DE102007030207A1 - Verwendung einer hochfesten Stahllegierung zur Herstellung von Strahlrohren mit hoher Festigkeit und guter Umformbarkeit - Google Patents
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Abstract
Description
- Die Erfindung betrifft die Verwendung einer Stahllegierung gemäß den Merkmalen des Patentanspruchs 1.
- Der Stand der Technik für Stahlrohre mit erhöhter Festigkeit kann durch mikrolegierte Feinkornstähle mit ferritisch-perlitischem Gefüge, beispielsweise den Stahl StE 460 beschrieben werden. Bei Streckgrenzen von 460–490 MPa erreicht dieser Stahl Bruchfestigkeiten von 650–750 MPa und Bruchdehnungen von ca. 20–25%. Das Produkt aus Festigkeit und Bruchdehnung beträgt in der Regel ca. 16.000–18.000 [MPa·%]. Diese Eigenschaftskombination ermöglicht eine gute Kaltumformbarkeit, z. B. durch Ziehen, Drücken, Gewindewalzen. Klassisch werden die Eigenschaften des StE 460 durch Variationen der Stahllegierung 20 MnV6 erreicht. Dabei bewirkt die Mischkristallverfestigung durch das Legierungselement Mangan zusammen mit der Ausscheidung von Vanadium-Carbonitriden eine vergleichsweise hohe Festigkeit bei moderaten Kosten. Bei den genannten höherfestern mikrolegierten Feinkornstählen wird die Festigkeit durch Variation des Kohlenstoffgehalts im allgemein im Bereich zwischen 0,12 und 0,22% eingestellt. Neben Vanadium spielen auch Titan und Niob eine wichtige Rolle als Mikrolegierungselement. Die Mikrolegierungselemente werden allgemein in kleinen Anteilen von bis zu 0,2% zulegiert, wobei Menge und Wahl der Mikrolegierungselemente von der Warmformung, z. B. Warmbandherstellung, abhängig sind.
- Das Gefüge eines klassischen StE 460 besteht aus einer Mischung aus Ferrit und Perlit und entsteht allgemein durch Abkühlung an der Luft nach dem Walzen oder Austenitisieren. Ein Vorteil dieser Stähle ist die Eigenschaft, durch eine so genannte Normalisierung, allgemein in Form einer Austenitisierung und Abkühlung an Luft durchgeführt, das Ausgangsgefüge und die Ausgangseigenschaften auch nach einer komplexen Herstellgeschichte wieder herzustellen.
- Eine weitere Steigerung der Festigkeit durch zusätzliche Legierungselemente, beispielsweise in Form einer Mischkristallhärtung, führt zu erhöhten Kosten und zu einer starken Abnahme der Bruchdehnung, so dass die gewünschte Kaltumformbarkeit nicht gewährleistet ist. Mit einer zusätzlichen Wärmebehandlung, wie z. B. dem Weichglühen vor der Umformung, kann dieses Problem in Grenzen umgangen werden. Diese Vorgehensweise ist jedoch ebenfalls mit erhöhten Kosten verbunden.
- Das beschriebene ferritisch-perlitische Gefüge der dem Stand der Technik entsprechenden Stahlrohre hat neben dem nur moderaten Verhältnis aus Festigkeit und Duktilität zusätzliche Nachteile. Die Gefügeanteile Ferrit-Perlit sind nicht gleichmäßig verteilt sondern zeigen eine ausgeprägte Zeiligkeit, die als erste Konsequenz eine ausgeprägte Anisotropie der Eigenschaften mit sich bringt und bei der Kaltumformung zu unerwünschten Effekten führt. Z. B. ergeben sich deutliche Unterschiede längs und quer zur Walzrichtung.
- Normalerweise liegen die Perlitzeilen parallel zur Oberfläche und stören die meisten Anwendungen nicht. Bei der Herstellung von Stahlrohren ergeben sich jedoch zum Teil Nachteile.
- Geschweißte Stahlrohre werden oft durch ein Pressschweißen hergestellt. Dabei werden die Bandkanten durch Widerstandsbeheizung (Hochfrequenz- oder Gleichstrom) aufgeheizt und dann mit hohem Druck unter deutlicher plastischer Verformung verschweißt, ohne dass eine schmelzflüssige Phase entsteht. Derartige Schweißverfahren fallen deshalb unter den Begriff der Festkörperschweißverfahren. Ein großer Vorteil des beschriebenen Schweißverfahrens ist die extrem hohe Schweißgeschwindigkeit, die deutlich über der anderer Verfahren, z. B. über der des Laserstrahlschweißens, liegt und damit eine überlegene Wirtschaftlichkeit mit sich bringt. Beim Pressschweißen von ferritisch-perlitischen Stählen entsteht aber durch die Herausbildung der Schweißwulst infolge der notwendigen plastischen Verformung der Effekt, dass Perlit-Zeilen abgelenkt werden und im Bereich der Schweißzone an die Oberfläche gelangen. Dabei bilden spröde Zementitlamellen des perlitischen Gefügebestandteils metallurgische Kerben, die im schlimmsten Fall senkrecht an der Oberfläche austreten. Diese Lamellen können bereits während der folgenden Verarbeitung, z. B. Kalibrierung der Rohre auf Rundheit, zu Anrissen führen.
- Insbesondere bei dynamisch belasteten Bauteilen führen diese Kerben dazu, dass auch bei hoher statischer Festigkeit keine hohe dynamische Festigkeit erreicht werden kann. Demzufolge sind perlitfreie Gefüge besonders geeignet, hochfeste pressgeschweißte Stahlrohre herzustellen.
- Ein ähnliches Problem durch umgelenkte Perlitzeilen kann bei der Herstellung nahtloser Stahlrohre entstehen. Hier kommt es oft während der Warmformung zur Bildung von so genannten Fältelungen. Diese Fältelungen verschweißen im Allgemeinen während des Fertigungsprozesses und stellen dann makroskopisch kleine Fehler dar. Es entstehen jedoch auch hier senkrecht zur Oberfläche austretende spröde Zementit-Lamellen, die ebenfalls die Dauerfestigkeit negativ beeinflussen. Demzufolge ist auch für die Herstellung nahtloser Rohre die Verwendung von perlitfreien Gefügen vorteilhaft, wenn lokale Fältelungen nicht ausgeschlossen werden können.
- Es ist bekannt, dass durch die gezielte Einstellung von Restaustenit im Gefüge das Produkt aus Bruchdehnung und Bruchfestigkeit verbessert werden kann. Der so genannte TRIP-Effekt (TRansformation Induced Plasticity) ermöglicht vergleichsweise hohe Dehnungen bei hohen Festigkeiten. TRIP-Stähle enthalten üblicherweise über 0,2% Kohlenstoff, wobei der Siliziumgehalt oft über 1,5% liegt. Das Gefüge dieser Stähle weist eine ferritisch-bainitische Grundmatrix auf, die Restaustenit-Bestandteile enthält, welche bei der Umformung des Stahls in harten Martensit umgewandelt werden. Der Restaustenit wird durch Legierungselemente und eine spezielle Wärmebehandlung stabilisiert. Der Vorteil des TRIP-Stahls liegt in den guten Umformeigenschaften bei hohen Festigkeiten sowie hohen Bruchfestigkeiten. Ein TRIP-Stahl besitzt ein hohes Verfestigungsvermögen auch bei großer Formänderung und ein hohes Energieabsorptionsvermögen, das auch bei dynamischer Belastung erhalten bleibt. Allerdings ist bei TRIP-Stählen allgemein eine aufwändige und technisch schwierig zu realisierende Wärmebehandlung erforderlich, um die gewünschte Menge Restaustenit bis Raumtemperatur zu stabilisieren. Die TRIP-Wärmebehandlung besteht allgemein aus einer beschleunigten Abkühlung aus dem Austenitgebiet zur Verhinderung einer Perlitbildung und ein Halten von wenigen Minuten auf Temperaturen kurz oberhalb der Martensit-Starttemperatur. Diese Wärmebehandlung setzt eine aufwändige Prozessregelung voraus und ist in üblichen Produktionsanlagen von Werken zur Rohrherstellung schwierig prozesssicher umsetzbar.
- Aus dem Bereich der Bandherstellung sind ferritisch-bainitische Stähle (FB-Stähle) bekannt, die Festigkeiten von 500–1000 MPa aufweisen und bezogen auf das Umformverhalten bessere Eigenschaften zeigen als ferritisch-perlitische Stähle gleicher Festigkeit. Allerdings sind die erreichbaren plastischen Verformungen bei Festigkeiten über 700 MPa noch zu gering. Auch die Herstellung ferritisch-bainitische Stähle erfordert allgemein eine so genannte thermomechanische Behandlung, d. h. besondere Walz- und Abkühlbedingungen. Aus diesem Grund werden übliche ferritisch-bainitische Stähle vorwiegend als Warmband angeboten.
- Aus den vorgenannten Gründen folgt auch, dass TRIP-Stähle und FB-Stähle bisher nicht analog zu ferritisch-perlitischen Stählen normalisiert werden können, da bei einer Normalisierung die notwendigen Abkühlbedingungen nicht gewährleistet werden.
- Zum Vergleich sind die chemische Analyse und die zugehörigen mechanischen Kennwerte für einen Stahl StE 460 (Firma Benteler Stahl/Rohr GmbH), einen hochfesten DP-Stahl (Docol 1000 DP, Fa. SSAB Swedish Steel GmbH), einen TRIP-Stahl (RA-K 42/80, Fa. Thyssen Krupp GmbH), einen FB-Stahl (FB-W 600, Fa. Thyssen Krupp GmbH) mit aufgeführt.
C Si Mn Cr Al V Nb N Ti B StE460 0,18 0,23 1,37 0,15 0,03 0,09 0,037 0,01 0,00 0,00 Docol 1000 DP 0,15 0,2 1,5 0,04 0,015 RA-K 42/80 0,22 1,5 2 0,5 0,7 FB-W 600 0,09 0,03 1,46 0,02 0,031 0,001 0,032 0,008 0,001 0,0001 Rp0,2 [MPa] Rm [MPa] A5 [%] StE 460 473 709 19,47 Docol 1000 DP 700–(950) 1000–1200 5* RA-K 42/80 453 832 23,1* FB-W 600 534 592 19,8* - *) Dehnung A80
- Die ersten drei dargestellten Stähle haben einen wesentlich höheren Kohlenstoffgehalt und unterscheiden sich auch in den anderen Elementen von der Zusammensetzung der im Folgenden vorgestellten und erfindungsgemäßen Legierungen 1 bis 4. Der vorgestellte TRIP-Stahl (Nummer 3) erreicht zwar vergleichbare mechanische Eigenschaften, für die Verarbeitung ist jedoch, wie bereits erläutert, ein aufwendig zu realisierender Temperatur-Zeit-Verlauf während der Produktion erforderlich. Werkstoffkennwerte vom Docol 1000 DP, vom TRIP-Stahl RA-K 42/80 sowie vom FB-W 600 liegen nur von Bandmaterial vor. Deshalb wird in der Tabelle auch die A80- anstatt der A5-Dehnung für den DP-/TRIP- und FB-Stahl angegeben (wird bei Bandmaterial aufgrund der Probengeometrie im Unterschied zu Stabzugproben verwendet).
- Der Erfindung liegt die Aufgabe zu Grunde, aufzuzeigen, wie Stahlrohre mit hoher Festigkeit und guter Umformbarkeit ohne aufwändige Wärmebehandlung und ohne kostenintensive Legierungskonzepte hergestellt werden können, wobei die Bruchdehnung mindestens der des Stahls StE 460 entsprechen soll und wobei die Stahlrohre eine Bruchfestigkeit über 700 MPa aufweisen sollen.
- Diese Aufgabe wird durch die Verwendung einer Stahllegierung mit den Merkmalen des Patentanspruchs 1 gelöst.
- Die erfindungsgemäße Lösung der Aufgabe wird durch ein neues Gefügekonzept und deren legierungstechnische Umsetzung erreicht. Das neue Legierungskonzept basiert auf der Vermeidung von Perlit und auf der Einstellung eines ferritisch-bainitischen Gefüges mit geringen Anteilen an lamellarem Restaustenit. Dadurch werden für die Kaltumformung günstige, niedrige Streckgrenzenverhältnisse erreicht. Das Produkt aus Bruchfestigkeit und Bruchdehnung erreicht hingegen sehr gute Werte von über 20.000 [MPa·%]. Dieses Gefüge wird durch Anpassung der chemischen Zusammensetzung an vordefinierte Abkühlbedingungen der Stahlrohre aus dem Austenitgebiet erreicht. Die Abkühlbedingungen werden beschrieben durch eine kontinuierliche Abkühlung mit Abkühlraten zwischen 0,5 K/sec und 5 K/sec. Das Legierungskonzept verhindert in diesem Abkühlbereich die Bildung von Perlit. Es entsteht vielmehr Ferrit bzw. bainitischer Ferrit und eine Restphase oder mehrere Restphasen, die abhängig von den Abkühlbedingungen aus unterem Bainit und Martensit mit lamellarem Restaustenit bestehen. Der Stahl zeichnet sich durch exzellente Umformbarkeit im kalten Zustand, sowie durch eine hohe Bruchfestigkeit bei hoher Bruchdehnung aus, die durch die starke Verfestigung infolge des mehrphasigen Charakters verursacht wird. Die Rohre sind dafür vorgesehen in der Weiterverarbeitung kalt umgeformt zu werden.
- Das Legierungskonzept beruht auf folgenden grundsätzlichen Überlegungen:
- • Absenkung des C-Gehalts auf 0,06 bis 0,12% um nur ein geringes Potential zur Bildung von Zementit zu bilden und Härtespitzen bei einer schweißtechnischen Verarbeitung zu verringern.
- • Erhöhung des Si-Gehalts auf > 1,2% um eine Zementitbildung zu unterdrücken.
- • Einstellung eines Mischkristall-Gehaltes (MK-Gehalt) von mehr als 3% um die kritische Abkühlungsgeschwindigkeit zur Ferrit-/Perlit-Bildung zu verringern und weniger als 3,8% um eine hinreichende Duktilität zu erhalten. Dabei besteht der MK-Gehalt aus der Summe der Elemente, die mit Eisen im Austenit Substitutions-MK bilden. Vorteilhaft aus Kostengründen ist hierbei die Verwendung von Si, Mn, Cr und Cu. Kobalt, Nickel, Molybdän können ebenfalls einen entsprechenden Beitrag leisten, haben jedoch Nachteile bezüglich der Kosten. Durch Variation von Cr, Mn, Si innerhalb der beschriebenen Grenzen können zusätzlich die Umwandlungstemperaturen entsprechend der vorgesehenen Verarbeitungsprozesse eingestellt werden, sowie der gewünschte Grad an Mischkristallverfestigung eingestellt werden.
- • Sicherstellung von mehr als 0,001 und weniger als 0,004 gelöstes freies Bor im Austenit, um im Wesentlichen die Ferritkeimbildung an den Austenitkorngrenzen zu unterdrücken. Hierfür ist das Abbinden des Stickstoffs im Stahl durch Elemente wie Titan, Zirkonium und/oder Hafnium notwendig. Die Menge der Zugabe des oder der Refraktärmetalls/-metalle ergibt sich aus der Stöchiometrie der entsprechenden Nitride. Aus Kostengründen ist dabei die Verwendung von Titan sinnvoll.
- • Sicherstellung eines Stickstoffgehalts, der eine vorteilhafte Keimbildung durch Refraktär-Nitride erlaubt. Der gewünschte Phasenanteil hängt von den angestrebten Warmformstufen ab. Dabei muss beachtet werden, dass Refraktärnitride als harte Phasenanteile auch metallurgische Kerben bilden, die eine Dauerfestigkeit bei höchstfesten Stählen negativ beeinträchtigen können. Stickstoffgehalte zwischen 0,005% und 0,015% sind vorteilhaft.
- • Gezielter Einsatz der Mikrolegierungselemente Niob und Vanadium für die Bildung von Keimen und die Beeinflussung der Rekristallisation beim Warmwalzen. Niob in Gehalten von 0,02–0,05 hat sich als vorteilhaft herausgestellt.
- • Absenkung des Gehalts teurer Legierungselemente (Mo, V, Ni, W) auf maximal 0,3%, aus Kostengründen vorzugsweise unter 0,15%.
- In den nachfolgenden Tabellen sind beispielhaft chemische Zusammensetzungen von ausgewählten Versuchslegierungen, die entsprechend des oben angegebenen Werkstoffkonzepts erstellt wurden, zusammen mit ihren Werkstoffkennwerten angegeben. Das untersuchte Material wurde dabei ohne besondere Prozesssteuerung in einem Laborwalzwerk warmgewalzt und anschließend normalisiert, d. h. bei 950°C austenitisiert und bei einer Blechdicke von 5 mm an Luft abgekühlt. Demzufolge sind die angegebenen Werte für nicht optimierte Verarbeitungsschritte ermittelt.
- Alle Angaben bei der chemischen Analyse sind in Massenprozent. Rp02 kennzeichnet die technische Elastizitätsgrenze, Rm die Bruchfestigkeit und A5 die Bruchdehnung.
Versuchslegierungen C Si Mn Cr Al W Nb N Ti B Nr. 1 0,09 1,49 1,52 0,15 0,01 < 0,01 0,04 0,01 0,05 0,002 Nr. 2 0,08 1,51 0,87 0,62 0,01 0,17 0,05 0,01 0,05 0,002 Nr. 3 0,08 1,51 2,02 0,16 0,01 < 0,01 0,05 0,01 0,04 0,002 Nr. 4 0,08 1,97 1,52 0,14 0,01 < 0,01 0,05 0,01 0,05 0,002 - Mo, Cu, Ni jeweils unter 0,15%, V jeweils unter 0,03%
- Die nachfolgende Tabelle gibt die Werkstoffkennwerte der vier Legierungen nach dem Normalisieren wieder.
Rp0,2 [MPa] Rm [MPa] A5 [%] Legierung 1 343 710 30 Legierung 2 338 592 35 Legierung 3 419 831 25 Legierung 4 352 698 31 - Die Legierungen zeigen ein ferritisches Grundgefüge mit Bainit, Martensit und partiell Restaustenit, wobei die Korngrößen bei den hier nicht optimierten Walzbedingungen bei 10–20 μm liegen. Vereinzelt kommt es auch zur Ausbildung feiner und kleiner Perlit-Nester, die jedoch nicht zeilig angeordnet sind. Durch Verbesserung der Warmwalzbedingungen können die Gefüge deutlich verbessert werden und damit auch die Eigenschaften der Werkstoffe.
- Die nachfolgende Tabelle zeigt beispielhaft Werkstoffkennwerte für die Legierung 2 und 3 nach verbesserten Warmwalzbedingungen, d. h. aus der Standard-Fertigung nahtloser Rohre der Abmessung 36 × 3,5 mm mit Walzendtemperatur 860°C. Legierung 2 wurde beispielhaft gewählt, weil sie eine hohe Bruchzähigkeit aufweist. Legierung 3 wurde beispielhaft gewählt, weil sie eine hohe Festigkeit aufweist.
- Werkstoffkennwerte der vier Legierungen nach dem Warmwalzen nahtloser Rohre:
Rp0,2 [MPa] Rm [MPa] A5 [%] Brucheinschnürung Z[%] Wahre Bruchspannung [MPa] Legierung 2 375 677 32 68 1.310 Legierung 3 545 960 24 55 1.610 - Durch Absenkung der Endwalztemperaturen konnte bei beiden Legierungen die Korngröße auf ca. 5 μm deutlich verringert werden und das Gefüge homogener entwickelt werden. Die Eigenschaften konnten deutlich verbessert werden. Bemerkenswert ist der Anstieg von Streckgrenze und Zugfestigkeit bei praktisch gleich bleibender Bruchdehnung und hoher Gleichmaßdehnung. Bemerkenswert ist weiterhin, dass eine wahre Bruchspannung von 1.200–1.600 MPa erreicht wird, was für Stähle mit weniger als 0,1% Kohlenstoffgehalt als untypisch bezeichnet werden kann. Legierung 3 erreicht damit die Festigkeit und die Duktilität von TRIP-Stählen bei deutlich abgesenktem C-Gehalt und signifikant vereinfachter Temperatur-Zeit Führung.
- Aus einem derartigen Stahl hergestellte Rohre besitzen ein perlitfreies mehrphasiges Gefüge und eröffnen eine Vielzahl von Anwendungsgebieten bzw. Verwendungsmöglichkeiten, von denen nachfolgend einige beispielhaft genannt werden.
- Warmgewalzte Rohre aus der Stahllegierung haben bedingt durch das exzellente Verhältnis zwischen Festigkeit und Duktilität besondere Vorteile bei nachfolgenden vorwiegend kalt durchgeführten Verformungsprozessen, z. B.
- Ziehen, Rundkneten, Druckwalzen, Gewindewalzen, Fließpressen, Stauchen, Biegen. Grundsätzlich lassen sich mit der Stahllegierung höchstfeste und kostengünstige kaltgezogene Stahlrohre, z. B. Bohrrohre, Leitungsrohre, Dieseleinspritzleitungen, Zylinderrohre, Rohre für Airbaggeneratoren sowie Rohre für Seitenaufprallträger für Kraftfahrzeuge herstellen. Im Ziehprozess wird für das Erreichen hoher Festigkeiten eine Kaltverfestigung genutzt. Ein Weichglühen vor dem Kaltziehen ist nicht erforderlich. Ein Anlassen ist nach dem Kaltzug optional je nach gewünschter Festigkeitslage möglich. Festigkeiten in einer Größenordnung von deutlich über 1.000 MPa bis hin zu 1.600 MPa sind möglich.
- Zudem ist mit diesem Werkstoff die Herstellung von Rohren mit kaltgewalztem Gewinde möglich, wie es beispielsweise bei Gerüstrohren oder bei Ankerrohren für Felsanker erforderlich ist. Ausgehend von einer bereits hohen Ausgangsbruchfestigkeit werden hierbei die Streckgrenze und die Bruchfestigkeit durch Kaltverfestigung weiter angehoben. Durch nur vergleichsweise geringe Plastifizierung besteht nach dem Gewindewalzen eine Restdehnung des fertigen Bauteils von über 15% bei einer Bruchfestigkeit von deutlich über 850 MPa.
- Insbesondere bei mit hohem Innendruck belasteten Bauteilen zeichnet sich die Legierung dadurch aus, dass keine Perlit-Zeiligkeit auftritt, so dass die Rohre weniger empfindlich auf Innenfehler, die durch Fältelungen hervorgerufen werden, reagieren.
- Die aus der Stahllegierung hergestellten Rohre eignen sich demzufolge auch besonders für die Weiterbearbeitung durch Innenhochdruckumformung. Durch das ausgezeichnete Verformungsverhalten der Stahllegierung ergeben sich für die Innenhochdruckumformung Vorteile, da unter Verwendung der Stahllegierung hohe Bauteilfestigkeiten realisierbar sind.
- Neben der Herstellung nahtloser Rohre ist auch die Herstellung geschweißter Rohre aus der Legierung vorteilhaft möglich. Das Legierungskonzept erlaubt die Herstellung von Warmband und Kaltband. Gegenüber üblichen DP-Stählen und TRIP-Stählen ist eine vergleichsweise einfache Temperatur-Zeitführung erforderlich. Darüber hinaus ist die Legierung bis hin zur Blechdicke von 4 mm Normalisierungsfähig, d. h. Entwickelt das Zielgefüge bei Luftabkühlung. Durch den niedrigen Kohlenstoffgehalt ergeben sich nur vergleichsweise niedrige Härtespitzen in der Schweißnaht von geschweißten Rohren. Dies gilt insbesondere im Vergleich zu TRIP-Stählen, die mit dem doppelten Kohlenstoffgehalt eine hohe Aufhärtung zeigen. Durch die fehlende Perlit-Zeiligkeit ergeben sich Vorteile beim klassischen und sehr wirtschaftlichen Pressschweißen. Das Legierungskonzept erlaubt ebenso vorteilhaft ein Strahlschweißen mittels Laserstrahl oder Elektronenstrahl. Der Vorteil des Legierungskonzepts liegt auch hier in dem niedrigen Kohlenstoffgehalt und in der Normalisierungsfähigkeit der Rohre.
- Insbesondere eignet sich die Stahllegierung zur Herstellung von Rohren für Fahrwerksanwendungen im Automobilbau. Durch das gute Bruchfestigkeits-Umformbarkeits-Verhältnis sind komplexere Bauteile denkbar, die mit den bisherigen Stahlsorten gar nicht bzw. nur unter großem technischen und damit kostenmäßigem Aufwand produziert werden konnten. Zudem ist durch den niedrigen Kohlenstoffgehalt in Kombination mit den anderen Legierungselementen eine gute Schweißbarkeit gewährleistet.
Claims (6)
- Verwendung einer Stahllegierung, die in Massenanteilen aus
Kohlenstoff (C) 0,06–0,12 Silizium (Si) > 0,8 Mangan 0,7–2,2 Chrom (Cr) < 0,8 Molybdän (Mo) < 0,2 Aluminium (Al) < 0,1 Vanadium (V) < 0,2 Stickstoff (N) < 0,02 Niob (Nb) < 0,06 Kupfer (Cu) < 0,2 Nickel (Ni) < 0,2 Bor (B) 0,001–0,004 Titan (Ti) 0,001–0,05 Wolfram (W) < 0,2 - Verwendung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Stahllegierung in Massenanteilen besteht aus
Kohlenstoff (C) 0,06–0,12 Silizium (Si) 0,8–2,0 Mangan (Mn) 0,7–2,2 Chrom (Cr) < 0,8 Molybdän (Mo) < 0,15 Aluminium (Al) < 0,05 Vanadium (V) < 0,15 Stickstoff (N) < 0,02 Niob (Nb) < 0,06 Kupfer (Cu) < 0,2 Nickel (Ni) < 0,2 Bor (B) 0,001–0,004 Titan (Ti) 0,001–0,05 Wolfram (W) < 0,15 - Verwendung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Stahllegierung in Massenanteilen besteht aus:
Kohlenstoff (C) 0,06–0,09 Silizium (Si) 1,4–1,8 Mangan (Mn) 1,4–2,2 Chrom (Cr) < 0,4 Molybdän (Mo) < 0,15 Aluminium (Al) < 0,05 Vanadium (V) < 0,15 Stickstoff (N) < 0,02 Niob (Nb) 0,02–0,06 Kupfer (Cu) < 0,2 Nickel (Ni) < 0,2 Bor (B) 0,001–0,004 Titan (Ti) 0,001–0,05 Wolfram (W) < 0,15 - Verwendung einer Stahllegierung entsprechend Anspruch 1 oder 2 oder 3 zur Herstellung nahtloser warmgewalzter Rohre mit guter Kaltumformbarkeit.
- Verwendung einer Stahllegierung entsprechend Anspruch 1 oder 2 oder 3 zur Herstellung geschweißter Stahlrohre durch Schmelzschweißen und Festkörperschweißen.
- Verwendung einer Stahllegierung entsprechend Anspruch 4 oder 5 zur Herstellung kaltgezogener Stahlrohre hoher Festigkeit.
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