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Die Erfindung betrifft ein differentielles Richtmikrofonsystem für ein Hörhilfsgerät, wie z. B. ein Hörgerät oder ein aktives Lärmschutzgerät, bei dem mithilfe von gekoppelten differentiellen Richtmikrofonen eine seitliche Richtcharakteristik erzeugt wird. Ferner betrifft die Erfindung ein Verfahren zur Erzeugung dieser seitlichen Richtcharakteristik.
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Moderne Hörgeräte verfügen über rechenstarke und auf Energieeffizienz getrimmte Audioprozessoren. Diese gleichen den Hörverlust durch eine pegel- und frequenzabhängige Verstärkung aus. Heutige Geräte besitzen auch leistungsfähige Algorithmen zur Reduktion von Rückkopplungen und Umgebungsgeräuschen. Ein besonders wirksames Mittel gegen lokalisierbare Störgeräusche sind adaptive Richtmikrofonalgorithmen. Besonders leistungsstarke Geräte können mit übergeordneten Klassifikationssystemen selbstständig wichtige Hörsituationen erkennen und automatisch das beste Programm dafür wählen. So bieten sie den Trägern ein optimales Hören bei gleichzeitig hohem Bedienkomfort.
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Richtmikrofone zählen in Hörgeräten mittlerweile zu den etablierten Methoden der Störgeräuschreduktion. Mithilfe differentieller Richtmikrofone lässt sich nachweislich die Sprachverständlichkeit in Hörsituationen verbessern, in denen das Nutzsignal und die Störsignale aus unterschiedlichen Raumrichtungen einfallen. Die Richtwirkung wird durch eine differentielle Verarbeitung der Ausgangssignale zweier benachbarter Mikrofone mit omnidirektionaler Charakteristik erzeugt. Die Signalverarbeitung eines differentiellen Richtmikrofonsystems erster Ordnung besteht im Wesentlichen aus der Subtraktion des um eine bestimmte Zeit verzögerten hinteren Mikrofonsignals von dem vorderen Mikrofonsignal. Dadurch entsteht eine richtungsabhängige Empfindlichkeit, deren Charakteristik durch die Verzögerungszeit eingestellt werden kann.
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Die Stärke des Richtwirkungseffekts wird durch einen Directivity Index qualifiziert, der im Falle eines diffusen Störschallfeldes und Nutzschalleinfall aus der vorderen Richtung die Verbesserungen des Signal-Rausch-Verhältnisses SNR (Signal-Noise-Ratio) gegenüber einer omnidirektionalen Charakteristik angibt.
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Insbesondere wegen ihrer ressourceschonenden Implementierbarkeit in Horgeräten sind digitale differentielle Richtmikrophone unter Einsatz von zwei einzelnen omnidirektionalen Mikrophonen sehr beliebt. Sie haben die Eigenschaft, dass Schall aus einer Einfallsrichtung ausgeblendet werden kann. Dabei wird typischerweise die bevorzugte Empfangsrichtung nach vorne (in Sichtrichtung des Trägers) realisiert, so dass Signale von hinten gedämpft werden. Unter manchen Bedingungen ist es allerdings wünschenswert die Vorzugsrichtung zur Seite zu legen. Beispielsweise ist es beim Autofahren sinnvoll die Richtwirkung zur Seite zu maximieren, da der Fahrer bei einer Unterhaltung mit dem Beifahrer trotzdem nach vorne blicken muss, gleichzeitig jedoch wegen der Störgeräusche Richtmikrofonie erwünscht ist.
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Bei herkömmlichen Hörgeräten sind die Richtmikrophone bisher ausnahmslos mit einer nach vorne orientierten Richtwirkung implementiert. Dies liegt daran, dass differentielle Richtmikrophone nur eine sogenannte Endfire-Anordnung zulassen, also eine maximale Richtwirkung nach vorne oder nach hinten. Um eine seitliche Richtwirkung zu erzielen, wird bisher ein sogenannter Beamformer benötigt, der als „Delay and Sum”-Beamformer eine geringe Richtwirkung bei wenigen Mikrofonen besitzt oder aber als ein sogenannter „Generalized Sidelobe Canceller”-Beamformer durch eine große Filterlänge einen hohen Aufwand mit sich bringt. Beide Aspekte machen den Beamformer für Hörgeräte unattraktiv.
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Ferner sind bereits differentielle Richtmikrofonsysteme zweiter Ordnung bekannt. Dabei wird das differentielle Richtmikrofonprinzip auf drei Mikrofone übertragen. Hierdurch wird die Direktivität des Mikrofonssystems erhöht. Die Empfangsrichtung dieser bekannten differentiellen Richtmikrofone zweiter Ordnung ist analog zur Empfangsrichtung eines differentiellen Systems erster Ordnung ebenfalls nach vorne (in Blickrichtung des Trägers) gerichtet. Ein solches differentielles Richtmikrofonsystem zweiter Ordnung ist z. B. in der
DE 103 10 779 B4 und
DE 103 31 956 B3 beschrieben.
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In einigen digitalen Hörgeräten sind auch adaptive Richtmikrofonsysteme realisiert, die ihre Richtcharakteristik zur Maximierung des SNR-Gewinns in Situationen mit gerichtetem Störschalleinfall kontinuierlich an das aktuelle Störschallfeld anpassen können. Hierbei wird je nach Einfallsrichtung des Störschalls die Richtcharakteristik des Mikrofonsystems kontinuierlich von einem Dipol über einen Hypercardioid zu einem Cardioid verändert.
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Aufgabe der Erfindung ist es ein Hörhilfsgerät mit einem differentiellen Mikrofonsystem zur Verfügung zu stellen, bei dem die Richtwirkung zur Seite maximiert ist. Ferner ist es Ziel der Erfindung ein Verfahren zur Verfügung zu stellen, mithilfe dessen die Richtwirkung eines differentiellen Mikrofonsystems zur Seite maximiert werden kann. Diese Aufgabe wird durch ein differentielles Richtmikrofonsystem gemäß Anspruch 1 gelöst. Ferner wird die Aufgabe durch ein Hörhilfsgerät gemäß Anspruch 16 gelöst. Weitere vorteilhafte Ausführungsformen der Erfindung sind in den abhängigen Ansprüchen angegeben.
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Gemäß der Erfindung ist ein differentielles Richtmikrofonsystem für ein Hörhilfsgerät vorgesehen mit einer ersten Richtmikrofonstufe, die ein erstes differentielles Richtmikrofon aufweist, und mit einer zweiten Richtmikrofonstufe, die ein weiteres differentielles Richtmikrofon aufweist, wobei die zweite Richtmikrofonstufe der ersten Richtmikrofonstufe nachgeschaltet ist. Dabei ist die Richtwirkung der ersten Richtmikrofonstufe im Wesentlichen entgegengesetzt zur Richtwirkung der zweiten Richtmikrofonstufe orientiert. Das differentielle Richtmikrofonsystem weist dabei eine Richtcharakteristik auf, deren Richtwirkung im Wesentlichen orthogonal zu einer durch die Richtwirkungen der ersten und der zweiten Richtmikrofonstufe vorgegebenen Achse ist. Durch die entgegengesetzt orientierte Richtwirkung der hintereinander geschalteten differentiellen Richtmikrofone kann auf eine besonders einfache Weise eine seitliche Richtcharakteristik mit jeweils einer Nullstelle in die vordere Richtung und in die hintere Richtung erzeugt werden.
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In einer vorteilhaften Ausführungsform der Erfindung ist vorgesehen, dass die erste Richtmikrofonstufe ein zweites differentielles Richtmikrofon aufweist, dessen Richtwirkung im Wesentlichen der Richtwirkung des ersten differentiellen Richtmikrofons entspricht, wobei die Ausgangssignale des ersten und des zweiten differentiellen Richtmikrofons als Eingangssignale für das weitere differentielle Richtmikrofon dienen. Durch diese Anordnung werden die Signalanteile aus der vorderen und der hinteren Richtung besonders effektiv gedämpft. Durch eine gezielte Schaltung von drei bzw. vier omnidirektionalen Mikrofonen mittels dreier differentieller Richtmikrofonschaltungen kann eine Richtwirkung in Broadfire-Anordnung erzielt werden.
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In einer weiteren vorteilhaften Ausführungsform der Erfindung ist vorgesehen, dass die erste Richtmikrofonstufe drei Mikrofone aufweist. Das erste differentielle Richtmikrofon weist dabei einen ersten Schaltungsblock auf, dessen Eingänge mit dem ersten und dem zweiten Mikrofon verbunden sind, während das zweite differentielle Richtmikrofon einen zweiten Schaltungsblock aufweist, dessen Eingänge mit dem zweiten und dem dritten Mikrofon verbunden sind. Die Richtwirkung des zweiten differentiellen Richtmikrofons entspricht dabei im Wesentlichen der Richtwirkung des ersten differentiellen Richtmikrofons. Bei dieser Anordnung wird das zweite Mikrofon vom ersten und vom zweiten differentiellen Mikrofon gemeinsam genutzt. Da lediglich drei Mikrofone verwendet werden, kann das entsprechende differentielle Richtmikrofon besonders einfach implementiert werden.
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Eine weitere vorteilhafte Ausführungsform der Erfindung sieht vor, dass das zweite Mikrofon äquidistant zum ersten und zum dritten Mikrofon angeordnet ist. Die äquidistante Anordnung der Mikrofone erlaubt eine besonders effektive seitliche Richtwirkung des differentiellen Richtmikrofons.
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In einer weiteren vorteilhaften Ausführungsform der Erfindung ist das zweite Mikrofon im Wesentlichen auf der durch die Position des ersten und des dritten Mikrofons vorgegebenen Achse angeordnet. Auch die Anordnung der Mikrofone entlang der vorgegebenen Achse erlaubt eine besonders effektive seitliche Richtwirkung des differentiellen Richtmikrofons.
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Gemäß einer weiteren vorteilhaften Ausführungsform der Erfindung ist vorgesehen, dass der erste Schaltungsblock ausgebildet ist, das Mikrofonsignal des zweiten Mikrofons um eine vorgegebene Zeit zu verzögern, das verzögerte Mikrofonsignal des zweiten Mikrofons sowie das Mikrofonsignal des ersten Mikrofons voneinander zu subtrahieren und das resultierende Signal als Ausgangssignal an einem Signalausgang des ersten differentiellen Richtmikrofons auszugeben. Auch der zweite Schaltungsblock ist ausgebildet, das Mikrofonsignal des dritten Mikrofons um die vorgegebene Zeit zu verzögern, das verzögerte Mikrofonsignal des dritten Mikrofons sowie das Mikrofonsignal des zweiten Mikrofons voneinander zu subtrahieren und das resultierende Signal als Ausgangssignal an einem Signalausgang des zweiten differentiellen Richtmikrofons auszugeben. Ferner weist das weitere differentielle Richtmikrofon einen weiteren Schaltungsblock mit einem ersten Signaleingang für das Ausgangssignal des ersten differentiellen Richtmikrofons und einem zweiten Signaleingang für das Ausgangsignal des zweiten differentiellen Richtmikrofons auf. Der weitere Schaltungsblock ist dabei ausgebildet, das Ausgangssignal des ersten differentiellen Richtmikrofons um die vorgegebene Zeit zu verzögern und das verzögerte Ausgangssignal des ersten differentiellen Richtmikrofons sowie das Ausgangssignal des zweiten differentiellen Richtmikrofons voneinander zu subtrahieren. Dieser spezielle Aufbau erlaubt durch die Wahl entsprechender Verzogerungszeiten die Richtwirkung des differentiellen Richtmikrofons zu bestimmen.
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Eine weitere vorteilhafte Ausführungsform der Erfindung sieht vor, dass der erste, der zweite und der dritte Schaltungsblock jeweils ein Verzögerungselement aufweisen, wobei die Verzögerungselemente ausgebildet sind, die entsprechenden Signale um eine Zeit zu verzögern, die der Laufzeit entspricht, die ein Schallsignal für eine Strecke benötigt, die dem Abstand zwischen dem ersten und dem zweiten Mikrofon bzw. zwischen dem zweiten und dem dritten Mikrofon entspricht. Vorteilhaft dabei ist, dass durch die speziell bestimmte Verzögerungszeit die Richtwirkungen der beiden Richtmikrofonstufen genau entgegengesetzt orientiert werden. Da dabei auch die Nullstellen der beiden differenziellen Mikrofone genau entgegengesetzt orientiert sind, kann damit eine besonders hohe seitliche Richtwirkung erreicht werden.
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Ferner sieht eine besonders vorteilhafte Ausführungsform und Erfindung vor, dass die erste Richtmikrofonstufe vier Mikrofone aufweist, wobei das erste differentielle Richtmikrofon das erste und das zweite Mikrofon sowie einen ersten Schaltungsblock umfasst, und wobei das zweite differentielle Richtmikrofon das dritte und das vierte Mikrofon sowie einen zweiten Schaltungsblock umfasst. Die Richtwirkung des zweiten differentiellen Richtmikrofons entspricht dabei im Wesentlichen der Richtwirkung des ersten differentiellen Richtmikrofons. Die Anordnung mit vier Mikrofonen stellt eine alternative Ausführungsform zu der Anordnung mit drei Mikrofonen dar. Sie erlaubt eine größere Variation in Bezug auf die geometrische Anordnung der Mikrofone.
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In einer weiteren vorteilhaften Ausführungsform ist vorgesehen, dass die vier Mikrofone im Wesentlichen entlang einer Achse angeordnet sind, wobei der Abstand zwischen dem ersten und dem zweitem Mikrofon im Wesentlichen dem Abstand zwischen dem dritten und dem vierten Mikrofon entspricht. Die Anordnung der Mikrofone entlang einer Achse erlaubt eine bessere seitliche Richtwirkung.
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Eine weitere vorteilhafte Ausführungsform der Erfindung sieht vor, dass der erste Schaltungsblock ausgebildet ist, das Mikrofonsignal des zweiten Mikrofons um eine erste vorgegebene Zeit zu verzögern und das verzögerte Mikrofonsignal des zweiten Mikrofons sowie das Mikrofonsignal des ersten Mikrofons voneinander zu subtrahieren. Ferner ist der zweite Schaltungsblock ausgebildet, das Mikrofonsignal des vierten Mikrofons um die erste vorgegebene Zeit zu verzögern und das verzögerte Mikrofonsignal des vierten Mikrofons sowie das Mikrofonsignal des dritten Mikrofons voneinander zu subtrahieren. Schließlich weist das weitere differentielle Richtmikrofon einen weiteren Schaltungsblock auf, um das Ausgangssignal des ersten differentiellen Richtmikrofons um eine zweite vorgegebene Zeit zu verzögern und das verzögerte Ausgangssignal des ersten differentiellen Richtmikrofons sowie das Ausgangssignal des zweiten differentiellen Richtmikrofons voneinander zu subtrahieren. Diese Ausführungsform zeigt eine sehr einfachen Aufbau, der sich Vorteilhafterweise besonders einfache realisieren lässt.
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In einer weiteren vorteilhaften Ausführungsform der Erfindung ist vorgesehen, dass der erste, der zweite und der dritte Schaltungsblock jeweils ein Verzogerungselement aufweisen, wobei das erste und das zweite Verzogerungselement ausgebildet sind, die entsprechenden Signale um eine Zeit zu verzogern, die der Laufzeit entspricht, die ein Schallsignal für eine Strecke benötigt, die dem Abstand zwischen dem ersten und dem zweiten Mikrofon bzw. zwischen dem dritten und dem vierten Mikrofon entspricht. Dabei entspricht die zweite Verzögerungszeit einer Laufzeit, die ein Schalsignal für eine Strecke benötigt, die einer Kombination aus dem Abstand zwischen dem ersten und dem zweiten Mikrofon bzw. zwischen dem dritten und dem vierten Mikrofon und dem Abstand zwischen dem zweiten und dem dritten Mikrofon entspricht. Die so bestimmten Verzögerungszeit in erlauben Vorteilhafterweise eine optimale seitliche Richtwirkung des differentiellen Richtmikrofonsystems.
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Schließlich sieht eine weitere vorteilhafte Ausführungsform der Erfindung vor, dass die Richtcharakteristik des differentiellen Richtmikrofonsystems adaptiv angepasst werden kann. Dies erlaube Vorteilhafterweise eine Anpassung der Richtcharakteristik an verschiedenen Hörsituationen.
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Im Folgenden wird die Erfindung anhand von Zeichnungen näher dargestellt. Es zeigen:
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1 ein differentielles Richtmikrofonsystem zweiter Ordnung mit drei miteinander verschalteten differentiellen Richtmikrofonen;
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2 den inneren Aufbau eines Schaltungsblocks eines differentiellen Richtmikrofons;
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3 ein differentielles Richtmikrofonsystem zweiter Ordnung gemäß der Erfindung mit drei omnidirektionalen Mikrofonen;
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4A und 4B zwei Varianten eines differentiellen Richtmikrofonsystems zweiter Ordnung gemäß der Erfindung mit vier omnidirektionalen Mikrofonen;
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5 ein Polardiagramm zur Darstellung der Richtcharakteristik des erfindungsgemäßen differentiellen Mikrofonsystems zweiter Ordnung.
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Die 1 zeigt ein differentielles Richtmikrofonsystem zweiter Ordnung, wie es zum Beispiel zur Geräuschunterdrückung bereits heute eingesetzt wird. Das differentielle Richtmikrofonsystem ist zweistufig aufgebaut und weist drei Mikrofone M1, M2, M3 auf, die typischerweise entlang einer geraden Linie (Mikrofonachse A) angeordnet sind. Die erste Mikrofonstufe I wird dabei durch zwei differentielle Richtmikrofone 10, 20 gebildet. Jedes der beiden differentiellen Richtmikrofone 10, 20 setzt sich wiederum aus jeweils zwei der drei Eingangsmikrofone M1, M2, M3 und einem Schaltungsblock 11, 12 zusammen. In einem solchen Schaltungsblock werden die Signale der beiden Eingangsmikrofone M1, M2, M3 in einer typischen Weise miteinander kombiniert und auf den Ausgang des jeweiligen differentiellen Richtmikrofons 10, 20 gelegt. Die Ausgangssignale der beiden differentiellen Richtmikrofone 10, 20 der ersten Mikrofonstufe I bilden die beiden Eingangssignale des differentiellen Richtmikrofons 30 der zweiten Mikrofonstufe II. Nach einer Verarbeitung im Schaltungsblock des differentiellen Richtmikrofons 30 der zweiten Mikrofonstufe II, in dem die beiden Einganssignale in einer typischen Weise miteinander kombiniert werden, wird ein Ausgangssignal zur weiteren Verarbeitung am Ausgang der zweiten Mikrofonstufe II ausgegeben. Solche differentiellen Richtmikrofonsysteme werden eingesetzt, um die Richtwirkung nach vorne, das heißt in Blickrichtung des entsprechenden Hörhilfeträgers, zu verstärken und seitliche Störgeräusche auszublenden. Durch die zweite Richtmikrofonstufe II wird die Richtwirkung der ersten Richtmikrofonstufe verstärkt, so dass seitliche Umgebungsgeräusche stärker gedämpft werden. Das Ausgangssignal der zweiten Mikrofonstufe II des herkömmlichen differentiellen Richtmikrofonsystems zweiter Ordnung weist daher keine oder nur ganz geringe Anteile aus den seitlichen Richtungen, also aus der 90°- bzw. 270°-Richtung, auf.
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Die 2 zeigt schematisch den typischen Aufbau eines Schaltungsblocks eines solchen differentiellen Richtmikrofons. Dabei wird ein erstes am Eingang des jeweiligen Schaltungsblocks anliegendes Eingangsignal zunächst mithilfe eines Verzögerungselementes um eine vorgegebene Zeit T verzögert. Das verzögerte Signal wird dann anschließend mithilfe eines Addierers von dem zweiten Eingangsignal subtrahiert. Das kombinierte Signal wird schließlich auf den Signalausgang des Schaltungsblocks ausgegeben. Dabei kann grundsätzlich auch das Signal des ersten Mikrofons M1 vom Signal des verzögerten Signals des zweiten Mikrofons M2 subtrahiert werden. Die eingestellte Verzögerungszeit T bestimmt dabei die Richtung aus der das jeweilige differentielle Richtmikrofon Schallsignale bevorzugt empfängt.
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Um eine seitliche Richtwirkung (Broadfire-Anordnung) zu erreichen, wird die Schaltung des differentiellen Mikrofonsystems nun so gestaltet, dass die Richtwirkung der beiden Richtmikrofonstufen I, II entgegengesetzt orientiert sind. Somit blendet die erste Stufe I Schall aus der hinteren Richtung aus, während die zweite Stufe II Schall aus der vorderen Richtung ausblendet. Damit resultiert eine Richtwirkung in Broadfire-Anwendung. Den entsprechenden Aufbau eines solchen differentiellen Richtmikrofonsystems zweiter Ordnung ist in der 3 beispielhaft gezeigt. Dabei sind die drei der ersten Richtmikrofonstufe I zugeordneten Mikrofone M1, M2, M3 vorzugsweise genau entlang der Mikrofonachse A angeordnet. Das zweite Mikrofon M2 ist ferner äquidistant zum ersten und zum dritten Mikrofon M1, M3 angeordnet. Dies wird in der 3 durch entsprechende Darstellung der Mikrofonabstände d verdeutlicht. Die Ausgangssignale m1(t), m2(t), m3(t) der drei Mikrofone M1, M2, M3 dienen als Eingangssignale für die beiden differentiellen Richtmikrofone 10, 20 der ersten Richtmikrofonstufe I, wobei das zweite Mikrofon M2 jeweils dem ersten und dem zweiten differentiellen Mikrofon 10, 20 zugeordnet ist. Um eine Richtwirkung mit einer Nullstelle hinten zu erzielen, wird als Verzögerungszeit T1 des ersten Verzögerungselementes 12 eine Zeit T0 gewählt, die der Laufzeit einer Schallwelle für die durch den Mikrofonabstand d vorgegebene Distanz entspricht. Die Signale des ersten bis zweiten Mikrofons M1, M2 werden dann anschließend mithilfe eines Addierers 13 miteinander kombiniert. Dabei wird das verzögerte Mikrofonsignal m2(t – T0) des zweiten Mikrofons M2 vom Mikrofonsignal m1(t) des ersten Mikrofons M1 subtrahiert. Auch beim zweiten differentiellen Richtmikrofon 20 wird als Verzögerungszeit T2 des entsprechenden Verzögerungselementes 22 die Zeit T0 gewählt, um eine Richtwirkung mit einer hinteren Nullstelle zu erreichen. Anschließend wird das verzögerte Mikrofonsignal m3(t – T0) des dritten Mikrofons M3 mithilfe eines Addierers 23 vom Mikrofonsignal M2(t) des zweiten Mikrofons subtrahiert. Da die beiden differentiellen Richtmikrofone 10, 20 der ersten Mikrofonstufe I eine Nullstelle in die hintere Richtung und eine Richtwirkung nach vorne aufweisen, kommt es zu einer Überlagerung ihrer Cardioid-Kegel.
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Die Ausgangssignale V1(t), v2(t) der beiden differentiellen Richtmikrofone der ersten Mikrofonstufe bilden zwei Eingangsignale für das differentielle Richtmikrofon 30 der zweiten Mikrofonstufe II. Um eine gewünschte Richtwirkung zu erzielen, wird hier analog zu den beiden differentiellen Richtmikrofonen 10, 20 der ersten Mikrofonstufe eines der Eingangsignale mithilfe eines entsprechenden Verzögerungselements 32 um eine vorgegebene Verzögerungszeit T3 verzögert und die Signale mithilfe eines Addierers 33 anschließend miteinander kombiniert. Dabei wird das Ausgangssignal v1(t) des ersten differentiellen Richtmikrofons 10 um die Zeit T0 verzögert und das Ausgangssignal v2(t) des zweiten differentiellen Richtmikrofons 20 anschließend von dem verzögerten Ausgangssignal v1(t – T0) des ersten differentiellen Richtmikrofons 10 subtrahiert. Auf diese Weise erhält das differentielle Richtmikrofon 30 der zweiten Mikrofonstufe II, das eine cardioide Richtcharakteristik aufweist, eine Nullstelle in der hinteren Richtung.
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Dies folgt auch aus Analyse des Netzwerks. Für das Ausgangssignal als des differentiellen Richtmikrophonsystems gilt: y(t) = m1(t – T0) – m2(t – 2T0) – m2(t) + m3(t – T0)
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Bei Signalen von hinten gilt: m3(t) = m2(t + T0) = m1(t + 2T0)
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Bei Signale von vorne gilt entsprechend: m1(t) = m2(t + T0) = m3(t + 2T0)
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Wenn als Verzögerungszeit T0 = d/c gewählt wird (Mikrofonabstand d, Schallgeschwindigkeit c), ergibt sich für die Anteile des Ausgangssignals des differentiellen Mikrofonsystems aus der vorderen und der hinteren Richtung: y(t) = 0
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Da die beiden Mikrofonstufen I, II jeweils Nullstellen in entgegengesetzter Richtung aufweisen, enthält das Ausgangssignal des differentiellen Mikrofonsystems also keine Anteile aus der vorderen und der hinteren Richtung. Durch die Kombination der beiden Mikrofonstufen I, II wird somit eine seitliche Richtwirkung erzielt.
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Um die gewünschte seitliche Richtwirkung des differentiellen Mikrofonsystems zu erreichen, ist es jedoch nicht zwingend notwendig, dass das zweite Mikrofon M1 direkt auf der durch die kürzeste Verbindung zwischen dem ersten und dem dritten Mikrofon M1, M3 gebildeten Mikrofonachse A angeordnet ist. Entscheidend für die resultierende seitliche Richtwirkung des differentielle Richtmikrofonsystems ist vielmehr, dass die auf die Mikrofonachse A bezogenen Projektionen der Verbindungsstrecken zwischen dem ersten und dem zweiten Mikrofon M1, M2 und der Strecke zwischen dem zweiten und dem dritten Mikrofon M2, M3 gleich lang sind. So ist es zum Beispiel auch mit einer Dreiecksanordnung der drei Mikrofone M1, M2, M3 grundsätzlich möglich eine entsprechende seitliche Richtwirkung zu erzielen, sofern die jeweils auf die vorgegebene Achse A bezogenen Abstände d der beiden Mikrofonpaare M1, M2 und M2, M3 den gleichen Wert aufweisen.
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Die 4A zeigt ein weiteres Ausführungsbeispiel des erfindungsgemäßen differentiellen Mikrofonsystems. Hierbei umfasst die erste Mikrofonstufe I vier omnidirektionale Mikrofone M1, M2, M3, M4, die vorzugsweise entlang der Mikrofonachse A angeordnet sind. Das erste und das zweite Mikrofon M1, M2 sowie das dritte und das vierte Mikrofon M3, M4, die jeweils ein Mikrofonpaar bilden, weisen dabei jeweils einen vorgegebenen Abstand d zueinander auf. Auch der Abstand d' zwischen dem zweiten und dem dritten Mikrofon M2, M3 entspricht in der 4 dem regulären Mikrofonabstand d. Allerdings kann dieser Abstand d' je nach Bedarf variiert werden. Um die gewünschte Richtcharakteristik zu erhalten, muss dann insbesondere die Verzögerungszeit T3 des Verzögerungselementes 32 des weiteren differentiellen Richtmikrofons 30 angepasst werden.
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Diese Verzögerungszeit T3 wird dabei in Abhängigkeit von dem Abstand d' des zweiten und des dritten Mikrofons M2, M3 eingestellt. Der Zusammenhang zwischen dem Abstand d' des zweiten und des dritten Mikrofons M2, M3 und der notwendigen Verzögerungszeit T3 dieses Verzögerungselements 32 lasst sich wie folgt darstellen: T3 = T0 + d'/d·T0 = (1 + d'/d)·T0
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Da in dem in der 4 gezeigten Beispiel der Abstand d' zwischen dem zweiten und dem dritten Mikrofon M2, M3 dem regulären Mikrofonabstand d entspricht, wird für die Verzögerungszeit T3 des Verzögerungselements 32 des weiteren differenziellen Richtmikrofons 30 die doppelte Verzögerungszeit T0 gewählt, um eine orthogonal zur Mikrofonachse A orientierte Richtwirkung mit jeweils einer Nullstelle in der vorderen und der hinteren Richtung (Broadfire-Anordnung) zu erreichen.
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Sofern der Abstand d' zwischen dem zweiten und dem dritten Mikrofon M2, M3 auf Null reduziert wird, deckt sich die Position des zweiten Mikrofons M2 entlang der Mikrofonachse A mit der entsprechenden Position des dritten Mikrofons M3. In diesem Fall kann dann statt zwei separater Mikrofone ein einzelnes benutzt werden. Eine solche Anordnung entspricht dann dem in der 3 gezeigten differentiellen Mikrofonsystem. Da der Abstand d' zwischen dem zweiten und dem dritten Mikrofon M2, M3 Null beträgt, liefert die oben genannte Gleichung für das Verzögerungselement 32 der zweiten Richtmikrofonstufe II eine Verzögerungszeit T3 von genau T0.
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Die Anordnung der beiden Mikrofonpaare des ersten und des zweiten differentiellen Richtmikrofons 10, 20 kann sich jedoch auch überschneiden. Wie in der 4B gezeigt ist, befindet sich das zweite Mikrofon M2 des ersten differentiellen Mikrofons 10 dann zwischen dem dritten und dem vierten Mikrofon M3, M4 des zweiten differentiellen Mikrofons 20. Auch in diesem Fall lässt sich die Verzögerungszeit T3 der zweiten Richtmikrofonstufe II anhand des der oben angegebenen Gleichung zugrunde liegenden Zusammenhangs zwischen Verzögerungszeit und Mikrofonabstand bestimmen. Allerdings muss dabei berücksichtigt werden, dass die Strecke vom zweiten zum dritten Mikrofon M2, M3 nunmehr entgegengesetzt zu der Strecke vom ersten zum zweiten bzw. vom dritten zum vierten Mikrofon M3, M4 verläuft. Für die Verzögerungszeit T3 der zweiten Richtmikrofonstufe II in einer solchen Anordnung ergibt sich somit: T3 = T0 – d'/d·T0 = (1 – d'/d)·T0
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Da im vorliegenden Beispiel der Abstand d' zwischen dem zweiten und dem dritten Mikrofon M2, M3 genau der Hälfte des regulären Mikrofonabstands d entspricht, ergibt sich aus der oberen Gleichung als Wert für die Verzögerungszeit T3 der zweiten Richtmikrofonstufe II genau T0/2. In anderen Worten ausgedrückt ist die Verzögerungszeiten T1, T2 der ersten Richtmikrofonstufe I doppelt so lang wie die Verzögerungszeit der zweiten Richtmikrofonstufe II.
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Die Anordnung der Mikrofonpaare der beiden differentiellen Richtmikrofone 10, 20 zueinander kann somit entlang der Mikrofonachse A beliebig variiert werden. Mithilfe der aufgezeigten Zusammenhänge zwischen den Mikrofonabständen d, d' und den Verzögerungszeiten T1, T2, T3 der beiden Mikrofonstufen I, II kann die Schaltung des differentiellen Richtmikrofonsystems jeweils so angepasst werden, dass sich die gewünschte Richtcharakteristik ergibt.
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Bei den in den 3, 4A und 4B gezeigten Beispiele kann die Kombination der Signale in den Addierern der entsprechenden Schaltungen grundsätzlich auch umgekehrt erfolgen, so das zum Beispiel bei in der 3 gezeigten Schaltung nicht das verzögerte Ausgangssignal M2(t – T0) des zweiten Mikrofons M2 von dem Ausgangssignal m(t) des ersten Mikrofons M1 subtrahiert wird, sondern umgekehrt. In diesem Fall muss auch die Subtraktion der entsprechenden Mikrofonsignale m3(t – T0), m2(t) im zweiten differentiellen Richtmikrofon 20 bzw. der Signale v1(t), v2(t – T0) im weiteren differentiellen Richtmikrofon 30 entsprechend erfolgen.
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Die 5 zeigt die Richtcharakteristik des erfindungsgemäßen differentiellen Mikrofonsystems mit einer Anordnung von drei omnidirektionalen Mikrofonen aus der 3 als ein Polardiagramm. Die Richtcharakteristik beschreibt die Empfindlichkeit des differentiellen Mikrofonsystems als Ausgangpegel in Abhängigkeit vom Einfallswinkel des Schalls. Dabei liegt die vordere Richtung der durch die Mikrofonanordnung beschriebenen Achse A, also die Blickrichtung des Hörhilfeträgers, bei 0°. Dementsprechend befindet sich die hintere Richtung bei 180°. Die 90° bzw. 270° entsprechen der linken bzw. der rechten Seite des Hörhilfeträgers. Wie dem in einer horizontalen Ebene aufgenommenen Polardiagramm zu entnehmen ist, liegen die Nullstellen des differentiellen Mikrofonsystems bei 0° und bei 180°. Hingegen liegen die Maxima in Richtung 90° und 270°, also orthogonal zu der Vorne-Hinten-Achse. Dies entspricht der sogenannten Boardfire-Anordnung.
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Sämtliche Ausführungsformen der Erfindung lassen sich sowohl analog als auch digital realisieren. Bei einem differentiellen Mikrofonsystem, das digital arbeitet, müssen die gegebenenfalls analog vorliegende Mikrofonsignale zunächst digitalisiert werden, bevor sie weiterverarbeitet werden. Die Verzögerung und Subtraktion der Signale kann dabei mittels Hard- und Software realisiert werden.
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Grundsätzlich beziehen sich die in dieser Beschreibung angegebnen Abstände d bzw. d' stets auf eine Strecke entlang der Mikrofonachse A. Sofern die Mikrofone M1, M2, M3, M4, insbesondere das zweite Mikrofon M2 in der 3-Mikrofonanordnung beziehungsweise das zweite oder dritte Mikrofon M2, M3 in der 4-Mikrofonanordnung, nicht genau auf der Mikrofonachse liegen, ist mit dem Mikrofonabstand d oder d' vorzugsweise die Projektion der Verbindungsstrecke zwischen den jeweiligen Mikrofonen auf die Mikrofonachse A gemeint.