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Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zum Bestimmen eines Lenkradschiefstands bei einem Kraftfahrzeug.
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Bei Kraftfahrzeugen besteht das Bedürfnis, ein Lenkrad so in einem Lenksystem des Fahrzeugs anzuordnen, dass es möglichst genau mittig ausgerichtet ist, wenn das Fahrzeug geradeaus fährt. Ein von der Mittellage abweichendes Lenkrad steht schief und stört komfortbewusste und qualitätsbewusste Fahrzeugführer.
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Beim Zusammenbau eines Kraftfahrzeugs können sich Herstellungstoleranzen von lenkbaren Fahrzeugrädern über Lenkgestänge, Lenkgetriebe, Lenkspindel und Lenkrad aufaddieren, so dass eine Schiefstellung des Lenkrads entstehen kann. Eine derartige Schiefstellung kann korrigiert werden, wenn der Winkelwert des Lenkradschiefstands bekannt ist. Während der Fertigung stehen die Fahrzeuge jedoch üblicherweise still, so dass der Lenkradwinkel bei Geradeausfahrt nicht überprüfbar ist.
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Die nachveröffentlichte Offenlegungsschrift
DE 10 2007 019 739 A1 beschreibt ein Verfahren zum Bestimmen einer Korrektur eines Lenkwinkels einer Lenkvorrichtung eines Fahrzeugs, bei welchem der Lenkwinkel durch eine Sensorik erfasst wird, wobei eine Referenzstrecke mit dem Fahrzeug befahren wird und in einem Diagnosemodus eine Mehrzahl von den Lenkwinkel betreffenden Messwerten bei einem die Geradeausfahrt des Fahrzeugs definierenden Fahrbetrieb erfasst werden. Abhängig von einem Vergleich zumindest eines erfassten Messwerts oder eines den Messwert charakterisierenden Werts mit einem Referenzwert des Lenkwinkels bei Geradeausfahrt wird eine Korrektur des Lenkwinkels bestimmt. Aus
DE 10 2007 019 739 A1 ist nicht bekannt, in das Lenkrad eingeleitete Lenkmomente und mittlere Lenkmomente zu bestimmen sowie ein Einfluss eines beim Lenken torsionsbelasteten Drehstabs aus den mittleren Lenkwinkeln herauszurechnen.
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Die vorliegende Erfindung beschäftigt sich mit dem Problem, für die Bestimmung des Winkels eines Lenkradschiefstands ein Verfahren aufzuzeigen, das insbesondere vergleichsweise einfach realisierbar ist. Dieses Problem wird erfindungsgemäß durch den Gegenstand des unabhängigen Anspruchs gelöst, vorteilhafte Ausführungsformen sind Gegenstand der abhängigen Ansprüche.
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Die Erfindung beruht auf dem allgemeinen Gedanken, ein Fahrzeug, bei dem der Schiefstand des Lenkrads bestimmt werden soll, entlang einer Messstrecke zumindest einmal in der einen Richtung (Hinfahrt) und zumindest einmal in der Gegenrichtung (Rückfahrt) zu bewegen. Während diesen Messfahrten werden mittels einer entsprechenden Messeinrichtung mittlere Lenkwinkel für die Hinfahrt und mittlere Lenkwinkel für die Rückfahrt berechnet. Außerdem werden während den Messfahrten mittlere Lenkmomente für die Hinfahrt und für die Rückfahrt ermittelt. Die Lenkmomente sind dabei die Momente die vom Fahrzeugführer in das Lenkrad eingeleitet werden müssen, um der Messstrecke folgen zu können. Für die Messung der Lenkwinkel und Lenkmomente kann eine speziell dafür ausgestaltete Einrichtung verwendet werden, wie sie bspw. aus der
DE 10 2008 016 045 bekannt ist. Einrichtungen dieser Art können auch als Lenkradwaage bezeichnet werden. Für die Messung kann eine derartige Messeinrichtung fest mit dem Lenkrad verbunden werden, wodurch eine Erfassung der Lenkwinkel möglich wird. Des Weiteren besitzt eine derartige Einrichtung einen Handgriff, über den die Lenkmomente in das Lenkrad eingeleitet werden können. Diese Lenkmomente lassen sich dabei über eine entsprechende Sensorik der Messeinrichtung ermitteln.
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Es ist klar, dass zur Bestimmung der mittleren Lenkwinkel und der mittleren Lenkmomente die Messstrecke mehrfach abgefahren werden kann. Bevorzugt sind dabei drei Hinfahrten und drei Rückfahrten durchzuführen.
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Wenn durch die Messfahrten die mittleren Lenkwinkel und mittleren Lenkmomente sowohl für die Hinfahrt als auch für die Rückfahrt berechnet bzw. ermittelt worden sind, kann in einem weiteren Schritt der Einfluss eines Drehstabs des Lenksystems aus den mittleren Lenkmomenten herausgerechnet werden. Besagter Drehstab ist beim Lenken torsionsbelastet und führt bei anliegenden Lenkmomenten zu einer gewissen Verzerrung zwischen dem Winkel der lenkbaren Fahrzeugräder und dem Winkel des Lenkrads. Ein derartiger Drehstab kann z. Bsp. bei hydraulischen Servolenkungen in einem Steuerventil angeordnet sein, das in Abhängigkeit der Verwindung des Drehstabs die hydraulische Lenkkraftunterstützung steuert. Somit kann der Drehstab ein Bestandteil einer Lenksäule bilden. Ebenso kann die Lenksäule selbst den Drehstab bilden, da auch die Lenksäule tordieren kann. Die Torsionssteifigkeit der Lenksäule bzw. des Drehstabs ist für den jeweiligen Fahrzeugtyp bekannt. Somit ergibt sich folgender Zusammenhang:
daraus folgt:
beziehungsweise:
daraus folgt:
wobei:
- Wt1
- Torsionswinkel bei der Hinfahrt
- Wt2
- Torsionswinkel bei der Rückfahrt
- Mdm1
- mittleres Lenkmoment bei der Hinfahrt
- Mdm2
- mittleres Lenkmoment bei der Rückfahrt
- Ts
- Torsionssteifigkeit des Drehstabs
- Wm1
- mittlerer Lenkwinkel bei der Hinfahrt
- Wm2
- mittlerer Lenkwinkel bei der Rückfahrt
- Wr1
- korrigierter mittlerer Lenkwinkel für die Hinfahrt
- Wr2
- korrigierter mittlerer Lenkwinkel für die Rückfahrt
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In einem weiteren Schritt kann nun die Streckenneigung aus den mittleren Lenkwinkeln herausgerechnet werden. Da die Messstrecke gegenüber einer absoluten horizontalen Ebene in der Regel geneigt ist, kann die Genauigkeit des Winkels für die Lenkradschiefstellung signifikant verbessert werden, wenn die Streckenneigung aus den mittleren Lenkwinkeln herausgerechnet wird. Hierzu werden folgende Berechnungen durchführt:
oder für den Idealfall bei gleicher Streckenneigung für Hinfahrt und Rückfahrt:
beziehungsweise:
oder für den Idealfall bei gleicher Fahrbahnneigung für Hinfahrt und Rückfahrt:
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Wobei:
- Wr1
- korrigierter mittlerer Lenkwinkel der Hinfahrt
- Wr2
- korrigierter mittlerer Lenkwinkel der Rückfahrt
- f1
- Streckenneigung der Hinfahrt
- f2
- Streckenneigung der Rückfahrt
- f
- (betragsmäßig) gleiche, einheitliche ideale Streckenneigung für Hin- und Rückfahrt
- LRW1
- korrigierter Lenkradwinkel der Hinfahrt
- LRW2
- korrigierter Lenkradwinkel der Rückfahrt
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Um die Streckenneigung zu messen, kann grundsätzlich wieder die zuvor genannte Messeinrichtung verwendet werden, die hierzu jedoch nicht am Lenkrad, sondern fahrzeugfest angeordnet wird, z. Bsp. am Armaturenbrett des Fahrzeugs. Vorab muss noch die Raumlage der Messeinrichtung im Fahrzeug ermittelt werden. Hierzu wird das Fahrzeug bei montierter Messeinrichtung auf einem möglichst ebenen Stellplatz in einer Richtung abgestellt. Dann wird ein mittlerer Winkel a ermittelt. Anschließend wird das Fahrzeug auf demselben Stellplatz um 180° gedreht, also gewendet, so dass es anschließend in der Gegenrichtung steht. Beim gewendetem Fahrzeug wird dann ein mittlerer Winkel b ermittelt. Diese Messungen können mehrfach wiederholt werden, um die Genauigkeit der mittleren Winkel a und b zu erhöhen. Anschließend kann ein mittlerer Winkel c ermittelt werden, der die Schieflage des Messgeräts im Fahrzeug repräsentiert.
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Die Berechnung kann wie folgt durchgeführt werden:
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Sobald die Raumlage des Messgeräts im Fahrzeug bekannt ist, kann die Messstrecke in beiden Richtungen abgefahren werden. Zweckmäßig werden diese Fahrten wiederholt, insbesondere dreimal. Hierdurch ergeben sich ein mittlerer Fahrbahnwinkel für die Hinfahrt dm und ein mittlerer Fahrbahnwinkel für die Rückfahrt em. Diese mittleren Fahrbahnwinkel müssen noch korrigiert werden, um die Neigung des Messgeräts gegenüber dem Fahrzeug herauszurechnen:
beziehungsweise
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Hierdurch ergeben sich die Fahrbahn- bzw. die Streckenneigung für die Hinfahrt f1 und für die Rückfahrt f2.
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Sofern die identische Strecke abgefahren wird, kann Idealerweise davon ausgegangen werden, dass die Streckenneigung für Hinfahrt und für die Rückfahrt (betragsmäßig) gleich ist, so dass eine von der Fahrtrichtung unabhängige Streckenneigung f wie folgt ermittelt werden kann:
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Um nun den Winkel für den Lenkradschiefstand zu ermitteln, kann die Differenz zwischen den korrigierten mittleren Lenkwinkeln für die Hinfahrt und die Rückfahrt berechnet werden:
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Wobei:
- LRW1
- korrigierter mittlerer Lenkwinkel der Hinfahrt
- LRW2
- korrigierter mittlerer Lenkwinkel der Rückfahrt
- LRS
- Winkel des Lenkradschiefstands
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Sobald der Lenkradschiefstand bekannt ist, kann das Lenkrad entsprechend justiert werden, um den Lenkradschiefstand weitgehend zu eliminieren, dass heißt - wenn möglich - auf den Wert Null einzustellen.
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Bei der Durchführung des vorstehend beschriebenen Verfahrens können unterschiedliche Randbedingungen zu berücksichtigen sein. Beispielsweise kann eine vorbestimmte Messgeschwindigkeit einzuhalten sein, die bspw. ca. 40 km/h betragen kann. Die Streckenneigung sollte zwischen 1 Grad und 2,5 Grad liegen. Eine optimale Streckenneigung liegt bei etwa 2,3 Grad. Durch den vorgegebenen Neigungsbereich für die Strecke können Reibungseinflüsse minimiert werden. Die Messstrecke selbst sollte wenn möglich keine Unebenheiten aufweisen, die bspw. durch querversetztes Fahren zu unterschiedlichen Ergebnissen führen könnten. Die Messungen sollten zumindest dreimal durchgeführt werden. Bei grenzwertigen Messbedingungen können bis zu zehn Messungen erforderlich sein, um rein statistisch zuverlässige Werte zu erhalten. Die Ausmessung der Streckenneigung muss im Grunde nur einmal durchgeführt werden, bevorzugt zu Beginn der Lenkwinkelmessung. Die Neigung der Strecke f bei gleichem Hin- und Rückweg bzw. f1 für den Hinweg und f2 für den Rückweg dient bei der Bestimmung des Lenkradschiefstands als Proportionalfaktor. Bei den einzelnen Messfahrten sind Unlinearitäten, wie z. Bsp. Parameterlenkung bezüglich Geschwindigkeit zu berücksichtigen. Für die Messung sollte eine solche Parametrisierung deaktiviert werden. Alternativ sollte die Messung bei Geschwindigkeiten durchgeführt werden, bei denen die Parametrisierung noch nicht greift. Die Messung der Momente und Winkel erfolgt idealerweise auf der gleichen Strecke bei Hinfahrt und Rückfahrt, um Nichtlinearitäten bei Lenkungskennlinien und Fahrzeugasymmetrien zu eliminieren.