Beschreibung
Spurhaltesystem für Kraftfahrzeuge mit Trajektorienbestimmung
Die Erfindung betrifft eine Vorrichtung zum Halten eines Fahrzeugs in seiner Fahrspur gemäß dem Oberbegriff des Patentanspruchs 1, sowie ein entsprechendes Verfahren gemäß dem Oberbegriff des Patentanspruchs 8.
Aus dem Stand der Technik sind verschiedenste Systeme bekannt, die den Fahrer eines Kfz darin unterstützen, das Fahrzeug in seiner Fahrspur zu halten. Diese Systeme werden auch als LKS-Systeme (LKS: Lane Keeping Support) bezeichnet. Bekannte LKS-Systeme umfassen im wesentlichen ein Fahrspurerkennungssystem, wie z.B. ein Videosystem, mit dem die relative Position des Fahrzeugs in der Fahrspur (die sogenannte Ablage) , die Orientierung des Fahrzeugs und der Verlauf der Fahrspur bestimmt werden können. Wenn der vom Fahrer gewählte Lenkwinkel von dem durch den Fahrspurverlauf vorgegebenen Soll-Lenkwinkel zu stark abweicht, werden mit Hilfe eines Lenkstellers, wie z.B. eines Servomotors, künstliche Lenkkräfte auf die Lenkung des Fahrzeugs ausgeübt. Diese Lenkkräfte sind so stark, dass sie vom Fahrer haptisch erfasst werden können und den Fahrer darauf hinweisen, wie er die Lenkung betätigen müsste, um das Fahrzeug in seiner Fahrspur zu halten.
Das Fahrspurerkennungssystem kann z.B. als Videosystem realisiert sein, dessen Videosignale von einer Signalverarbeitungssoftware verarbeitet werden, die die gewünschten geometrischen Daten (Ablage, Orientierung, Fahrbahnkrümmung) liefert. Andere Fahrspurerkennungssysteme umfassen z. B. einen Magnetsensor, der die Fahrzeugposition
in Verbindung mit in der Fahrbahn integrierten Magneten ermittelt oder wahlweise auch Radarsensoren.
Aus den geometrischen Positionsdaten und der Fahrbahnkrümmung wird dann mittels eines mathematischen Referenzmodells (mathematischer Algorithmus) ein Referenz-Lenkwinkel berechnet, der an der Lenkung eingeschlagen werden müsste, um das Fahrzeug optimal in seiner Fahrspur zu halten. Bei einer Abweichung des Fahrer-Lenkwinkels vom Referenz-Lenkwinkel wird dann mit Hilfe eines Lenkstellers ein Unterstützungs- moment auf die Lenkung aufgebracht. Dieses Unterstützungsmoment wird dabei anhand einer vorgegebenen Kennlinie berechnet, die einen funktionellen Zusammenhang zwischen dem Unterstützungsmoment und der Lenkwinkeldifferenz darstellt.
Hierzu wird auch auf die Druckschriften Naab, Reichhart: "Driver Assistance Systems for Lateral and Longitudinal Vehicle Guidance-Heading Control and Active Cruise Support" AVEC 94, und Shimakage, Kawazoe, Sadano, Murakami: "Design of Lane-Keeping Control with Steering Torque input for a Lane-Keeping Support System", SAE Technical Papers 2001-01-0480 verwiesen.
Bekannte LKS-Systeme sind bisher nicht in der Lage, das Fahrzeug automatisch in seiner Fahrspur zu halten, sondern haben lediglich die Aufgabe, den Fahrer bei einer Abweichung seiner Lenkaktivität von der durch den Fahrspurverlauf vorgegebenen Soll-Lenkbewegung durch gerichtete, künstliche Lenkradkräfte zu unterstützen. Der Fahrer muss also nach wie vor aktiv lenken.
Es ist daher die Aufgabe der vorliegenden Erfindung, ein LKS- System zu schaffen, das in der Lage ist, das Fahrzeug selbsttätig in einer vorgegebenen Fahrspur zu halten, ohne dass der Fahrer hierzu die Lenkung aktiv betätigen muss.
Gelöst wird diese Aufgabe gemäß der Erfindung durch die im Patentanspruch 1 sowie im Patentanspruch 8 angegebenen Merkmale. Weitere Ausgestaltungen der Erfindung sind Gegenstand von Unteransprüchen.
Ein wesentlicher Gedanke der Erfindung besteht darin, aus den vom Fahrspurerkennungssystem gelieferten Daten und aktuellen Fahrzustandsgrößen, wie z.B. der Gierrate, eine Trajektorie (d.h. Bewegungsbahn) zu ermitteln, der das Fahrzeug folgen sollte, und die Fahrzeugquerbewegung mit Hilfe eines Trajektorien-Folgereglers und eines Lenkstellers derart zu regeln, dass das Fahrzeug der Trajektorie folgt. Dem Trajektorien-Folgeregler wird hierzu eine Information über die Trajektorie (wie z.B. eine wegabhängige Krümmung) als Führungsgröße zugeführt.
Ein erfindungsgemäßes LKS-System umfasst somit eine Vorrichtung zur Trajektorienbestimmung und einen nachgeschaltetem Trajektorien-Folgeregler, sowie einen Lenksteiler als Stellglied der Regelung. Eine solche Kombination aus Trajektorienbestimmung und nachgeschaltetem Trajektorien-Folgeregler hat den wesentlichen Vorteil, dass das Fahrzeug automatisch in der vorgegebenen Fahrspur gehalten werden kann, ohne dass der Fahrer aktiv in die Lenkung eingreifen muss.
Die Einrichtung zur Trajektorienbestimmung und der Trajektorien-Folgeregler sind vorzugsweise als Software in einem Kfz-Steuergerät hinterlegt.
Als Regelgrößen werden vorzugsweise der Schwimmwinkel und/oder die Gierrate des Fahrzeugs herangezogen. Gemäß einer bevorzugten Ausführungsform der Erfindung regelt der Trajektorien-Folgeregler neben dem Schwimmwinkel und/oder der Gierrate des Fahrzeugs vorzugsweise auch einen Radwinkel bzw. eine hierzu proportionale Größe. Die zusätzliche Regelung des Radwinkels hat den Vorteil, dass Verzögerungszeiten im
Stellglied (Lenksteiler) und der Regelstrecke (Lenkung) vom Trajektorien-Folgeregler berücksichtigt werden können.
Der Trajektorien-Folgeregler berechnet in Abhängigkeit von der bzw. den Regelabweichungen der Regelgröße (n) vorzugsweise einen Lenkradwinkel (oder eine äquivalente Größe) die vom Lenksteiler eingestellt werden soll.
Die Sollwerte der einzelnen Regelgrößen (Gierrate, Schwimmwinkel und/oder Radwinkel) werden vorzugsweise von einem Steuergerät unter Berücksichtigung der Trajektorie aus dem bekannten Einspurmodell abgeleitet. Die Ist-Werte der Regelgröße (n) werden vorzugsweise sensorisch mittels entsprechender Sensoren erfasst.
Der Trajektorien-Folgeregler ist vorzugsweise als
Zustandsregler realisiert und z. B. als Software in einem Steuergerät hinterlegt.
Ein erfindungsgemäßes LKS-System umfasst entsprechend einen geschlossenen Regelkreis mit einer Vorrichtung zur
Trajektorienbestimmung, einen nachgeschaltetem Trajektorien- Folgeregler und einem Lenksteiler, wobei der Trajektorien- Folgeregler das Regelglied und der Lenksteiler das Stellglied der Regelung bildet.
Die Erfindung wird nachstehend anhand der beigefügten Zeichnungen beispielhaft näher erläutert. Es zeigen:
Fig. 1 eine schematische Darstellung der Lenkung eines Kfz;
Fig. 2 die Bewegungsbahn eines Fahrzeugs in einer Fahrspur;
Fig. 3 eine Blockdarstellung eines Regelsystems zum Halten des Fahrzeugs in seiner Fahrspur; und
Fig. 4 eine Ausführungsform eines Trajektorien-Folgereglers für drei Regelgrößen.
Fig. 1 zeigt eine Vorderradlenkung 1 eines Kfz mit einem Lenkrad 2, einer Lenkstange 5, einem Lenkgetriebe 6 mit einem Übersetzungsverhältnis N und einer Spurstange 8, mittels der ein Vorderrad 7 gelenkt wird. Die Lenkung 1 umfasst ferner einen Lenksteiler 3, wie z.B. einen Servomotor, mit dem über einen Riementrieb 4 ein Moment MA auf die Lenkstange 5 ausgeübt werden kann. Das Übersetzungsverhältnis ist dabei mit NA bezeichnet.
Die dargestellte Lenkung ist mechanisch identisch aufgebaut wie die meisten herkömmlichen Kfz-Lenkungen und wird hier im Rahmen eines LKS-Regelsystems dazu genutzt, das Fahrzeug 11 (Fig. 2) durch Ausüben eines künstlichen Führungsmoments MA in seiner Fahrspur 10 zu halten.
Fig. 2 zeigt die Bewegungsbahn eines Fahrzeugs 11 in einer Fahrspur 10, die durch Fahrspurmarkierungen 9 begrenzt ist. Das Fahrzeug 11 umfasst ein Fahrspurerkennungssystem 12, wie z. B. ein Bildverarbeitungssystem, das die relative Position des Fahrzeugs 11 bezüglich der Fahrbahnmarkierungen 9 (die sogenannte Ablage) , die Orientierung des Fahrzeugs 11, sowie den Fahrbahnverlauf ermittelt. Das Bildverarbeitungssystem umfasst eine Videokamera und eine spezielle
Bildverarbeitungssoftware, die aus den Bilddaten die gewünschten geometrischen Daten (Ablage, Orientierung und Fahrspurverlauf) ermittelt.
Die geometrischen Daten werden dann einer Einrichtung 14 (siehe Fig. 3) zur Trajektorienbestimmung zugeführt, die daraus unter Berücksichtigung aktueller Fahrzustandsgrößen, wie z.B. der Gierrate oder der Fahrzeuggeschwindigkeit, eine Trajektorie 13 berechnet, der das Fahrzeug 11 folgen sollte, um in der Fahrspur 10 zu bleiben. Die Trajektorie 13 hat
vorzugsweise einen Verlauf, der möglichst in der Mitte der Fahrbahn 10 liegt.
Fig. 3 zeigt einen Überblick über das gesamte LKS- Regelsystem. Das LKS-Regelsystem umfasst im wesentlichen das Fahrspurerkennungssystem 12 einschließlich
Bildverarbeitungssoftware, die Einrichtung 14 zur Trajektorienbestimmung und einen nachfolgenden Regelkreis 16. Der Regelkreis 16 umfasst einen Trajektorien-Folgeregler 15, sowie einen Block 3, in dem ein LKS-Algorithmus und ein Lenksteiler, wie z. B. einen Servomotor, zusammengefasst sind. Das Fahrzeug 11 bildet die Regelstrecke der Regelung.
Die Trajektorie 13 wird vorzugsweise als ein Krümmungsverlauf κ(x) in Abhängigkeit vom zurückgelegten Weg (x) berechnet und an den Trajektorien-Folgeregler 15 ausgegeben. Die Trajektorieninformation K kann aber auch ein fester (wegunabhängiger) Wert sein.
Der Trajektorien-Folgeregler 15 regelt im vorliegenden Ausführungsbeispiel drei Regelgrößen, nämlich die Gierrate dψ/dt, den Schwimmwinkel ß und den Radwinkel δ und berechnet daraus unter Berücksichtigung der Trajektorie 13 einen Lenkradwinkel δL. Der im Block 3 enthaltene LKS-Algorithmus erzeugt daraus eine Stellgröße (z.B. ein Moment) für den Lenksteiler, der dann ein entsprechendes Führungsmoment MA auf die Lenkung 1 des Fahrzeugs 11 ausübt. Durch diese Regelung kann ein natürliches, an das Lenkverhalten des Fahrers angenähertes Lenkverhalten erreicht werden.
Die in Fig. 3 dargestellten Elemente 12,14-16 sind vorzugsweise als Software in einem Kfz-Steuergerät hinterlegt.
Fig. 4 zeigt eine detaillierte Ansicht des Trajektorien- Folgereglers 15 zur Regelung des Radwinkels δ, des
Schwimmwinkels ß und der Giergeschwindigkeit dψ/dt. Der
Trajektorien-Folgeregler 15 umfasst drei Knoten 18,19,20, an denen jeweils die Regeldifferenz der Regelgrößen δ, ß,dψ/dt ermittelt wird. Die Sollwerte (mit dem Index stat versehen) der einzelnen Regelgrößen werden dabei aus dem stationären Einspurmodell der Fahrzeugquerbewegung abgeleitet und unter Berücksichtigung der Trajektorieninformation K berechnet. Die stationären Sollgrößen
ßstatr dψ/dt
stat können z. B. wie folgt berechnet werden:
dt/dtstat=v * K (3)
wobei 1 der Achsabstand des Fahrzeugs, lv der Abstand der Vorderachse zum Fahrzeugschwerpunkt, Ih der Abstand der Hinterachse zum Fahrzeugschwerpunkt, m die Fahrzeugmasse, v die Fahrzeuggeschwindigkeit, Ch,Cv die Achssteifigkeit an der Vorder- bzw. der Hinterachse und K die von der Einrichtung 14 zur Trajektorienbestimmung berechnete Sollkrümmung.
Der eigentliche Regelalgorithmus 17 ist vorzugsweise als Zustandsregler, wie z.B. als LQR-Zustandsregler realisiert. Dieser Reglertyp zeigt eine gute Stabilität und eine hohe Robustheit gegenüber Parameterschwankungen der Regelstrecke. Andere Reglertypen, die dem System eine robuste Stabilität einprägen, sind ebenfalls geeignet.
Im Fahrbetrieb wird die zuvor berechnete Trajektorie 13 vom Fahrzeug 11 abgefahren und stetig neu berechnet, vorzugsweise wenn die Regelgüte Q des Trajektorien-Folgereglers 15 einen vorgegebenen Wert unterschreitet. Die Regelgüte Q kann z.B. über die Auswertung der quadratischen Abweichungen der Regeldifferenzen ermittelt werden, wobei gilt:
Q = J (dt/dtstat-dt/dt ) 2+ ( ßstat- ß ) 2+ ( δstat-δ ) 2/dt ( 4 )
Wenn die Trajektorie 13 als wegabhängige Funktion κ(x) berechnet wird, fährt der Trajektorien-Folgeregler 15 diese Funktion bis zu einer definierten Wegstrecke xend a.b. Die Strecke xend kann z. B. der in einem Rechenzyklus zurückgelegte Weg sein oder z. B. von der Vorausschauweite des FahrspurerkennungsSystems 12 oder der Geschwindigkeit v des Fahrzeugs 11 abhängen und sollte die Vorausschauweite des Fahrspurerkennungssystems 12 nicht überschreiten. Nach dem Abfahren der Wegstrecke xend wird dann eine neue Trajektorieninformation K auf Basis des geänderten Fahrspurverlaufs ermittelt.
Bei Verwendung eines festen (wegunabhängigen) Krümmungswerts K, wird die Trajektorieninformation K vorzugsweise in kürzeren vorgegebenen Zeitabständen berechnet.
Bezugszeichenliste
1 Lenkung
2 Lenkrad
3 Lenksteiler mit LKS-Algorithmus
4 Riemen 5 Lenkstange
6 Lenkübersetzung
7 Vorderrad
8 Spurstange
9 Fahrspurmarkierung 10 Fahrbahn
11 Fahrzeug
12 Fahrspurerkennungssystem
13 Trajektorie
14 Einrichtung zur Trajektorienbestimmung 15 Trajektorien-Folgeregler
16 Regelkreis
17 Regelalgorithmus 18,19,20 Subtrahierknoten κ(x) Trajektorienkrümmung δ Radwinkel δL Lenkradwinkel ß Schwimmwinkel df/dt Gierrate