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Das neue Verfahren dient der deutlichen Verbesserung der Oxidationsbeständigkeit von intermetallischen Legierungen aus Titan und Aluminium, den so genannten Gamma-Titanaluminiden, oberhalb von Temperaturen von ca. 700°C.
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Ohne zusätzliche Maßnahmen ist das Hochtemperaturoxidationsverhalten dieser Legierungen durch die Bildung einer schnell wachsenden Mischoxidschicht aus Titanoxid und Aluminiumoxid gekennzeichnet, welche den Werkstoff nicht zu schützen vermag und oberhalb von ca. 700°C in relativ kurzen Zeiträumen zum Versagen der TiAl-Bauteile führen kann [1]. Eine Steigerung der Oxidationsbeständigkeit würde einen Einsatz dieser Leichtbauwerkstoffe (Dichte ca. 4 g/cm3) in verschiedenen Hochtemperaturanwendungen, z. B. Flugzeugturbinen oder Automobilmotoren, und somit das Ersetzen der schweren herkömmlichen Nickelbasissuperlegierungen oder Hochtemperaturstähle (Dichte bis ca. 9 g/cm3) ermöglichen, was eine deutliche Steigerung des Wirkungsgrades dieser Systeme bewirken würde und zusätzlich zu einer deutlichen Treibstoffeinsparung führen würde. Gerade bei bewegten oder rotierenden Teilen bewirkt die Verringerung der Masse eine deutliche Verbesserung.
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Die Oxidationsbeständigkeit von TiAl-Legierungen kann durch das Zulegieren von anderen Elementen z. B. Nb oder Si verbessert werden, ohne jedoch dauerhaft zu einer dünnen, schützenden Aluminiumoxidschicht zu führen [2, 3]. Ein Zulegieren in mehreren at.% wird als Makrolegieren bezeichnet. Hierdurch werden jedoch die mechanischen Eigenschaften der Bauteile beeinflusst. In Hinsicht auf die mechanische Belastung ausgelegter Bauteile sollten daher diese nur an ihrer Oberfläche modifiziert werden, damit die mechanischen Eigenschaften und die Struktur des Substrats nicht verändert werden.
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Schutzschichtsysteme, sogenannte Coatings, stellen eine Oberflächenbearbeitungsmethode dar, womit die Oxidationsbeständigkeit verbessert werden kann [4].
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Coatings sind jedoch meist mehrere μm dick und weisen daher Haftungsprobleme, vor allem bei Temperaturwechselbeanspruchung, auf. Diffusionscoatings bestehen meist aus intermetallischen Phasen. Diese Phasen sind häufig spröde und daher anfällig für Rissinitiierung. Diese Rissbildung kann unter thermozyklischer Belastung zum Versagen der Bauteile führen [5]. Neben dem Makrolegieren mit verschiedenen Elementen oder dem Aufbringen von Coatings kann die Oxidationsbeständigkeit dieser Legierungsklasse auch durch den Zusatz von geringen Mengen an Halogenen (Mikrolegieren) deutlich verbessert werden, da selektiv eine schützende Aluminiumoxidschicht gebildet wird [6–8] („Halogeneffekt”). Das Einbringen der Halogene erfolgt bei den bisherigen Schutzrechten [9–13] über verschiedene Verfahren. Die Halogene werden entweder der Prozessatmosphäre zugesetzt, dem gesamten Werkstoff zulegiert oder es wird die Oberfläche vorbehandelt. Die Beamline-Ionen-Implantation (BLI2) stellt ein Oberflächenmodifizierungsverfahren dar. Dieses Verfahren lässt sich gut simulieren und die Tiefenprofile der implantierten Elemente berechnen [14]. Damit lassen sich durch geeignete Wahl der Implantationsparameter definierte Profile der implantierten Elemente in den verschiedensten Substraten einstellen. Das BLI2-Verfahren ist aber auf ebene Oberflächen beschränkt. Für komplexe Bauteile aus TiAl muss daher die Plasma-Immersion-Ionen-Implantation (PIII, PI3) zur Anwendung kommen.
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[16] beschreibt allgemein die Plasma-Immersion-Ionen-Implantation (PI3) unter Verwendung der PI3 von Halogenen, vor allem Cl. und der Ergebnisse des seit 1996 laufenden Projekte zum Thema „Hochtemperatur-Oxidationsschutz von TiAl-Legierungen.
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In [17] ist eine Auflistung der AiF-Projekte zum Thema Oxidationsschutz von TiAl-Legierungen, wobei bei der Implantation elementares Fluorgas verwendet wurde, die auf dem Workshop [18] präsentiert wurden. Die bisher beschriebenen Verfahren zur Halogenbehandlung setzen eine Mindesteinwirkungsdauer der Halogenverbindungen auf die Oberfläche voraus oder die Legierung muss während oder nach Aufbringen der Halogenverbindung aufgeheizt werden oder die reinen Halogene werden in den Oberflächenrandbereich implantiert. Eine Voroxidation in oxidierender Atmosphäre wird ebenfalls vorgeschrieben, um die schützende Aluminiumoxidschicht zu erhalten [9]. Die Verfahren, in denen die Halogene bei der Herstellung direkt der Legierung zugesetzt werden, gehen einen völlig anderen Weg, der jedoch aufgrund einer negativen Beeinflussung der mechanischen Eigenschaften nicht verfolgt werden sollte.
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Neuere eigene Untersuchungen haben festgestellt, dass der „Fluoreffekt den übrigen Halogenen überlegen ist [15]. Die mit der BLI2 implantierte optimale Fluordosis beträgt 2 × 1017 F/cm2 bei einer Energie von 25 keV [15]. Das aggressive, giftige, reine Fluorgas ist jedoch aufgrund der Reaktivität des Fluors schwierig zu handeln. Bei der Implantation müssen daher besondere Sicherheitsmaßnahmen getroffen werden.
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Eine Verwendung von verdampfbaren organischen oder anorganischen Fluorverbindungen z. B. CH2F2 oder BF3 würde den Implantationsprozess deutlich vereinfachen, da auf die aufwändigen Sicherheitsmaßnahmen verzichtet werden könnte. Oxidationsversuche an Proben, die mit Fluor aus einem CH2F2-Plasma implantiert wurden, zeigten eine gleiche Oxidationskinetik wie solche nach einer reinen BLI2-Fluorimplantation mit optimaler Dosis ( ). Kohlenstoff und Wasserstoff der Ausgangsverbindung stören hierbei nicht. Kohlenstoff wird nur an der Oberfläche gefunden, aber nicht in die Tiefe implantiert, was auch von Vorteil für die Oxidationsbeständigkeit sein kann. Die Fluorprofile ( ) sind ungewöhnlich. Die verwendete Energie bei der PI3 ist gering, so dass bei einer BLI2 deutlich geringere Eindringtiefen erreicht würden, als nach der PI3 mit CH2F2 gefunden wurden. Das Molekül zerfällt bei der Plasmazündung in mehrere Fragmente, wobei (CF2)+ die vorherrschende Spezies ist. Durch diese Fragmentierung werden nicht nur leichte Fluorionen (F+:M = 19 g/mol) auf das Bauteil beschleunigt, sondern auch schwerere Ionen (z. B. (CF2)+:M = 50 g/mol). Die größere kinetische Energie dieser Ionen bewirkt u. a. die breiten Tiefenprofile und hohe Fluordosen nach kurzer Implantationszeit (einige Minuten). Das berechnete Fluormaximum in TiAl liegt bei einer Energie von 30 keV (BLI2) in einer Tiefe von ca. 50 nm. Die angelegte Spannung bei der PI3 dagegen betrug 30 kV und das Fluormaximum liegt bei ca. 100 nm. Weiterhin sind Reaktionen des Plasmas mit dem Substrat zu berücksichtigen.
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Die Implantation sollte idealerweise durch das PI3-Verfahren erfolgen, da damit auch komplexe Geometrien implantiert werden können und die Schutzwirkung deutlich schneller und kostengünstiger als mit dem BLI2-Verfahren erreicht werden kann. Die verwendete Anlage ist in schematisch gezeigt. Die Bauteile, deren optische Erscheinung nicht wesentlich verändert wird, bedürfen nach Implantation keiner Nachbehandlung mehr, so dass die PI3 den letzten Schritt in der Fertigung von TiAl-Bauteilen darstellen würde ( ).
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Das zu behandelnde Bauteil ist eine TiAl-Legierung, die Legierungszusätze enthalten kann. Optimale Ergebnisse erhält man für TiAl-Legierungen mit folgenden Eigenschaften:
- (i) Die Legierung enthält neben Titan zwischen 20 bis 75 at.% Aluminium und in der Gesamtsumme zwischen 0 und 30 at.% weiterer Legierungszusätze, wobei der Titangehalt der Legierung entsprechend reduziert ist.
- (ii) Als Legierungszusätze werden die Elemente Bor oder Chrom oder Eisen oder Gallium oder Hafnium oder Kobalt oder Kohlenstoff oder Kupfer oder Lanthan oder Magnesium oder Mangan oder Molybdän oder Nickel oder Niob oder Phosphor oder Silber oder Silizium oder Stickstoff oder Tantal oder Vanadium oder Wolfram oder Yttrium oder Zirkonium oder eine Kombination mehrerer der zuvor genannten Elemente verwendet.
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Das Verfahren läuft in folgenden Schritten ab:
- (i) Das TiAl-Bauteil wird in die Vakuumkammer (1) überführt
- (ii) Die Vakuumkammer (1) wird bis zum für die Implantation nötigen Unterdruck evakuiert.
- (iii) Die Vakuumkammer (1) wird mit einem geeigneten Gas bzw. Gasgemisch über den Gaseinlass (7) geflutet.
- (iv) Das Plasma wird über eine RF-Antenne (2) gezündet.
- (v) Ein negativer Impuls wird über einen Hochspannungsgenerator am Bauteil angelegt.
- (vi) Die positiven Ionen des Plasmas werden allseitig in das Bauteil auf dem Probenhalter (4) implantiert.
- (vii) Nach der PI3 wird Druckausgleich mit der Umgebung (Atmosphärendruck) vorgenommen und das Bauteil aus der Vakuumammer (1) genommen.
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Für das neue Verfahren werden folgende Erläuterungen gegeben:
- (i) Die Gase zur Befüllung der Vakuumkammer (1) können neben CH2F2 auch CF4 oder andere verdampfbare organische oder anorganische oder polymere Fluorverbindungen sein z. B. XeF4, die allein oder im Gemisch mit einem inerten Gas z. B. Argon zugeführt werden. Die Zugabe von z. B. Argon verbessert bei CH2F2 die Plasmazündung. Das inerte Gas wird zwischen 10 bis 50 Vol.% beigemischt. Bei der Zündung des Plasmas wird die Fluorverbindung fragmentiert. Die gebildeten Ionen sind bei CH2F2 hauptsächlich (CF2)+ und F+, die in die Oberfläche implantiert werden. Zusammenfassend kann man sagen, dass die Fluorverbindungen der allgemeinen Formel AxFz oder AxHyFz genügt, wobei A-Atome durch die Elemente B, C, H, I, P u. s. w repräsentiert und die Anzahl der A-Atome auch größer als eins sein kann. Typische Vertreter organischer fluorhaltiger Precursorverbindungen sind die Fluorkohlenwasserstoffe CHF3, CH2F2, CH3F, C2H2F4, usw.
- (ii) Der Druck vor der PI3 beträgt 10–5 bis 10–3 Pa und liegt üblicherweise im Bereich von 10–4 Pa. Während des Prozesses steigt dieser auf Werte zwischen 0,1 bis 1 Pa an.
- (iii) Die Frequenz der RF-Antenne (2) beträgt vorzugsweise 13,56 MHz, obwohl auch Frequenzen von 100 kHz bis 2,45 GHz eingestellt werden können.
- (iv) Die Leistung des RF-Generators (3) liegt zwischen 100 und 1000 W. Die besten Ergebnisse wurden bisher mit einer Leistung von 300 bis 400 W erzielt.
- (v) Die negativen Spannungen reichen von 10 bis 50 kV, wobei in der Regel 20 bis 40 kV angelegt werden.
- (vi) Die Pulsdauer beträgt 5 bis 50 μs. Kürzere Längen von 5 bis 10 μs sind dabei zu bevorzugen.
- (vii) Die Pulsfrequenzen laufen im Bereich von 100 Hz bis 1,5 kHz.
- (viii) Die typische Pulszahl beläuft sich auf 500000 bis 2000000. Während eines jeden Pulses wird eine bestimmte Ionendosis implantiert. Die Dosis pro Puls beträgt üblicherweise 1 bis 5 × 1011 Ionen/cm2.
- (ix) Die Substrattemperatur bei der PI3 beträgt in der Regel zwischen 100 und 500°C, während standardmäßig eine Beamline-Implantation nur bei leicht bis moderat erhöhten Temperaturen abläuft (gewöhnlich 200 bis 300°C). Höhere Temperaturen bewirken auch eine größere Eindringtiefe der Ionen, da zusätzlich der Einfluss der Festkörperdiffusion zum Tragen kommt. Die Temperatur von TiAl-Proben während der Implantation sollte 700°C nicht übersteigen, damit der positive Fluoreffekt nicht gestört wird. Im Prinzip kann die Substrattemperatur für jeden Prozess eingestellt und variiert werden. Eine Strahlintensität von 10 μA/cm2 bei einer Spannung von 50 kV und einer Leistung von 0,5 W/cm2 reicht aus, um das Substrat auf 300°C zu erwärmen.
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Die Temperatur lässt sich durch Variation der Pulsfrequenz steuern. Bei einer Spannung von 20 kV sollte die Frequenz nicht höher als 1,5 kHz sein. Bei einer Spannung von nur 10 kV sind Frequenzen bis 3,5 kHz möglich.
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Literatur
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- [1] A. Rahmel, W. J. Quadakkers, M. Schütze: Materials and Corrosion 46 (1995) 271
- [2] J. D. Sunderkoetter, H. J. Schmutzler, V. A. C. Haanappel, R. Hofman, W. Glatz, H. Clemens&M. F. Stroosnijder: Intermetallics 5 (1997) 525
- [3] Y. Shida, H. Anada: Ox. Met. 45 no. 1/2 (1996) 197
- [4] M. Fröhlich, A. Ebach-Stahl, R. Braun, C. Leyens: Mat. -wiss. und Werkstofftechn. 38 (2007) 667
- [5] J. K. Tien, J. C. Chesnutt, D. H. Bonne, C. W. Goward: in Titanium Science and Technology, Ed. R. I. Jaffe, H. M. Burke, Plenum Press New York (1973) S. 2517 ff
- [6] M. Kumagai, K. Shibue, M. -S. Kim, M. Yonemitsu: Intermetallics 4 (1996) S. 557 ff
- [7] M. Hara, Y. Kitagawa: Oxidation of Metals 52 (1999) 77
- [8] G. Schumacher, F. Dettenwanger, M. Schütze, U. Hornauer, E. Richter, E. Wieser, W. Möller: Intermetallics 7 (1999) 1113
- [9] EP 0 580 081 A1
- [10] EP 0 770 702 A1
- [11] DE 196 27 605 C1
- [12] DE 100 17 187 A1
- [13] EP 1 462 537 A2
- [14] J. F. Ziegler, J. P. Biersack, U. Liftmark: The Stopping and Range of Ions in Solids, Pergamon Press New York 2003
- [15] A. Donchev, M. Schütze: Materials Science Forum 461–464 (2004) 447
- [16] A. Kolitsch, Plasma-Immersion-Ionenimplantation (PIII), 10.08.2007 http://www.fzd.de/db/Cms?pNid=306&PNid=10890 [recherchiert am 27.01.2009]
- [17] A. Kolitsch: Efficient Oxydation protection of TiAl alloys by plasma immersion ion implantation of halogens, 29.06.2008 http://www.fzd.de/db/Cms?pNid=23654&PNid=306 [recherchiert am 29.06.2007]
- [18] Programm des 9th Internal Workshop Plasma-based Ion Implantation&Deposition vom 3.–6.9.2007
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Bezugszeichenliste
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- 1
- Vakuumkammer
- 2
- RF-Antenne
- 3
- RF-Generator
- 4
- Probenhalter
- 5
- Spule
- 6
- Spannungsregler
- 7
- Gaseinlass
- 8
- Gasauslass zur Pumpe
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: Thermogravimetrische Ergebnisse zur Oxidationsbeständigkeit von mit reinem Fluor BLI2 optimal implantiertem TiAl und durch PI3 aus einem CH2F2/Ar Plasma implantiertem TiAl im Vergleich zur unbehandelten Legierung (γ-MET, 900°C, synth. Luft).
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: ERDA-Tiefenprofil (Elastic Recoil Detection Analysis) einer optimal PI3 implantierten Probe (t = 30 min, U = 30 kV, Dosis = 5.4 × 1017 F/cm2).
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: Schema der PI3-Anlage
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: Stereolupenaufnahmen zweier TiAl-Bauteile, links ohne F, rechts nach F-PI3