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Die Erfindung handelt von einem Verfahren zum Nitrieren von Werkstükken aus legierten Stählen. Dabei ist insbesondere, aber nicht ausschliesslich, gedacht an fertig bearbeitete Werkstücke komplexer Gestalt mit schwer zugänglichen Stellen, die sehr hohen Wechselbelastungen bei hohen Temperaturen ausgesetzt sind. Solche Werkstücke sind beispielsweise Teile von Einspritzdüsen für Verbrennungskraftmaschinen. Im folgenden wird nur mehr von Nitrieren gesprochen, wobei, sofeme nicht ausdrücklich ausgenommen, auch Nitrocarburieren mitzulesen ist.
Zweierlei Arten von Nitrierverfahren sind bekannt : in einer Gasat- mosphäre und solche in einem Salzbad. Beim Gasnitrieren wird das Werkstück einer Atmosphäre aus einem Ammoniak enthaltenden Gasgemisch bei Temperaturen zwischen etwa 500 und 600 C während einer längeren Zeit (bis zu 100 Stunden) ausgesetzt ; Salzbadnitrieren einem aus di- versen Salzen bestehendem flüssigen Bad bei ähnlichen Temperaturen.
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Diese Verfahren sind etwa beschrieben in der Broschüre Gasnitrieren und Gasnitrocarburieren" der AGA Gas GmbH. Das Gasnitrieren hat vor allem und ganz allgemein den Nachteil der langen Dauer. Diese ist umso länger, je tiefer die Temperatur. Tiefe Temperaturen sind aber erwünscht, um si- cher in der a-Zone des LEHRER-Diagrammes (siehe weiter unten) zu blei- ben. In dieser bleibt der Werkstoff auch bei grosser Härte noch zähe, dauer- und warmfest. Bei legierten Stählen ist die Nitrierung im allgemeinen be- hindert durch die Passivierung der Oberfläche des Werkstückes, die umso stärker ist, je höher legiert der Stahl ist, insbesondere mit Chrom. Passivie- rung ist der erhöhte Widerstand, den die Oberfläche dem Eindringen von Stickstoff und/oder Kohlenstoffatomen in das Werkstück entgegensetzt.
Die Salzbadverfahren haben den Nachteil, dass sich an der Oberfläche des Werkstückes eine relativ dicke und sehr spröde Verbindungsschicht bilden kann. Sie ist beschrieben als y'-Zone des LEHRER-Diagrammes. Diese ist zwar besonders hart und abriebfest, aber nachteilig bei Werkstücken, die weniger mechanischem Verschleiss ausgesetzt sind, dafür aber bei hoher Festigkeit zäh und warmfest sein sollen.
Da die vorgenannte Passivierung örtlich begrenzt besonders intensiv sein kann, treten dort schädliche Behinderungen des Stickstoffüberganges, so- genannter Nitrierstops, auf. Nitrierstops sind Oberflächenzonen vermin- derter Aufnitrierung und somit geringerer Festigkeit, die die Prozesssicher- heit der Härtung beeinträchtigen.
Bei Werkstücken komplexer Form, etwa beim Düsenkörper einer Ein- spritzdüse mit seinen feinen Spritzbohrungen und einem Sackloch am unte-
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ren Ende kommt dazu noch das Problem, dass die Stickstoffaufnahme vom örtlichen Nitrierpotential und somit von der örtlichen Konzentration des Nitriergases abhängt. Da diese in der Nähe der Oberfläche des Werkstückes grundsätzlich verarmt, muss der vagabundierende Gasaustausch durch zu- saätzliche Umwälzung unterstützt werden. In Totwassergebieten tritt sonst leicht unzureichende Härtung auf, was auch die Prozessicherheit beein- trächtigt.
Es ist somit Ziel der Erfindung, die Nachteile beider Verfahren zu beheben und ein Verfahren vorzuschlagen, nach dem höchste Warm- und Dauerfe- stigkeit erreicht wird, in möglichst kurzer Zeit und mit hoher Prozesssi- cherheit.
Das Verfahren besteht darin, dass das Werkstück nach geeigneter Vorreini- gung zuerst einem Nitrocarburierverfahren in einem Salzbad mit einem Cy- anatgehalt zwischen 30 % und 40 % unterzogen wird, bis die sich bildende Verbindungsschicht eine Dicke in dem Bereich von 0,5 bis 3 -meter er- reicht; und das Werkstück dann einem Gasnitrierverfahren bei einer Tem- peratur zwischen 520 und 580 Celsius unterzogen wird, wobei die Zu- sammensetzung des Nitriergases auf ein tiefes Nitrierpotential eingestellt ist.
Beim Nitrocarburieren bildet sich zunächst die sehr spröde Verbindungs- schicht, die man eigentlich nicht will, darunter beginnt sich grundsätzlich, sozusagen als Begleiterscheinung, die Diffusionsschicht zu bilden. Letztere besitzt schliesslich die hier erwünschten vorteilhaften Eigenschaften. Die Verbindungsschicht aber soll möglichst dünn bleiben. Deshalb wird diese Behandlung auch nur kurz vorgenommen. Die begleitend entstehende Dif-
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fusionsschicht ist zwangsläufig im allgemeinen zu dünn. Deshalb wird die Nitrierung im darauffolgenden Schritt zuendegeführt. Beim Gasnitrieren nämlich wird diese Verbindungsschicht durch das tiefe Nitrierpotential wieder rückgebildet, unter Abgabe von Stickstoffatomen an das Nitriergas.
Was aber bleibt, ist eine vergrösserte geometrischen Oberfläche mit optimal geformten Kristallflächen, dadurch ist die Passivität der Oberfläche über- wunden, die gesamte Oberfläche ist sicher durchgängig aktiviert, Nitrier- stops können nirgends mehr auftreten.
Vor allem aber kann die Oberfläche nun zur Bildung der Diffusionsschicht Stickstoffatome leicht und schnell aufnehmen. Das bedeutet, dass die Ni- trierzeit wesentlich verkürzt ist und dass mit einem niederen Nitrierpotenti- al das Auslangen gefunden wird, welches die Bildung von Nitriden (Ver- bindungsschicht, Nitridzeilen) ausschliesst und somit die Diffusionsschicht durchwegs in der a-Zone bleibt, also zähhart, warm- und dauerfest wird.
Das sind aber genau die geforderten Eigenschaften, und sie werden in viel kürzerer Zeit erreicht.
Das niedere Nitrierpotential im zweiten Schritt hat mehrere Wirkungen: @ Die Verbindungsschicht zerfällt wieder, wobei eine poröse Oberfläche zurückbleibt, die den Übergang von Stickstoff in das Werkstück be- schleunigt, @ Örtliche Konzentrationsschwankungen des Nitrermediums (verminderte
Gasversorgung) wirken sich weniger aus, sodass die Härtung auch an un- zugänglichen Stellen des Werkstückes gut ist, @ Die Diffusionsschicht bleibt sicher in der a-Zone. Diese entspricht einem sehr zähharten Gefüge,
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* Die Gefahr einer gehäuften Anlagerung von Stickstoffatomen an den
Korngrenzen (Nitridzeilen), die auch zu einer Versprödung führen wür- de, ist geringer.
Damit sind die drei Hauptziele erreicht : HöchsteWarmfestigkeit, grosse Prozesssicherheit und kurze Nitrierzeit. Es ist überraschend, dass dank der Erfindung ein Umweg besser und schneller zum Ziel führt.
Vorzugsweise erfolgt die Gasnitrierung mit einem Nitrierpotential im Be- reich zwischen 0,08 und 0,5. Dadurch bleibt man bei einer Nitriertempera- tur zwischen 500 und 600 Celsius sicher in der a-Zone.
In einer besonders vorteilhaften Verfahrensführung wird das Werkstück nach der Salzbadnitrierung und vor der Gasnitrierung mit einer organischen Säure, insbesondere mit Zitronensäure, behandelt. Organische Säuren bil- den Metallsalze, die in der folgenden Gasnitrierung besonders leicht zer- fallen und eine besonders poröse und zusätzlich besonders reaktionsfreudi- ge Oberfläche hinterlassen, was zu einer weiteren Verkürzung der Nitrier- zeit verhilft.
Im folgenden wird die Erfindung anhand von Abbildungen und Ausfuh- rungsbeispielen beschrieben und erläutert. Es stellen dar:
Fig. 1: Das LEHRER-Diagramm, Fig. 2 : Beispiel eines nach dem erfindungsgemässen Verfahren zu behandelnden Werkstückes,
Fig.3: Den gemessenen Härteverlauf zu den beiden Ausführungsbei- spielen des erfindungsgemässen Verfahrens.
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Fig. 1 zeigt das LEHRER-Diagramm, dass die verschiedenen Zustandspha- sen des Systems Eisen-Stickstoff in Abhängigkeit von der Nitriertemperatur (Ordinate) und vom Nitrierpotential (Abszisse) dastellt. Das Nitrierpotenti- al, auch Stickstoffaktivität der Atmosphäre genannt, ist proportional dem Ammoniakkonzentration und umgekehrt proportional einem Ausdruck der Wasserstoffkonzentration.
Die a-Zone entspricht im wesentlichen der des Eisen-Kohlenstoffdiagram- mes, die Stickstoffatome lagern sich im a-Gitter ab und erhöhen dessen Festigkeit und Zähigkeit ohne Versprödung, solange sich keine Nitridzeilen an den Korngrenzen bilden. Die mit y' bezeichnete Zone entspricht der spröden Verbindungsschicht beim Nitrieren und dies-Zone der beim Kar- bonitrieren und Nitrocarburieren. In dem Diagramm ist ein Trapez A einge- zeichnet, das den Temperaturbereich und den Bereich des Nitrierpotentials für den zweiten Schritt des erfindungsgemässen Verfahrens angibt. Die Ni- triertemperatur liegt zwischen 500 und 600 Celsius, das Nitrierpotential zwischen 0,04 und 0,4.
Fig. 2 zeigt schraffiert den Körper 1 einer Einspritzdüse mit der darin ver- schiebbaren Düsenadel 2. Der Düsenkörper 1 endet unten in einer Düsen- kuppe 3, die innen eine kegelige Nadelsitzfläche 4, ein zentrales Sackloch 5 und über den Umfang verteilte Spritzbohrungen 6 besitzt. Die Düsenadel 2 ist in Führungen 7,8 mit höchster Präzision geführt. Zwischen den beiden Führungen 7,8 und zwischen der Führung 7 und der Düsenkuppe 3 befin- det sich je ein Ringraum 9,10, deren oberem durch einen Kanal 11Brenn- stoff mit einem Druck von 2000 Bar und darüber von einer nicht darge-
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stellten Einspritzpumpe zugeführt wird. Die Düsenadel 2 wird von einer sehr starken (nicht dargestellten) Feder abwärts beaufschlagt, sodass sie auf der Nadelsitzfläche 4 aufliegt.
Die Beanspruchungen, denen dieser Düsenkörper unterliegt, sind extrem hoch und vielfältig. Der gesamte Düsenkörper wird durch den in den Räumen 9,10 wirkenden Innendruck radial gedehnt und somit pulsierend auf Zug beansprucht. Die Führungen 7,8 müssen extrem präzise und hart sein, um die Düsenadel 2 sauber zu führen. Die Nadelsitzfläche 4 muss nebst dem Innendruck den Schlägen der fliessenden Ventilnadel 2 standhalten. Alle Flächen, an denen die Strömung umgelekt wird oder eine Querschnittsänderung stattfindet sind zudem kavitationsgefährdet, das ist insbesondere die Umgebung der Spritzbohrungen 6 und das Sackloch 5.
Es ist zu erkennen, dass auch im Falle einer Gasdurchströmung bei herausgenommener Düsenadel, entsprechend dem Gasnitrieren im Inneren der Düsenkuppe 3 und vor allem in den Spritzbohrungen 6 nur eine sehr langsame Bewegung des Nitriergases möglich ist. Dort vor allem besteht die Gefahr einer unzureichenden Nitrierung.
Die Härtung dieses Werkstückes wurde in zwei verschiedenen Varianten des erfindungsgemässen Verfahrens vorgenommen : Beispiel I: Der Düsenkörper gemäss Fig. 2 wurde zuerst in der üblichen Weise gründlich gereinigt und dann während 20 Minuten bei einer Temperatur von 580 C in einem Salzbad nitrocarburiert. Ein geeignetes Salzbad enthält 32 bis 38% eines Kalium- und/oder Natriumcyanates (CNO Ion). In vorliegende Falle wurde nach dem TENIFER Verfahren vorgegangen, entspre-
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chend war auch die Zusammensetzung des Salzbades. TENIFER ist ein von der DEGUSSA geschütztes Verfahren und Warenzeichen. Sobald die Dicke der Verbindungsschicht ein -meter erreicht hatte, wurde das Werk- stück aus dem Salzbad genommen, in gesalztem Kaltwasser abgekühlt und in der üblichen Weise gründlich gereinigt.
Als nächstes wurde das Werkstück gasnitriert, wobei die Zusammensetzung des ammoniakhaitigen Nitriergases entsprechend einem Nitrierpotential von 0,1 zusammengestellt war. Dieses Nitrierpotential entspricht einem Re- stammoniakgehalt des Nitriergases von 8 %. In dieser Atmosphäre wurde das Werkstück bei einer Temperatur von 550 C während 82 Stunden in dem Nitrierofen belassen, dann herausgenommen, langsam abgekühlt und schliesslich einer Prüfung unterzogen, die den in Fig. 3 angegebenen Wert ergab (Kurve I).
In Fig.3 ist der Härteverlauf für den Nadelsitz auf der Ordinate als Vickers- Härte (HV 0,5) angegeben. Auf der Abszisse ist der Abstand vom Rand des Nadelsitzes in Millimetern angegeben.
Beispiel II: Es wurde genauso wie in Beispiel I vorgegangen, jedoch zwischen erstem und zweitem Schritt das Werkstück in achtprozentiger Zitronensäure (Zi- tronensäuredihydrat) behandelt. Auch Ameisensäure, Essigsäure oder Oxal- säure wäre geeignet. Diese Operation dauerte nur einige Minuten und er- folgte bei mässiger Erwärmung und guter Durchflutung. Auf Grund dieses Bades konnte die Verweildauer im Nitrierofen beim Gasnitrieren auf 41 Stunden, also auf etwa die Hälfte reduziert werden. Das fertigbehandelte Werkstück wurde wieder einer Prüfung unterzogen. Die gemessenen Här-
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ten nach Vickers sind wieder in Fig. 3 angegeben, die Kurve ist mit II bezeichnet. Es ist zu erkennen, dass trotz der halben Zeitdauer teils sogar höhere Werte erzielt wurden.
Weiters wurde das Werkstück auch an allen äusseren und inneren Oberflächen (Bohrungen, Spritzlöchern 6, Sackloch 5 in Fig. 2) geprüft. Alle Randschichten zeigten gut übereinstimmende Nitrierhärtetiefen und Härtewerte.