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Die Erfindung betrifft eine im Patentanspruch 1 angegebene Multi-Strahl-Röntgenvorrichtung mit einer Multi-Strahl-Röntgenröhre und einer Blendenanordnung zur schnellen Aufnahme einer Vielzahl von Röntgenbildern.
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Konventionelle Röntgenröhren bestehen im Wesentlichen aus einer Vakuumkammer mit Gehäuse, in der eine Kathode und eine Anode eingeschlossen sind. Die Kathode fungiert dabei als negative Elektrode, die Elektronen an die positive Anode abgibt. Durch ein elektrisches Feld zwischen Anode und Kathode werden die Elektronen von der Anode angezogen und stark beschleunigt. Die Anode besteht typischer Weise aus einem Metall, beispielsweise Wolfram, Molybdän oder Palladium. Wenn die Elektronen die Anode bombardieren, wird ihre Energie größtenteils in Wärme umgewandelt. Nur ein Bruchteil der Bewegungsenergie kann in Röntgen-Photonen umgewandelt werden, welche von der Anode in Form eines Röntgenstrahls abgegeben wird. Der so erzeugte Röntgenstrahl verlässt durch ein strahlendurchlässiges Fenster aus einem Material mit niedriger Ordnungszahl die Vakuumkammer.
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Röntgenröhren sind für Anwendungen in der industriellen und medizinischen Bildgebung sowie für therapeutische Behandlungen nicht mehr wegzudenken. Alle bildgebenden Verfahren mit Röntgenstrahlen machen sich die Tatsache zu Nutze, dass unterschiedliche Materialien die Röntgenstrahlen unterschiedlich absorbieren. Konventionelle Röntgenbildverfahren erzeugen eine zweidimensionale Projektion eines dreidimensionalen Objekts. Dadurch geht die räumliche Auflösung entlang der Ausbreitungsrichtung des Röntgenstrahls verloren.
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Obwohl auch auf den unterschiedlichen Röntgen-Absorptionseigenschaften von unterschiedlichen Materialien fußend, bietet die Computertomographie eine andere Form der Bildgebung, bekannt als Schnittbildverfahren. Dabei werden viele Röntgenbilder eines Objekts aus unterschiedlichen Richtungen erstellt, und nachträglich werden aus diesen vielen Abbildungen durch ein sogenanntes Rückprojektionsverfahren die verlorenen Volumeninformationen rekonstruiert. In der Regel setzen sich diese 3D-Rekonstruktionen aus Einzelschnitten, die quer durch das Objekt verlaufen, zusammen. Auf diese Weise kann für jedes Volumenelement des Objektes, ein sogenanntes Voxel (entspricht einem dreidimensionalen Pixel), eine Dichte ermittelt werden. Aus allen Voxel kann damit ein 3D-Bild des Inneren des Objekts erzeugt werden.
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Um die vielen unterschiedlichen Schnittbilder zu erzeugen, muss eine die Röntgenstrahlen abgebende Röntgenröhre und ein die Röntgenstrahlen nach Durchstrahlen des Objekts aufnehmender Röntgendetektor um das Objekt bewegt werden. Die mechanische Bewegung ist aufwendig und kostet in der Medizintechnik auch teure Untersuchungszeit. Daher wurden verschiedene Ansätze entwickelt, um aus einer Röntgenröhre mehrere unterschiedliche Strahlenbündel aussenden zu können. Ziel ist es, viele Schnittbilder mit unterschiedlichen Betrachtungswinkeln zu erzeugen, ohne die Röntgenröhre und den Röntgendetektor mechanisch zu bewegen.
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Eine vielversprechende Lösung gibt die PCT-Anmeldung
WO 2004/110111 A2 an. Darin wird eine Multi-Strahl Röntgenröhre mit einer ortsfesten Feldemissionskathode und einer gegenüberliegenden Anode offenbart. Die Kathode umfasst eine Vielzahl von ortsfesten, einzeln ansteuerbaren, Elektronen emittierenden Pixel, die in einem vorgegebenen Raster auf der Kathode verteilt sind. Die Anode umfasst eine Vielzahl von Brennpunkten, die in einem vorgegebenen Raster angeordnet sind, das korrespondierend zum Raster der Pixel ausgeführt ist. Eine Vakuumkammer schließt die Anode und Kathode ein. In einer Weiterbildung umfasst die Kathode Kohlenstoff-Nanoröhren.
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Die in der
WO 2004/110111 A2 offenbarte Lösung bietet viele Vorteile gegenüber herkömmlichen thermo-ionischen Röntgenstrahlungsquellen. Sie eliminiert das Heizelement der Anode, arbeitet bei Raumtemperatur, erzeugt gepulste Röntgenstrahlung mit einer hohen Wiederholrate und eine Vielzahl von Strahlen mit unterschiedlichen Brennpunkten.
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Um Multi-Strahl Röntgenröhren in der Medizintechnik, beispielsweise für eine Tomosynthese bei der Mammografie, einsetzen zu können, bedarf es noch zahlreicher Anpassungen. Unter anderem muss sicher gestellt werden, dass die Strahlenbelastung von Patienten minimiert, die Streustrahlung vermindert sowie die Bildfolgefrequenz erhöht wird.
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Die
DE 10 2005 028 208 A1 offenbart eine Strahlenblende für eine Röntgeneinrichtung mit einem Strahlenbegrenzungsmittel, das beweglich gelagert ist und als Lochblende ausgeführt ist. Die Blendenöffnungen des Strahlenbegrenzungsmittels sind unterschiedlich geformt. Zwei Strahlenbegrenzungsmittel können hintereinander angeordnet sein.
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Es ist Aufgabe der Erfindung eine Multi-Strahl-Röntgenvorrichtung und ein Verfahren zum Betrieb dieser anzugeben, durch die eine Multi-Strahl-Röntgenröhre auch in der Medizintechnik verwendet werden kann.
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Gemäß der Erfindung wird die gestellte Aufgabe mit der Vorrichtung des unabhängigen Patentanspruchs 1 gelöst.
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Die Erfindung gibt eine Multi-Strahl-Röntgenvorrichtung mit einer in Form eines Polygons ausgebildeten Multi-Strahl-Röntgenröhre an, wobei die Brennpunkte der Röntgenstrahlung entlang der Polygonseiten angeordnet sind. Die Vorrichtung umfasst außerdem ein Röntgenröhre-Steuermittel, das die Röntgenstrahlungsabgabe derart steuert, dass abwechselnd reihum von jeder Polygonseite eine Röntgenstrahlung abgegeben wird, und mehrere im Strahlengang der Röntgenröhre verfahrbar angeordnete erste Blenden mit mindestens jeweils einer ersten Blendenöffnung, wobei jeder Polygonseite eine erste Blende zugeordnet ist, deren erste Blendenöffnung den Querschnitt der von der Röntgenröhre abgegebenen Röntgenstrahlung begrenzt. Der Vorteil der Vorrichtung besteht darin, dass ohne eine Bewegung der Röntgenröhre eine Vielzahl von Schnittbildern aus unterschiedlichen Richtungen erzeugt werden kann.
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In einer Weiterbildung kann die erste Blendenöffnung die Röntgenstrahlung auf einen Röntgenbildempfänger einblenden, der seine Position zu der Multi-Strahl-Röntgenröhre nicht verändert. Dadurch müssen sowohl Röntgenröhre als auch Röntgenbildempfänger zwischen Aufnahmen aus unterschiedlichen Richtungen nicht bewegt werden.
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In einer weiteren Ausführungsform können die ersten Blenden derart ansteuerbar sein, dass diejenige erste Blende sich in Ruhe befindet, aus deren erster Blendenöffnung ein Röntgenstrahl austritt, während die anderen ersten Blenden sich in Richtung einer neuen Brennpunktposition bewegen. Vorteilhaft daran ist, dass die Röntgenbildfolgefrequenz erhöht werden kann, ohne die Verfahrgeschwindigkeit der ersten Blende vergrößern zu müssen.
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Des Weiteren kann die Vorrichtung mindestens zwei erste Blendenöffnungen in den ersten Blenden und der Polygonseiten zugeordnete zweite Blenden umfassen, wobei durch die zweiten Blenden diejenige mindestens eine erste Blendenöffnung abgedeckt wird, durch die keine Röntgenstrahlung treten soll. Dies bietet den Vorteil, dass eine unerwünschte Röntgenstreustrahlung wirksam unterdrückt wird.
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In vorteilhafter Weise können die Brennpunkte einen regelmäßigen Abstand zueinander aufweisen, und der Abstand der ersten Blendenöffnungen der ersten Blende zueinander kann das n,5-fache des Abstands der Brennpunkte betragen, wobei n ∊ N ist. Dadurch können die Verfahrwege der ersten Blenden minimiert werden.
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In einer Weiterbildung kann das Polygon ein regelmäßiges, planares Polygon sein. Dies bietet den Vorteil einer einfachen mechanischen und steuertechnischen Umsetzung.
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In einer weiteren vorteilhaften Ausführungsform der Erfindung kann eine Mammografieanlage mit Tomosynthese eine erfindungsgemäße Multi-Strahl-Röntgenvorrichtung aufweisen. Dadurch können in sehr schneller Folge eine Vielzahl von Röntgenbildern der weiblichen Brust erzeugt werden.
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Weitere Besonderheiten und Vorteile der Erfindung werden aus den nachfolgenden Erläuterungen eines Ausführungsbeispiels anhand von schematischen Zeichnungen ersichtlich.
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Es zeigen:
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1: eine perspektivische Ansicht einer Multi-Strahl-Röntgenvorrichtung,
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2: eine perspektivische Ansicht einer Blendenanordnung von oben,
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3: eine perspektivische Ansicht einer Blendenanordnung von unten und
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4: ein Beispiel einer Brennpunktanordnung mit zugehöriger Blendenanordnung.
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1 gibt einen Überblick über eine erfindungsgemäße Anordnung. Eine Multi-Strahl-Röntgenröhre 3 besitzt die Form eines Quadrats, wobei die Röhre 3 in etwa senkrecht nach oben eine Vielzahl von Röntgenstrahlen mit unterschiedlichen Brennpunkten abgeben kann. Einer dieser Röntgenstrahlen 8 ist in 1 mit seinen Begrenzungen eingezeichnet. Eine nicht dargestellte Röntgenstrahl-Steuereinheit regelt die Abgabe der Röntgenstrahlung. In der Regel wird immer nur von einem Brennpunkt eine Röntgenstrahlung ausgesendet. Die Brennpunkte befinden sich entlang der Seiten des Quadrats und sind in regelmäßigen Abständen angeordnet. Um den Querschnitt des Röntgenstrahls 8 zu begrenzen, ist eine erste Blende 1 erforderlich. Durch eine erste Blendendöffnung 4 in der ersten Blende 1 wird der Querschnitt des Röntgenstrahls 8 in seiner Dimension begrenzt. Eine zweite Blende 2 deckt eine nicht verwendete zweite erste Blendenöffnung 4 ab. Das Abdecken verhindert ein Austreten von Streustrahlung. Die ersten und zweiten Blenden 1, 2 sind mit einem achteckigen Blendenträger 5 verfahrbar verbunden. Werden von der Röntgenstrahl-Steuereinheit nacheinander unterschiedliche Brennpunkte aktiviert, muss die Anordnung der ersten und zweiten Blenden 1, 2 entsprechend „mitwandern”.
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Die 2 und 3 zeigen in einer perspektivischen Ansicht den Blendenträger 5 mit den ersten und zweiten Blenden 1, 2 aus 1 ohne die Multi-Strahl-Röntgenröhre. 2 zeigt die Blendenanordnung von oben, 3 von unten. In 2 sind auch die Zahnriemenantriebe 7 zu erkennen. Diese bewegen die zweiten Blenden 2 in die Positionen oberhalb der nicht benötigten ersten Blendenöffnungen 4. Da die zweiten Blenden 2 größer als die ersten Blendenöffnungen 4 ausgebildet sind, spielt die Präzision der Bewegung der zweiten Blenden 2 keine große Rolle. Wichtig ist, dass eine Bewegung zwischen den beiden ersten Blendenöffnungen 4 einer ersten Blende 1 sehr schnell erfolgen kann. Zum Unterschied dazu, muss der Antrieb der ersten Blenden 1 sehr exakt sein, da ihre Position den Querschnitt des Röntgenstrahls und die Lage des Röntgenbilds auf einem Röntgenbildempfänger bestimmt. Andererseits sind die Verfahrwege zwischen den Brennpunkten nicht so groß. Daher kommt in diesem Fall ein wie in 3 dargestellter relativ langsamer, aber sehr genauer Spindelantrieb 6 zum Einsatz. Die ersten Blenden 1 sind zueinander in unterschiedlichen Ebenen angeordnet, damit sie sich beim Verfahren nicht berühren bzw. behindern können.
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Um zu verdeutlichen, in welcher Reihenfolge die Röntgenstrahlen abgegeben und wie die Blenden bewegt werden, sind in 4 die 52 Brennpunkte B1 bis B52 einer quadratischen Multi-Strahl-Röntgenröhre in einer Draufsicht dargestellt. Dabei bilden die Brennpunkte B1, B9, B17, B25, B33, B41, B49, B5, B13, B21, B29, B37 und B45 die erste Quadratseite, die Brennpunkte B2, B10, B18, B26, B34, B42, B50, B6, B14, B22, B30, B38 und B46 die zweite Quadratseite, die Brennpunkte B3, B11, B19, B27, B35, B43, B51, B7, B15, B23, B31, B29 und B47 die dritte Quadratseite und die Brennpunkte B4, B12, B20, B28, B36, B44, B52, B8, B16, B24, B32, B40, B48 die vierte Quadratseite. Zur Tomosynthese werden 52 Einzelbilder mit 52 unterschiedlichen Brennpunkten B1 bis B52 aufgenommen. Durch jeweils zwei erste Blendenöffnungen 4A–4D der aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht dargestellten zwei gegenüberliegenden ersten Blenden wird der Querschnitt der von einem der Brennpunkte B1 bis B52 ausgesendeter Röntgenstrahlung begrenzt. Die Bildfolgegeschwindigkeit ist durch die maximale Bewegungsgeschwindigkeit der ersten Blende 1 begrenzt. Durch die Anordnung und die zugehörige Röntgenstrahlsteuerung kann die Bildfolgegeschwindigkeit um den Faktor „8” erhöht werden. Dazu werden die Brennpunkte B1 bis B52 nicht der räumlichen Anordnung nach reihum mit Elektronenstrahlen beschossen, sondern in der Reihenfolge der Bezeichnungen. Da die ersten Blenden jeweils zwei erste Blendenöffnungen 4A bis 4D aufweisen, kann bei jedem „Rundlauf” zwischen den beiden Blendenöffnungen 4A, 4B bzw. 4C, 4D „gesprungen” werden. In 4 sind der Übersichtlichkeit wegen nur die Mittenachsen der ersten Blendenöffnungen 4A bis 4C zu den Zeitpunkten t0 bis t8 als Linien dargestellt. Die ersten Blendenöffnungen der beiden anderen ersten Blenden sind nicht eingezeichnet. Der Abstand der beiden ersten Blendenöffnungen 4A, 4B bzw. 4C, 4D ist gleich dem 6,5-fachen Brennpunktabstand. Durch zwei erste Blendenöffnungen in einer ersten Blende kann somit die Bildfolgefrequenz verdoppelt werden. Dadurch dass immer reihum abwechselnd ein Brennpunkt einer anderen Quadratseite aktiviert wird, kann die Bildfolgefrequenz noch einmal vervierfacht werden. Die erste Blende hat somit einen „Umlauf” Zeit, um in eine neue Position über dem nächsten Brennpunkt zu fahren. Nur die erste Blende, durch deren erste Blendenöffnung 4A bis 4D gerade der Röntgenstrahl geschossen wird, ist in Ruhe. Zwischen jedem neuen „Schuss” bewegt sich daher die Blende um 1/8 Brennpunktabstand weiter.
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Vorzugsweise kann die erfindungsgemäße Multi-Strahl-Röntgenvorrichtung für eine Tomosynthese bei der Mammografie zum Einsatz kommen. Mit oben beschriebener Anordnung können in kürzester Zeit 52 Schnittbilder aufgenommen und zu einer räumlichen Ansicht verarbeitet werden.
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Eine weitere bevorzugte Anwendung ist die Röntgenbildaufnahme im Operationssaal, wo Bewegungen von Röntgenanlagen störend sind. Mit der erfindungsgemäßen Vorrichtung bleiben Röntgenstrahler und Röntgendetektor in Ruhe.
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Bezugszeichenliste
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- 1
- erste Blende
- 2
- zweite Blende
- 3
- Multi-Strahl-Röntgenröhre
- 4
- erste Blendenöffnung
- 4A–4D
- Lage der ersten Blendenöffnung 4
- 5
- Blendenträger
- 6
- Spindelantrieb
- 7
- Zahnriemenantrieb
- 8
- Röntgenstrahlung/Röntgenstrahlbündel
- B1–B52
- Brennpunkte
- t0–t8
- Position der Mittenachse der ersten Blendenöffnung 4