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Stand der Technik
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Die Erfindung betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung zum Erkennen des Schleuderns eines Kraftfahrzeugs.
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Aus dem Stand der Technik ist es bekannt, das Schleudern eines Kfz mit Hilfe von Raddrehzahlsensoren mit Drehrichtungserkennung festzustellen. Falls sich die Drehrichtung eines oder mehrerer Räder ändert, obwohl vom Fahrer kein Richtungswechsel, beispielsweise durch Einlegen des Rückwärtsganges, vorgegeben wird, wird auf Schleudern des Kraftfahrzeugs erkannt. Dazu müssen jedoch die Raddrehzahlsensoren mit einer Drehrichtungserkennung ausgestattet sein. Dies ist aufwändig und teuer.
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Die
DE 10 2004 062 811 A1 offenbart die Modifikation eines Bremsmoment einer Bremseinrichtung eines Fahrzeugs an wenigstens einem Rad mit folgenden Schritten:
- - Ermitteln eines Betriebszustandes des Fahrzeugs mit aufrechterhaltenem Bremsmoment, in dem sich das Fahrzeug an einem Hang befindet, und
- - Steuern der Bremseinrichtung des Kraftfahrzeugs, so dass unabhängig von der Betätigung der Bremseinrichtung durch einen Fahrzeugführer das Bremsmoment modifiziert wird, das das Kraftfahrzeug in dem Betriebszustand am Hang hält, wenn in dem Betriebszustand des Fahrzeugs Fahrzeugbewegungen erfasst werden.
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Um ein Wegrollen beim Anfahren zu vermeiden ist dabei vorgesehen,dass überprüft wird, ob die erfassten Fahrzeugbewegungen Fahrzeugbewegungen sind, die in Hangabtriebsrichtung auftreten, und dass das Bremsmoment erhöht wird, wenn derartige Fahrzeugbewegungen nicht mit einer gewünschten Fahrtrichtung übereinstimmen.
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Die
WO 02/062 640 A1 lehrt ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Fahrtrichtungserkennung eines Fahrzeugs, während des Anfahrens bzw. Anrollens und/oder Fahrens eines Fahrzeugs bergabwärts, insbesondere bei einer HDC-Regelung, die die Fahrzeuggeschwindigkeit bei einer Bergfahrt durch Beeinflussung der Betriebsbremse konstant hält oder begrenzt. Dabei wird die Erkennung der Fahrtrichtung in Abhängigkeit von internen und/oder externen Fahrzeuggrössen, wie der Motordrehzahl, dem Motormoment, der Fahrpedalstellung, dem eingelegten Gang, dem Kupplungszustand, dem Drehverhalten der Räder, der Längsbeschleunigung, der Fahrbahnneigung, durch Korrelation mindestens zweier Grössen ermittelt. Die Auswahl der zu korrelierenden Grössen erfolgt nach Massgabe einer Statusbestimmung der Fahrzeuggrössen und/oder wenn die Fahrzeuggrössen hinsichtlich ihrer Zeitverläufe bestimmten Bedingungen genügen.
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In der
DE 10 2006 054 516 A1 wird ein Verfahren vorgeschlagen zur Feststellung der Rollrichtung eines Fahrzeugs mittels zumindest teilweise errechneter fahrzeugspezifischer Parameter und zumindest teilweise messtechnisch ermittelter fahrzeugspezifischer Parameter unter Verwendung eines mathematischen Triebstrangsmodells, wobei nach dem Verfahren anhand von Fahrzeugsignalen mit dem Triebstrangmodell eine Hangabtriebskraft ermittelt und daraus eine Fahrgeschwindigkeit des Fahrzeugs prädiziert wird und anhand der prädizierten Fahrgeschwindigkeit und messtechnisch ermittelter Raddrehzahlen die Rollrichtung festgestellt wird.
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Die
DE 10 2007 012 833 A1 betrifft ein Verfahren zur Feststellung eines Fahrtrichtungswechsels eines Fahrzeugs unter Verwendung eines Längsbeschleunigungssignals und einer sich aus Radimpulssignalen ergebenden Geschwindigkeitsinformation.
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Offenbarung der Erfindung
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Es ist daher die Aufgabe der vorliegenden Erfindung, ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Schleuder-Erkennung zu schaffen, das bzw. die mit Raddrehzahlsensoren ohne Drehrichtungserkennung auskommt.
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Gelöst wird diese Aufgabe gemäß der Erfindung durch die im Patentanspruch 1 angegebenen Merkmale. Weitere Ausgestaltungen der Erfindung ergeben sich aus den Unteransprüchen.
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Ein wesentlicher Aspekt der Erfindung besteht darin, das Bewegungsverhalten von wenigstens zwei, vorzugsweise wenigstens drei Rädern in Bezug auf verschiedene Bewegungszustände zu überwachen, die beim Schleudern eines Fahrzeugs typischerweise auftreten, und danach zu entscheiden, ob das Fahrzeug schleudert oder nicht. Gemäß der Erfindung werden vorzugsweise wenigstens drei Bewegungszustände oder -Phasen der Räder, die hier als „Verzögern“, „Stillstand“ und „erneutes Beschleunigen“ bezeichnet werden, anhand von Schwellenwertvergleichen identifiziert. Wahlweise können auch mehr als drei Bewegungszustände abgefragt werden. Hierzu werden zunächst die Radbeschleunigungen der einzelnen Räder ermittelt und mit einem vorgegebenen ersten Schwellenwert verglichen. Sind die Radbeschleunigungen jeweils kleiner als dieser Schwellenwert, befinden sich die Räder in einem ersten Zustand (hier als „Verzögern“ bezeichnet). Danach werden die aktuellen Radgeschwindigkeiten (hierunter soll insbesondere die Winkelgeschwindigkeit oder die Drehzahl verstanden werden) ermittelt und mit einem zweiten Schwellenwert verglichen. Sind die Radgeschwindigkeiten jeweils kleiner als der zweite Schwellenwert, sind die Räder in einen zweiten Zustand (hier als „Stillstand“ bezeichnet) übergegangen. Danach werden die Radbeschleunigungen erneut ermittelt und mit einem dritten Schwellenwert verglichen. Sind die Radbeschleunigungen jeweils größer als der dritte Schwellenwert, sind die Räder in einen dritten Zustand (hier als „erneutes Beschleunigen“ bezeichnet) übergegangen. Sind alle drei Abfragen für alle überwachten Räder erfüllt, wird schließlich auf den Fahrzustand „Schleudern“ erkannt. Sofern nur eine der genannten Abfragen bei einem oder mehreren Rädern negativ ist, wird nicht auf „Schleudern“ erkannt. Die Abfragen werden vorzugsweise für alle überwachten Räder parallel oder nahezu parallel durchgeführt.
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Neben den genannten Bedingungen können noch eine oder mehrere weitere Bedingungen für die Schleuder-Erkennung vorgegeben werden. Die genannten drei Bedingungen sind jedoch hinreichend. Mit diesem Verfahren ist es möglich, das Schleudern eines Kraftfahrzeugs besonders einfach zu erkennen, ohne spezielle Raddrehzahlsensoren mit Drehrichtungserkennung einsetzen zu müssen.
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Die Radgeschwindigkeiten und -Beschleunigungen der einzelnen Räder ergeben sich vorzugsweise direkt aus dem Signal der Raddrehzahlsensoren bzw. werden daraus abgeleitet. Sie werden vorzugsweise kontinuierlich gemessen.
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Der zweite Schwellenwert liegt vorzugsweise nahe Null oder ist gleich Null. Somit lässt sich erkennen, ob eines der überwachten Räder still steht. Der dritte Schwellenwert kann beispielsweise gleich groß sein wie der erste Schwellenwert.
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Als zusätzliche Bedingung können Mindest- und/oder Maximal-Zeitdauern für die einzelnen Bewegungszustände bzw. -phasen der überwachten Räder vorgegeben werden. Dadurch können die einzelnen Bewegungsphasen der Räder genau definiert und voneinander abgegrenzt werden. Gemäß einer speziellen Ausführungsform der Erfindung kann z. B. vorgegeben werden, dass die Radverzögerung eines oder mehrerer Räder z. B. wenigstens 50ms lang kleiner sein muss als der erste Schwellenwert, die Radgeschwindigkeit danach z. B. 100ms lang kleiner sein muss als der zweite Schwellenwert und die Radbeschleunigung danach wieder mehr als z. B. 100ms lang größer sein muss als der dritte Schwellenwert. Dadurch können die Bewegungsphasen „Verzögern“, „Stillstand“ und „Rückwärts Beschleunigen“ genauer an typische Bewegungsmuster beim Schleudern angepasst werden. Neben den Mindest-Zeitvorgaben können auch Maximal-Zeitvorgaben vorgegeben werden. So kann z. B. vorgegeben werden, dass die zweite Bewegungsphase nicht länger sein darf als z. B. 200ms. Dadurch kann erkannt werden, ob die Radstillstandszeit an einem Rad im Vergleich zu den anderen Rädern zu lang ist. Weicht die Stillstandszeit an einem Rad stark von den Stillstandszeiten der anderen Räder ab, so kann die Richtungsumkehr an diesem Rad und damit der Schleuderzustand als unwahrscheinlich gewertet werden.
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Alternativ oder zusätzlich kann vorgegeben werden, dass alle Bewegungsphasen innerhalb einer vorgegebenen Zeit durchlaufen werden müssen.
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Gemäß einer bevorzugten Ausführungsform der Erfindung wird auch überprüft, ob die einzelnen Bewegungsphasen, die von den Rädern durchlaufen werden, von allen Rädern in engem zeitlichen Zusammenhang, vorzugsweise etwa synchron durchlaufen werden, oder ob es erhebliche Abweichungen im Bewegungsverhalten der einzelnen Räder gibt, die eher auf andere Fahrzustände schließen lassen. Zu diesem Zweck kann z. B. abgefragt werden, ob eine der eingangs genannten Abfragebedingungen von wenigstens zwei verschiedenen Rädern innerhalb einer vorgegebenen Zeitspanne erfüllt werden. Anders ausgedrückt kann abgefragt werden, ob wenigstens zwei Räder innerhalb einer vorgegebenen Zeitdauer in den gleichen Bewegungszustand übergehen oder nicht. So kann z. B. abgefragt werden, ob die zweite Bedingung, die den Radstillstand erkennt, innerhalb einer bestimmten Zeit von einem ersten und einem zweiten Rad erfüllt wird. Falls ja, können ggf. weitere Bedingungen abgefragt werden. Falls nein, kann davon ausgegangen werden, dass kein Schleuderzustand vorliegt.
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Der Einfluss des Fahrers auf das Bewegungsverhalten der einzelnen Räder wird bei der Entscheidung über einen Schleuderzustand vorzugsweise ebenfalls berücksichtigt. Wenn der Fahrer z. B. nach dem Stillstand der Räder den Rückwärtsgang eingelegt hat, und die Räder danach wieder beschleunigen, muss davon ausgegangen werden, dass das Fahrzeug rückwärts fährt und nicht schleudert. Die Gangposition kann durch einfache Abfrage z. B. von einem Steuergerät ermittelt werden. Darüber hinaus kann auch eine Betätigung des Fahrpedals oder der Bremse durch den Fahrer oder durch eine automatische Assistenzfunktion berücksichtigt werden.
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Vorzugsweise wird nach dem Erkennen eines Schleuderzustands eine automatische Notbremsung mit maximaler Kraft eingeleitet. Dadurch kann die kinetische Energie des Fahrzeugs am schnellsten abgebaut werden.
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Figurenliste
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Die Erfindung wird nachstehend anhand der beigefügten Zeichnungen beispielhaft näher erläutert. Es zeigen:
- 1 ein Kraftfahrzeug in Geradeausfahrt,
- 2 das Kraftfahrzeug mit einem ersten Schwimmwinkel,
- 3 das Kraftfahrzeug mit einem zweiten Schwimmwinkel, und
- 4 ein Ablaufdiagramm eines Programms zum Erkennen eines Schleudervorganges.
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Ausführungsformen der Erfindung
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1 bis 3 zeigen verschiedene Bewegungszustände eines Fahrzeugs 2 während eines Schleudervorgangs. Die Längsachse des Fahrzeugs 2 ist dabei mit 4 und die Bewegungsrichtung mit 6 bezeichnet.
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Während des Schleudervorgangs verzögern die Räder zunächst (1 und 2), kommen dann zum Stillstand oder nahezu zum Stillstand (3) und beschleunigen dann wieder in Rückwärtsrichtung, wenn sich das Fahrzeug 2 weiter um die Hochachse dreht.
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Um das Schleudern des Fahrzeugs zu erkennen, ist ein Steuergerät mit einem Algorithmus vorgesehen, wie er beispielhaft in 4 gezeigt ist. Dieser Algorithmus überprüft im Wesentlichen, ob die Räder verschiedene Bewegungsphasen durchlaufen, die beim Schleudern des Fahrzeugs 2 typischerweise auftreten. Im vorliegenden Beispiel werden drei verschiedene Bewegungsphasen, nämlich „Verzögern“, „Stillstand“ und erneutes „Beschleunigen“ überwacht. Wenn diese Bewegungsphasen an drei Rädern in engem zeitlichen Zusammenhang auftreten, entscheidet der Algorithmus auf den Fahrzustand „Schleudern“.
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In einem Schritt S1 werden verschiedene Variablen initialisiert. In den Schritten S2-S4 werden die Radbeschleunigungen a1-a3 von drei überwachten Rädern ermittelt. Die Radbeschleunigungen a1-a3 werden vorzugsweise aus den Signalen der zugehörigen Raddrehzahlsensoren abgeleitet.
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In den Schritten S5, S6 und S7 wird überprüft, ob die aktuellen Radbeschleunigungswerte a1, a2, a3 kleiner sind als ein vorgegebener erster Schwellenwert T1. Darüber hinaus kann überprüft werden, ob die (vorzugsweise kontinuierlich gemessenen) Radbeschleunigungswerte a1, a2, a3 diese Bedingung jeweils für wenigstens eine vorgegebene Mindest-Zeitdauer erfüllen und/oder ob dieser Zustand länger anhält als eine maximale Zeitdauer. Der erste Schwellenwert T1 kann für jedes Rad unterschiedlich vorgegeben werden oder für alle Räder gleich sein. Sofern alle vorgegebenen Bedingungen erfüllt sind, wird der Zustand „Verzögern“ erkannt, und die Bearbeitung wird mit den Schritten S8, S9 und S10 fortgesetzt. Falls eine der Bedingungen nicht erfüllt ist, springt der Algorithmus zurück, und die Schritte S2-S4 werden erneut abgearbeitet.
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In Schritten S8, S9 und S10 werden für jedes überwachte Rad zugehörige Radgeschwindigkeitswerte v1, v2 und v3 ermittelt. Diese Werte v1, v2, v3 werden mit zugehörigen Schwellenwerten T2 vergleichen. Sofern die aktuellen Radgeschwindigkeitswerte v1, v2, v3 kleiner sind als der vorgegebene zweite Schwellenwert T2, wird noch überprüft, ob die (kontinuierlich gemessenen) aktuellen Radgeschwindigkeitswerte v1, v2, v3 mindestens für eine vorgegebene Minimalzeitdauer und/oder höchstens für eine vorgegebene Maximalzeitdauer kleiner sind als der vorgegebene Schwellenwert T2.
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Der zweite vorgegebene Schwellenwert T2 ist hier gleich Null oder nahe Null gewählt und kann wiederum für alle Räder gleich oder unterschiedlich sein. Sofern alle vorgegebenen Bedingungen erfüllt sind, wird der Zustand „Stillstand“ erkannt, und die Bearbeitung wird mit den Schritten S11, S12 und S13 fortgesetzt. Falls eine der Bedingungen nicht erfüllt ist, springt der Algorithmus zurück zu den Schritten S2-S4.
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In Schritten S11, S12 und S13 wird überprüft, ob die aktuellen Beschleunigungswerte a1 bis a3 größer als ein vorgegebener dritter Schwellenwert T3 sind. Außerdem wird überprüft, ob die aktuellen Radbeschleunigungswerte a1, a2, a3 mindestens für eine vorgegebene Minimalzeitdauer und/oder höchstens für eine vorgegebene Maximalzeitdauer größer als der vorgegebene dritte Schwellenwert T3 sind. Sofern alle vorgegebenen Bedingungen erfüllt sind, wird der Zustand „erneutes Beschleunigen“ erkannt, und die Bearbeitung wird mit Schritte S14 fortgesetzt. Falls eine der Bedingungen nicht erfüllt ist, springt der Algorithmus zurück zu den Schritten S2-S4 oder S5-S7 oder S8-S10.
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In Schritt S14 kann eine zusätzliche Bedingung CON geprüft werden. Mit dieser Bedingung CON kann beispielsweise abgefragt werden, ob der Fahrer den Rückwärtsgang eingelegt, stark beschleunigt oder gebremst hat, oder in anderer Weise erheblich in den Fahrbetrieb eingegriffen hat. Die Bedingung CON kann alternativ auch zu Beginn des Programms geprüft werden.
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Ist die Bedingung CON nicht erfüllt, kann das Programm abgebrochen oder erneut in den Schritten S2 bis S4 abgearbeitet werden. Ist die Bedingung CON erfüllt, wird in Schritt S15 der Zustand „Schleudern“ erkannt und ein Signal MSG erzeugt, das anzeigt, dass das Fahrzeug 2 schleudert. Das Signal MSG kann z. B. eine Sicherheitsmaßnahme, z. B: eine automatische Notbremsung auslösen.
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In Schritt S16 wird das Programm beendet.