andere Radaufhängungen gültig ist, muss einzeln überprüft werden.
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Bezugszeichenliste
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- 1
- Lenkgestängeanordnung einer Vorderachse
- 2.1
- linkes Rad
- 2.2
- rechtes Rad
- 3.1
- linksseitiger Spurstangenhebel
- 3.2
- rechtsseitiger Spurstangenhebel
- 4
- Spurstange
- 4.1
- linke Spurstange
- 4.2
- rechte Spurstange
- 4.3
- mittlere Spurstange
- 5.1
- linksseitiger Achsenschenkelbolzen
- 5.2
- rechtsseitiger Achsenschenkelbolzen
- 6.1
- Achsschenkel links
- 6.2
- Achsschenkel rechts
- 7
- Vorderachse
- 8
- ESC-Ankopplung
- 9
- Lenkgetriebeankopplung
- 10.1
- Lenkwinkelgeber
- 10.2
- Einfederungspositionsgeber
- 10.3
- Kraftsensoren
- 10.4
- Seriensensorsignale
- 10.5
- Modellparameter
- I
- erste Berechnungsprozedur
- II
- zweite Berechnungsprozedur
- I.1
- Kräftemodell
- I.2
- Radführungsmodell
- ABS
- Antiblockiersystem
- ESC
- Electronic Stability Control
- ESP
- elektronisches Stabilitätsprogramm, eingetragenes Warenzeichen Daimler-Benz AG
- EFS
- elektronische Fahrwerkssteuerung
- Y
- Fahrtrichtung
- X
- Querrichtung
- ax
- Längsbeschleunigung
- ay
- Querbeschleunigung
- CayFz
- Parameter, konstruktiver Faktor
- Fa
- Antriebskraft in Radmitte
- Fb
- Bremskraft am Reifenlatsch
- Fz
- Aufstandskraft am Reifenlatsch
- Fy
- Seitenkraft am Reifenlatsch
- Ff
- Federkraft an Radführung
- Fd
- Dämpferkraft an Radführung
- Fesc
- Wirkkraft
- Fsp
- Spurstangenkraft
- Flenkrad
- Lenkradkraft
- eps_li
- Winkel zwischen mittlerer und linker Spurstange
- eps_re
- Winkel zwischen mittlerer und rechter Spurstange
- hFa
- Hebelarm der Fa
- hFb
- Hebelarm der Fb
- hFf
- Hebelarm der Ff
- hFd
- Hebelarm der Fd
- hFy
- Hebelarm der Fy
- hFz
- Hebelarm der Fz
- hFz_li
- linker Hebelarm zu Fz_li
- hFz_re
- rechter Hebelarm zu Fz_re
- hFa_li
- linker Hebelarm zu Fa_li
- hFa_re
- rechter Hebelarm zu Fa_re
- hFb_li
- linker Hebelarm zu Fb_li
- hFb_re
- rechter Hebelarm zu Fb_re
- ***_li
- Index für eine linksseitige Größe
- ***_re
- Index für eine rechtsseitige Größe
- ***
- Platzhalter
- nlk
- konstruktiver Nachlauf
- nlr
- Reifennachlauf
- q
- Lenkkrafthebelarm
- M1
- Gesamtmoment
- Mr
- Reifenrückstellmoment
- δL
- Lenkwinkel
- m
- Masse