Die Erfindung betrifft die Adaption von Bakterien zur anaeroben Behandlung von mit Tributylzinn
belasteten Materialien wie Gewässerbodenmaterialien und Klärschlämmen sowie
ein Verfahren zur Entfernung von Tributylzinn aus mit
Tributylzinn belasteten Materialien.
In stehenden wie fließenden Wässern bilden sich fast überall Sedimente. An ihrer Bildung
sind Schwebstoffe beteiligt, deren mengenmäßiger Anteil wesentlich dazu beiträgt, welche
mechanischen Eigenschaften das so gebildete Sediment aufweist. So finden sich am Boden
von Hafenbecken, nicht sehr stark durchspülten Meeresbuchten, in Seen und auch in Fluss
läufen meist mehr oder weniger starke Schlammschichten und Schlickschichten, die große
Anteile solcher sedimentierter Schwebstoffe umfassen.
Die Belastung von Gewässern mit Giftstoffen nimmt stetig zu. Aus industriellen Prozessen
gelangen giftige Verbindungen wie halogenierte Kohlenwasserstoffe, polycyclische aromati
sche Kohlenwasserstoffe, andere Teerbestandteile, Lösungsmittel und dergleichen in die
Gewässer. Insbesondere in Küstengewässern und Häfen kommen Bestandteile von Schiffs
anstrichen hinzu, wobei in letzter Zeit zunehmend die bewusst zur Verhinderung des
Bewuchses mit Muscheln, Algen und dergleichen als Schiffsfarbenbestandteile eingesetzten
"anti-fouling"-Substanzen eine Rolle spielen. Hierbei handelt es sich zum Beispiel um
Tributylzinn (tributyl tin, TBT), das, wie auch andere metallorganische Verbindungen, eine
hohe Giftigkeit für solche Lebewesen zeigt, die sich in unerwünschter Weise an Schiffsböden
ansetzen.
Solche Substanzen gelangen im Wasser in Kontakt mit Schwebstoffen, die aufgrund ihrer
großen Oberfläche und geeigneten Ladungsverteilung etc. als Adsorber für solche Giftstoffe
wirken können. Mit den Schwebstoffen gelangen diese giftigen Substanzen in das Sediment.
Bei ausreichender Gewässertiefe kann dieser Prozess sehr erwünscht sein. Beispielsweise
werden viele der auf hoher See anfallenden Schadstoffe mittels solcher Vorgänge am Mee
resboden sedimentiert und sind dann nach Überlagerung im wesentlichen unschädlich
gemacht. In geregelten und insbesondere in befahrenen Gewässern kann jedoch ein konti
nuierliches Anwachsen der Sedimentschicht am Gewässerboden nicht hingenommen werden,
weil durch die entsprechende Erhöhung des Gewässergrundes die Strömungsverhältnisse in
unerwünschter Weise verändert werden können oder die Schifffahrt behindert wird. Es ist
deshalb seit langem üblich, in solchen Gewässern Unterhaltungsbaggerungen durchzuführen,
um die notwendige Tiefe aufrechtzuerhalten.
Für die Entfernung solcher Sedimente gibt es eine Vielzahl von bekannten Verfahren.
Beispielsweise wird die Sedimentschicht mit Eimerbaggern oder anderen mechanischen
Einrichtungen ausgehoben, wobei das so gewonnene Bodenmaterial üblicherweise zunächst
auf Schuten verbracht wird, um es später in einem anderen Gewässerbereich geeigneter Tiefe
zu verklappen. Alternativ ist es möglich, Spülverfahren einzusetzen, mit denen das zu
entfernende Sediment auf Spülfelder an Land verbracht wird. Weitere solche mechanische
Verfahren werden praktiziert.
Alternativ hierzu wird seit langem ein sehr elegantes, höchst wirkungsvolles und dabei wenig
aufwendiges Verfahren eingesetzt, das insbesondere in EP-B1 0 119 653 beschrieben ist.
Hierbei wird die abgesetzte Sedimentschicht nicht ausgebaggert oder dergleichen, sondern
vielmehr durch Injektion mit Wasserstrahlen im Volumen vergrößert und auf eine geringere
Viskosität eingestellt, so dass die Schicht grundsätzlich fließfähig wird. Sie bleibt dabei
jedoch als Schicht erhalten, d. h. vom darüber anstehenden Gewässerkörper getrennt, und kann
unterhalb dessen, über dem nicht verflüssigten Boden, unter der Einwirkung der Schwerkraft
abfließen, wenn der darunter liegende Boden ein entsprechendes Gefälle aufweist.
Dieses Verfahren gestattet es, eine solchermaßen fließfähig gemachte Schlamm- oder Schlick
schicht gezielt, d. h. ohne Vermischung mit dem darüber stehenden Wasser, an eine geeignete
tiefer gelegene Stelle abfließen zu lassen, wo sie von einer dort stärkeren Wasserströmung
aufgenommen und fortgetragen werden kann, oder wo man eine entsprechend stärkere Strö
mung gezielt erzeugen kann. Mit diesem Verfahren ist es beispielsweise gelungen, Schlick
schichten aus Hafenbecken in Flussläufe, Meeresbuchten und dergleichen abfließen zu lassen,
wobei in einigen Fällen Wege von vielen Kilometern zurückgelegt wurden, bis die Schlick
schicht sich wieder absetzte.
Der Einsatz solcher Verfahren ist stark eingeschränkt, wenn das zu beseitigende Sediment,
wie eingangs dargestellt, kontaminiert ist. Überschreitet der Giftstoffgehalt die durch
nationale und internationale Verordnungen und Gesetze gegebenen Grenzwerte, kann der Fall
auftreten, dass das Baggergut überhaupt nicht mehr im Gewässer umgelagert werden kann,
sondern vielmehr mit besonderen Vorsichtsmaßnahmen ausgehoben und an Land beseitigt
werden muss. Dann kann es sehr leicht sein, dass auch eine Deponierung an Land nicht mehr
möglich ist, sondern vielmehr das ausgehobene Bodenmaterial mit Spezialverfahren
gewaschen oder ausgeglüht werden muss, um die Giftstoffe unschädlich zu machen.
Üblicherweise enthalten Gewässerbodenmaterialien aus Hafenbecken Verunreinigungen an
metallorganischen Verbindungen wie Tributylzinn im Konzentrationsbereich von einigen
100 µg pro kg Trockensubstanz. Bei den bisher bekannten Verfahren des anaeroben
Schadstoffabbaus ergibt sich dabei das Problem, dass es durch derartig hohe Gehalte an
metallorganischen Verbindungen zu einer Hemmung des anaeroben Prozesses kommt, da
diese Substanzen auch für die Bakterien und diverse fakultative und obligate anaerobe
Mikroorganismen hochgiftig sind, die den Schadstoffabbau bewirken sollen. Dies führt zu
einem erheblichen Zeitaufwand für die Entsorgung von metallorganischen Verunreinigungen
wie Tributylzinn. So ist in Spülfeldern bislang ein Zeitraum von sechs Jahren erforderlich, um
durch anaerobe Lagerung von schwebstoffhaltigen und mit Tributylzinn belasteten Hafen
sedimenten einen Abbau von über 90% der Butylzinnverbindungen zu erreichen.
Neben der Verwendung als Schiffsfarbenbestandteil ist TBT beispielsweise auch als
Weichmacher in PVC und zur Bewuchsverhinderung in Dachziegeln enthalten. So erklärt
sich, dass neben Gewässerbodenmaterialien auch Klärschlämme in hohem Maße mit
metallorganischen Verunreinigungen belastet sind.
Vor diesem Hintergrund ist es eine Aufgabe der Erfindung, Bakterien
bereitzustellen, die derart an eine Tributylzinn
umfassende Umgebung angepasst bzw. adaptiert sind, dass sie einen
effizienten und erheblich beschleunigten Abbau von Giftstoffen, insbesondere von metall
organischen Verunreinigungen wie Tributylzinn durch anaerobe Behandlung der kontaminierten Materialien
ermöglichen.
Ferner ist es eine Aufgabe der Erfindung, ein Verfahren zur Entfernung von Tributylzinn
aus kontaminierten Materialien, wie insbesondere aus
Gewässerbodenmaterialien, Schlick, Schlamm und dergleichen in Gewässern wie
Hafenbecken, Meeresbuchten, Seen, Flüssen und Spülfeldern sowie aus Klärschlämmen
anzugeben, das einen einfachen, unaufwendigen und vor allem wesentlich effizienteren und
schnelleren Abbau von giftstoffbelasteten Materialien ermöglicht.
Weitere Aufgaben und Vorteile der Erfindung ergeben sich aus der folgenden Beschreibung.
Zur Lösung dieser Aufgaben dienen die Merkmale der unabhängigen Schutzansprüche.
Vorteilhafte Ausgestaltungen sind in den jeweiligen Unteransprüchen definiert.
Überraschenderweise hat sich jetzt in Versuchen gezeigt, dass es mittels einer temperatur
gesteuerten Prozessführung und insbesondere der Adaption von Anaerobbakterien aus ausge
faultem Klärschlamm möglich ist, den Abbau von Giftstoffen, insbesondere von Tributylzinn, in kontaminierten Materialien,
wie insbesondere Gewässerbodenmaterialien und Klärschlämmen, erheblich zu beschleuni
gen.
Unter Klärschlamm versteht man Schlämme aus Kläranlagen, in denen überwiegend
häusliches Abwasser gereinigt wird. Diese setzen sich aus Primärschlamm, Sekundärschlamm
und Überschussschlamm zusammen. Als Primärschlamm werden die Feststoffe bezeichnet,
die im Rohrabwasser die absetzbaren Stoffe darstellen. Pro Einwohner und Tag fallen mit
dem Primärschlamm ca. 20 Gramm an organischer Substanz an, die überwiegend als Kot,
Gemüse- und Obstreste sowie anderen Feststoffen in der Vorklärung durch Absetzen getrennt
werden. Die Primärschlämme gehen in der wärmen Jahreszeit schnell in Fäulnis über und
werden häufig neben dem Überschussschlamm dem Faulturm zugeführt.
Bei der Abwasserreinigung entstehen aus den im Abwasser gelösten Stoffen Bakterien und
andere Mikroorganismen, wodurch sich ein Belebtschlamm bildet. Da sich die Menge des
Schlammes durch die Abwasserinhaltsstoffe kontinuierlich erhöht, muss ein Teil der Bio
masse als Überschussschlamm abgezogen werden. Dieser gelangt bei Vorhandensein eines
Faulturms mit dem Primärschlamm zur Faulung in den Faulturm. Der organische Gehalt der
Belebtschlämme beträgt 60 bis 70% und geht ebenfalls schnell in Fäulnis über. Durch den
Faulprozess, bei dem durch die chemischen anaeroben Umsetzungsprozesse rund 50% der
organischen Schlamminhaltsstoffe in Faulgas überführt werden, erfolgt im allgemeinen eine
Reduzierung der Ausgangsfeststoffmenge um ca. 35% und damit eine Erhöhung des Wasser
gehalts des Schlammes. Der aus der Faulung von Klärschlamm im Faulturm resultierende
ausgefaulte Klärschlamm enthält noch aktive Bakterien. Diese sterben durch Luftzutritt bzw.
längeres Ablagern ab.
Erfindungsgemäß werden zur Lösung der genannten Aufgaben durch langsame Zugabe
geringer Mengen an mit Tributylzinn belasteten Materialien zu ausgefaultem Klär
schlamm spezielle, in ausgefaultem Klärschlamm enthaltene Bakterien und andere Mikro
organismen derart adaptiert, dass sie einen optimalen Abbau von hochgiftigen Verun
reinigungen, wie beispielsweise metallorganischen Verbindungen, insbesondere Tributylzinn, gewährleisten. Diese
Adaption ist dann erfolgt, wenn bei Zugabe einer größeren Menge an verunreinigten
Materialien die Biogasproduktion vergleichbar mit der von einem ausgefaulten Klärschlamm
ist, dem keine mit Verunreinigungen belasteten Materialien zugegeben worden sind.
Mit Verunreinigungen belastete Materialien im Rahmen der vorliegenden Erfindung
umfassen insbesondere Gewässerbodenmaterialien, wie Sedimente, Schwebstoffe,
Bodensuspensionen, Schlick, Schlamm und dergleichen in Gewässern wie Hafenbecken,
Meeresbuchten, Seen, Flüssen und Spülfeldern, sowie Klärschlämme.
Verunreinigungen in kontaminierten Materialien, wie Gewässerbodenmaterialien und
Klärschlämmen, umfassen polycyclische aromatische
Kohlenwasserstoffe wie Naphthalin, Fluoren, Phenanthren, Anthracen, polychlorierte
Biphenyle, Pestizide wie 1,2,4-Trichlorbenzol, 1,2,3,4-Tetrachlorbenzol, Pentachlorbenzol,
Hexachlorbenzol und Oktachlorstyrol, Schwermetalle wie Arsen, Blei, Cadmium, Chrom,
Kupfer, Nickel, Quecksilber, Zink, Eisen und Mangan, sowie hochgiftige metallorganische
Verbindungen, beispielsweise organische Zinnverbindungen wie Monobutylzinn, Dibutylzinn
und Tributylzinn.
Die erfindungsgemäßen Bakterien dienen zur Ent
fernung von metallorganischen Verunreinigungen, wie zinnorganischen Verunreinigungen,
insbesondere Tributylzinn, aus Gewässerbodenmaterialien, wie Sedimenten, Schwebstoffen,
Bodensuspensionen, Schlick, Schlamm und dergleichen.
Bei einer weiteren Ausführungsform der vorliegenden Erfindung dienen die erfindungsge
mäßen Bakterien zur anaeroben Behandlung von Klärschlämmen, die mit den vorstehend
genannten metallorganischen Verunreinigungen kontaminiert sind.
Nach erfolgter Adaption werden in der sogenannten Abbauphase die verunreinigten
Materialien in einer größeren Menge zugeführt. Während dieser Phase erfolgt hauptsächlich
ein Abbau von Schadstoffen, wie halogenierten Kohlenwasserstoffen, cyclischen und
polycyclischen aromatischen Kohlenwasserstoffen und anderen schwer- oder nichtflüchtigen
organischen Verbindungen.
Metallorganische Verunreinigungen wie Tributylzinn sind hochtoxisch und somit biologisch
schlechter abbaubar als die meisten anderen organischen Substanzen. Diese Substanzen
werden bei einem wesentlichen Merkmal der vorliegenden Erfindung in der sogenannten
Hungerphase in höherem Maße abgebaut, da dort erfindungsgemäß keine Zugabe von verun
reinigten Materialien mehr erfolgt und somit nach und nach ein Mangel an den gut abbau
baren organischen Substanzen entsteht.
Im folgenden wird das erfindungsgemäße Verfahren zur Entfernung von Tributylzinn
aus verunreinigten Materialien, insbesondere Gewässerboden
materialien wie Sedimenten, Schlick, Schlamm und dergleichen, umfassend die Verfahrens
schritte der Adaptionsphase, der Abbauphase und der Hungerphase, genauer beschrieben.
Bevor ein Faulraum betriebsfähig ist und einen prozessstabilen Abbau der Verunreinigungen
in kontaminierten Materialien gewährleistet, muss eine genügend hohe Konzentration an
aktiver anaerober Biomasse im Reaktor vorhanden sein. Daher muss ein neu anzufahrender
Faulraum zunächst in einer Einfahrphase (Adaptionsphase) schrittweise an den endgültigen
Belastungszustand herangeführt werden. Ebenso wie für den eingefahrenen Faulprozess sind
während der Adaptionsphase alle Randbedingungen für einen intensiven Betrieb einzuhalten,
d. h. eine intensive Durchmischung, eine konstante Faulraumtemperatur und eine möglichst
kontinuierliche Beschickung des Faulraums in kleinen Chargen an verunreinigten Materialien.
Ein erfindungsgemäßer Verfahrensschritt zur Adaption der metallorganische Verbindungen
abbauenden Bakterien umfasst in einer bevorzugten Aus
führungsform drei Stufen: Zunächst wird der Reaktor mit ausgefaultem Klärschlamm aus
Faultürmen, sogenanntem Faulschlamm, gefüllt. Anschließend wird der Klärschlamm auf
eine für den Faulprozess optimale Temperatur, d. h. eine Temperatur, bei der die Bakterien
und andere Mikroorganismen ihre optimale Wirkung entfalten, erwärmt. Vorzugsweise liegt
diese Temperatur für die erfindungsgemäßen Bakterien und andere Mikroorganismen im
Bereich von 21°C bis 37°C. Schließlich werden geringe Mengen an mit Tributylzinn
verunreinigten Materialien zugeführt. Diese Zugabe erfolgt in
Intervallen. Die Dosierung an verunreinigten Materialien sollte derart sein, dass
keine wesentliche Verringerung der Biogasausbeute auftritt und es nicht zu einer Abnahme
des pH-Wertes unter 6,5 kommt.
Bei der Erstbefüllung ist die Bildung eines explosionsgefährlichen Gas-/Luftgemisches
(Knallgas) im Faulraum zu vermeiden. Während der gesamten Adaptionsphase sollte der
Zustand des Faulprozesses möglichst durch geeignete Kontrollparameter überprüft werden.
Dazu zählen die Bestimmung des Gehalts an organischer Säure, der pH-Wert, die Temperatur,
die Ermittlung der produzierten Menge an Biogas und deren Zusammensetzung, sowie die
Bestimmung der Trockensubstanz und des Glühverlustes in den zugegebenen Schlämmen und
im Faulschlamm.
Da die meisten Mikroorganismen nicht säuretolerant sind, sollte der pH-Wert im Reaktor
nicht unter einen Wert von 6,5, vorzugsweise nicht unter 7, abnehmen. Der pH-Wert kann
bspw. durch Zugabe von Kalk stabilisiert werden. In einer bevorzugten Ausführungsform
wird der pH-Wert während der Adaptionsphase auf einem Wert von 7 bis 8,5 gehalten.
Metallorganischen Verbindungen, wie beispielsweise
Tributylzinn dienen, als Bestandteil von Schiffsbodenanstrichen, der gezielten Verhinderung
von unerwünschtem Bewuchs durch Algen, Muscheln und dgl., da sie für die entsprechenden
Organismen hochgiftig sind. Leider sind diese Verbindungen auch für andere, erwünschte
Meereslebewesen, beispielsweise Plankton, Molusken und Fische, hochgiftig. Entsprechend
hochbelastetes Sediment ist rechtlich gesehen Sondermüll und darf nur mit entsprechenden
Vorsichtsmaßnahmen überhaupt behandelt werden.
Die Erfindung schafft nun die Möglichkeit, auch solche Schadstoffe wie Tributylzinn
abzubauen, indem den Bakterien und anderen Mikroorganismen in der vorstehend genannten
Adaptionsphase durch langsame Steigerung der Zugabe an mit biologisch schwer abbaubaren
Verunreinigungen belasteten Materialien eine verbesserte Anpassung an ein Milieu ermög
licht wird, das derartige Verunreinigungen umfasst. In der vorstehend beschriebenen Hunger
phase, in der keine Zugabe an verunreinigten Materialien erfolgt, wird dann ein Großteil
dieser Verunreinigungen, insbesondere Tributylzinn, üblicherweise in einer Größenordnung
von 65 bis 85% abgebaut. In dieser Phase nimmt die Biogasproduktion langsam ab. Das
entfrachtete Produkt kann bis auf ein Drittel dem Reaktor entnommen und einer Weiterbe
handlung, Entsorgung oder Verwertung zugeleitet werden.
Nach einer wesentlich kürzeren Einfahrphase von bis zu 10 Tagen wird der Leistungsstand
der Abbauphase erreicht und der Prozess kann diskontinuierlich oder - bei geringer Kontami
nation bis etwa 100 µg Sn/kg Trockensubstanz kontinuierlich - weitergeführt werden.
Das folgende Beispiel dient der Beschreibung der vorliegenden Erfindung.
Beispiel
Im Laborversuch wurde anhand verunreinigter Hafensedimente aus dem Neuen Fischerei
hafen von Cuxhaven der Abbau von mit Tributylzinn verunreinigten Hafensedimenten mittels
einer temperaturgesteuerten Prozessführung und einer Adaption spezieller anaerober
Bakterien untersucht. Die Sedimente sind der Oberfläche entnommen worden, an der die
höchsten Tributylzinngehalte, nämlich in der Größenordnung von 450 µg pro kg Trocken
substanz zu entnehmen waren. Im Versuch sind die Sedimente deshalb eingesetzt worden,
weil der Konzentrationsbereich von 400 bis 600 µg Zinn pro kg Trockensubstanz im Mittel in
niedersächsischen Häfen häufig vorkommt. Weiterhin wiesen die Sedimente im Mittel höhere
Metallgehalte als in den übrigen niedersächsischen Häfen auf. Hierdurch sollte sichergestellt
werden, dass der anaerobe Prozess trotz der üblicherweise hemmenden höheren Metallgehalte
an Zinn, Kupfer und Blei erfolgreich durchgeführt werden kann. Wie die Analysen zeigten, ist
das Material aus dem Neuen Fischereihafen besonders feinkörnig und hat somit ein hohes Ad
sorptionsvermögen gegenüber Schadstoffen.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass für die Laborversuche ein Sediment gewählt wurde,
das aufgrund der Korngröße sowie der Inhaltsstoffe eher schwieriger zu entfrachten ist als
andersartige Hafensedimente. Dies bedeutet, dass bei Einsatz anderer Hafensedimente
mindestens ebenso gute, wenn nicht sogar bessere Ergebnisse zu erwarten sind.
Die eingesetzte Laboranlage besteht aus einem Plexiglasbehältnis, das ca. 32 Liter Flüssig-
und Schlammphase und ca. 3 Liter Gasphase aufnehmen kann. Das Behältnis ist luftdicht
verschlossen. Das erzeugte Faulgas wird über ein Gasvolumenmessgerät abgeführt. In dem
Behältnis finden sich zwei Aquariumheizungen. Die Anlage hat einen Deckel mit Gummi
dichtung, der zum Befüllen, zur Entnahme und für die Rührarbeit abgenommen werden kann.
Die Temperatur wird kontinuierlich gemessen, während der pH-Wert, die Stände der
Schlamm- und Trübwasserphase sowie der Gasanteil im Schlamm diskontinuierlich gemessen
werden.
Die Entgasung und das Rühren des Schlammes werden manuell täglich durchgeführt. Konti
nuierliches Umpumpen des Schlammes innerhalb der Anlage hat sich als hinderlich für das
anaerobe Verfahren gezeigt.
Um die anlagenspezifischen Eigenschaften zu erproben, wurde ein Referenzversuch nur mit
Klärschlamm durchgeführt. Im folgenden werden die einzelnen Phasen einer bevorzugten
Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens beschrieben.
Verfahrensschritt 1 (Adaptionsphase)
Im Diagramm 1 sind die Messergebnisse der Biogasproduktion während des Anaerobversuchs
zum Abbau von Butylzinnverbindungen in Abhängigkeit von der Zeit dargestellt. In dem Ver
fahrensschritt 1 wurde dem Faulschlamm aus Kläranlagen langsam Hafenschlick zugegeben,
und zwar beginnend mit 66 g über durchschnittlich etwa 500 g bis zu 1450 g organische
Substanz. Im Bereich der flachen Kurve ist zu erkennen, dass an einigen Tagen (17., 18. und
29. Tag) die Zugabe wegen eines Einbruchs der Gasproduktion eingestellt wurde. Am Tag 24
(1. Pfeil von links) im Bereich des ersten Verfahrensschrittes ist ein Vergleichsmesswert zu
einer hier nicht dargestellten Kurve gezeigt, wobei im Reaktor ausschließlich Faulschlamm
behandelt wurde. Im Vergleich zu diesem Ergebnis zeigt sich bei dem erfindungsgemäßen
Verfahrensschritt eine Hemmung von 57%.
Verfahrensschritt 2 (Abbauphase)
Ab Tag 36 (Pfeil 2 von links) ist ein steiler Anstieg der Gasproduktion zu erkennen. Ab hier war die
Adaption der Bakterien erfolgt. Während der nächsten 10 Tagen wurde der Reaktor pro Tag mit
einer Raumbelastung von 2 bis max. 4 kg an organischem Anteil des Trockensubstanzgehaltes
oTS/m3 beaufschlagt.
Verfahrensschritt 3 (Hungerphase)
Nach dem vorgenannten Zeitablauf erfolgt der Verfahrensschritt 3, bei dem keine verunrei
nigten Hafensedimente zugegeben werden. Der Reaktor wurde wie bisher beheizt und zur
Entgasung sowie zum Substrattransport entsprechend gerührt.
In dieser Hungerphase hatte die Probe 8 einen Gehalt von 321 µg Zinn pro kg Trocken
substanz, der im Verlauf von 16 Tagen deutlich auf 137 µg Zinn pro kg Trockensubstanz
abnahm. Die Tributylzinn (tributyl tin, TBT)-Reduzierung von Probe 9 zu Probe 10 ist sehr
gering. Somit erschien es sinnvoll, die Behandlung zum Zeitpunkt der Entnahme der Probe 9
abzubrechen.
Die Messungen des pH-Werts wurden überschlägig mit Lackmuspapier durchgeführt, da es
nur darum ging, eine evtl. auftretende schädliche Versäuerung des Schlammes festzustellen.
Der ermittelte pH-Wert lag oberhalb des Neutralpunkts meist bei 7,3 bis 7,5. In Ausnahmen
bei größerer Zugabe an Hafenschlamm erhöhte sich der pH-Wert bis auf 8 oder geringfügig
mehr. Somit war der pH-Wert stabil, die Gefahr einer Versäuerung hat sich auch in Extrem
situationen nicht ergeben.
Entsprechend dem Verlauf der Biogasproduktion wurden Proben entnommen, die auf Butyl
zinn-Homologe, Glühverlust und Trockensubstanz analysiert wurden.
Die Probe 1 war eine Faulschlammprobe, die Proben 2 und 4 waren Überschuss- und
Primärschlammproben. Die Ergebnisse wurden zur Mischungsrechnung mit dem
Hafenschlick verwendet. Die Probe 3 bestand aus der Mischprobe Hafensediment, die aus
dem Neuen Fischereihafen, Cuxhaven, entnommen wurde. Diese Substanz wurde der
Anaerobanlage während des Versuchs zum Abbau zugeführt.
Wie in der nachfolgenden Tabelle 1 zu ersehen ist, wiesen die Faul- bzw. Überschuss- und
Primärschlammproben typische Gehalte von 5 bis 8% Trockensubstanz (TS) auf. Deren
Glühverluste lagen im Bereich von 30 bis 60%. Die Mischprobe aus Hafenschlick (Probe Nr.
3) wies mit 92% einen sehr hohen Trockensubstanzgehalt auf und mit 30% der
Trockensubstanz ebenfalls einen hohen Anteil an Glühverlust (entsprechend überwiegend
organischer Substanz). In der Anlage wurde in der Probe 9 durch die Anaerobprozesse und
das entstandene Trübwasser ein Trockensubstanzgehalt von 21,3% gemessen. Bis zu dieser
Probe nahm der Anteil der organischen Substanz durch den anaeroben Abbau von 30 über
10,5 bis zu 7,1% ab.
Durch den Abbau der organischen Substanz hatte sich eine Volumenreduzierung von
ungefähr 30 bis 40% ergeben. Die Folge der Reduzierung ist, dass sich die Metallgehalte und
teilweise die biologisch schlecht abbaubaren organischen Gehalte in der verminderten
Trockensubstanz erhöhen.
In der nachfolgenden Tabelle 2 sind die Ergebnisse der Butylzinnanalysen (in µg Sn/kg TS) in
den einzelnen Proben aufgeführt. Die Ergebnisse der Proben 1, 2 und 4 sind für die
Durchführung der Mischungsrechnungen ermittelt worden.
Die Probe 8 zeigt Werte nach 13 Tagen und die Probe 9 Werte nach 29 Tagen nach der
Hungerphase. Wie zu erkennen ist, haben sich die Gesamtgehalte um ca. 73% reduziert, der
Tributylzinn-Gehalt um ca. 70%.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass in der Hungerphase ein signifikanter Abbau der
Konzentrationen von Organozinnverbindungen in der Größenordnung um 70% erzielt wurde.
Die Frachtreduzierung der Organozinnverbindungen liegt mit etwa 20 bis 25% deutlich über
dem vorgenannten Wert der Konzentration. Dies erklärt sich durch den biologischen Abbau
von etwa 23 Gew.-% des Trockensubstanzgehalts. Die Tributyl- bzw. die Butylgehalte sind
jeweils auf die Trockensubstanz bezogen. Die organische Substanz, gemessen als Glühver
lust, wurde im Verlauf des Versuchs von 30% der Trockensubstanz auf 7,1% reduziert.
Durch die biologische Umwandlung ergab sich eine signifikante Volumenreduzierung des
Schlammes.
Beschreibung der Abbildung
Diagramm 1: Im Diagramm 1 sind die Messergebnisse der Biogasproduktion während des
Anaerobversuchs zum Abbau von Butylzinnverbindungen in Abhängigkeit von der Zeit
dargestellt. Am Tag 24 im Bereich des ersten Verfahrensschrittes ist ein Vergleichsmesswert
zu einer hier nicht dargestellten Kurve gezeigt, wobei im Reaktor ausschließlich Faulschlamm
behandelt wurde. Ab Tag 36 ist die Adaption der Bakterien erfolgt.