Elektrisch leitfähige Decklacke
Gegenstand der vorliegenden Erfindung sind Lacke auf Polymerbasis, die insbesondere zur Beschichtung von Kunststoffoberflächen dienen.
Bei der Berührung von elektrisch ungeladenen Stoffen mit unterschiedlichen Di- elektrizitätskonstanten wandern Elektronen aus dem einem in den anderen Stoff. Bei einer raschen Trennung der beiden Stoffe bleibt die so erhaltene Ladungsverschiebung erhalten und kann zur Ausbildung hoher elektrostatischer Potentiale führen. Dieses Phänomen ist oftmals bei den Kunststoffen zu beobachten, die sich aufgrund ihrer isolierenden Eigenschaften relativ leicht elektrostatisch aufladen können. Die plötzliche Entladung von solch elektrostatisch aufgeladenen Kunststoffen kann in bestimmten Fällen zu einer Gefahrenquelle werden. Es ist daher allgemein üblich, in den Fällen, in denen elektrostatisch aufgeladene Kunststoffe eine Gefahrenquelle darstellen können, eine sogenannte antistatische Ausstattung der Kunststoffoberflächen vorzusehen, um elektrostatische Aufladungen kontrolliert abfließen lassen und somit die Gefahr plötzlicher Entladungen wirksam verhindern zu können.
Die isolierenden Eigenschaften von Kunststoffen bringen bei der Verwendung nicht selten auch andere Nachteile mit sich. Aufgrund ihrer isolierenden Eigenschaften ist es beispielsweise nicht möglich, sie ohne weiteres durch die sogenannte elektrostatische Beschichtung zu lackieren. Dies wirkt sich insbesondere dann nachteilig aus, wenn isolierende Kunststoffe zusammen mit elektrisch leitfähigen Materialien kombiniert und gemeinsam in einem Arbeitsgang elektrostatisch lackiert werden sollen; ein Vorgang, wie er in der Automobilindustrie und deren Zulieferer, in der beispielsweise Kunststoffstoßfänger mit metallischen Karosserieteilen verbunden sind, durchaus üblich ist. Um die Technik der elektrostatischen Lackierung jedoch nutzen zu können, war daher bisher die Behandlung der Kunststoffoberflächen mit einer schwarzen bzw. dunkelgrauen, elektrisch leitfähigen Grundierung Voraussetzung. So ausgestattete Kunststoffoberflächen konnten dann mit dem eigentlichen Decklack elektrostatisch überlackiert werden.
Aufgabe der vorliegenden Erfindung war es daher, Lacke bereitzustellen, die die bei der Lackierung von Kunststoffoberflächen auftretenden Nachteile beseitigen. Eine weitere Aufgabe der vorliegenden Erfindung bestand darin, Decklacke antistatisch auszurüsten, um auf die elektrisch leitfähige Grundierung verzichten zu können.
Die erfindungsgemäßen Lacke sollen außerdem den Anforderungen hinsichtlich mechanischer und optischer Eigenschaften, Korrosionsschutz und Wetterbeständigkeit genügen.
Erfindungsgemäß gelöst wurde die Aufgabe durch die Merkmale des Hauptanspruchs. Vorzugsweise Ausgestaltungen sind in den Unteransprüchen charakterisiert.
Die Erfindung sieht vor, an sich bekannte Lacke durch den Zusatz von geeigneten Zusatzstoffen antistatisch auszurüsten. Zu den erfindungsgemäß einzusetzenden Zusatzstoffen zählen Leitfähigkeitsruße, Metallpulver, leitfähig beschichtete Glimmerplättchen, feinteiliges oberflächenbehandeltes und -unbehandeltes SnO2, halbleiterdotiertes TiO2, halbleiterdotiertes BaSO und eine Reihe organischer Additive.
Durch die erfindungsgemäße Lösung werden in den Lack genügend leitfähige Partikel eingebracht, die in der Lackmatrix ein Netzwerk elektrisch leitfähiger Pfade ausbilden, über die gezielt elektrische Ladungen abfließen können (Perkolationstheorie). Die für die antistatische Ausrüstung erforderliche Menge der leitfähigen Partikel in der Polymermatrix des Lackes und die daraus resultierende Leitfähigkeit des Gesamtsystems wird durch die Perkolationstheorie bestimmt.
In einer vorzugsweisen Ausgestaltung ist die Kombination mit geeigneten anderen, nicht leitfähigen Füllstoffen/Pigmenten vorgesehen. Durch diese Maßnahme wird der sogenannte Extendereffekt ausgenutzt, ohne daß Einbußen in der Leitfähigkeit des Gesamtsystems resultieren. Dieser Extendereffekt macht es möglich, die an sich notwendige Menge an leitfähigen Zusatzstoffen zu reduzieren. Ein das Kriterium für antistatische Beschichtungen erfüllender Oberflächenwiderstand von 102 bis 109 Ohm bildet sich üblicherweise bei einer Pigmentierung mit den leitfähigen Zusatzstoffen
und/oder den nicht leitfähigen Füllstoffen/Pigmenten von 5 - 35% PVK (Pigment- Volumen-Konzentration) aus.
Durch die geeignete Wahl und Kombination der einzelnen nichtleitenden Füllstoffe/Pigmente und der elektrisch leitenden Zusatzstoffe kann praktisch jeder Lack auf Polymerbasis antistatisch ausgestattet werden. Damit kann erfindungsgemäß für jede beliebige dekorative Gestaltung ein geeigneter Lack formuliert werden.
Zur Optimierung der erfindungsgemäßen Lacke kann in bestimmten Fällen die kontrollierte Flockung mit thermodynamisch ungünstigeren Lösungsmitteln oder mit, dem Fachmann an sich bekannten, geeigneten Additiven vorgesehen werden. Ein geringerer Füllgrad führt in den meisten Fällen, unter Einhaltung der gewünschten antistatischen Eigenschaft, zu Verbesserungen in allen oben genannten Kriterien.
Um die Leistungsfähigkeit der elektrisch leitfähigen Zusatzstoffe zu gewährleisten, ist eine ausreichende Dispergierung sowohl der elektrisch leitfähigen Zusatzstoffe als auch der nicht leitfähigen Füllstoffe/Pigmente notwendig; wie diese zu erzielen ist, ist dem Fachmann an sich bekannt.
Die Zugabe von 0,05 - 20,0 % PVK transparentem TiO2 auf Basis Rutil mit einer Kristallitgröße von 5 - 50 nm bewirkt winkelunabhängige (Farbtoneffekte) und winkelabhängige (Frosteffekt) Veränderungen. Gleichzeitig konnte durch diese Zugabe von transparentem TiO2 eine besondere Stabilität gegen UV-A- und UV-B- Strahlung erzielt werden.
Die einzusetzenden TiO2-Teilchen können zusätzlich auch eine anorganische Dotierung aufweisen. Die Dotierung der TiO2-Teilchen mit Aluminiumoxid oder Zirkoniumoxid verändert dabei in vorteilhafter Weise die Wetterbeständigkeit des erfindungsgemäßen Lackes, Um die Benetzbarkeit und die damit verbundene Dispergierbarkeit der TiO2-Teilchen weiter zu verbessern, kann erfindungsgemäß eine organische Nachbehandlung vorgesehen werden.
Weiterhin können die auf wasserverdünnbaren oder lösemittelhaltigen Bindemitteln wie z. B. Polyester-, Alkyd-, Akryl-, Epoxidharzen basierenden erfindungsgemäßen
Lacke vorzugsweise ausgestattet sein mit farbgebenden Pigmenten (z. B. TiO2, organische und anorganische Buntpigmente), mit Effektpigmenten (z. B. Perlglanzpigmente) oder weiteren Füllstoffen wie z. B. BaSO . Die Auswahlkriterien richten sich nach den in der späteren Anwendung geforderten Eigenschaften. Die Härtung der Lacksysteme ist vorgegeben durch die Wahl des Harzes und der eingesetzten Zusatzstoffe. Eine Härtung durch UV- oder EB-Strahlung kann ebenfalls bei geeigneter Auswahl der Zusatzstoffe erfolgreich durchgeführt werden. Zur Optimierung der Lackrezepturen hinsichtlich mechanischer oder optischer Eigenschaften, zur Verbesserung der Rheologie, etc. können üblicherweise eingesetzte Additive auch in den der Erfindung zugrundeliegenden Formulierungen verwendet werden. Bei der Auswahl der Zusatzstoffe ist lediglich darauf zu achten, daß das Netzwerk elektrisch leitfähiger Pfade nicht unterbrochen wird, denn hierdurch würde der Oberflächenwiderstand des Lacks wieder drastisch angehoben (Perkolationstheorie).
Hergestellt werden können die erfindungsgemäßen Lacke nach an sich bekannten Verfahren.
Von besonderem Vorteil ist, daß durch die erfindungsgemäße Lösung bei der Behandlung von Kunststoffoberflächen ein Arbeitsgang entfallen kann, wodurch einerseits erhebliche Kosten eingespart werden, andererseits auch Fehlerquellen im Prozeß ausgeschlossen werden. Des weiteren entlastet die erfindungsgemäße Lösung auch die Umwelt, da durch den Verzicht des Leitprimers (elektrostatische Grundierung) die üblicherweise eingesetzten Lösungsmittel entfallen.
Um die Eignung der erfindungsgemäß zusammengesetzten Lacke zu demonstrieren wurden silberne, grüne und rote Metallic-Lacke auf Basis Celluloseaceto- butyrat/Polyester/Melaminharz jeweils mit einem transparenten, elektrisch leitfähigen BaSO antistatisch ausgerüstet. Beispielhaft genannt sei die Rezeptur für den erfindungsgemäß zusammengesetzten silbernen Metallic-Lack:
Celluloseacetobutyrat (15%ig) 32,0 Gew.-%
Polyester (65%ig) 16,0 Gew.-%
Melaminharz 5,5 Gew.-%
Aluminiumpigment 2,4 Gew.-% leitfähiges BaSO4 16,1 Gew.-%
Lösungsmittel und Lackhilfsstoffe 28,0 Gew.-%
Elektrisch leitfähiges BaSO4 ist an sich aus der EP-A- 0 459 552 bekannt. Es besteht im Prinzip aus BaSO4-Teilchen, die von einer Schicht aus mit Sb2O3 dotiertem SnO2 umhüllt sind. Verwendet werden kann beispielsweise Sacon P 401. Die mit diesen erfindungsgemäßen Metallic-Lacken behandelten Kunststoffoberflächen wurden zunächst rein visuell begutachtet. Es konnten keine signifikanten Unterschiede zu mit bekannten Metallic-Lacken behandelten Kunststoffoberflächen festgestellt werden. Daraufhin wurden die Lacke mit einem Spektralphotometer bei D65/100 vermessen. Auch hier zeigten sich nur geringe Unterschiede in den farbmetrischen Daten. Die Delt E-Werte lagen im Maximum bei 1 ,30.
Ein weiteres Beispiel für einen erfindungsgemäßen Lack ist die nachfolgende Formulierung eines hellgrauen elektrisch leitfähigen Basecoats auf Basis Poly- ester/Melaminharz.
Dynapol H 703 26,7 Gew.-%
Maprenal MF 650 7,9 Gew.-% leitfähiges BaSO4 29,4 Gew.-%
Hombitan R 522 11 ,0 Gew.-%
Xylol/MPA 2/1 21 ,0 Gew.-%
Modaflow (5%ig in 4,0 Gew.-% Solvesso 100)
Oberflächenwiderstand 104 Ohm
Eine weitere vorteilhafte Ausgestaltung der Erfindung sieht die sogenannte kontrollierte Flockung vor. Durch eine geeignete Auswahl spezieller Additive und für das
System thermodynamisch ungünstiger Lösungsmittel kann diese kontrollierte Flockung erzeugt werden. Auch dabei geht die antistatische Eigenschaft des erfindungsgemäßen Lackes nicht verloren. Beispielhaft hierzu sind Untersuchungen in Polyester-, Akrylat- und Epoxidharzsystemen durchgeführt worden.
a) Akrylatsystem
b) Polyesterharzsystem