-
Technisches Anwendungsgebiet
-
Die
vorliegende Erfindung betrifft eine Vorrichtung zur Beeinflussung
einer Kopfbewegung einer Person mit einer am Kopf der Person fixierbaren Einrichtung,
insbesondere zur Therapie von Funktionsstörungen der Halswirbelsäule.
-
Die
Beeinflussung der Kopfbewegung einer Person, insbesondere durch
Aufbringung von Gegenkräften
gegen eine mit dem Kopf durchgeführte Bewegung,
kann vor allem auf dem medizinischen oder sportlichen Sektor erforderlich
sein. Ein wichtiges Beispiel hierfür ist die Therapie von HWS-Beschleunigungsverletzungen.
-
Die
HWS-Beschleunigungsverletzung ist eine der häufigsten Verletzungen unserer
Zeit. In der überwiegenden
Mehrzahl der Gesundheitssysteme verursacht sie immense Kosten. Keine
andere Erkrankung oder Unfallverletzung bedingt eine ähnliche sozialpolitische
und wirtschaftliche Belastung. Die Problematik von HWS-Beschleunigungsverletzungen,
den sog. Schleudertraumen, liegt in der diagnostischen Unsicherheit
und der daraus resultierenden fehlenden Therapiestrategie. Die bildgebende Diagnostik
kann lediglich strukturelle Schäden
darstellen. Diese sind jedoch selten und betragen nur 3%–5% der
in der Praxis auftretenden Fälle.
Bei den restlichen 95%–97%
der Patienten können
keine Schäden
dargestellt werden, obwohl Symptome wie Schmerzen, Bewegungseinschränkung, Schwindel oder
auch vegetative Symptome beklagt werden. Die Behandlung von HWS-Beschleunigungsverletzungen
besteht in der Regel aus physiotherapeutischen Maßnahmen.
Die Effektivität
der Maßnahmen
wird jedoch kontrovers diskutiert. Trotz Therapie werden Raten zwischen
14% und 56% chronischer Schmerzverläufe beschrieben. Hierbei ist
zu bedenken, dass 90% der Kosten durch den Anteil der chronischen Verläufe bedingt
werden. Wichtigstes Ziel ist es deshalb, die Heilungsverläufe zu verkürzen und
die Anzahl chronischer Verläufe
zu minimieren.
-
Stand der Technik
-
Zur
Diagnose von Verletzungen der Halswirbelsäule sind bildgebende Verfahren,
wie Kernsein- oder Röntgenverfahren,
bekannt. Diese Verfahren erlauben jedoch bei Schleudertraumen keine
eindeutigen Diagnosen, die sich mit den Beschwerden des Patienten
korrelieren lassen.
-
Neuere
Studien zeigen einen Zusammenhang zwischen muskulären Störungen,
die mit elektromyografischen Methoden erfasst werden können, und
funktionellen Beschwerden. Durch Einsatz elektromyografischer (EMG)
Messverfahren lassen sich daher bessere Diagnoseergebnisse bei HWS-Beschleunigungsverletzungen
erzielen als mit bildgebenden Verfahren. Dies ermöglicht auch
eine Kopplung und Steuerung der Therapie von Schleudertraumen durch
EMG-Feedback.
-
EMG-Feedback
gehört
zur Gruppe der Bio-Feedback-Therapien,
die eine aktive Schulung der koordinativen Fähigkeiten eines Patienten ermöglichen.
Unter Bio-Feedback-Therapien
versteht man Maßnahmen,
die durch Parameter beeinflusst werden, die sich an veränderlichen
Körperfunktionen messen
lassen. Solche Funktionen können
z. B. die Herzfrequenz, der Blutdruck, die Gliedmaßen-Temperatur,
elektrische Potentialverschiebungen (EEG, EKG) oder, wie im vorliegenden
Fall, muskuläre
Potentiale (EMG) sein. In den klassischen Bio-Feedback-Therapien
werden autonome Funktionen zunächst
mittels Sensoren bzw. Klebeelektroden abgeleitet und durch einen
geeigneten Feedback-Mechanismus optisch oder akustisch wahrnehmbar
gemacht. Gerade das EMG-Feedback zeigt hierbei eine besonders gute
Wirkung bei verschiedenen Schmerzzuständen, hauptsächlich Kopf-
und Rückenschmerzen,
bei Schlafstörungen
und bei ängstlichen
Verspannungen.
-
Die
WO 99/06981 A1 beschreibt
ein Verfahren sowie eine Vorrichtung zur Behandlung von Patienten
mit Angstzuständen
unter Einsatz eines Virtual-Reality-(VR)-Systems. Die Vorrichtung umfasst hierbei
eine am Kopf des Patienten fixierbare Einrichtung, die mit einem
Trackingsystem zur Erfassung der momentanen Bewegung und Position
des Kopfes des Patienten mechanisch verbunden ist, sowie einen Video-Bildschirm,
auf dem eine die Angstzustände
des Patienten hervorrufende Szene dargestellt wird, bspw. über ein
HMD (Head Mounted Display). Ein Computer steuert die Darstellung
der Szene in Abhängigkeit
von mit dem Trackingsystem erfassten Daten der Kopfbewegung. In
einer weiteren Ausbildung dieser Vorrichtung sind zusätzlich Sensoren
zur Erfassung der Angstintensität
des Patienten, wie bspw. Puls- oder Hautwiderstandssensoren, vorgesehen.
Der Computer steuert die darge stellte Szene in Abhängigkeit
von den erfassten Daten, um einen therapeutischen Erfolg herbeizuführen.
-
Weiterhin
ist aus M. Steffin: Virtual reality therapy of multiple sclerosis
and spinal cord injury: design considerations for a haptic-visual
interface; in: G. Riva (ed); Virtual Reality in Neuro-Psycho-Physiology 1997;
185–208
ein System für
eine VR-Therapie von
Patienten mit Multipler Sklerose und Wirbelsäulenverletzungen beschrieben.
Bei diesem System wird die Position eines vom Patienten ins Auge
gefassten Zielobjektes über
eine entsprechende Sensorik erfasst und der Arm des Patienten über ein Kraft-Rückkopplungssystem innerhalb
eines Zielkorridors zum Greifen des Objektes gehalten. Das Zielobjekt
sowie die aktuelle Bewegungsbahn des Armes des Patienten können diesem
hierbei auch über
ein HMD virtuell dargestellt werden. Durch eine gleichzeitige EMG-Rückkopplung
einer Vielzahl von beteiligten Muskeln können diese Muskeln zusätzlich gezielt
elektrisch stimuliert werden.
-
Die
beiden letztgenannten Veröffentlichungen
befassen sich jedoch nicht mit Systemen, mit denen Funktionsstörungen der
Halswirbelsäule
diagnostiziert oder therapiert werden können.
-
Aus
der nachveröffentlichten
DE 10253075 A ist
eine Vorrichtung zur Diagnose und/oder Therapie von Funktionsstörungen der
Halswirbelsäule,
insbesondere nach HWS-Beschleunigungsverletzungen, bekannt, die
eine am Kopf des Patienten fixierbare Einrichtung zur Einschränkung des
Blickfeldes des Patienten sowie ein Trackingsystem zur Erfassung einer
momentanen Position und Orientierung des Kopfes des Patienten aufweist.
Die Vorrichtung umfasst weiterhin eine Bilddarstellungseinrichtung
zur Darstellung von virtuellen Bildern oder Szenen für den Patienten
sowie eine mit der Bilddarstellungseinrichtung verbundene Steuereinrichtung
zur Erzeugung eines optischen Signals, das sich in den dargestellten
Bildern oder Szenen auf einer vorgebbaren Bewegungsbahn und mit
einer konstanten oder variierenden Geschwindigkeit bewegt. Die Einschränkung des
Blickfeldes durch die am Kopf des Patienten fixierbare Einrichtung
sowie die Bewegung des optischen Signals sind hierbei so aufeinander
abgestimmt, dass der Patient dem optischen Signal nur durch Bewegung
des Kopfes folgen kann. Die Vorrichtung umfasst weiterhin ein mit
der Steuereinrichtung verbundenes FMG-Messsystem für die Erfassung
der muskulären
Aktivität
der Halsmuskulatur des Patienten während der Erzeugung und Bewegung
des optischen Signals sowie eine Ausgabeschnittstelle zur Ausgabe
erfasster Daten des Trackingsystems und des EMG-Messsystems.
-
Diese
Vorrichtung ermöglicht
sowohl eine verbesserte Diagnose von Bewegungsdefiziten der Halswirbelsäule als
auch eine Therapie dieser Bewegungsdefizite. Durch den zusätzlichen
Einsatz einer Vorrichtung zur Erzeugung von Gegenkräften zur Kopfbewegung,
die mit der Steuereinrichtung der Vorrichtung verbunden ist, können leichte
Gegenkräfte
zur Kopfbewegung des Patienten definiert werden. Diese Gegenkräfte werden
mit der EMG-Messung synchronisiert und können schrittweise erhöht werden,
um auf diese Weise die Nackenmuskulatur sensibel zu trainieren.
Vorrichtung zur Erzeugung von Gegenkräften sollte jedoch so aufgebaut
sein, dass sie eine optimale Beein flussung der Bewegung des Kopfes
auch bei wechselnder Bewegungsgeschwindigkeit ohne Auftreten von
Kraftspitzen ermöglicht.
-
Die
Aufgabe der vorliegenden Erfindung besteht darin, eine derartige
Vorrichtung zur Beeinflussung einer Kopfbewegung einer Person anzugeben, die
einfach aufgebaut und vorteilhaft bei der Therapie von HWS-Beschleunigungsverletzungen
einsetzbar ist.
-
Darstellung der Erfindung
-
Die
Aufgabe wird mit der Vorrichtung gemäß Patentanspruch 1 gelöst. Vorteilhafte
Ausgestaltungen der Vorrichtung sind Gegenstand der Unteransprüche oder
lassen sich der nachfolgenden Beschreibung sowie den Ausführungsbeispielen
entnehmen.
-
Die
vorliegende Vorrichtung zur Beeinflussung einer Kopfbewegung einer
Person, insbesondere zur Therapie von Funktionsstörungen der
Halswirbelsäule,
weist eine am Kopf der Person fixierbare Einrichtung, bspw. in Form
eines Helms oder eines Kopfreifs auf, die an zumindest zwei voneinander
beabstandeten Stellen, vorzugsweise symmetrisch auf zwei sich gegenüber liegenden
Seiten, mit jeweils einer Parallelkinematik verbunden ist. Die Vorrichtung lässt sich
hierbei sowohl als physiotherapeutisches Trainingsgerät als auch
als sportliches Trainingsgerät einsetzen.
-
Jede
der beiden elektrisch antreibbaren Parallelkinematiken ist dabei
vorzugsweise durch einen Tripoden mit jeweils drei Bewegungsachsen
gebildet. Mit einer derartigen Vorrichtung lassen sich Bewegungen
des Kopfes der Person in 5 oder 6 Freiheitsgraden aktiv beeinflussen.
Vorzugsweise liegen die beiden Verbindungsstellen mit der am Kopf
fixierbaren Einrichtung an sich gegenüberliegenden Seiten der fixierbaren
Einrichtung, so dass die durch die vorliegende Vorrichtung auf den
Kopf ausgeübten
Kräfte an
zwei Seiten des Kopfes angreifen. Auf diese Weise lassen sich mit
der Vorrichtung bei einer Bewegung des Kopfes alle drei Bewegungsachsen
der Halswirbelsäule,
d. h. Flexion/Extension, axiale Rotation und Seitflexion, beeinflussen.
-
Die
vorliegende Vorrichtung ermöglicht
die definierte Ausübung
einer Gegenkraft zu einer Bewegung des Kopfes der Person, insbesondere
bei der Therapie von Halswirbelsäuleverletzungen.
Selbstverständlich
lässt sich
die Vorrichtung jedoch auch für
andere Zwecke, bspw. zum Training der Halsmuskulatur für bestimmte
Sportarten, einsetzen. Auch eine reine Führung der Kopfbewegung auf
bestimmten Bewegungsbahnen ist mit dieser Vorrichtung bei geeigneter
Ansteuerung der Aktuatoren für
die Parallelkinematiken möglich.
Durch die parallelkinematische Struktur müssen bei maximaler Steifigkeit
des Systems nur geringe Massen bewegt werden. Dies reduziert den
regelungstechnischen Aufwand und hat den Vorteil, dass auch bei
Trägheit
des Systems keine störenden
oder schädlichen
Kraftspitzen auftreten. Die vorzugsweise verwendeten Linearantriebe
für die
Bewegung der Bewegungsachsen der Parallelkinematiken werden dabei
mit möglichst
geringer mechanischer Impedanz bei maximaler Regelbarkeit der Kraft
ausgewählt.
-
Vorzugsweise
weist die vorliegende Vorrichtung auch ein Trackingsystem zur Erfassung
einer momentanen Position und Orientierung des Kopfes der Person,
eine Bilddarstellungseinrichtung zur Darstellung von Bildern oder
Szenen für
die Person und eine mit der Bilddarstellungseinrichtung verbundene Steuereinrichtung
zur Erzeugung eines optischen Signals auf, das sich in den dargestellten
Bildern oder Szenen auf einer vorgebbaren Bewegungsbahn und mit
vorgebbaren Geschwindigkeiten bewegt. Die am Kopf fixierbare Einrichtung
weist in dieser Ausgestaltung Mittel zur Einschränkung des Blickfeldes der Person
auf, wobei die Einschränkung
des Blickfeldes und die Bewegung des optischen Signals so aufeinander
abgestimmt sind, dass die Person dem optischen Signal nur durch
Bewegung des Kopfes folgen kann. Über die Steuereinrichtung können der
Person, deren Kopfbewegung mit der Vorrichtung beeinflusst wird,
bestimmte Bewegungsbahnen und/oder Bewegungsgeschwindigkeiten des
optischen Signals vorgegeben werden, die die Person zu einer Kopfbewegung
zwingen. Über
die Parallelkinematiken mit der am Kopf fixierten Einrichtung können dieser
Bewegung in gleicher Weise definierte Gegenkräfte entgegengesetzt werden,
um die Kopfbewegung bzw. die daran beteiligten Muskeln in einer
vorbestimmbaren Weise zu trainieren. Vorzugsweise sind die Antriebe der
Parallelkinematiken hierzu ebenfalls mit der Steuereinrichtung verbunden.
-
In
einer Weiterbildung der letztgenannten Ausgestaltung weist die Vorrichtung
ein mit der Steuereinrichtung verbundenes Messsystem, insbesondere
ein EMG-Messsystem, für
die Erfassung einer muskulären
Aktivität
der Halsmuskulatur der Person während
der Erzeugung und Bewegung des optischen Signals auf. Die Steuereinrichtung
umfasst hierbei eine Rückkopplungseinheit
zur Beeinflussung der Bewegungsbahn, in der Regel eine wiederkehrende,
geradlinige horizontale oder vertikale Bewegung mit einer bestimmten
vertikalen bzw. horizontalen Auslenkung bzw. Amplitude, und/oder
Bewegungsgeschwindigkeiten des optischen Signals und/oder der durch
die Parallelkinematiken erzeugten Gegenkräfte in Abhängigkeit von den erfassten Werten
des Messsystems. Die Feedback-Steuerung ermöglicht eine verbesserte Therapie
des Patienten.
-
Diese
Ausgestaltung betrifft somit ein Virtual Reality (VR) und EMG-Feedback
gestütztes
System, das zur Therapie von Bewegungsdefiziten der Halswirbelsäule eingesetzt
werden kann. Über
die Steuereinrichtung werden Bewegungsbahnen zumindest eines optischen
Signals auf der Bilddarstellungseinrichtung vorgegeben, die eine
definierte Bewegung der Halswirbelsäule des Patienten bedingen,
wenn er diesen optischen Signalen folgt. Hierbei werden Bewegungsdefizite
durch Vergleich der mit dem Trackingsystem erfassten Ist- und dem
durch die Bewegung des optischen Signals vorgegebenen Soll-Werten der Halswirbelsäulenbewegung
erkannt. Durch die gleichzeitige Messung der muskulären Aktivität der Halsmuskulatur,
insbesondere des Musculus semispinalis capitis, können auch
funktionelle Störungen
der Muskulatur festgestellt werden. Neben der Vorgabe der Kopfbewegungsbahn
des Patienten hat die dargestellte Szene die Aufgabe, die Aufmerksamkeit
des Patienten von Schmerzen und Funktionseinschränkung abzulenken, um die Therapie
für den
Patienten zu erleichtern.
-
Das
vorzugsweise direkt mit der am Kopf fixierbaren Einrichtung mechanisch
verbundene Trackingsystem kann bspw. als elektromagnetisches Trackingsystem
ausgebildet sein. Dem Fachmann stehen hierbei zahlreiche kommerziell
erhältliche Trackingsysteme
zur Verfügung,
die auch nach anderen physikalischen Prinzipien arbeiten können.
-
Durch
die Ansteuerung der Aktoren für
die Parallelkinematiken können
leichte Gegenkräfte
zur Kopfbewegung des Patienten definiert werden. Diese Gegenkräfte werden
ebenfalls mit der EMG-Messung synchronisiert. Die Gegenkräfte können schrittweise
erhöht
werden, um auf diese Weise die Nackenmuskulatur sensibel zu trainieren.
Bei Schmerzen oder Überbeanspruchung
des Patienten, die durch die EMG-Messung erfasst werden, wird die Gegenkraft
durch die Feedback-Komponente
der Steuereinrichtung sofort reduziert oder abgeschaltet.
-
Die
am Kopf der Person fixierbare Einrichtung zur Einschränkung des
Blickfeldes ist vorzugsweise zusammen mit der Bilddarstellungseinrichtung als
sog. Head Mounted Display (HMD) ausgebildet. Über dieses HMD wird der Person
eine virtuelle 3D-Welt mit einem Objekt vermittelt, das der Benutzer
mit seinem Blick verfolgt. Ein Beispiel hierfür ist ein virtuelles Weltraummodell,
bei dem sich ein 3D-Modell des Planeten Erde auf einer spezifizierten Bewegungsbahn
bewegt. Dieses Modell versetzt den Benutzer in eine virtuelle Welt
und nimmt ihm jegliche Orientierung in der realen Welt. Das HMD
ist ein Ausgabegerät,
das in den frühen
Tagen der virtuellen Realität
sehr weit verbreitet war. Durch den Aufbau des HMD ist der Benutzer
jedoch sehr isoliert und kann sich nicht mit seiner realen Umgebung
austauschen. Zudem gewährt
das HMD nur ein sehr geringes Blickfeld, so dass der Benutzer häufig den
Eindruck hat, durch ein Rohr in die virtuelle Welt zu schauen. Diese beiden
Eigenschaften werden für
viele Anwendungen als nachteilig empfundenen, stellen jedoch für den Einsatz
in der vorliegenden Vorrichtung Vorteile dar. Das HMD kann über das
Rendering-System OpenSG angesprochen werden. Durch die Erfassung
der Kopfposition mit dem Trackingsystem und somit, aufgrund des
eingeschränkten
Blickfeldes, der Blickrichtung des Benutzers in Echtzeit, kann die
entsprechende Ansicht der 3D-Welt gerendert und auf dem HMD ausgegeben
werden. Dabei lassen sich sowohl Mono- als auch Stereosysteme einsetzen.
-
Neben
der Ausgestaltung als HMD kann die Bilddarstellungseinrichtung selbstverständlich auch unabhängig von
der am Kopf des Patienten fixierbaren Einrichtung, bspw. als entfernt
angeordnete Projektionsleinwand ausgebildet sein. Die Einschränkung des
Blickfeldes kann bei dieser Ausgestaltung beispielsweise durch Sichtblenden
oder entsprechend rohrförmig
ausgebildete Komponenten realisiert werden. Die Steuereinrichtung,
die bspw. durch einen Computer realisiert sein kann, dient der Erzeugung
der Bewegungsbahnen und Geschwindigkeiten des optischen Signals
auf der Bilddarstellungseinrichtung. Dieses optische Signal kann
bspw. einen Lichtfleck oder ein sonstiges Bildobjekt darstellen, das
vom Patienten verfolgt werden soll.
-
Mit
der vorgestellten Vorrichtung, insbesondere in Verbindung mit der
Bilddarstellungseinrichtung, dem Trackingsystem, dem EMG-Messsystem sowie
der Steuereinrichtung, lassen sich Therapiemaßnahmen zur Therapie von HWS-Schleudertraumata
durchführen.
Diese Ausgestaltung der Vorrichtung ermöglicht eine zielgerichtete
konservative Therapie unter Berücksichtigung
koordinativer Fehlfunktionen. Hierdurch wird eine Verkürzung der
Heilungszeiten und eine Minimierung der Chronifizierungsrate von
Patienten mit HWS-Schleudertrauma angestrebt.
-
Kurze Beschreibung der Zeichnungen
-
Die
vorliegende Vorrichtung wird nachfolgend anhand eines Ausführungsbeispiels
in Verbindung mit den Zeichnungen nochmals kurz erläutert. Hierbei
zeigen:
-
1 eine
schematische Darstellung eines Ausführungsbeispiels der vorliegenden
Vorrichtung zur Therapie eines Patienten;
-
2 eine
schematisierte Vorderansicht eines Ausführungsbeispiels der vorliegenden
Vorrichtung;
-
3 eine
schematisierte Seitenansicht eines Ausführungsbeispiels der vorliegenden
Vorrichtung; und
-
4 ein
Foto mit Darstellung der Verbindung der Parallelkinematik mit der
am Kopf fixierbaren Einrichtung gemäß einem Ausführungsbeispiel.
-
Wege zur Ausführung der Erfindung
-
1 zeigt
stark schematisiert eine mögliche
Ausgestaltung der vorliegenden Vorrichtung für den Einsatz als Therapiesystem
zum physiotherapeutischen Training der Halsmuskulatur. Die Vorrichtung
umfasst die am Kopf des Patienten 1 fixierbare Einrichtung 2,
die an zwei sich gegenüberliegenden Stellen
mit zwei ortsfest montierten Parallelkinematiken 3 verbunden
ist. Die am Kopf fixierbare Einrichtung 2 ist als Head-Mounted-Display (HMD) 5 ausgebildet,
so dass sie gleichzeitig als Bilddarstellungseinrichtung dient.
Weiterhin umfasst die am Kopf fixierbare Einrichtung 2 ein
Trackingsystem 4 zur Erfassung der jeweils momentanen Position
und Orientierung des Kopfes, so dass jeder Zeit aufgrund der Einschränkung des
Blickfeldes durch das HMD 5 die Blickrichtung des Patienten
bekannt ist. An der Halsmuskulatur des Patienten sitzt ferner ein
fine-wire-EMG-Messsystem 6, das ein EMG des Musculus semispinalis
capitis mit einer Frequenz von 500 Hz aufzeichnet. Trackingsystem 4,
EMG-Messsystem 6 und
HMD 5 sind mit einem Rechner 7 verbunden, der gleichzeitig
als Steuereinrichtung für
die Parallelkinematiken 3 dient.
-
Beim
Einsatz dieser Vorrichtung werden die Bewegungen der Halswirbelsäule des
Patienten in allen 3 Bewegungsachsen (Flexion/Extension,
axiale Rotation, Seitflexion) zeitgleich mit dem EMG-Messsystem
aufgezeichnet. Durch das Head-Mounted-Display 5 wird der
Patient in eine virtuelle Szene versetzt, in der er mit seinem Blick
Bewegungsbahnen eines ihm durch dieses System vermittelten optischen
Signals in der VR-Szene verfolgt. Das Blickfeld des HMD 5 ist
so stark einge schränkt,
dass die Bewegungsbahnen des optischen Signals nicht durch Augenfolgebewegungen
sondern ausschließlich durch
Kopfbewegungen verfolgt werden können.
Geschwindigkeit und Bahn des optischen Signals werden in Echtzeit
berechnet und durch die gemessenen EMG-Werte beeinflusst. Trackingdaten
und EMG-Parameter werden bei der Durchführung der Therapie mit der
dargestellten Vorrichtung synchronisiert. Durch die Verbindung des
HMD 5 mit den Parallelkinematiken 3, die Bestandteil
eines Kraftrückkopplungssystems
sind, und die Registrierung der Kopfposition und Kopforientierung
mit hoher Frequenz über
das Trackingsystem 4 kann durch eine Ansteuerung der Aktoren
der Parallelkinematiken 3 eine dosierbare, gerichtete Kraft
auf das HMD 5 und somit den Kopf des Patienten ausgeübt werden.
Zur therapeutischen Anwendung wird die optisch gesteuerte Bewegung
in allen Freiheitsgraden der Halswirbelsäule gegen den dosierbaren Widerstand
ausgeführt,
der mit Hilfe des Kraftrückkopplungssystems erzeugt
wird. Der dosierbare Widerstand kann dabei in Echtzeit auf der Grundlage
der gemessenen EMG-Werte berechnet werden (EMG-Feedback).
-
In
einem Anwendungsbeispiel zum physiotherapeutischen Training der
Halsmuskulatur wird vorab vom behandelnden Arzt ein Therapieplan
erstellt, in dem die Dauer der Therapieeinheit, die Skalierung der
Gegenkräfte
und die Skizzierung der Kopfbewegungen festgelegt sind. Dem Therapieplan entsprechend
wird das Therapiesystem gestartet. Zeitgleich zur Therapie wird
das EMG des Patienten aufgezeichnet und mit dem Tracking sowie der
Kraftrückkopplung
synchronisiert. Werden im EMG physiotherapeutisch unzumutbare Schmerzen erkannt, wird
die Gegenkraft sofort reduziert bzw. abgeschaltet. Auch die Dosierung
der Gegenkräfte
wird in Abhängigkeit
von den gemessenen EMG-Werten definiert.
-
Nach
dem Starten der Therapie wandert bspw. ein Lichtpegel langsam so
durch virtuelle Szene, dass eine Kopfbewegung des Patienten resultiert,
bei der die diagnostischen Erkenntnisse berücksichtigt sind und die verletzten
Strukturen leicht beansprucht werden. Die Gegenkräfte zur
Kopfbewegung werden durch das Kraftrückkopplungssystem über die
Parallelkinematiken generiert und auf das Head-Mounted-Display übertragen.
Somit werden die Halsmuskeln trainiert, was zur Therapie der Verletzung
und zur Reduzierung der Schmerzen beitragen soll. Während der
gesamten Trainingszeit mit dem Gerät werden Synchronbewegungen, EMG-Werte
und ausgegebene Kräfte
registriert. Die gesamte Therapie kann bei der vorliegenden Vorrichtung
durch die EMG-Werte gesteuert werden, indem in Abhängigkeit
davon die Bewegungsbahnen und die Kräfte gesteuert werden. Der Verlauf
der Therapie kann durch Ausgabe der registrierten Parameter sehr
genau dokumentiert werden, so dass ein Therapieerfolg oder eine
Stagnation in der Physiotherapie sofort erkannt und dargestellt
werden kann.
-
Die
im vorliegenden Beispiel eingesetzte Myo-Feedback-Steuerung der VR-Szene verhindert, dass
ein Patient überbeansprucht
wird. Sobald Schmerzen entstehen, wird die Bewegung verlangsamt
oder gestoppt. Die Gegenkräfte
können
bei der Therapie oder beim Training schrittweise erhöht werden,
um auf diese Weise die Nackenmuskulatur sensibel zu trainieren.
Bei Schmerzen oder Überbeanspruchung
des Patienten, die über
die EMG-Messung automatisch erfassbar sind, wird die Gegenkraft durch
die Myo-Feedback-Komponente sofort ausgeschaltet.
-
2 zeigt
ein schematisches Beispiel einer Ausgestaltung der vorliegenden
Vorrichtung, bei der als Parallelkinematiken 3 zwei Tripode 9 (Dreibeine) eingesetzt
werden, die jeweils an einer fest zur Wand fixierten Plattform 8 angebracht
sind. Die einzelnen Bewegungsachsen 10 der Dreibeine werden über Linearantriebe 13 relativ
zur Plattform 8 bewegt. Durch voneinander unabhängige Ansteuerung
der hierbei eingesetzten 6 Antriebe 13 können durch
die beiden Dreibeine 9, die an gegenüberliegenden Seiten mit der
am Kopf fixierbaren Einrichtung, einem Head-Mounted-Display 5,
fest verbunden sind, 6 Freiheitsgrade des HMD 5 beeinflusst
werden. Die Linearaktoren 13 sind kardanisch an den Plattformen 8 aufgehängt. Die
Bewegungsachsen 10 jedes Dreibeins 9 treffen an
einem Punktgelenk 12 am HMD 5 zusammen, das im
Foto der 4 erkennbar ist.
-
2 zeigt
eine Front-, 3 eine Seitenansicht dieser
beispielhaften Vorrichtung. Über
die beiden Befestigungen der Parallelkinematiken 3 am HMD 5 werden
Kräfte
in diese am Kopf des Patienten fixierbare Einrichtung eingeleitet,
die für
eine effektive Therapie genutzt werden. Der effektive Bewegungsraum
der in diesem Beispiel dargestellten Kinematik ist ein Kubus von
ca. 400 × 400 × 400 mm3 Kantenlänge.
-
Die
Erfassung der Aktivität
der Halsmuskulatur bzw. der myoelektrischen Signale kann beim Einsatz
der vorliegenden Vorrichtung auf unterschiedliche Weise erfolgen.
So besteht die Möglichkeit
sowohl einer invasiven als auch einer nichtinvasiven Erfassung dieser
Signale. Eine nichtinvasive Erfassung kann durch Auswertung von
elektrischen Feldern in der Nähe
der Hautoberfläche
oder durch die Auswertung von Höhenunterschieden
der Hautoberfläche erfolgen,
welche die Verformung der Muskulatur erfassen. Die letztgenannte
Erfassung der Höhenunterschiede
kann bspw. auch mit Hilfe von Weißlichtinterferometrie erfolgen.
-
Weiterhin
ist es in Abhängigkeit
von der gewünschten
Anwendung der vorliegenden Vorrichtung nicht unbedingt erforderlich,
dass mit den beiden Parallelkinematiken 6 Freiheitsgrade
beeinflussbar sind. So kann es für
ein Training auf dem sportlichen Sektor auch ausreichen, eine deutlich
geringere Anzahl von Freiheitsgraden zu beeinflussen.
-
- 1
- Person
- 2
- am
Kopf fixierbare Einrichtung
- 3
- Parallelkinematiken
- 4
- Trackingeinrichtung
- 5
- HMD
- 6
- EMG-Messsystem
- 7
- Rechner
- 8
- Plattform
- 9
- Tripode
- 10
- Bewegungsachse
- 11
- Kardanaufhängung
- 12
- Punktgelenk
- 13
- Linearantrieb
- 14
- Halterung